03.04.2013 · IWW-Abrufnummer 131099
Sozialgericht Marburg: Urteil vom 30.01.2013 – S 12 KA 170/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
S 12 KA 170/11
1. Der Bescheid der Beklagten vom 23.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2011 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 76.447,01 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung einer Honorarberichtigung aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnungen für die acht Quartale II/05 bis I/07 in Höhe von insgesamt 76.447,01 EUR netto.
Der Kläger ist als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie seit 1990 mit Praxissitz in A Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Quartal II/05 beschäftigte er noch bis zum 14.05.2005 die Ärztin im Praktikum Frau C. Vom 28.06.2005 bis 31.12.2006 war bei ihm Frau Dr. RS. als angestellte Ärztin im Rahmen eines sog. Job-Sharing-Verhältnisses beschäftigt. Für die streitbefangenen Quartale setzte die Beklagte das Honorar wie folgt fest:
II/05 III/05 IV/05 I/06
Honorarbescheid vom 29.06.2006 12.08.2006 06.08.2007 20.01.2007
Nettohonorar gesamt in EUR 117.126,37 97.573,27 95.242,95 105.672,62
Fallzahl gesamt 1.492 1.380 1.359 1.479
Bruttohonorar PK + EK in EUR 116.798,04 97.071,47 98.125,46 106.624,09
Fallzahl PK + EK 1.467 1.353 1.337 1.456
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV
Praxisbezogenes RLV in Punkten 1.319.052,1 1.315.587,5 1.311.998,2 1.370.591,6
Überschreitung in Punkten 3.386.140,9 2.181.111,5 2.498.113,3 2.816.143,9
II/06 III/06 IV/06 I/07
Honorarbescheid vom 04.02.2007 17.03.2007 18.04.2007 08.03.2008
Nettohonorar gesamt in EUR 111.109,04 96.150,86 102.110,44 100.696,94
Fallzahl gesamt 1.400 1.458 1.521 1.474
Bruttohonorar PK + EK in EUR 111.150,26 96.417,62 102.406,99 101.158,42
Fallzahl PK + EK 1.379 1.438 1.503 1.457
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV
Praxisbezogenes RLV in Punkten 1.346.612,8 1.375.297,9 1.604.643,8 1.413.119,7
Überschreitung in Punkten 2.302.103,7 3.798.496,0 2.682.011,2 2.438.968,8
Die Beklagte führte für die streitbefangenen Quartale eine Plausibilitätsprüfung durch und übersandte dem Kläger unter Datum vom 22.09.2008 die zeitbezogenen Rechnungsergebnisse für die Quartale II/05 bis I/07 unter Erläuterung der Ermittlung der Zeitprofile.
Der Kläger erklärte hierzu, er habe im strittigen Zeitraum einen Arzt im Praktikum und einen Nervenarzt im Rahmen des Job-Sharings beschäftigt. Hierdurch habe er 1.440 Minuten pro Tag genehmigt bekommen. Diesen Zeitaufwand habe er an keinem Tag überschritten.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 23.07.2010 aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnung für die Quartale II/05 bis I/07 die strittige Honorarrückforderung in Höhe von insgesamt 76.447,01 EUR netto fest. In den einzelnen Quartalen setzte sie die Rückforderung wie folgt fest:
II/05 7.412,43 EUR netto
III/05 10.037,44 EUR netto
IV/05 4.051,82 EUR netto
I/06 4.002,79 EUR netto
II/06 10.708,73 EUR netto
III/06 4.228,92 EUR netto
IV/06 7.942,36 EUR netto
I/07 28.062,53 EUR netto
Zur Begründung führte sie aus, für die Prüfung nach Zeitprofilen würden primär die im Anhang 3 zum EBM aufgeführten Prüfzeiten für die ärztlichen Leistungen zugrunde gelegt werden. Außer Betracht blieben Leistungen im organisierten Notfalldienst, Leistungen aus der unvorhergesehenen Inanspruchnahme des Vertragsarztes außerhalb der Sprechstundenzeiten und bei Unterbrechung der Sprechstunde mit Verlassen der Praxis. Der Anhang 3 zum EBM kennzeichne darüber hinaus die behandlungsfall- und krankheitsfallbezogenen ärztlichen Leistungen, die nicht dem Tageszeitprofil unterlägen. Betrage die auf der Grundlage der Prüfzeiten ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tageszeitprofilen an mindestens 3 Tagen im Quartal mehr als 12 Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden, erfolgten weitere Überprüfungen. Diese hätten zum Ziel, mit Hilfe ergänzender Tatsachen Feststellungen und Bewertungen festzustellen, ob gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit verstoßen worden sei oder nicht. Die Berechnungsergebnisse der Praxis des Klägers hätten bezogen auf die Grenzwerte folgende Zeitwerte ergeben:
Tagesprofil Quartalsprofil Anzahl Tage ( 3 h
Anzahl Tage davon Zeitsumme
Quartal ) 12 Std. ) 16. Std. Std.: Min.
II/05 53 16 1.088:27 7
III/05 52 32 1.156:56 4
IV/05 47 37 1.197:15 5
I/06 50 39 1.274:40 0
II/06 40 29 1.172:47 6
III/06 51 32 1.249:45 1
IV/06 45 36 1.312:00 16
I/07 54 30 1.085:17 11
Gesamt 392 251 50
Spitzentage
Wochentag Datum Behandlungstag Zeit gesamt QP Stunden Zeit gesamt TP Stunden Zeit gesamt TP Minuten Zeit Gespräche Minuten
Dienstag 10.05.2005 23:52 22:37 1357,00 10:54
Donnerstag 01.09.2005 25:46 23:41 1421,00 10:54
Dienstag 04.10.2005 45:48 41:08 2468,00 17:47
Montag 16.01.2006 38:21 34:39 2079,00 15:58
Montag 03.04.2006 49:58 44:18 2658,00 18:49
Montag 03.07.2006 47:32 41:46 2506,00 18:22
Montag 02.10.2006 52:54 40:44 2444,00 16:24
Montag 08.01.2007 38:46 32:26 1946,00 15:13
Zugelassene bzw. genehmigte Assistenzen:
15.11.2003 bis 14.05.2005 (II/05) Frau C., Ärztin im Praktikum,
28.06.2005 bis 31.12.2ü006 (III/05 bis IV/06) Frau RS., Angestellte Ärztin.
