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  • 15.05.2012

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Gerichtsbescheid vom 10.02.2012 – 12 K 3973/08

    1. Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen setzt voraus, dass der Erwerber die Unternehmensfortführung beabsichtigt, so dass das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglicht.

    2. Die Übertragung aller wesentlicher Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand ist dabei nicht erforderlich. Der Unternehmsfortführung steht es nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert.

    3. Der Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen steht es nicht entgegen, wenn bei der Veräußerung einer Klinik die Konzession zum Betrieb der Klinik nicht auf den Käufer übergeht und keine ausdrückliche Abrede über den Verbleib der Patientenkartei getroffen wird.

    4. Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt auch dann vor, wenn der Erwerber nach einem Zeitraum von eineinhalb Jahren die übernommenen Vermögensgegenstände in eine GmbH einlegt.

    5. Einer Geschäftsveräußerung im Ganzen steht es nicht entgegen, wenn der Verkäufer das Unternehmen nach dem Verkauf in bisherigem Umfang fortführt


    Im Namen des Volkes

    Gerichtsbescheid

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 12. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg am 10. Februar 2012 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht …

    für Recht erkannt:

    1. Der Bescheid über die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2000 vom 24. Februar 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2008 wird mit der Maßgabe geändert, dass die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer um … DM gemindert wird und der Beklagte die danach festzusetzende Umsatzsteuer zu berechnen hat. Der Beklagte hat den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitzuteilen; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

    2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren war notwendig.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob die Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens als eine Geschäftsveräußerung im Sinne von § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) anzusehen ist.

    Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (künftig: GmbH). Im Kalenderjahr 2000 – dem Streitjahr – hatte ihr Unternehmen das Betreiben von Privatkliniken in den Bereichen Dermatologie, Dermatochirurgie, Venenchirurgie, Lasermedizin, plastische und ästhetische Chirurgie und Antiaging sowie das Vermieten von medizinischen Geräten und die Weiterbildung von Ärzten zum Gegenstand. Ihre Firma lautete: … GmbH. Ihr Stammkapital betrug 50.000 Euro.

    Am 19. Juli 2000 schloss die Klägerin – als beherrschte Gesellschaft – mit einer … GmbH (künftig: G-GmbH) – als herrschende Gesellschaft – einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ab. Am 2. Februar 2006 wurde in das Handelsregister eingetragen, dass die Klägerin – als übernehmender Rechtsträger – im Wege der Aufnahme mit der G-GmbH verschmolzen ist.

    Das Unternehmen der G-GmbH hatte die Errichtung und Erhaltung sowie Führung von Kliniken, Sanatorien und Tageskliniken, insbesondere zur Behandlung von Gefäßerkrankungen sowie zur Durchführung von Laseroperationen zum Gegenstand. Ihre Gesellschafter im Streitjahr waren V und der Arzt Dr. H.… (künftig: H). Von dem damaligen Stammkapital von insgesamt 250.000 DM gehörten ihnen jeweils Anteile in Höhe von 125.000 DM. V und H waren auch die – einzigen – Geschäftsführer. Am 19. Juli 2000 änderte die G-GmbH ihre Firma. Seither lautet diese „…GmbH”.

    Die G-GmbH hatte ihren Geschäftsbetreib in gemieteten Räumen auf dem Grundstück Z-Straße 1 in Y ausgeübt. Mieter waren neben der G-GmbH auch V und H. Die G-GmbH und V hatten – im Einvernehmen mit H und offenbar jeweils nur in eigenem Namen – das Mietverhältnis zum 30. September 2001 gekündigt.

    Mit am 28. Februar 2000 notariell beurkundetem Vertrag veräußerten

    die G-GmbH – zum Buchwert – an H „ihren gesamten Bestand an technischen Anlagen und Maschinen, anderen Anlagen und Betriebs- und Geschäftsausstattung, wie diese aus der (der notariellen Urkunde beigefügten) Anlage hervorgehen” und

    H an V – zu einem Kaufpreis von 1 DM – seine Geschäftsanteile an der G-GmbH.

