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  • 20.07.2012 · IWW-Abrufnummer 122354

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 08.03.2012 – 10 K 2389/09

    1. Ohne vorherige Feststellung eines individuellen Krankheitsbildes für jeden Seminarteilnehmer können die Voraussetzungen einer Heilbehandlung ohne ärztliche Verordnung nur angenommen werden, wenn die Nikotinsucht medizinisch belegbar und unabhängig von dem Grad der Abhängigkeit des Einzelnen als Krankheit anzusehen wäre und Maßnahmen der Entwöhnung daher generell Heilbehandlungscharakter haben. Auch wenn der Nikotinkonsum feststellbar mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden ist, bedeutet dies aber nicht zwangsläufig, dass das Bedürfnis nach dem „Suchtmittel” bereits unabhängig vom Grad der Abhängigkeit im Einzelfall als Krankheit anzusehen ist.
    2. Das in Rauchwaren enthaltene Nikotin wird nicht als „Droge” i.S.d. Abschn. D Ziff. 1.3.1. der Psychotherapie-Richtlinien angesehen. Eine Entwöhnungsbehandlung von Rauchern ist danach kein Behandlungsverfahren i.S.d. Richtlinien und zählt dementsprechend auch nicht zur Verhaltenstherapie in diesem Sinne.


    Im Namen des Volkes
    URTEIL
    In dem Rechtsstreit
    hat der 10. Senat in der Besetzung: Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 8. März 2012 für Recht erkannt:
    Tatbestand
    Die Beteiligten streiten darüber, ob die von der Klägerin ausgeführten Leistungen als Umsätze der Heilbehandlung steuerfrei sind.
    Gegenstand des Unternehmens der Klägerin, welches in der Rechtsform einer GbR betrieben wird, ist die Durchführung von Seminaren zur Raucherentwöhnung und Gewichtsreduktion sowie zum Stress-Management. Beteiligte an der GbR sind die klinische Psychologin A (mit 1%) und der Psychotherapeut B (mit 99%). Die Umsätze der Klägerin im Streitjahr 2005 beliefen sich 116.680 EUR. Die Umsätze wurden überwiegend aus Seminaren zur Raucherentwöhnung erzielt. Die Klägerin, die ihre Umsätze für steuerfrei gemäß § 4 Nr. 14 UStG hielt, hatte im streitbefangenen Zeitraum unstreitig keine Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis erteilt.
    Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung verneinte der Beklagte die von der Klägerin angenommene Steuerbefreiung und setzte die Umsatzsteuer (16.094 EUR) unter Berücksichtigung der nunmehr von der Klägerin erklärten Vorsteuer mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 10. Oktober 2008 auf 12.572,65 EUR fest.
    Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, die Tätigkeit sei als Heilbehandlung gemäß § 4 Nr. 14 UStG zu qualifizieren. Maßgeblich für die Erbringung steuerfreier Umsätze sei einerseits die – im Streitfall unstreitige – Qualifikation als Arzt und die Erbringung von Umsätzen der Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin. Davon sei auszugehen, wenn die Leistungen regelmäßig durch den Sozialversicherungsträger finanziert würden. In seinem Urteil vom 30. Januar 2008 – XI R 53/06, BStBl 2008 II, 647 habe der BFH darauf abgestellt, ob die entsprechende Therapie als therapeutische bzw. medizinische Leistung klassifiziert sei. Die von der Klägerin durchgeführten Suchttherapien basierten nicht auf einer pädagogischen, sondern auf einer therapeutischen Methodik. Die Suchttherapien erfolgten jeweils aufgrund ärztlicher Verordnung durch Betriebsärzte.
    Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2009 aus: Von der Umsatzsteuer befreit seien nur Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedsstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt würden. Der Umfang der Steuerbefreiung sei auf Tätigkeiten beschränkt, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen würden. Die vorgenommene Maßnahme müsse medizinisch indiziert sein. Steuerfreie Maßnahmen zur Vorbeugung von Gesundheitsstörungen seien z. B. ärztliche Vorsorgeuntersuchungen, wenn sie dem Schutz der Gesundheit dienten. Davon abzugrenzen seien Maßnahmen zur allgemeinen Gesundheitsförderung oder Gesunderhaltung. Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe im Sinne des § 20 SGB V, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug hätten, sondern lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbesserten, seien nicht umsatzsteuerfrei. Der Krankheitsbezug müsse durch eine ärztliche Verordnung im Einzelfall nachgewiesen werden; eine allgemeine ärztliche Empfehlung wie im Streitfall reiche nicht aus. Eine solche Maßnahme diene vielmehr der allgemeinen Gesundheitsförderung und Gesunderhaltung wie beispielsweise auch Rückenfit-Programme. Deshalb sei es auch unerheblich, wenn einzelne Krankenkassen solche Präventivmaßnahmen auf der Grundlage von § 20 SGB V bezuschussten.