Ärzte im Praktikum seien seinerzeit nicht generell mit Weiterbildungsassistenten gleichzusetzen gewesen. Die Ableistung einer 18-monatigen Phase als Arzt im Praktikum sei zum Erhalt der vollen Approbation notwendig gewesen. Grundsätzlich sei der Arzt im Praktikum als Berufsanfänger (noch in der ärztlichen Ausbildung befindlich) unter der Aufsicht eines voll ausgebildeten Arztes tätig gewesen. Nach Abschaffung dieser Weiterbildungsform hätten einige Ärzte im Praktikum die Anerkennung des Weiterbildungsassistenten erhalten. Für Frau C. sei jedoch davon auszugehen, dass keine Weiterbildungsassistenz bescheinigt worden sei, da der Kläger selbst über keine Weiterbildungsermächtigung verfüge. Im Quartal II/05 verblieben aber auch bei Anerkennung eines zeitlichen Entlastungsfaktors von 0,5 noch 13 Tage mit mehr als 18 Stunden Arbeitszeit im Tagesprofil, ohne dass klägerseits bislang der arbeitstägliche, reale Beschäftigungsumfang von Frau C. nachgewiesen worden sei. Sie führte beispielhaft vier Arbeitstage mit einer Arbeitszeit von 21:56 Stunden bis 22:37 Stunden mit Zeiten für ununterbrochene Gesprächsleistungen von 8:22 bis 11:18 Stunden an. Vom 15.05. bis 27.06.2005 rechneten sich weitere 27 Tage mit mehr als 12 Stunden, die Gesprächsleistungen summierten sich bis zu 9:45 Stunden pro Tag. Frau Dr. RS. habe sie im Quartalsprofil mit dem Faktor 0,25 und im Tagesprofil mit dem Faktor 1,0 ber ücksichtigt. Es ergäben sich folgende Zeitauffälligkeiten:
Quartal Anzahl Tage ) 24 h Zeit QP in Std:Min. Soll Zeit QP 780 Std. + 195 Std. Differenz zur Soll-Zeit
3/2005./. 1156:56 975:00 + 181:56
4/2005 6 1197:15 975:00 + 204:15
1/2006 12 1274:40 975:00 + 299:40
2/2006 17 1172:47 975:00 + 197:47
3/2006 10 1249:45 975:00 +274:45
4/2006 19 1312:00 975:00 + 337:00
Gesamt 64 975:00
Wegen der erhöhten Fallzahlen gegenüber der Prüfgruppe mit dem zeitlichen Durchschnittswert der Ordinationskomplexe, berücksichtigt würden 12 Minuten, erhöhten sich die Grenzen der Quartalsprofile´, was die Beklagte im Bescheid im Einzelnen auflistete. Auch in den Folgeprüfzeiträumen hätten sich ununterbrochene Gesprächsleistungen bzw. Arzt-Kontaktzeiten im Zusammenhang mit Gesprächsleistungen von über 18 Stunden Dauer ergeben. Beispielhaft führte sie mehrere Tage an. Auch unter Berücksichtigung der Entlastungsassistentin und der Kollegin in Job-Sharing-Tätigkeit sei die Abrechnung insgesamt zeitlich nicht plausibel. Die Zeitüberschreitungen entstünden durch die hohe Koppelung der Ordinationskomplexe in Verbindung mit Gesprächsleistungen sowohl nach der Ziffer 16220 EBM 2005 als auch nach der Ziffer 21220 EBM 2005. Hieraus errechneten sich im Zeitraum 17.05. bis 27.06.2005 Tagesarbeitszeiten von mehreren Tagen über 15 Stunden in alleiniger Leistungserbringung. Die häufig gewählte Kombination des Ordinationskomplexes mit dem Gespräch von mindestens 10 Minuten Dauer (Ziffer 16220 EBM 2005) erwecke angesichts der Häufigkeiten des Zeitaufwandes insgesamt den Verdacht, dass die im fakultativen Leistungsinhalt beschriebene Mindestkontaktzeit von 10 Minuten beim Ansatz der Ziffer 16220 bzw. 21220 von dem Kläger nicht in jedem Fall eingehalten worden sei, wonach die Ziffer 16220 bzw. 21220 erst bei einer Kontakt- bzw. Gesprächszeit von mindestens 20 Minuten zum Ansatz hätte kommen dürfen. Die Garantiewirkung der "Abrechnungs-Sammelerklärung" und damit der rechnerisch-sachlichen Richtigkeit entfalle, wenn nur ein mit ihr erfasster Behandlungsausweis eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthalte. Die vom Kläger quartalsbezogen abgegebenen Abrechnungssammelerklärungen über die ordnungsgemäße und vollständige Erbringung der abgerechneten EBM-Leistungen seien aus den genannten Gründen unrichtig. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig Leistungen auf den Abrechnungsbelegen eingetragen, deren Leistungsinhalte er nicht vollständig erbracht haben könne. Eine nachvollziehbare Erklärung hierfür sei nicht erkennbar. Die Gesprächsziffern seien von ihm fehlerhaft in Ansatz gebracht worden, so dass eine Honorarberichtigung erforderlich sei. Bei der Berechnung des Rückforderungsbetrages stehe ihr ein weites Schätzungsermessen zu. Der Vorstand habe beschlossen, die Honorarkürzung anhand einer sog. Überschreitungsquote zu ermitteln. Diese errechne sich nach dem prozentualen Verhältnis der als implausibel festgestellten Überschreitungszeit zur Gesamtzeit im Quartal auf der Grundlage der Prüfzeit nach Anlage 3 zum EBM 2005. Die so ermittelte Überschreitungsquote sei dem erzielten Nettohonorar gegenüber zu stellen und ergebe den Kürzungsbetrag. Bzgl. näherer Einzelheiten verweise sie auf die beigefügten Berechnungsbögen.