    Außerdem vereinbarten die G-GmbH und V einerseits und H andererseits, dass „sämtliche Rechte und Pflichten aus … (dem vorstehend erwähnten) Mietverhältnis … auf … (H) übergehen und von diesem im Innenverhältnis übernommen werden”. Ferner sollte H die G-GmbH und V „von sämtlichen Ansprüchen des Vermieters” freistellen. Im Gegenzug verpflichteten sich die G-GmbH und V, „den Vermieter zu einer entsprechenden Vertragsänderung zu bewegen”.

    Ferner waren sich die Beteiligten „darüber einig, dass die Konzession zum Betrieb der … Klinik (§ 30 GewO) auf den Käufer übergeht”. Schließlich vereinbarten sie, dass H in die Rechte und Pflichten

    aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen und

    mit Ausnahme der Rechte und Pflichten aus einem „Leasingvertrag über den … Laser” auch aus allen anderen Dauerschuldverhältnissen

    eintritt.

    Die am 28. Februar 2000 notariell beurkundeten Abreden sollten ab dem 1. März 2000 gelten. Darüber hinaus sollten noch bis zum 15. Juni 2000 nutzen können

    V und die G-GmbH: die Mieträume auf eigene Rechnung, V im „Status eines Belegarztes ohne Hausabgaben” und ferner

    jeder der Vertragsparteien: „die jeweils dem anderen zustehenden OP Laser unentgeltlich”.

    Die G-GmbH überließ – gegen Entgelt – die Nutzung eines

    in der Anlage zu dem Vertrag vom 28. Februar 2000 verzeichneten „blitzlampengepumpte…(n) Farbstofflaser(s) ‚M’” und

    des in dem Vertrag vom 28. Februar 2000 erwähnten … Laser-Geräts

    jeweils für die Zeit ab dem 1. März 2000 den folgenden, offenbar jeweils in dem Gebäude B-Straße 2 in A tätigen Nutzern:

    einer … Klinik A und gleichzeitig

    einer ebenfalls aus V und einer weiteren Ärztin bestehenden Praxis.

    Zuvor – vor dem 1. März 2000 – war der „blitzlampengepumpte… Farbstofflaser” dem Arzt Dr. W. in C ebenso überlassen wie ab dem 1. Juni 2000 ein ebenfalls in der Anlage zu dem Vertrag vom 28. Februar 2000 verzeichnetes „Epilight”-Gerät („Epilight gepulstes Lichtsystem…”).

    Die G-GmbH führte ihr Unternehmen fort, und zwar weiterhin in Y, nunmehr aber unter der Anschrift R-Straße 3. Mit Schreiben vom 14. Juli 2000 teilte sie dies offenbar ihren Kunden wie folgt mit:

    „Die … Klinik Y hat eine Sommerpause eingelegt und die alten Räume in der Z-Straße 1 verlassen. Ab Herbst diesen Jahres wollen wir für Sie in der R-Straße 3 – im Zentrum der Stadt – wieder zur Verfügung stehen. Neben dem Ihnen bereits bekannten Angebot werden wir im Bereich der Lasermedizin neue und interessante Möglichkeiten bieten können, insbesondere im Bereich der …behandlung und bei der …. Das Ihnen bekannte ärztliche Personal wird auch in den neuen Räumen für Sie da sein.

    Um Ihnen den Weg zur Klinik zu erleichtern, haben wir einen zentral gelegenen Ort mit guter Verkehrsanbindung gesucht. Etwa 100 m von unserer neuen Klinik entfernt ist die …-Station …, hinter unserem Gebäudekomplex befindet sich das Parkhaus ….

