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  • 02.11.2011 · IWW-Abrufnummer 113585

    Landessozialgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 15.09.2011 – L 5 KA 7/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    L 5 KA 7/11
    LANDESSOZIALGERICHT RHEINLAND-PFALZ
    IM NAMEN DES VOLKES
    URTEIL
    In dem Rechtsstreit XXX
    hat der 5. Senat des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz in Mainz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. September 2011 durch
    XXX
    für Recht erkannt:
    1. Auf die Berufung der Beigeladenen zu 2 wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 30.9.2009 geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
    2. Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten der Beigeladenen nicht zu erstatten.
    3. Die Revision wird zugelassen.
    Tatbestand
    Umstritten ist noch die Rechtmäßigkeit eines Arzneimittelregresses hinsichtlich des Quartals II/2001 (in Höhe von 6.430,17 €).
    Die Klägerin ist eine aus zwei Ärzten bestehende Gemeinschaftspraxis. Die statistischen Daten bezüglich des og Quartals stellen sich wie folgt dar:
    Arzneikostendurchschnitt Arzt / Arzneikostendurchschnitt Fachgruppe / Abweichung %
    DM/Fall / DM/Fall
    M / 145,16 / 102,13 / + 42
    F / 104,47 / 65,52 / + 59
    R / 543,28 / 299,54 / + 81
    Gesamt / 249,16 / 151,04 / + 65
    nach Gewichtung / - / 150,15 / + 66

    Der Prüfungsausschuss verhängte gegen die Klägerin mit Bescheid vom 15.11.2005 (der Klägerin per Einschreiben/Rückschein zugestellt am 16.11.2005) wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Arzneimitteln im Quartal II/2001 einen Honorarregress in Höhe von 8.998,09 €. Durch Bescheide vom 8.12.2006 ordnete er für die Quartale IV/2002 und I IV/2003 Regresse an. Zur Begründung ihrer hiergegen eingelegten Widersprüche machte die Klägerin ua für einzelne Behandlungsfälle einen außerordentlichen Arzneimittelbedarf geltend. Der Beklagte setzte mit Bescheiden vom 2.7.2007 den Regress für das Quartal II/2001 auf 6.430,17 € und für das Quartal IV/2003 auf 765,47 € fest; im Übrigen gab er den Widersprüchen der Klägerin statt. Zur Begründung führte er ua aus: Die Fallzahl der Klägerin habe in den geprüften Quartalen zwischen 33 und 39 vH unter dem Durchschnitt der Fachgruppe gelegen. Der Rentneranteil sei meistens überdurchschnittlich gewesen. Die Ärzte der Klägerin hätten sich bereits 1986 bzw 1996 niedergelassen, weshalb anzunehmen sei, dass sie überwiegend ihnen bekannte Patienten behandelten. Es handele sich im Wesentlichen um einen mit dem Durchschnitt der Fachgruppe vergleichbaren Patientenstamm mit für allgemeinärztliche Praxen typischen Erkrankungen. In den Quartalen II/2001 und IV/2003 sei jeweils ein fachgebietsuntypischer Behandlungsfall mit hohem Arzneimittelbedarf als Praxisbesonderheit herauszurechnen. Die übrigen von der Klägerin angeführten Fälle seien nicht als Praxisbesonderheit berücksichtigungsfähig, da vergleichbare Fälle in allgemeinärztlichen Praxen normalerweise ebenso häufig wie bei der Klägerin vorkämen. Nach Gewichtung des Rentneranteils und Herausrechnung der beiden fachgebietsuntypischen Behandlungsfälle verbleibe eine Abweichung gegenüber dem Durchschnitt der Fachgruppe im Quartal II/2001 von 63 vH (gewichtet) und im Quartal IV/2003 von 52 vH (gewichtet). Die Überschreitung liege im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses. Auffällig sei die häufige Verordnung von Originalpräparaten und vereinzelt von Medikamenten aus kritisch zu bewertenden Indikationsgruppen sowie die gleichzeitige Verordnung von Analgetika/Antirheumatika topisch (lokal) und systemisch. Die verordneten Mengen seien zum Teil auffällig hoch. Mineralstoffpräparate seien verordnet worden, ohne dass die in den Arzneimittelrichtlinien dafür bestimmten Voraussetzungen erfüllt seien. Kompensatorische Einsparungen seien weder dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Die Klägerin werde hinsichtlich des den Fachgruppendurchschnitt um mehr als 50 vH überschreitenden Betrages in Regress genommen.