    Die Klägerin macht geltend, ihre Leistungen seien gemäß § 4 Nr. 14 UStG als Heilbehandlung von der Umsatzsteuer befreit. Die erbrachten Leistungen dienten zur Raucherentwöhnung und daher zur Behandlung einer Suchterkrankung. Die Raucherentwöhnungstherapien würden in folgenden Schritten durchgeführt:

    1. SchrittVerhaltenstherapie
    2. SchrittMotivationstherapie
    3. SchrittAkupunktur
    4. SchrittMedizinische Heilhypnose
    Die von der Klägerin durchgeführten Therapien seien in der „internationalen statistischen Klassifikation” wie Krankheiten klassifiziert. Sie bezieht sich dazu auf gutachterliche Stellungnahmen von Herrn C vom 16. Januar 2009 und 18. Juli 2009 (GA Bl. 33 ff. und 36 ff.), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Diese Stellungnahme geht im Wesentlichen davon aus, dass die Einstufung der Rauchentwöhnung als eine Maßnahme zur allgemeinen Gesundheitsförderung oder Gesunderhaltung dem derzeitigen Kenntnisstand nicht hinreichend Rechnung trage. In Deutschland stürben mehr als 100.000 Menschen jährlich Menschen an den Folgen des Tabakkonsums, also mehr als durch Alkohol, illegale Drogen, Verkehrsunfälle, Aids, Morde und Selbstmorde zusammen. Jeder zweite Raucher sterbe vorzeitig, und von den vorzeitigen Todesfällen erfolge jeder zweite im mittleren Lebensalter. Mehr als 20 % aller Krebserkrankungen in Deutschland, insbesondere der Lungenkrebs seien auf das Rauchen zurückzuführen.
    Auch die Aufstellung über die Krankheitskosten infolge des Rauchens (Dokument II S. 58/59) belege den Zusammenhang zwischen Rauchen und den einzelnen Krankheiten. Auch wenn diese Kosten aus statistischen Gründen zum Teil geschätzt seien, wäre eine solche Aufstellung nicht möglich, wenn keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen Rauchen und den diversen Krankheitsgeschehen existierten. Damit komme den Maßnahmen der Raucherentwöhnung eine wissenschaftlich dokumentierte größere Bedeutung zu als jeglicher anderen Präventionsmaßnahme (einschließlich Impfaktionen und Früherkennung von Krankheiten, die sich dazu überwiegend noch im Stadium der Evaluation befänden).
    Zu den nach Angaben des Beklagten fehlenden ärztlichen Verordnungen für die einzelnen Teilnehmer sei zu sagen, dass zwar keine individuellen ärztlichen Verordnungen betreffend die einzelnen Teilnehmer vorgelegt werden könnten, dass die Suchtherapien jedoch aufgrund ärztlicher Überweisung durch die Betriebsärzte durchgeführt worden seien. Die Klägerin habe dem Prüfer während der Umsatzsteuersonderprüfung angeboten, die von den Betriebsärzten erstellten Sammelüberweisungen vorzulegen. Dieses Angebot habe der Prüfer nicht angenommen und die Unterlagen auch während des Rechtsbehelfsverfahrens nicht angefordert. Die Sammelüberweisungen von den Betriebsärzten dienten gleichzeitig als Teilnehmerlisten für die Seminare. Sie enthielten Namen, Vornamen und meistens die Personalnummer der zu behandelnden Patienten (vgl. GA Bl. 41 ff.). Die Teilnahme des Einzelnen am Seminar werde von der Klägerin dokumentiert und an die auftraggebenden Betriebsärzte über die Teilnehmerlisten zurückgemeldet. Der Therapeut bestätigte nach dem Seminar dem jeweiligen Betriebsarzt die Durchführung der Maßnahme mit Nennung der Namen der Teilnehmer.
    Im Übrigen sei die Forderung einer ärztlichen Verordnung für eine therapeutische Maßnahme zur Raucherentwöhnung bereits vom Ansatz her verfehlt. Denn das Vorhandensein oder Fehlen einer ärztlichen Verordnung besage nichts über den medizinischen Inhalt der Maßnahme und stelle lediglich einen Versuch zur Kostenbegrenzung dar.