    In unseren alten Räumen befindet sich jetzt die S Klinik. Die S Klinik hat ihren Schwerpunkt in der … und steht in keinem Zusammenhang mit uns …”

    Außerdem lud die G-GmbH – mit weiteren Schreiben – auf den 25. November 2000 zu einem „Tag der offenen Tür” ein. Hierbei teilte sie mit:

    „Brandneu können wir Ihnen einen von uns mitentwickelten …laser vorstellen, daneben gibt es andere interessante neue Methoden. Einer der Schwerpunkte unserer Arbeit ist seit Jahren die Entwicklung von Geräten und Methoden. Durch die Neugründungen der … Kliniken Gruppe in Q und T (Eröffnungen Anfang 2001) haben wir unseren Pool an fachärztlicher Kompetenz deutlich erweitert …”

    „Die … Klinik Y, Fachklinik für Laser- und ästhetische Medizin, hat in der R-Straße 3 ihren Betrieb wieder aufgenommen. Die ehemaligen Klinikräume befanden sich in der Z-Straße 1. Die Klinik bietet ein breites Spektrum an Lasermedizin sowie die gesamte ästhetische Medizin einschließlich plastischer Operationen…

    Neu am Konzept der … Kliniken Gruppe ist das ‚Beauty Management’. Dies umfasst die komplette Betreuung der Patienten über das gesamte Spektrum der Laser- und ästhetischen Medizin sowie zusätzlich die Langzeitbetreuung um Vorgänge des Alterns abzumildern oder beseitigen zu können. Vorbeugung ist wichtiger Teil dieses Konzepts…”

    Mit Schreiben vom 11. September 2000 stellte die G-GmbH

    den Farbstofflaser für 123.000 Schweizer Franken und

    das „Epilight”-Gerät für 100.000 Schweizer Franken

    schließlich dem …spital in O in Rechnung.

    H führte die Klinik unter der bisherigen Anschrift fort. Inzwischen betreibt unter der Anschrift Z-Straße 1 in Y eine …, Y GmbH (künftig: A-GmbH) eine Klinik. Gegenstand des Unternehmens der – mit Gesellschaftsvertrag vom 16. Januar 2001 errichteten – A – GmbH ist „der Betrieb einer Privatklinik zur stationären und ambulanten Behandlung von Patienten und die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich des Gesundheitswesens”. Zunächst

    lautete die Firma der A-GmbH: S Klinik Y GmbH,

    betrug das Stammkapital der A-GmbH: 25.000 Euro,

    war H ihr alleiniger Gesellschafter.

    Am 9. Oktober 2001 wurde das Stammkapital auf 250.000 Euro erhöht. Die Einlage auf das Stammkapital von 25.000 Euro leistete H in Geld, die Einlage auf das erhöhte Stammkapital (225.000 Euro) dagegen im Wege der Sacheinlage. Insoweit überließ H der A-GmbH die Gegenstände, die er selbst von der G-GmbH erworben hatte. Am 28. Dezember 2001 erwarb schließlich eine Frau D einen Geschäftsanteil in Höhe von 50.000 Euro. Als „Eigentümer” der A-GmbH tritt jedoch nach wie vor H auf.

    Das Finanzamt Q führte bei der G-GmbH eine Außenprüfung durch, die u. a. die Umsatzsteuer für das Streitjahr umfasste. Der Prüfer kam mit seinem Bericht vom 23. Januar 2006 zu dem Ergebnis, dass die Veräußerung des Anlagevermögens im Streitfall nicht als eine Geschäftsveräußerung im Sinne von § 1 Abs. 1a UStG anzusehen sei. Die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer sei daher um … DM zu erhöhen. Hierzu führte der Prüfer an, die G-GmbH habe ihr Unternehmen fortgeführt, und zwar weiterhin in Y, wenn auch unter anderer Anschrift. Auch seien nach der am 28. Februar 2000 notariell beurkundeten Veräußerung die in dem Schreiben vom 11. September 2000 aufgeführten Gegenstände und auch ein „Epilight Upgrade” im Anlagevermögen der G-GmbH verblieben.

    Der Beklagte folgte dem Bericht mit seinem Bescheid vom 24. Februar 2006.