    Die Klägerin hat ihr Begehren mit ihrer am 16.7.2007 erhobenen Klage weiterverfolgt und erstinstanzlich vorgetragen: Zu beanstanden sei, dass sie vor der Festsetzung des Regresses nicht beraten worden sei. Sie sei nicht mit dem Durchschnitt der allgemeinärztlichen Praxen der früheren Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Pfalz vergleichbar, da die Zahl ihrer Behandlungsfälle mit 320 bzw 360 pro Quartal und Arzt erheblich unterdurchschnittlich gewesen sei. Zudem habe sie einen um 25 bis 30 vH höheren Anteil an chronisch kranken Patienten. Überwiegend behandele sie Patienten mit Erkrankungen auf dem orthopädischen Fachgebiet, insbesondere vor und nach großen Gelenkersatzoperationen oder mit komplexen Frakturen. Auch erbringe sie das gesamte Spektrum der konservativen Traumatologie und Orthopädie. Der Beklagte habe die bei ihr vorliegenden Praxisbesonderheiten nicht ausreichend berücksichtigt.
    Durch Urteil vom 30.9.2009 hat das Sozialgericht (SG) Mainz den angefochtenen Bescheid des Beklagten hinsichtlich des Regresses für das Quartal II/2001 aufgehoben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es dargelegt: Der angegriffene Bescheid sei hinsichtlich des Regresses für das Quartal II/2001 aufzuheben, da er erst nach Ablauf von vier Jahren nach dem Zeitpunkt des vorläufigen Honorarbescheides für dieses Quartal bekanntgegeben worden sei. Die Vierjahres-Ausschlussfrist habe mit der Bekanntgabe des vorläufigen Honorarbescheides zu laufen begonnen (Hinweis auf Bundessozialgericht BSG 16.6.1993 14a/6 RKa 37/91). Da der vorläufige Honorarbescheid für das Quartal II/2001 am 12.11.2001 zur Post gegeben worden sei, gelte er gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, also am 15.11.2001, als bekannt gegeben. Die Vierjahresfrist für den Erlass eines Prüfbescheides habe daher mit Ablauf des 15.11.2005 geendet. Da der Prüfbescheid für das Quartal II/2001 der Klägerin ausweislich des Einschreiben-Rückscheins erst am 16.11.2005, also nach Ablauf der Prüffrist, zugestellt worden sei, sei er verspätet ergangen. Hinsichtlich des Arzneimittelregresses für das Quartal IV/2003 sei die Klage unbegründet. Die Bildung der Vergleichsgruppe durch den Beklagten sei nicht zu beanstanden. Sie sei weder zu klein noch zu inhomogen für einen statistischen Fallkostenvergleich. Die Praxen der Fachgruppe behandelten im Wesentlichen Patienten mit ähnlichen fachgruppentypischen Krankheitsbildern und Leistungsspektrum. Die unterdurchschnittliche Fallzahl der Klägerin stehe einem statistischen Fallkostenvergleich mit der Vergleichsgruppe der Allgemeinärzte der früheren KÄV Pfalz nicht entgegen, weil die Fallzahl der Klägerin nicht weniger als 20 vH derjenigen des Durchschnitts der Fachkollegen betragen habe. Der Beklagte habe fehlerfrei festgestellt, dass die Verordnungskosten der Klägerin je Fall nach den Ergebnissen der statistischen Prüfung in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den durchschnittlichen Kosten der Vergleichsgruppe stünden. Die ergänzende intellektuelle Prüfung durch den Beklagten sei nicht zu beanstanden. Der Regress habe ohne vorherige Beratung festgesetzt werden dürfen (Hinweis auf Bundessozialgericht BSG 6.5.2009 B 6 KA 3/08 R).