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 01.08.2010 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er erneut auf die bei ihm beschäftigten Ärzte. Er verlange, dass ihm ein Nachweis erbracht werde, wo eine Überschreitung über 1.440 Minuten pro Tag nachgewiesen werde. Wenn dieser Nachweis erbracht werde, könne an diesem Tag gekürzt werden, aber nur bis zu dieser Grenze. Es dürfe keine pauschale Kürzung vorgenommen werden. Eine Kürzung für das Jahr 2005 sei auch verjährt.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2011 den Widerspruch als unbegründet zurück. Darin führte sie aus, bei der Umsetzung der Honorarberichtigung sei die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Garantiefunktion der Sammelerklärung zu beachten (BSG, Urteil v. 17.09.1997, Az.: 6 RKa 86/95). Diese entfalle, wenn der Arzt – grob fahrlässig oder vorsätzlich – nicht erbrachte bzw. nicht ordnungsgemäß erbrachte Leistungen abgerechnet habe. Die für die Quartale II/05 bis I/07 erstellten Tageszeitprofile führten den Indizienbeweis, dass die Abrechnungen fehlerhaft seien. Das Tagesprofil entstehe durch die Addition der Prüfzeiten (festgelegt in Anhang 3 zum EBM 2005) aller an einem Tag von dem Arzt abgerechneten Leistungen, die für die Berechnung des Tagesprofils geeignet seien. Es würden auch Zeiten erfasst werden, die nach den Vorgaben des EBM (z. B. in den Leistungslegenden) bei der Nebeneinanderabrechnung von Leistungen von dem Arzt erbracht worden sein müssten (Beispiel: Nebeneinanderberechnung von Ordinationskomplex und Gesprächsleistung). In die Prüfzeit werde nur die Zeit eingerechnet, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzte (im Gegensatz zur Kalkulationszeit, die auch Zeitanteile für delegierbare Leistungsbestandteile enthalte). Zudem seien diese Durchschnittszeiten so zu bemessen, dass auch ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen könne. Der Kläger habe mit Abgabe seiner Sammelerklärung bestätigt, dass er alle abgerechneten Leistungen (und damit die entsprechenden Zeiten) persönlich und ordnungsgemäß erbracht habe. Zugunsten des Arztes seien bei der Beurteilung der erhöhten Zeitprofile zu berücksichtigen, ob er einen Assistenten beschäftigt habe oder ob ein Job-Sharing-Verhältnis vorgelegen habe. Für die Ärzte im Praktikum sei ein zeitlicher Entlastungsfaktor von 0,5 anerkannt worden und folglich sei das Tageszeitprofil erst ab 18 Stunden als zeitauffällig bewertet worden. Er könne nicht mit 12 Stunden berücksichtigt werden. Der Arzt im Praktikum befinde sich noch in Ausbildung, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass er im gleichen zeitlichen Umfang mitarbeiten könne wie ein selbstverantwortlich tätiger Arzt. Es ergeben sich noch folgende auffällige Zeiten:
Quartal Anzahl der Tage über 18 Stunden im Zeitraum vom 01.04.2005 bis 14.05.2005 Datum Beispiele Gesamtzeit des Tagesprofils in Stunden
II/05 13 10.05.2005 22:37
09.05.2005 22:16
02.05.2005 21:56
Im Übrigen habe er im Quartal II/05 ab dem 17.05.2005 keinen genehmigten Arzt beschäftigt, so dass die Zeitprofile seine eigenen Leistungen wiedergebe. Auch hier kämen sehr viele implausible Tageszeitprofile vor:
Quartal Anzahl der Tage über 18 Stunden im Zeitraum vom 01.04.2005 bis 14.05.2005 Datum Beispiele Gesamtzeit des Tagesprofils in Stunden
II/05 27 15.06.2005 14:49
07.06.2005 14:23
27.05.2005 14:26
Der Zulassungsbescheid für Frau Dr. RS. sei erst am 29.08.2005 ausgefertigt worden. Dennoch gehe sie davon aus, dass Frau Dr. RS. bereits ab dem 28.06.2006, dem Beschlussdatum, in der Praxis beschäftigt gewesen sei. Frau Dr. RS. sei mit dem Faktor von 1,0 berücksichtigt worden. Das bedeute, dass erst ein Zeitprofil mit mehr als 24 Stunden als zeitauffällig bewertet worden sei. Damit sei die übliche Zeitaufteilung zwischen Job-Sharing-Beschäftigten, die sich die Arbeitswoche in der Regel teilten, zugunsten des Klägers nicht berücksichtigt worden. Die Tageszeitprofile in den Quartalen IV/05 bis IV/06 überschritten in jedem Quartal immer noch häufiger als dreimal die 24 Stunden-Marke:
Quartal Anzahl der Tage über 12 Stunden Datum Beispiele Gesamtzeit des Tagesprofils in Stunden für zwei Ärzte
IV/05 6 04.10.2005 41:08
10.10.2005 35:59
06.10.2005 33:48
I/06 12 16.01.2006 34:39
12.01.2006 32:25
19.01.2006 30:55
II/06 17 03.04.2006 44:18
04.04.2006 38:39
24.04.2006 36:59
III/06 10 03.07.2006 41:46
04.07.2006 36:39