    Mit ihrem Einspruch gegen diesen Bescheid trug die Klägerin vor, innerhalb ihres Unternehmens sei V für den Bereich der ästhetischen Medizin zuständig gewesen, H für den Bereich der Venenmedizin. Später hätten V und H ihre Tätigkeit jedoch getrennt ausüben wollen. Dazu hätten sie schließlich den am 28. Februar 2000 vereinbarten Weg gewählt. Hierfür hätten sie allerdings beide weder den Farbstofflaser noch das Epilight-Gerät benötigt. Daher habe die G-GmbH diese Geräte alsbald veräußert. Letztlich habe H eine Sachgesamtheit erworben, mit der er tatsächlich ein Unternehmen fortgeführt habe. Sodann führte die Klägerin aus, angesichts der Unschärfe des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Geschäftsveräußerung im Ganzen” dürfe das Finanzamt eine andere als von den Beteiligten vorgenommene Qualifizierung nur dann verwerfen, wenn diese nicht mehr als zumindest vertretbar erscheine, sondern als offensichtlich fehlerhaft.

    Der Einspruch blieb erfolglos. Mit der Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2008 führte der Beklagte im Wesentlichen aus, die Klägerin habe weder ihr Unternehmen im Ganzen noch einen in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betrieb oder wenigstens ein Teilvermögen veräußert. Zwar habe H mit den von ihm erworbenen Gegenständen seine wirtschaftliche Tätigkeit fortsetzen und ein Unternehmen führen können. Gegen eine Geschäftsveräußerung im Sinne von § 1 Abs. 1a UStG würde jedoch sprechen, dass die G-GmbH ihr Unternehmen unter der bisherigen Firma, mit dem bisherigen Patientenstamm und dem ihr belassenen Firmenwert habe fortführen können.

    Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

    Hierzu trägt die Klägerin erneut vor, H sei seinerzeit nur auf dem Gebiet der Venenmedizin tätig gewesen. Für diesen Bereich habe er jedoch den Farbstofflaser oder das Epilight-Gerät noch den …-Laser benötigt. Diese Gegenstände seien ausschließlich für die Lasermedizin zu verwenden gewesen. Dieses Gebiet habe aber alleine V betreut. Ferner habe die G-GmbH über das Recht an dem Firmenbestandteil „…” nicht verfügen können.

    Sodann führt die Klägerin im Wesentlichen aus, H habe mit den am 28. Februar 2000 notariell beurkundeten Abreden „das gesamte Substrat, das für den konkreten Betrieb … (seiner) Klinik unabdingbar benötigt” habe, und damit eine Sachgesamtheit erworben, mit der er ein Unternehmen habe fortführen können. Diese habe „also neben nahezu allen Wirtschaftsgütern des Anlage- und Umlaufvermögens die räumliche, personelle und finanzielle Grundlage des Klinikbetriebs”. H habe das Unternehmen auch tatsächlich fortgeführt. Dagegen zeige der Umstand, dass die Beteiligten davon abgesehen hätten, in der notariellen Urkunde eine ausdrückliche Abrede über die Patientendaten zu treffen. Den Beteiligten sei vielmehr bewusst gewesen, dass sie „überwiegend auf Laufkundschaft angewiesen” seien. Entscheidend sei im Streitfall mithin, dass die – auf dem Grundstück Z-Straße 1 in Y betriebene – Klinik auch nach der Veräußerung – hinreichend ähnlich – fortgeführt worden sei. Hierfür spreche auch, dass

    die Veräußerung auch einen Betriebsübergang im Sinne von § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Gegenstand gehabt habe und

    die von H erworbenen Gegenstände letztlich die Keimzelle der jetzt von der A-GmbH betriebenen Klinik gebildet habe.

    Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er wendet im Wesentlichen ein, dass die G-GmbH ihren bisherigen Betrieb auch nach dem Verkauf ihres Anlagevermögens in Y – zunächst in den bisherigen Räumen, danach in dem Gebäude R-Straße 3 – fortgeführt habe. Dies würde auch der Vergleich der steuerpflichtigen Einnahmen zeigen, die die Klägerin einerseits im Streitjahr, andererseits in den Jahren davor oder danach erzielt habe.