    Gegen dieses ihr am 19.11.2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 30.11.2009 eingelegte Berufung der Beigeladenen zu 2 (AOK). Die Klägerin hat die von ihr gegen das Urteil des SG eingelegte Anschlussberufung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen.
    Die Beigeladene zu 2 und der Beklagte tragen vor: Das SG habe der Klage hinsichtlich des Quartals II/2001 zu Unrecht stattgegeben. Denn die vierjährige Ausschlussfrist für die Durchführung des Regressverfahrens sei eingehalten gewesen. Diese Frist habe zwar hinsichtlich des Quartals II/2001 am 1.7.2001 begonnen (Hinweis auf BSG 18.8.2010 B 6 KA 14/09 R). Sie sei jedoch im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides des Prüfungsausschusses vom 15.11.2005 nicht abgelaufen gewesen, weil der Fristablauf zwischenzeitlich gehemmt gewesen sei. Zwar hätten die beteiligten Krankenkassenverbände vorliegend keinen ausdrücklichen Prüfantrag gestellt, der für den Eintritt der Hemmung ausgereicht hätte (Hinweis auf BSG aaO). Die Krankenkassen und die Beigeladene zu 1 seien indes an der Einleitung des Prüfverfahrens nicht unbeteiligt gewesen. Am 16.5.2002 habe ein Gespräch der Vertragspartner stattgefunden, in welchem sich diese darauf geeinigt hätten, bei welchen Vertragsärzten sie die Einleitung eines Prüfverfahrens wünschten; zu diesen habe auch die Klägerin gehört. Diesem Wunsch der Vertragspartner entsprechend habe der Beklagte das Prüfungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet. Bei der protokollierten Auswahlliste habe es sich um gemeinschaftliche öffentlich-rechtliche Willenserklärungen der Vertragspartner gehandelt, welche der Prüfungsausschuss bei der von Amts wegen erfolgten Einleitung des Verfahrens berücksichtigt habe; der Prüfungsausschuss habe die Klägerin auch über die Einleitung des Prüfverfahrens informiert. Unter Vertrauensgesichtspunkten sei die Kenntnis einer von Amts wegen erfolgten Einleitung eines Prüfverfahrens der Kenntnis eines Prüfantrags gleichzustellen. Ein Prüfantrag sei im Übrigen auch noch nach der Abschaffung des zwingenden Antragserfordernisses durch die mit Wirkung ab dem 1.1.2000 erfolgte Änderung des § 106 Abs 5 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) möglich. Die öffentlich-rechtlichen Willenserklärungen der Vertragspartner seien als solcher Antrag zu werten.
    Die Beigeladene zu 2 und der Beklagte beantragen,
    das Urteil des SG Mainz vom 30.9.2009 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
    Die Klägerin beantragt,
    die Berufung der Beigeladenen zu 2 zurückzuweisen.,
    hilfsweise, die Revision zuzulassen.