    Auch die Frage der Kostenerstattung durch den Sozialversicherungsträger sei unerheblich, da bei der Klägerin unstrittig die berufliche Qualifikation i.S. des § 4 Nr. 14 UStG vorliege. Allerdings seien die Leistungen der Klägerin von den Krankenkassen als primärpräventive Maßnahmen nach § 20 Abs. 1 SBG V anerkannt und würden daher von den Krankenkassen zu 80% bezuschusst. Dazu legt die Klägerin eine Bestätigung der DAK vom 16. August 2005 vor (GA Bl. 40). Im Übrigen seien die Kosten der Therapie in der Einspruchsentscheidung falsch dargestellt. Sie betrügen nicht 200 EUR sondern lediglich 100 EUR, von denen 80 EUR erstattet würden.
    Das von der Klägerin angeführte Schreiben der DAK enthält keine konkreten Angaben zur Höhe des Zuschusses. Die DAK bedankt sich darin bei der Klägerin für das ihr vorgelegte Angebot zu Gesundheitsförderung. Ein wichtiges Ziel der Angebote im Rahmen der Prävention nach § 20 SGB V sei, den Teilnehmern ein methodisch-didaktisch gutes Angebot unter fachlich qualifizierter Leitung zu bieten. Weiter wird bestätigt, dass das Angebot der Klägerin, „Dauerhaft Rauchfrei und Schlank” die Kriterien der DAK für eine förderungswürdige Präventionsmaßnahme erfülle und deshalb im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen bezuschusst werde. Im Einspruchsverfahren waren außerdem weitgehend entsprechende Bescheinigungen der KKH, der Bundesknappschaft, der AOK Rheinland, der AOK Niedersachsen und ein von der Ford-Betriebskrankenkasse an die BKK BMW gerichtete Schreiben vorgelegt worden, in denen die Ford-BKK sich von den Kursen der Klägerin und ihrer Erfolgsquote von über 70 % überzeugt zeigte.
    Die Klägerin beantragt,
    den Umsatzsteuerbescheid für 2005 vom 10. Oktober 2008 und die diesbezüglich ergangene Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2009 aufzuheben,
    hilfsweise die Zulassung der Revision.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen,
    hilfsweise die Zulassung der Revision.
    Der Beklagte bezieht sich auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor: Eine medizinische Verordnung im Einzelfall sei nicht nachgewiesen worden. Das allgemeine Befürworten von Betriebsärzten zur Teilnahme an einem solchen Kurs rechtfertige nicht die Annahme einer medizinisch indizierten Heilbehandlung. Würden Maßnahmen auf Anregung/Empfehlung eines Arztes durchgeführt, handle es sich nicht um eine therapeutische Heilmaßnahme, sondern um eine Maßnahme zur allgemeinen Gesundheitsförderung und Gesunderhaltung.
    Die Kosten für solche Seminare seien für die Frage der Umsatzsteuerpflicht letztlich unerheblich. Ausweislich des Angebots der Klägerin (Stand August 2008) bewegten sich die Kosten je nach Art des Seminars zwischen 120 EUR und 220 EUR pro Person (GA Bl. 46), wobei eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse nur beim Typ I (6 Stunden Verhaltenstherapie) möglich sei, da Hypnose und Akupunktur in der Primärprävention nicht bezuschussungsfähig seien.
    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist unbegründet. Die von der Klägerin ausgeführten Leistungen waren nicht gemäß § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Zwar ist die notwendige ärztliche Verordnung auch in Form einer Sammelverordnung denkbar, in der eine Heilmaßnahme für mehrere Patienten gleichzeitig verordnet wird; auch eine solche Verordnung muss aber jeweils individuell patientenbezogen sein und setzt eine individuelle Untersuchung im Einzelfall voraus, die im Streitfall unstreitig nicht stattgefunden hat.