    Entscheidungsgründe

    1. Die Klage ist begründet.

    Dabei geht das Gericht davon aus, dass der Gegenstand des Klagebegehrens im Sinne von § 65 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sich im Streitfall darauf richten, den Bescheid über die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2000 vom 24. Februar 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2008 zu ändern und dabei die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer um … DM zu mindern.

    Die Klage ist begründet, denn im Streitfall ist die Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens als eine Geschäftsveräußerung im Sinne von § 1 Abs. 1a UStG anzusehen.

    Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG nicht der Umsatzsteuer. Die Vorschrift setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a Satz 2 UStG). § 1 Abs. 1a UStG dient der Umsetzung von Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in nationales Recht und ist entsprechend dieser Bestimmung richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens, die entgeltlich erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung vorliegt (Urteil des Bundesfinanzhofs [BFH] vom 28. Oktober 2010, V R 22/09, BFH/NV 2011, 854, unter II. 1. a, m. w. Nachw.).

    Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG bezweckt, die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vereinfachen. Der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff „Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens” erfasst die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils, die jeweils materielle und gegebenenfalls immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammengenommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Er schließt jedoch nicht die bloße Übertragung von Gegenständen wie den Verkauf eines Warenbestands ein. Der Erwerber muss darüber hinaus die Absicht haben, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln sowie gegebenenfalls den Warenbestand zu verkaufen (BFH-Beschluss vom 14. Juli 2010, XI R 27/08, Bundessteuerblatt [BStBl] II 2010, 1117, unter II. 2. a, m. w. Nachw.). Der Erwerber muss mithin die Unternehmensfortführung beabsichtigen, so dass das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglichen muss (BFH-Beschluss vom 14. November 2011, XI B 66/11, unter II. 1. c, aa, m. w. Nachw.).

    Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist zu entscheiden, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln (BFH-Urteil vom 28. Oktober 2010, V R 22/09, BFH/NV 2011, 854, unter II. 1. b). Die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand ist nicht erforderlich. Der Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit steht es nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert (BFH-Urteil vom 18. September 2008, V R 21/07, BStBl II 2009, 254, unter II. 1. b, m. w. Nachw.).

    Danach liegt auch im Streitfall eine Geschäftsveräußerung im Sinne von § 1 Abs. 1a UStG vor, denn H hat mit Wirtschaftsgütern und Rechtsverhältnissen, die er aufgrund des am 28. Februar 2000 notariell beurkundeten Vertrags erwarb bzw. in die er aufgrund dieses Vertrages eintrat,

    sowohl Vermögensgegenstände übernommen, die ein hinreichendes Ganzes bilden, die ihm die Fortsetzung einer bisher durch die Klägerin ausgeübten Tätigkeit ermöglichten,

    als auch diese Tätigkeit anschließend ausgeübt.

    Im Einzelnen:

    (1) Die bislang von der G-GmbH und nach dem 28. Februar 2000 von H in dessen Unternehmen ausgeübte Tätigkeit sieht der Senat in der „Behandlung von Gefäßerkrankungen”. Der Senat entnimmt den Umstand, dass die G-GmbH und H nacheinander diese Tätigkeiten ausübten, zum einen den – von dem Beklagten insoweit nicht bestrittenen – Angaben der Klägerin, zum anderen dem (ursprünglichen) Gegenstand des Unternehmens der G-GmbH und – im Wege des Rückschlusses – den Angaben der AGmbH auf deren Internetseite. Danach ist deren „Schwerpunkt … die Venenmedizin (Phlebologie)”Vgl. http://www…, eingesehen am: 10. Februar 2012.. In seiner Annahme sieht sich der Senat auch dadurch bestätigt, dass H lediglich die bei der G-GmbH vorhandenen Lasergeräte nicht übernommen hatte.

    (2) Dass die Vertragsparteien davon ausgingen, dass H einen lebensfähigen Teil des von der G-GmbH betriebenen Unternehmens übernehmen sollte, entnimmt der Senat auch der Tatsache, dass H die Pacht des Grundstücks Z-Straße 1 übernehmen sollte und sie sich auch „darüber einig (waren), dass die Konzession zum Betrieb der … Klinik (§ 30 GewO) auf den Käufer übergeht”. Da der Senat diese Abrede jedoch nur als Beweisanzeichen würdigt, ist im Streitfall insoweit unerheblich, dass die Konzession nach § 30 Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO) an die Person des Unternehmers geknüpft ist.