06.07.2006 35:30
IV/06 19 02.10.2006 40:44
05.10.2006 38:16
09.10.2006 36:11
In dem Quartal I/07 habe keine Genehmigung für die Mitarbeit eines weiteren Arztes vorgelegen, so dass allein für die von dem Kläger als persönlich erbrachte Leistung abgerechneten Gebührenziffern folgende irreale Tageszeitprofile anfielen:
Quartal Anzahl der Tage über 12 Stunden Datum Beispiele Gesamtzeit des Tagesprofils in Stunden für einen Arzt
I/07 54 08.01.2007 32:26
15.01.2007 26:44
17.01.2007 24:55
Es müsse nicht für jeden einzelnen Tag nachgewiesen werden, dass der Kläger die Zeitprofilgrenze überschritten habe. Es genüge der Nachweis eines unrichtigen Abrechnungsscheins sowie zusätzlich das subjektive Element zumindest grob fahrlässiger Falschabrechnung, damit die Garantiewirkung der Sammelerklärung entfalle. Bei den vom Kläger erreichten Tageszeitprofilen handele es sich nicht nur um einen unrichtigen Schein, sondern bereits an einem Tag um eine Vielzahl systematisch fehlerhafter Behandlungsscheine. Hier liege ein offensichtlicher Verstoß gegen die Pflicht zur vollständigen Leistungserbringung vor. Für das Quartal III/05 gehe sie davon aus, dass Frau Dr. RS. im gesamten Quartal tätig gewesen sei. Im Tagesprofil lägen danach keine Überschreitungen vor. Allerdings erreiche das Quartalsprofil fast 1.157 Stunden. Aufgrund der Mitarbeit eines Job-Sharing-Partners sei es bereits um 25% (195 Stunden) sowie aufgrund der höheren Fallzahlen (Berechnungsweise siehe Ausgangsbescheid) auf insgesamt 1086:48 Stunden erhöht worden. Der Faktor 1,0 für eine Job-Sharing-Angestellte müsse nicht auch für das Quartalszeitprofil gelten. Wenn als Ursache für die hohe Tageszeitprofile die Praxisorganisation in Frage komme, gebe es diese Möglichkeit bei einem Quartalsprofil nicht, denn das Quartalsprofil gäbe die Gesamtheit aller Leistungen an, die irgendwann im Quartal erbracht worden sein müssen. Es sei zu bedenken, dass angestellte Ärzte trotz angeordneter Zulassungsbeschränkungen im Rahmen des Job-Sharings beschäftigt werden dürften, jedoch dafür der anstellende Vertragsarzt eine Leistungsbeschränkung anerkennen müsse. Daraus folge, dass der angestellte Arzt im Job-Sharing nicht wie ein zweiter, voll zugelassener Arzt in der Praxis tätig werden dürfe. Der Sinn des Job-Sharings liege darin, dass sich Ärzte die Arbeit des zugelassenen Arztes im Wesentlichen teilten und nicht die Arbeit verdoppeln sollten. Auf die Überschreitung des Regelleistungsvolumens komme es nicht an. Im Übrigen habe der Kläger dies für alle Quartale überschritten. Der Kläger habe zumindest grobfahrlässig Leistungen auf den Abrechnungsscheinen eingetragen, deren Leistungsinhalt er nicht vollständig erbracht haben könne. Er könne nur vollständig erbrachte Leistungen abrechnen. Es handele sich nicht um ein bloßes Versehen, sondern um wiederholtes, standardmäßig nachlässiges Ausfüllen der Abrechnungsscheine. Dies führe dazu, dass die auf den nicht ordnungsgemäßen Sammelerklärungen ruhenden Honorarbescheide falsch seien und aufgehoben würden. Für die Neuberechnung des Honorars stehe ihr ein weites "Schätzungsermessen" zu. Insbesondere sei die gewählte Berechnungsmethode nicht zu beanstanden, da sich die Honorarrückforderung an dem Verhältnis zwischen plausiblen Zeiten und Überschreitung der plausiblen Zeiten orientiere. Dieses Verhältnis werde auf das erwirtschaftete Gesamthonorar übertragen und ein entsprechender Rückforderungsbetrag festgesetzt. Mit dieser Berechnungsweise werde ein erwirtschafteter Minutenpreis für alle abgerechneten Leistungen ermittelt und der Implausible Leistungsanteil, der über den Zeit-Grenzwerten liege, abgeschöpft. Zu seinen Gunsten sei die Rückforderung lediglich auf die auffälligen Tage beschränkt worden, obschon von einem systematischen Abrechnungsfehler auszugehen sei, der auch an den nicht auffälligen Tagen aufgetreten sein werde. Im Quartal III/05 sei auf die Überschreitung des Quartalsprofils abgestellt worden. Die Korrektur eines Berechnungsfehlers im Ausgangsbescheid erfolge nicht, weil dies eine Verschlechterung darstellen würde. Vertrauensschutz bestehe nicht. Die Ausschlussfrist von vier Jahren seit Erlass des Quartalshonorarbescheides sei nicht abgelaufen. Der Honorarbescheid für das Quartal II/05 sei am 01.08.2006, der Honorarbescheid für das Quartal III/05 am 09.10.2006 und für das Quartal IV/05 am 14.01.2008 verschickt worden. Folglich seien mit Erlass des Rückforderungsbescheides vom 23.07.2010 noch keine vier Jahre nach Erlass der Honorarbescheide für 2005 verstrichen gewesen.
