08.07.2011 · IWW-Abrufnummer 112273
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 15.02.2011 – 5 K 5162/10
Die private Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Pkw ist bei der Berechnung des Umsatzes nach § 19 Abs. 1 S. 2 UStG 2005 nicht zu berücksichtigen. Dies folgt aus der Nichtsteuerbarkeit der nichtunternehmerischen Verwendung in Folge fehlenden Vorsteuerabzugsrechts.
FG Berlin-Brandenburg v. 15.02.2011
5 K 5162/10
Tatbestand:
Die Klägerin betreibt seit Ende 2002 eine Hausverwaltung. Bis einschließlich 2006 wurde Umsatzsteuer gemäß der Regelung des § 19 Umsatzsteuergesetz – UStG – über die Besteuerung der Kleinunternehmer nicht erhoben. Mit Bescheid vom …2008 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer für 2007 fest mit der Begründung, die Klägerin habe in 2006 den für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung maßgeblichen Umsatz überschritten. Bei der Errechnung dieses Umsatzes sei die im Wege der 1 %-Regelung ermittelte private Nutzung des im Jahr 2004 angeschafften betrieblichen Pkw zu berücksichtigen.
Der hiergegen eingelegte Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Pkw-Eigenverbrauch nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG in die Ermittlung des Gesamtumsatzes nicht einzubeziehen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2007 vom …2008 und die Einspruchsentscheidung vom …2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, zum Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 3 UStG zählten alle steuerbaren Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, somit auch die den Lieferungen und sonstigen Leistungen gleichgestellten unentgeltlichen Wertabgaben.
Die private Nutzung des betrieblichen PKW sei kein Umsatz von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, um den der Gesamtumsatz gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG zu kürzen sei. Die Kürzung bezwecke, unregelmäßige Einzelumsätze, die die Umsatzstärke eines Unternehmens verfälschen könnten, auszusondern. Die private Kfz-Nutzung sei hingegen ein regelmäßig wiederkehrender Umsatz des laufenden Geschäftsbetriebs und daher bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes zu berücksichtigen.
Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Verfahrensakte jeweils ein Band Umsatzsteuerakten, Akten mit Bilanzen und mit BNV-Berichten sowie eine Heftung „Rechtsbehelfs-Vorgang” vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Die private Kfz-Nutzung ist bei der Ermittlung des Umsatzes im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) nicht zu berücksichtigen.
Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG wird die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 EUR nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 EUR voraussichtlich nicht übersteigen wird. Umsatz ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (§ 19 Abs. 1 Satz 2 UStG). Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sind die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt wird u. a. die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für außerhalb des Unternehmens liegende Zwecke (§ 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG).
Die Frage, ob die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten PKW gemäß § 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG bei der Berechnung des Umsatzes nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG zu berücksichtigen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Während einerseits unter Hinweis auf die fehlende Vorsteuerabzugsfähigkeit des Kleinunternehmers (§ 19 Abs. 1 Satz 4 UStG) die Steuerbarkeit derartiger unentgeltlicher Wertabgaben verneint wird (vgl. Widmann in Plückebaum/Malitzky, UStG, 158. Lieferung Oktober 2003, § 19 Rz. 10/1), sind diese nach anderer Auffassung bei der Berechnung des Gesamtumsatzes zu berücksichtigen, wenn die Nichtentlastung von Vorsteuer lediglich darauf beruht, dass die Kleinunternehmereigenschaft den Vorsteuerabzug ausschließt (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/ Geist, UStG 141. Lieferung Januar 2010, § 19 Rz.).
Der Senat schließt sich der erstgenannten Rechtsauffassung an. Hierfür spricht zunächst die Definition der unentgeltlichen Wertabgabe in § 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG. Diese setzt voraus, dass der dem Unternehmen zugeordnete Gegenstand, der für nichtunternehmerische Zwecke verwendet wird, zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Die Vorsteuerabzugsberechtigung ist somit Tatbestandsvoraussetzung einer unentgeltlichen Wertabgabe mit der Folge, dass bei fehlendem Vorsteuerabzugsrecht keine sonstige Leistung im Sinne des § 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG vorliegt (so auch Leonard in Bunjes/Geist, UStG 9. Auflage § 3 Rz. 263), die nichtunternehmerische Verwendung somit nicht steuerbar ist.
Den hiergegen erhobenen Einwand, dass die Vorsteuerabzugsfähigkeit allein an der Kleinunternehmereigenschaft des Steuerpflichtigen scheitert, diese aber wiederum Voraussetzung für die Versagung des Vorsteuerabzugs ist, hält der Senat jedenfalls im Streitfall für nicht überzeugend. Denn die Klägerin war bereits seit 2002 anerkannte Kleinunternehmerin und der PKW befand sich seit 2004 in ihrem Betriebsvermögen. Die Frage der Berechtigung zum Vorsteuerabzug stellte sich also nicht erstmals in dem für diese Beurteilung maßgebenden Veranlagungszeitraum 2006, sondern bereits ab 2004, so dass die von der Gegenmeinung angeführte gegenseitige Bedingtheit von Vorsteuerabzugsrecht einerseits und Kleinunternehmereigenschaft andererseits insoweit nicht vorliegt. Ob dies anders zu beurteilen ist, wenn die Klägerin bis zum Jahr 2006 nicht Kleinunternehmerin gewesen und der PKW erst in 2006 angeschafft worden wäre, ist hier nicht zu entscheiden.
Diese Beurteilung wird auch von dem Wortlaut des § 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG („… Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, …) gestützt, der allein darauf abstellt, dass eine Vorsteuerabzugsberechtigung bestanden hat. Auf die Gründe, warum eine solche nicht bestanden hat, kommt es nicht an.
Die weitere Frage, ob – die Steuerbarkeit der Kfz-Nutzung unterstellt – der Gesamtumsatz gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG wiederum um den Wert der Nutzungsentnahme zu kürzen ist, stellt sich unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Senats nicht mehr.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war zuzulassen, da – soweit ersichtlich – zu der entscheidungserheblichen Rechtsfrage weder finanzgerichtliche noch höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen ist und die Klärung dieser Rechtsfrage allgemeine Bedeutung hat.