    1. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG in der für das Streitjahr 2005 geltenden Fassung sind „die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker” steuerfrei. Die Vorschrift setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG in nationales Recht um und ist nach dieser Bestimmung richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer „die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden” (BFH-Urteil vom 31. Januar 2008 – XI R 53/06, BFHE 221, 399, BStBl II 2008, 647 für Umsatzerlöse aus therapeutischem Reiten unter Hinweis auf BFH-Urteile vom 22. April 2004 – V R 1/98, BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849; vom 12. August 2004 – V R 18/02, BFHE 207, 381, BStBl II 2005, 227).
    a) § 4 Nr. 14 UStG setzt bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG voraus, dass der Unternehmer zum einen eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass er zum anderen die dafür erforderliche Qualifikation besitzt, die durch den erforderlichen Befähigungsnachweis dokumentiert ist (BFH-Urteile vom 31. Januar 2008 – XI R 53/06, BFHE 221, 399, BStBl II 2008, 647, vom 7. Juli 2005 – V R 23/04, BFHE 211, 69, BStBl II 2005, 904,BFH/NV 2005, 2142, vom 25. November 2004 – V R 44/02, BFHE 208, 80, BStBl II 2005, 190; vgl. EuGHUrteile vom 10. September 2002 Rs. C-141/00, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV 2003, Beilage 1, 30; vom 6. November 2003 Rs. C-45/01, Slg. 2003, I-12911, BFH/NV 2004, Beilage 1, 40; vom 27. April 2006 Rs. C-443/04 und Rs. C-444/04, Slg. 2006, I-3617, BFH/NV 2006, Beilage 3, 299; BFH-Urteile vom 18. August 2005 – V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143; vom 1. Februar 2007 – V R 64/05, BFH/NV 2007, 1203).
    b) Heilbehandlungen i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG sind (nur) Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Die befreiten Leistungen müssen der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung dienen (BFH-Urteil vom 31. Januar 2008 – XI R 53/06, BFHE 221, 399, BStBl II 2008, 647 für Umsatzerlöse aus therapeutischem Reiten: Hippotherapie durch Krankengymnastin als von der Umsatzsteuer befreite Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14 UStG, unter Hinweis auf EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-12911, BFH/NV 2004, Beilage 1, 40, Randnr. 48; BFH-Urteile vom 10. März 2005 – V R 54/04, BFHE 210, 151, BStBl II 2005, 669, vom 25. November 2004 – V R 44/02, BFHE 208, 80, BStBl II 2005, 190, vom 15. Juli 2004 – V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862). Nicht unter die Befreiung fallen danach Tätigkeiten, die nicht Teil eines konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzeptes sind (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 – V R 23/04, BFHE 211, 69, BStBl II 2005, 904,BFH/NV 2005, 2142, vom 10. März 2005 – V R 54/04, BFHE 210, 151, BStBl II 2005, 669) oder etwa von einem Chirurgen durchgeführte Schönheitsoperationen oder Massagen, die von einem Physiotherapeuten ohne vorherige ärztliche Anordnung lediglich aus kosmetischen Gründen oder zur Verbesserung des Wohlbefindens „wellness”) durchgeführt werden (BFH-Beschluss vom 28. September 2007 – V B 7/06, BFH/NV 2008, 122, m.w.N.).
    c) Nicht maßgeblich für die Steuerbefreiung ist nach Auffassung des BFH, wer die Leistung gegenüber dem Empfänger abrechnet (BFH-Urteile vom 7. Juli 2005 – V R 23/04, BFHE 211, 69, BStBl II 2005, 904,BFH/NV 2005, 2142, vom 25. November 2004 – V R 44/02, BFHE 208, 80, BStBl II 2005, 190: die Steuerbefreiung ist nicht durch die Person des Abzeichnenden oder des Leistungsempfängers definiert) oder inwieweit die gesetzlichen Krankenkassen zur Übernahme der Kosten der verpflichtet sind (vgl. BSG-Urteil in SozR 3-2500 § 138 Nr. 2: Hippotherapie). Denn im Gegensatz zu den einschlägigen sozialrechtlichen Bestimmungen, bei denen es um die Frage geht, ob ein Einzelner auf Kosten der Allgemeinheit einen (Mindest)anspruch auf bestimmte Heilmittel hat, verfolgt § 4 Nr. 14 UStG einen anderen Zweck: Dieser besteht darin, ganz allgemein die Kosten der Heilbehandlung zu senken und diese Behandlungen dem Einzelnen zugänglicher zu machen. Der EuGH hat darüber hinaus ausdrücklich hervorgehoben, dass der bloße Umstand der fehlenden (vollständigen) Kostenübernahme durch die Träger der Sozialversicherung keine unterschiedliche Behandlung der Leistungserbringer in Bezug auf die Mehrwertsteuerpflicht rechtfertigt. Vor diesem Hintergrund ist die Frage der Kostenerstattung durch die Sozialversicherungsträger kein geeignetes Abgrenzungskriterium für den Begriff der Heilbehandlung i.S. von § 4 Nr. 14 UStG (BFH-Urteil vom 31. Januar 2008 – XI R 53/06, BFHE 221, 399, BStBl II 2008, 647; EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-12911, BFH/NV 2004, Beilage 1, 40, Randnr. 43; BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2004 – V R 54/03, BFHE 207, 558, BStBl II 2005, 106).