    Sie trägt vor: Das angefochtene Urteil sei hinsichtlich des Quartals II/2001 zutreffend. Ohne Prüfantrag habe eine Hemmung der Ausschlussfrist nicht eintreten können. Die Information des Vertragsarztes über ein von Amts wegen eingeleitetes Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren reiche hierfür nicht aus. Die gegenteilige Auffassung würde dem Rechtsstaatsgebot und dem Grundsatz der Rechtssicherheit zuwiderlaufen, weil die Prüfungseinrichtung sonst kraft eigener Hoheit den Lauf und die Dauer einer gesetzlichen Frist willkürlich beeinflussen könnte. Der Bescheid des Beklagten sei aber hinsichtlich des Quartals II/2001 auch unabhängig davon rechtswidrig. Zu Unrecht seien der Beklagte und das SG von einem offensichtlichen Missverhältnis der Überschreitung der Arzneimittelverordnungen im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt ausgegangen. Insoweit sei zu beachten, dass das BSG die Revision gegen das Urteil des Senats vom 31.8.2010 (L 5 KA 63/09) zugelassen habe. Die im dortigen Verfahren zu entscheidenden Rechtsfragen seien auch im vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung. Im Zusammenhang mit Heilmittelregressen habe sie, die Klägerin, dem Beklagten ein Schreiben des Klinikums L vom 17.3.2006 vorgelegt, worin ihr eine im Vergleich zur Fachgruppe überdurchschnittlich hohe Patientenzahl mit schweren rheumatischen Systemerkrankungen attestiert worden sei. Der Beklagte hätte aus der Gesamtschau der ihm bekannten Umstände im Zusammenhang mit weiteren ihm bekannten Tatsachen (weit unterdurchschnittliche Fallzahl im Verhältnis zur Vergleichsgruppe; deshalb zwingende Mitberücksichtigung von in hohem Maße fehlenden "Verdünnerfällen"; weit überdurchschnittliches Aufkommen chronisch kranker Patienten) zwingend in eine intellektuelle medizinische Prüfung einsteigen müssen, mit der ihre (der Klägerin) spezifische Praxis- und Therapieausrichtung hätte ergründet und sachgerecht ausgewertet werden können.
    Die Beigeladene zu 1 (KÄV) schließt sich dem Antrag der Klägerin an und trägt ergänzend vor: Der Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist sei vorliegend nicht gehemmt worden. Die Ausschlussfrist solle den Prüfungsausschuss anhalten, die Prüfung innerhalb angemessener Frist durchzuführen und abzuschließen. Vor diesem Hintergrund könne es nicht in das Belieben des Prüfungsausschusses gestellt sein, durch eine Mitteilung, dass er das Verfahren eingeleitet habe, diese Frist zu verlängern. Zu beachten sei, dass der Gesetzgeber in § 106 Abs 2 Satz 2 SGB V eine zweijährige Frist für den Abschluss eines Richtgrößen-Prüfverfahrens festgesetzt habe. In der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift sei festgehalten, dass Zeiträume von mehr als zwei Jahren zwischen dem geprüften Verordnungszeitraum und dem Abschluss der Prüfung für die Betroffenen unzumutbar seien. Mit dieser Intention des Gesetzgebers wäre es schwerlich zu vereinbaren, wenn der Prüfungsausschuss allein durch die Mitteilung der EInleitung des Verfahrens an den Vertragsarzt die für ihn bestehende Ausschlussfrist verlängern könnte.
    Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
    Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.