Hiergegen hat der Kläger am 28.02.2011 die Klage erhoben. Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Berechnung der Zeitprofile fehlerhaft sei, da die weiteren angestellten Ärzte nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Es scheide eine starre Berechnung nach Zeitprofilen aus, da es in Hessen keine Vergleichsgruppe gebe. Er sei der einzige Arzt, der neurologische und psychiatrische Behandlungen und spezielle Schmerztherapien durchführe. Es gäbe insoweit gar keine Vergleichsgruppe. Er habe auch in der Vergangenheit die Leistungen zu 100% abgerechnet, was die Beklagte akzeptiert habe. Es liege ein Verschulden seinerseits deshalb nicht vor. Da zwei Ärzte tätig gewesen seien, müsse das Zeitprofil auf 1.440 Minuten/Tag angehoben werden. Ihm stehe Vertrauensschutz zu, da die Beklagte weitere Ärzte genehmigt habe, aber diese nicht in die Profilberechnung habe einfließen lassen. Er sei auch nie darauf hingewiesen worden, dass die Leistungen der weiteren Ärzte nicht in voller Höhe in den Profilen berücksichtigt würden und abgerechnet werden könnten. Er berufe sich weiterhin auch auf Verjährung. Ausschlussfristen seien nicht eingehalten worden. Der Arzt im Job-Sharing-Verhältnis könne nicht in unterschiedlichen Tages- und Quartalsprofil berücksichtigt werden. Selbst bei einer Berücksichtigung von 0,5 ergebe sich im Quartalsprofil keine Überschreitung. Für das Tagesprofil seien aber wenigstens 20 Stunden zu berücksichtigen. Eine Überschreitung wäre dann nur an sieben Tagen vorhanden, wovon wiederum an vier Tagen nur ganz geringfügig. Die verbliebenen drei Tage resultierten daraus, dass in seiner Praxis erhöhte Fallzahlen gegenüber der Vergleichsgruppe abgewickelt würden. Wenn die Beklagte das Quartalsprofil wegen erhöhter Fallzahlen nach oben berichtige, müsse dies auch für das Tagesprofil gelten. Wenn an einzelnen Tagen das Tagesprofil von 24 Stunden überschritten worden sei, so liege es am erhöhten Fallaufkommen an diesen Spitzentagen und an seiner guten Praxisorganisation. Weiter liege dies daran, dass die Beklagte nach Einführung des EBM 2005 gekoppelte Leistungen nicht wie er mit 10 Minuten angesetzt habe, sondern mit 20 Minuten. Bei den vorgegebenen Zeiten handele es sich um Durchschnittswerte, die naturgemäß im Einzelfall unterschritten werden könnten. Es sei auch plausibel, wenn er 50% der Fälle behandle, dass er hierfür auch mehr Zeit benötige, als die pauschale Vorgabe der Profile anerkenne. Die Beklagte verlagere unzulässig die Beweislast für die Richtigkeit der Abrechnung auf den Arzt. Die im Verfahren zur sachlich-rechnerischen Berichtigung herrschende Beweislastverteilung werde ins Gegenteil verkehrt. Selbst bei Auffälligkeit der Zeitprofile bestehe nur ein Anfangsverdacht, der durch weitere Überprüfung im Einzelfall verifiziert werden müsse. Hierbei seien Personalstruktur, die Beschäftigung angestellter Ärzte, Vertreterfälle, Prüfungen der Fertigkeiten des Arztes, Arbeitsabläufe in der Praxis, Rationalisierungen, operative Ausstattung, Spezialisierung, höhere Fallanzahl, gleichzeitige Koppelung von Leistungen zu berücksichtigen. Er hätte zudem im Verwaltungsverfahren angehört werden müssen. Die Beklagte habe die zeitbezogene Plausibilitätsprüfung mit einer angeblich sachlich-rechnerischen Berichtigung verknüpft und die Profile bisher nicht vorgelegt. Die Plausibilitätsprüfung sei kein eigenständiges Verfahren. Er bestreite die richtige Berechnung der Zeitprofile. Bisher sei die Ordinationsgebühr mit drei Minuten in das Quartalsprofil eingegangen, jetzt seien es 10 Minuten. Beim Ganzkörperstatus seinen es bisher acht Minuten, künftig seien es 11 Minuten. Bei unveränderter Arbeitsweise werde dadurch mit dem neuen EBM 2005 ein Arzt auffällig. Er habe wie zuvor gearbeitet und die Leistungen nebeneinander erbracht. Es fehle somit an dem zwingenden Tatbestandsmerkmal des Verschuldens. Es sei auch zu berücksichtigen, dass er bereits wegen Überschreitung des Gesamtpunktzahlvolumens, wie es vom Zulassungsausschuss festgesetzt worden sei, in den Quartalen I bis IV/05 gekürzt worden sei. Er habe im Jahr 2005 einen Gesamtumsatz von ca. 390.000,00 EUR erwirtschaftet. Wegen Überschreitung des Gesamtpunktzahlvolumens habe die Beklagte eine Kürzung von ca. 35.000,00 EUR vorgenommen. Die Beklagte habe eine weitere Kürzung um ca. 35.000,00 EUR vorgenommen wegen Unterschreitung der Anzahl der bewilligten Schmerztherapien. Mit der jetzt vorgenommenen Berichtigung würde sich sein Umsatz um fast 50% reduzieren. Zu berücksichtigen sei auch die Honorarkürzung aufgrund der Honorarverteilung.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Erstellung von Tagesprofilen anhand der vom Arzt selbst eingereichten Abrechnungen seien ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Auf die Erstellung einer Vergleichsgruppe komme es nicht an, da im Anhang 3 zum EBM vorgegebenen Prüfzeiten nicht zwischen Arztgruppen differenzierten. Im Übrigen bestreite sie, dass der Kläger der einzige Arzt sei, der neurologische und psychiatrische Behandlungen und spezielle Schmerztherapien erbringe. Die Tätigkeiten von Angestellten habe sie berücksichtigt, wie aus den Ausführungen im Widerspruchsbescheid hervorgehe. Eine persönliche Anhörung sei nicht erforderlich gewesen. Der Kläger sei vor Erlass des Rückforderungsbescheides ausdrücklich mit Schreiben vom 22.09.2008 aufgefordert worden, zu den gemachten Vorwürfen schriftlich Stellung zu nehmen. Wie bereits im Widerspruchsbescheid weiter ausgeführt, bestehe ein Vertrauensschutz nicht. Die Ausschlussfrist von vier Jahren sei noch nicht abgelaufen gewesen. Auf Praxisbesonderheiten komme es nicht an, da es sich nicht um eine Wirtschaftlichkeitsprüfung, sondern Plausibilitätsprüfung handele. Die Behauptung, sie habe die Berechnungsweise der Tagesprofile nicht vorgelegt, überrasche. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers müsse die Verwaltungsakte mit den vollumfänglichen Tagesprofilen sowie Quartalsprofilen vorliegen, soweit hier Akteneinsicht beantragt worden sei. Zum anderen seien es doch die vom Kläger abgerechneten Leistungen, die der Erstellung der Tagesprofile zugrunde lägen. Im Übrigen weise auf die Beweislastregel im Rahmen des Plausibilitätsverfahrens hin. Soweit der Kläger vortrage, er könne Leistungen im Durchschnitt schneller erbringen als seine Kollegen, so sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger damit den Anschein erwecke, er rechne Leistungen ab, die nach der Leistungslegende des EBM eine Zeitvorgabe beinhalteten (Mindestzeiten), diese aber nicht zutreffend eingehalten würden, weil diese Leistung durch ihn praktisch schneller erbracht werden könne. Der Einsatz von 20 Minuten bei Kopplung des Ordinationskomplexes mit einer Gesprächsziffer ergebe sich aus dem EBM. Eine Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mind. 20 Minuten Voraussetzung sei für die Berechnung der Leistung nach der Nr. 21220 EBM 2005 Voraussetzung. Erhöhte Fallzahlen fänden im Rahmen der Qualitätsprüfung keine Berücksichtigung. Sofern eine Beschränkung des Klägers im Rahmen der Honorarverteilung erfolgt sei, stehe dies einer Rückforderung im Rahmen des hiesig zu entscheidenden Plausibilitätsverfahrens nicht entgegen. Ein Verstoß gegen § 8 Abs. 4 der Richtlinie gem. § 106a SGB V der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zu Inhalten zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen läge nicht vor. Die Berücksichtigung des Umfangs eines Weiterbildungsassistenten oder ähnliches treffe die Richtlinie nicht. Es gehe auch nicht um eine Gemeinschaftspraxis, da Frau Dr. RS. keine voll zugelassene Vertragsärztin gewesen sei, sondern auf dem Leistungsumfang als Job-Sharing-Partnerin beschränkt gewesen sei. Mit Bescheid vom 20.08.2007 habe sie vom Kläger wegen Überschreitung des Gesamtpunktzahlvolumens "Job-Sharing" im ersten (III/05 bis II/06) und im zweiten Leistungsjahr (III/06 bis IV/06) Honorar zurückgefordert. Den hiergegen eingelegten Widerspruch habe sie mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 28.01.2009 zurückgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 23.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2011 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. Der Klage war stattzugeben.