    Dem steht nicht die Rechtsprechung des BFH entgegen, wonach grundsätzlich von einem Befähigungsnachweis auszugehen ist, wenn die Leistungen des Unternehmers durch Heilbehandlung in der Regel von Sozialversicherungsträgern finanziert werden (BFH-Urteil vom 25. November 2004 – V R 44/02, BFHE 208, 80, BStBl II 2005, 190, m.w.N.). Denn diese Einschränkung gilt nur für die Fälle, in denen es sich – abweichend vom Streitfall – nicht um einen „Katalogberufg” i.S. von § 4 Nr. 14 UStG handelt (BFH-Urteil vom 31. Januar 2008 – XI R 53/06, BFHE 221, 399, BStBl II 2008, 647).
    d) Ebenfalls nicht entscheidungserheblich für die Anwendung der Steuerbefreiung ist, ob die Klägerin selbst oder ihre Angestellten Inhaber der nach § 4 Nr. 14 UStG geforderten beruflichen Qualifikation sind. Denn der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet es, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden (BFH-Urteil vom 31. Januar 2008 – XI R 53/06, BFHE 221, 399, BStBl II 2008, 647: Leistungserbringung durch angestellte Physiotherapeutinnen mit hippotherapeutischer Zusatzausbildung; ferner BFH-Beschluss in BFHE 207, 558, BStBl II 2005, 106, und BFH-Urteil vom 26. September 2007 – V R 54/05, BFH/NV 2008, 170, jeweils m.w.N.).
    2. Die Umsatzsteuerbefreiung umfasst danach ausschließlich medizinisch indizierte Leistungen gemäß ärztlicher Verordnung, sei es im Wege eines ärztlichen Auftrages einer Reha-Klinik, sei es durch individuelle ärztliche Verordnung. Deshalb sind Leistungen, die nicht aufgrund ärztlicher Anordnung oder im Rahmen einer medizinischen Behandlung als Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werden, nicht nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei. Ebenso wenig liegt eine gemäß § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreite Heilbehandlung vor, wenn Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe i.S. des § 20 SGB V erbracht werden, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben, weil sie lediglich „den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen” sollen (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SGB V; vgl. BFH-Urteil vom 31. Januar 2008 – XI R 53/06, BFHE 221, 399, BStBl II 2008, 647, vom 7. Juli 2005 – V R 23/04, BFHE 211, 69, BStBl II 2005, 904,BFH/NV 2005, 2142, vom 10. März 2005 – V R 54/04, BFHE 210, 151, BStBl II 2005, 669: Diplom-Oecotrophologe).
    3. Im Streitfall erfolgten die „Therapien” zu Nikotinentwöhnung teilweise vollständig ohne ärztliche Verordnung, unstreitig in einem erheblichen Teil der Fälle aber auch auf der Grundlage von Sammelüberweisungen durch Betriebsärzte von Großunternehmen, die ein Interesse daran hatten, ihren Mitarbeitern ein rauchfreies Leben zu ermöglichen. Die nach den vorgenannten Ausführungen notwendige ärztliche Verordnung ist nach Auffassung des erkennenden Senats zwar auch in Form einer Sammelverordnung denkbar, in der eine Heilmaßnahme für mehrere Patienten gleichzeitig verordnet wird. Auch eine solche Verordnung muss aber jeweils individuell patientenbezogen sein und setzt eine individuelle Untersuchung des Patienten im Einzelfall voraus, die im Streitfall unstreitig nicht stattgefunden hat. Es lagen lediglich „Überweisungslisten” mit den Namen der jeweiligen Teilnehmer durch die Betriebsärzte vor, denen keine individuellen Untersuchungen und ein individuell festgestelltes Krankheitsbild vorausgegangen sind.