    (3) Den Umstand, dass dem am 28. Februar 2000 notariell beurkundeten Vertrag eine ausdrückliche Abrede über den Verbleib der Patientenkartei fehlt, hält der Senat im Streitfall für unerheblich. Anhaltspunkte tatsächlicher Art oder sonstige Erkenntnisse, dass der berufliche Erfolg auf dem Gebiet der Venenmedizin von (dem Übergang) einer solchen Kartei abzuhängen pflegt, liegen dem Senat nicht vor.

    (4) Aus den Ausführungen zu (1) folgt zugleich, dass H – was der Beklagte ebenfalls nicht bestritten hat – eine Tätigkeit als selbständiger Unternehmer auf dem Gebiet der Venenmedizin für die Zeit nach dem 28. Februar 2000 nicht nur beabsichtigt, sondern tatsächlich ausgeübt hatte. Auch hat der Beklagte nicht behauptet, dass die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten weder übereinstimmen noch sich wenigstens hinreichend ähneln würden. Gegen die Annahme, dass H eine Tätigkeit als selbständiger Unternehmer auf dem Gebiet der Venenmedizin tatsächlich ausgeübt hatte, spricht auch nicht der Umstand, dass er die von ihm aufgrund des am 28. Februar 2000 notariell beurkundeten Vertrags übernommenen Vermögensgegenstände später der A-GmbH – im Wege der Sacheinlage – überlassen hat. H war danach immerhin für einen Zeitraum von über eineinhalb Jahren mit diesen Vermögensgegenständen als selbständiger Unternehmer tätig.

    (5) Soweit der Beklagte die Ansicht vertritt, dass im Streitfall deshalb eine Geschäftsveräußerung im Sinne von § 1 Abs. 1a UStG zu verneinen sei, weil die G-GmbH ihr Unternehmen auch nach dem 28. Februar 2000 in seinem bisherigen Umfang – also auch die Tätigkeit auf dem Gebiet der Venenmedizin – fortgeführt habe, folgt hieraus kein anderes Ergebnis. Jedenfalls hat H von der G-GmbH Wirtschaftsgüter und Rechtsverhältnisse in einem Umfang übernommen, der es ihm – was unter den Beteiligten auch unstreitig ist – ermöglichte, das bisherige Unternehmen auf dem Gebiet der Venenmedizin fortzuführen.

    2. Hinsichtlich der Berechnung der festzusetzenden Umsatzsteuer ist der Senat gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2, 3 FGO verfahren.

    3. Der Beklagte trägt gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens.

    4. Die die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren war im Streitfall im Sinne von § 139 Abs. 2 Satz 3 FGO notwendig.

    5. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

    Grundsätzliche Bedeutung hat aus Sicht des erkennenden Senats die Frage, ob eine Geschäftsveräußerung im Sinne von § 1 Abs. 1a UStG dann zu bejahen ist, wenn

    der Erwerber mit einzelnen Vermögensgegenständen (Wirtschaftsgüter und Rechtsverhältnisse) einen für sich betrachtet lebensfähigen Teil des Unternehmens des Veräußerers übernimmt und damit diesen Unternehmensteil als selbständiger Unternehmer fortführt,

    der Veräußerer jedoch sein Unternehmen auch nach der Veräußerung dieser Vermögensgegenstände auch auf dem Gebiet fortführt, auf dem der Erwerber mit den von ihm übernommenen Vermögensgegenständen nunmehr als selbständiger Unternehmer tätig ist.

    6. Der Senat hält es für zweckmäßig, gemäß § 90a FGO mit dem vorliegenden Gerichtsbescheid zu entscheiden.

    VorschriftenUStG § 1 Abs. 1a, EWGRL 388/77 Art. 5 Abs. 8, GewO § 30