Die Rechtswidrigkeit des Bescheids folgt für das Quartal III/05 aus einer fehlerhaften Anwendung des sog. Quartalsprofils, da sog. Job-Sharing-Angestellte als Vollzeitkräfte zu berücksichtigen sind. Die Rechtswidrigkeit des Bescheids insgesamt folgt zudem aus der Nichtberücksichtigung der Verfahren zur Honorarrückforderung wegen des Job-Sharings und wegen der Überprüfung der Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV.
Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragszahnärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V, eingefügt durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl. I 2003, 2190, mit Wirkung zum 01.01.2004).
§ 106a SGB V ist nicht auf den Bereich der Primär- und Ersatzkassen im Gegensatz zu den früher allein maßgeblichen Vorschriften nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) beschränkt, wonach die Kassenärztliche Vereinigung die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen hat. Aus Sicht der Zuständigkeit ist es daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei Erstellung der Zeitprofile auch die Leistungen gegenüber Versicherten anderer Versicherungsträger oder der Sozialhilfeträger einbezogen hat. § 106a SGB V erstreckt die Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung auf alle Bereiche, in den sie aufgrund gesetzlicher Erweiterung des Sicherstellungsauftrags (vgl. § 75 Abs. 3 bis 6 SGB V) auch die Abrechnung vornimmt.
Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß – somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes – erbracht worden sind. Solche Verstöße können z. B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG, Urt. v. 01.07.1998 - B 6 KA 48/97 R - SozR 3-2500 § 75 Nr. 10 = Breith 1999, 659 = USK 98163, zitiert nach juris, Rdnr. 15 m.w.N.). Zur Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden sind, ist es zulässig, Tagesprofile zu verwenden (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 = BSGE 73, 234 = MedR 1994, 206 = NJW 1995, 1636 = USK 93141, juris Rdnr. 24 ff.; BSG, Urt. v. 08.03.2000 - B 6 KA 16/99 R - SozR 3-2500 § 83 Nr. 1 = BSGE 86, 30 = NZS 2001, 213 = USK 2000-111, juris Rdnr. 48).
Tagesprofile sind ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Die Beweisführung mit Tagesprofilen ist dem Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung sind bestimmte Anforderungen erforderlich. Für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Delegationsfähige Leistungen haben außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen, dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeit stellt sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - aaO., Rdnr. 24 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.10.2007 - L 7 KA 56/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 21). Als Nachweis für eine Falschabrechnung des Quartals genügt bereits ein beliebiger falsch abgerechneter Tag (BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1).
Nach den Richtlinien der KBV und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der KVen und Krankenkassen (AbrechnPr-RL) stehen Tages- und Quartalsprofil alternativ und nicht kumulativ als Indizien für eine implausible Abrechnung nebeneinander. Für Quartalsprofile, die Behandlungszeiten für Leistungen dokumentieren, die der Arzt in einem Quartal und damit in einem deutlich längeren Zeitraum abgerechnet hat, gilt nichts anderes als für Tagesprofile. Sie eignen sich ebenso als Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung. Wird einer der in § 8 Abs. 3 der AbrechnPr-RL genannten Werte überschritten, liegen Abrechnungsauffälligkeiten vor und führt die KV eine Prüfung nach § 12 AbrechnPr-RL durch. Diese Prüfung dient nicht mehr der Ermittlung von Auffälligkeiten, sondern der Feststellung, ob die anhand der Zeitprofile zu Tage getretenen Abrechnungsauffälligkeiten auf einer nicht ordnungsgemäßen Abrechnung beruhen. Geprüft wird, wie § 12 Abs. 3 Satz 1 AbrechnPr-RL ausdrücklich feststellt, ob sich die Auffälligkeiten zugunsten des Arztes erklären lassen. Hierfür lassen sich aus dem Umstand, dass Tagesprofile im Gegensatz zum Quartalsprofil unauffällig waren, keine Erkenntnisse gewinnen (vgl. BSG, Beschl. v. 17.08.2011 - B 6 KA 27/11 B - juris Rn. 6).
Ausgehend hiervon war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Tages- und Quartalsprofile zu erstellen. Auch war sie nicht verpflichtet, für alle streitbefangenen Quartale nur Tages- oder nur Quartalsprofile zu erstellen.
Die Beklagte hat den Kläger durch Übersendung des Anhörungsschreibens vom 22.09.2008 ausreichend angehört (§ 24 SGB X).