    Entscheidungsgründe
    Die Berufung der Beigeladenen zu 2 ist zulässig (§§ 143 ff, 151 Sozialgerichtsgesetz SGG ) und begründet. Der Bescheid des Beklagten für das Quartal II/2001 ist rechtmäßig; das Urteil des SG ist daher abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
    Das SG hat der Klage zu Unrecht deshalb stattgegeben, weil die für Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren (außerhalb von Richtgrößenprüfungen) geltende vierjährige Ausschlussfrist für das Quartal II/2001 abgelaufen sei. Eine solche Frist gilt auch für Regresse wegen Arzneimittelverordnungen (BSG 5.5.2010 B 6 KA 5/09 R, juris). Die Frist hat, worüber zwischen den Beteiligten kein Streit mehr besteht, am 1.7.2001 (Tag nach Ende des geprüften Verordnungszeitraums; vgl BSG 18.8.2010 B 6 KA 14/09 R, juris) begonnen. Sie war jedoch im Zeitpunkt des Erlasses des Prüfbescheides des Prüfungsausschusses nicht abgelaufen. Denn der Fristablauf war wegen des gestellten Prüfantrags gehemmt, nachdem die Klägerin die Mitteilung (Schreiben vom 6.6.2002) über die Einleitung des Prüfverfahrens durch den Prüfungsausschuss erhalten hatte (vgl BSG 18.8.2010 aaO). Die Übersendung des Protokolls über das Auswahlgespräch am 16.5.2002 an den Prüfungsausschuss stellte eine konkludente Antragstellung auf eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verordnungsweise der betroffenen Ärzte, ua der Ärzte der Klägerin, dar. Dem Umstand, dass es seit der Änderung des § 106 Abs 5 Satz 1 SGB V durch das Gesetz vom 22.12.1999 (BGBl I 2626) mit Wirkung ab dem 1.1.2000 für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Arzneimitteln im Wege einer statistischen Vergleichsprüfung keines förmlichen Antrags mehr bedarf, kommt im vorliegenden Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zu. Ebenso wie der Ablauf der Verjährungsfrist für den Anspruch auf eine Sozialleistung durch den Antrag eines Versicherten auch dann gemäß § 45 Abs 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) gehemmt wird, wenn die Sozialleistung von Amts wegen gewährt wird (vgl Wagner in jurisPK-SGB I, § 45 Rn 43), ist es auch im vorliegenden Zusammenhang unschädlich, dass der Antrag nicht zwingende Voraussetzung des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens ist. Dem Schutzbedürfnis des Vertragsarztes wird dadurch Rechnung getragen, dass die Hemmung erst eintritt, nachdem ihm die Einleitung des Prüfverfahrens bekanntgegeben wurde. Diese rechtliche Beurteilung trägt dem Rechtsstaatsgebot und dem Grundsatz der Rechtssicherheit Rechnung. Aus der Festlegung einer lediglich zweijährigen Prüfungsfrist nach Ende des geprüften Verordnungszeitraums für Auffälligkeitsprüfungen nach § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V in § 106 Abs 2 Satz 2 2. Halbsatz SGB V kann für die vorliegende Fallkonstellation ebenso wenig etwas hergeleitet werden wie aus der Gesetzesbegründung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (BT-Drucksache 16/3100 S 136).
    Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist hinsichtlich der Festsetzung eines Regresses für das Quartal II/2001 auch in der Sache rechtmäßig. Insoweit verweist der Senat auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs 2 SGG), die das Quartal IV/2003 betreffen, aber der Senat für das Quartal II/2001 entsprechend heranzieht, wobei er Folgendes ergänzt:
    Der Beklagte hat die von der Klägerin angegebenen, nach deren Auffassung atypischen Fälle geprüft und für das Quartal II/2001 einen Behandlungsfall als Praxisbesonderheit in Abzug gebracht. Er hat es zu Recht abgelehnt, weitere Gesichtspunkte als Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen. Im Rahmen einer Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordungsweise sind Praxisbesonderheiten nur solche aus der Zusammensetzung der Patienten herrührenden Umstände, die sich auf das Verordnungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe typischerweise nicht oder nicht in derselben Häufigkeit auftreten (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 Rn 357). Dabei haben die Prüfinstanzen der Frage, ob eine Praxisbesonderheit vorliegt, nur nachzugehen, wenn ihnen vor ihrer Entscheidung Anhaltspunkte hierfür vorliegen; insoweit trägt der Vertragsarzt eine Darlegungslast (vgl Engelhard aaO Rn 378). Die Klägerin hat vorliegend in den Verfahren des Prüfungsausschusses und des Beklagten keinen orthopädisch-chirurgischen Praxisschwerpunkt und auch keine besonders hohe Patientenzahl mit schweren rheumatischen Systemerkrankungen geltend gemacht. Der Hinweis der Klägerin auf die außerhalb des vorliegenden Verfahrens erfolgte Vorlage des Schreibens des Klinikums L vom 17.3.2006 führt nicht weiter. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb der Beklagte aus diesem Schreiben entnehmen musste, dass sich die in diesem bestätigte hohe Patientenzahl mit schweren rheumatischen Systemerkrankungen nachteilig auf das Verschreibungsverhalten (in den streitbefangenen Quartalen) ausgewirkt haben könnte.