    Unter diesen Voraussetzungen könnte eine „Heilbehandlung” ohne ärztliche Verordnung nur angenommen werden, wenn die Nikotinsucht medizinisch belegbar unabhängig von der ärztlichen Verordnung im Einzelfall und dem Grad der Abhängigkeit als Krankheit anzusehen wäre und Maßnahmen der Entwöhnung daher generell Heilbehandlungscharakter hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwar stellt auch die TKK auf ihrer Homepage fest, dass knapp 34 % der Erwachsenen, also etwa 16 Millionen Menschen und zusätzlich eine erhebliche Anzahl von Jugendlichen hierzulande rauchen und dass dies mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden ist. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass das Bedürfnis nach dem „Suchtmittel” bereits unabhängig vom Grad der Abhängigkeit im Einzelfall als Krankheit anzusehen ist.
    a) So wird etwa das in Rauchwaren enthaltene Nikotin sozialrechtlich nicht als „Droge” i.S. Abschn. D Ziff 1.3.1 der Psychotherapie-Richtlinien angesehen. Eine Entwöhnungsbehandlung von Rauchern ist danach kein Behandlungsverfahren i.S. der Psychotherapie-Richtlinien und zählt dementsprechend auch nicht zur Verhaltenstherapie in diesem Sinne. Eine solche kommt nur in Betracht zur Heilung und Besserung einer Krankheit. Unter seelischer Krankheit im Sinne der Richtlinien ist eine krankhafte Störung der Wahrnehmung, des Verhaltens, der Erlebnisverarbeitung, der sozialen Beziehungen und der Körperfunktionen zu verstehen. Der Konsum von Nikotin beim Rauchen stellt für sich genommen nicht stets eine seelische Krankheit im Sinne dieser Definition dar, weil er zwar Ausdruck einer Abhängigkeit und damit ggf. einer Störung sein kann, aber nicht sein muss. Aus dem Umstand, dass jemand an einer RaucherEntwöhnungstherapie teilnimmt, lässt sich lediglich schließen, dass er fremde Hilfe in Anspruch nehmen will, um den von ihm selbst als unerwünscht angesehenen Nikotinkonsum zu beenden. Ob dem eine seelische Erkrankung zu Grunde liegt oder ob auch nur die Notwendigkeit besteht, fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen, oder ob dies lediglich als Erleichterung auf dem Weg zur Nikotinabstinenz gesehen worden ist, lässt sich allein aus der Teilnahme an einer Raucherentwöhnungsbehandlung nicht folgern (BSG-Beschluss vom 28. April 2004 – B 6 KA 125/03 B, BSG-Intern RegNr 26639, in Anschluss an LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Oktober 2003 – L 5 KA 3590/02).
    b) Ebenso wenig wird übermäßiger Alkoholkonsum sozialrechtlich für sich allein als Krankheit i.S. des 2. Buches der KVO gewertet, wenn auch eingeräumt wird, dass sie zur Krankheit werden kann, wenn sie so weit fortgeschritten ist, dass die Neigung zum Alkoholgenuss – unabhängig von körperlichen oder psychischen Folgeerscheinungen oder chronischer Alkoholintoxikation – den Verlust der Selbstkontrolle mit zwanghafter Abhängigkeit bedingt (BSG-Urteil vom 18. Juni 1968 – 3 RK 63/66, BSGE 28, 114 – 117, MDR 1968, 957 zur Frage der Alkoholsucht als Krankheit; ebenso qualifiziert das BSG-Urteil vom 17. Januar 1996 – 3 RK 26/94 Drogensucht in Form einer Opiatsucht (Heroinsucht) als Krankheit i.S. des SGB V, wenn sie zum Verlust der Selbstkontrolle mit zwanghafter Abhängigkeit führt).
    c) Daraus folgert der erkennende Senat, dass das Bedürfnis nach Nikotin eben nicht unabhängig von der graduellen Ausgestaltung im Einzelfall bereits als Krankheit anzusehen ist. Die Qualifikation als Krankheit ist vielmehr abhängig davon, wie weit der Verlust der Selbststeuerungsfähigkeit im Einzelfall fortgeschritten ist. Dies festzustellen erfordert eine individuelle Untersuchung des Patienten und eine ärztliche Würdigung im Einzelfall, an der es im Streitfall fehlt.
    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
    5. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob eine Suchterkrankung und damit die Qualifikation der Nikotinentwöhnung als Heilbehandlung unabhängig vom Grad des Verlusts der Selbststeuerungsfähigkeit im Einzelfall ohne individuelle Untersuchung des Patienten denkbar ist.

    VorschriftenRichtlinie 77/388/EWG Art 13 Teil A Abs 1 Buchst c, UStG § 4 Nr 14