Der angegriffene Bescheid ist auch im Übrigen formell rechtmäßig. Eine Darstellung, bei welchen Behandlungsfällen eine Nebeneinanderberechnung der Ziffern 16210 bis 16212 bzw. 21210 bis 21212 EBM 2005 mit der Ziffer 16220 bzw. 21220 EBM 2005 bei der Erstellung der Tagesprofile erfolgt, ist nicht erforderlich. Die Beklagte war nicht verpflichtet anzugeben, bei welchen Behandlungsfällen eine Nebeneinanderabrechnung stattgefunden hat. Für eine Anhörung reicht die Übersendung der Tagesprofile mit einem Anhörungsschreiben aus, denn die Tageszeitprofile erbringen den Indizienbeweis für die implausible Abrechnung (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 – 6 RKa 70/91 – aaO. - juris, Rdnr. 25), so dass für die Anhörung im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X und für die Begründung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X grundsätzlich keine weitergehende Darstellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlich ist (vgl. LSG Hessen, Beschl. v. 10.11.2009 – L 4 KA 70/09 B ER www.lareda.hessenrecht.hessen.de = www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris). Die Kammer hat ihre im Beschluss vom 02.07.2009 - S 12 KA 235/09 ER – noch anders vertretene Rechtsauffassung im Hinblick auf die zweitinstanzliche Entscheidungspraxis aufgegeben.
Der angegriffene Bescheid ist aber materiell rechtswidrig.
Die Beklagte hat die Tagesprofile nicht falsch berechnet. Sie hat die Tagesprofile auf der Grundlage der Zeitangaben im EBM 2005 erstellt. Soweit sie bei einer Nebeneinanderabrechnung der Ziffern 16210 bis 16212 bzw. 21210 bis 21212 EBM 2005 mit der Ziffer 16220 bzw. 21220 EBM 2005 davon ausgeht, dass hierfür im Behandlungsfall 20 Minuten anzusetzen sind, ist dies zutreffend.
Ziffer 16220 bzw. 21220 EBM 2005 "Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten" kann für je vollendete 10 Minuten angesetzt werden und wird mit 150 Punkten berücksichtigt. Nach dem EBM 2005 ist aber bei der Nebeneinanderberechnung der Leistungen nach den Ziffern 16210 bis 16212 bzw. 21210 bis 21212 EBM 2005 mit der Ziffer 16220 bzw. 21220 EBM 2005 eine Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Ziffer 16220 bzw. 21220 EBM 2005. Dies folgt eindeutig aus der klaren und bestimmten Leistungslegende dieser Vorschriften. Bei der die Leistungslegende ergänzenden Anmerkung handelt es sich um einen Teil des vom Bewertungsausschuss verabschiedeten EBM, der insofern die eigentliche Leistungslegende ergänzt. Sie gilt für den behandelnden Vertragsarzt und die Kassenärztliche Vereinigung und normiert gleichfalls die Voraussetzungen für eine vollständige Leistungserbringung.
Gerade bei zeitlichen Vorgaben verbleibt kein Auslegungs- oder Interpretationsspielraum; solche Vorgaben sind schon aus diesem Grund eindeutig und bestimmt. Der Arzt kann auch die Einhaltung der zeitlichen Vorgaben ohne großen Aufwand selbst kontrollieren, da hierfür nur eine normale Uhr benötigt wird. Ein neuer Gebührentatbestand wird damit nicht geschaffen. Es ist von der Kammer daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Nebeneinanderabrechnung der Ziffern 16210 bis 16212 bzw. 21210 bis 21212 EBM 2005 mit der Ziffer 16220 bzw. 21220 EBM 2005 im Tagesprofil mit 20 Minuten bewertet, ebenso wie es unerheblich ist, ob das vom Vertragsarzt verwendete Abrechnungsprogramm ihm diesen Zeitumfang anzeigt (vgl. bereits LSG Hessen, Beschl. v. 10.11.2009 - L 4 KA 70/09 B ER - und die vorausgehende Entscheidung der Kammer, SG Marburg, Beschl. v. 02.07.2009 - S 12 KA 235/09 ER - SG Marburg, Urt. v. 13.01.2010 - S 12 KA 238/09 - ZMGR 2010, 116, Berufung zurückgewiesen durch LSG Hessen, Beschl. v. 21.03.2011 - L 4 KA 7/10 -). Die im Leistungsverzeichnis im Anhang zum EBM 2005 angegebene Prüfzeit von 13 Minuten für Ziffern 16210 bis 16212 bzw. elf Minuten für Ziffer 21210, zwölf Minuten für Ziffer 21211 und 13 Minuten für Ziffer 21212 gelten nur für die Berechnung des Quartalsprofils. Im Tagesprofil können diese Leistungen nur einbezogen werden, wenn sie in Kombination mit einer Leistung nach Ziffer 16220 bzw. 21220 EBM 2005 erbracht worden sind, wovon auch die Beklagte ausgeht. Ein Ansatz der Ziffer 16220 bzw. 21220 EBM 2005 setzt dann aber, wie bereits ausgeführt, eine ärztliche Kontaktzeit von 20 Minuten voraus.
Auf eine eventuelle Fehlerhaftigkeit des vom Kläger benutzten Softwareprogramms, das die Dauer von zwanzig Minuten möglicherweise nicht hat erkennen lassen, kommt es nicht an. Maßgeblich für die Abrechnung sind allein die Bestimmungen des EBM 2005. Der mit der Abrechnung geltend gemachte Zeitaufwand, der zu den implausiblen Zeiten geführt hat, beruht allein auf der Abrechnung des Klägers. Der Kläger hat im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 01.06.2011 und vom 05.10.2011 eingeräumt, die Überschreitung des Tagesumfangs liege daran, dass die Beklagte nach Einführung des EBM 2005 gekoppelte Leistungen nicht, wie von ihm selbst, mit zehn Minuten, sondern mit 20 Minuten angesetzt habe. Hierin liegt objektiv eine Falschabrechnung. Aus der Leistungslegende ergibt sich eindeutig, dass die zusätzliche Gesprächsziffer am selben Tag voraussetzt, dass die Gesprächsdauer wenigstens 20 Minuten betragen hat. Ein Nebeneinanderabrechnen mit anderen Leistungen ist unzulässig.