    Ohne Erfolg macht die Klägerin auch eine Praxisbesonderheit wegen eines überdurchschnittlichen Aufkommens chronisch kranker und deshalb kostenintensiver Patienten geltend. Der Beklagte ist bei der Prüfung der von der Klägerin im einzelnen aufgeführten Patienten zu dem Ergebnis gelangt, dass in dem Quartal II/2001 außer der als entlastend berücksichtigten Patientin P.B. keine atypisch teuren Fälle ersichtlich seien. Dafür, dass die Ärzte der Klägerin durchschnittlich wesentlich häufiger chronisch kranke Patienten mit deutlich höherem Arzneimittelbedarf behandelt haben als der Durchschnitt der Fachgruppe, hatte die Klägerin in den Verfahren des Prüfungsausschusses und des Beklagten nichts Spezifisches vorgetragen, und es ist nichts dafür ersichtlich, dass beim Beklagten insoweit Kenntnisse vorlagen.
    Es ist nicht geboten, mit dem Fortgang des Rechtsstreits bis zum Abschluss des beim BSG unter dem Aktenzeichen B 6 KA 17/11 R anhängigen Revisionsverfahrens gegen das Urteil des Senats vom 31.8.2010 (L 5 KA 63/09) abzuwarten. Zwar betrifft dieses Revisionsverfahren ebenfalls die Klägerin und ua das Quartal II/2001. Im dortigen Verfahren geht es aber um spezifische Fragen der Wirtschaftlichkeitsprüfung physikalisch-medizinischer Leistungen (vgl Homepage des BSG, wo die Streitfragen wie folgt gekennzeichnet sind: 1. Darf der Beschwerdeausschuss bei der Prüfung veranlasster physikalisch-medizinischer Leistungen im Wege der statistischen Vergleichsprüfung die von den Ärzten der Vergleichsgruppe selbst erbrachten Leistungen außer Betracht lassen? 2. Müssen Einwände hinsichtlich der Nichteinbeziehung selbst erbrachter Leistungen bereits gegenüber den Prüfgremien erhoben werden?). Eines Abwartens auf die Entscheidung des BSG im Verfahren B 6 KA 17/11 R bedarf es auch nicht deshalb, weil der Beklagte auf Seite 8 des angefochtenen Bescheides aufgeführt hat: "Bei einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise ergeben sich keine entlastenden Gesichtspunkte. So werden beispielsweise die Kosten für verordnete physikalische Therapie ebenfalls deutlich erhöht ausgewiesen. Auch ansonsten zeigen sich keine kompensatorische Einsparungen, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit den hier beanstandeten überhöhten Arzneikosten zu sehen sind." Der Beklagte hat, hinsichtlich des Nichtvorliegens kompensatorischer Einsparungen nicht entscheidend auf die von ihm angenommene deutliche Erhöhung der Kosten für verordnete physikalische Therapie abgestellt, sondern darauf, dass die Klägerin ihrer Darlegungspflicht in Bezug auf kompensatorische Einsparungen nicht nachgekommen war (Seite 8 des Bescheides des Beklagen); die Klägerin hatte in den den vorliegenden Rechtsstreit betreffenden Verfahren des Prüfungsausschusses und des Beklagten keine kompensatorischen Einsparungen wegen verordneter physikalischer Therapie geltend gemacht.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm §§ 154 Abs 1, 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
    Die Revision wird zugelassen. Denn die Frage, ob die vierjährige Ausschlussfrist durch einen Prüfantrag gehemmt wird, obwohl dieser nicht mehr Voraussetzung des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens ist, ist von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
    Rechtsmittelbelehrung

    RechtsgebietSozialrecht