Auf die Einhaltung der Quartalsprofile kommt es hinsichtlich der Tagesprofile nicht an. Mit der Überschreitung der Tagesprofile wird hinreichend nachgewiesen, dass an diesen Tagen eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht mehr möglich war. Dies trifft insbesondere auf die Beratungsleistungen zu, die eine strikte Zeitvorgabe durch den EBM 2005 haben. Erst bei Erreichen der in der Leistungslegende vorgegebenen Dauer ist der Leistungsinhalt vollständig erbracht und kann die Leistung abgerechnet werden. Ein Zusammenhang mit den Quartalsprofilen besteht nicht.
Aufgrund der in der Leistungslegende vorgegebenen Dauer kommt es nicht darauf an, ob Beratungsgespräche schnell oder langsam ausgeführt werden oder ob auch parallel im gleichen Zeitraum Beratungsgespräche für mehrere Patienten durchgeführt werden. Beratung setzt das persönliche Gespräch des Arztes mit einem Patienten, ggf. im Beisein von dessen Angehörigen, voraus. Eine schnellere Beratung, die die vorgegebene Dauer nicht erreicht, kann als eine solche Beratungsleistung nicht abgerechnet werden. Ebf. ist es ausgeschlossen, mehrere Patienten parallel zu beraten. Allenfalls denkbar wäre eine abwechselnde Beratung, die zu einer zeitlichen Addition der individuellen Beratungsteile führen würde. Eine solchermaßen "parallel" laufende Beratung müsste bei zwei Patienten dann mindestens vierzig Minuten dauern.
Delegationsfähige Leistungen werden bei den Tages- und Quartalsprofilen nicht mitgerechnet. Nur solche Leistungen werden berücksichtigt, deren Prüfzeit eine Eignung im Tageszeitprofil oder Quartalsprofil aufweisen. In der Prüfzeit wird lediglich die ärztliche Zeit abgebildet.
Bei der Plausibilitätsprüfung handelt es sich nicht um eine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Auf eine Einzelfallprüfung der Behandlungen kommt es nicht an. Mit dem Nachweis der Implausibilität wird der zulässige Nachweis einer nicht ordnungsgemäßen Abrechnung erbracht. Einer weitergehenden Einzelfallprüfung oder des Nachweises in jedem Einzelfall bedarf es dann nicht. Wie auch immer geartete Praxisbesonderheiten können daher nicht berücksichtigt werden. Von daher kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger der einzige Arzt ist, der neurologische und psychiatrische Behandlungen und spezielle Schmerztherapien durchführt. Prüfgegenstand ist allein der zeitliche Umfang der abgerechneten Leistungen.
Nicht zu beanstanden war auch die Annahme, dass bei Tagesprofilen von über 16 Stunden bzw. bei wenigsten drei Tagesprofilen von über 12 Stunden im Quartal eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht mehr vorliegt (vgl. SG Marburg, Urt. v. 04.06.2008 - S 12 KA 528/07 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris). Im Rahmen des Schätzungsermessens waren daher auch nicht vermeintliche Praxisbesonderheiten des Klägers zu berücksichtigen.
Auf einen Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen. Die Beklagte hat keinen Vertrauenstatbestand dahingehend gesetzt, dass sie die Abrechnungsweise des Klägers für zutreffend hält oder dass sie von einer Berichtigung absehen werde. Nichtstun allein kann einen Vertrauenstatbestand nicht begründen. Insbesondere hält es die Kammer auch für zulässig, dass z. T. drei verschiedene sachlich-rechnerische Berichtigungsverfahren für einzelne Quartale durchgeführt wurden. Neben dem hier streitgegenständlichen Plausibilitätsverfahren hat die Beklagte eine Honorarrückforderung aufgrund der Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV, die alle streitbefangenen Quartale betrifft, und eine Kürzung aufgrund der Obergrenzen für das Job-Sharing-Verhältnis für die Quartale III/05 bis IV/06 festgesetzt. Alle Verfahren betreffen aber unterschiedliche Prüfgegenstände und begründen daher gegenüber den anderen Prüfverfahren keinen Vertrauenstatbestand. Mögliche dennoch sich ergebende Benachteiligungen aufgrund der jeweiligen Honorarkürzung sind bei der Festsetzung des Berichtigungsbetrags zu berücksichtigen.
Verjährung bzw. Ausschluss einer Berichtigung wegen Zeitablaufs ist nicht eingetreten. Die Beklagte kann eine Berichtigung innerhalb von vier Jahren vornehmen (vgl. BSG Urt. v. 15.11.1995 – 6 RKa 57/94 – SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1 = USK 95136, juris Rdnr. 10 und BSG, Urt. v. 28.03.2007 - B 6 KA 22/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 35 = BSGE 98, 169 = GesR 2007, 461 = USK 2007-35 = ZMGR 2008, 144, juris Rdnr. 16 m. w. N.). Soweit die Beklagte eine kürzere Ausschlussfrist von zwei Jahren vorsieht, gilt dies nicht bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Falschabrechnung und bei Honorarberichtigungen aufgrund von Plausibilitätsprüfungen (vgl. Ziff. 8.6 der ab dem Quartal II/05 geltenden Honorarvereinbarung, die insoweit fortgeführt wurde). Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung der Kammer eine Kassenärztliche Vereinigung nicht berechtigt, in ihrem Honorarverteilungsmaßstab die nach Bundesrecht geltende Ausschlussfrist von vier Jahren für sachlich-rechnerische Berichtigungen auf zwei Jahre zu verkürzen (vgl. SG Marburg, Urt. v. 10.11.2010 – S 12 KA 455/10 –). Von daher ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, die Tagesprofile vor Erlass eines Honorarbescheids zu erstellen und eine evtl. Berichtigung bereits mit dem Honorarbescheid vorzunehmen. Zudem kommt hinzu, dass die Tagesprofile zunächst lediglich ein Aufgreifkriterium darstellen, das Abrechnungsverhalten eines Vertragsarztes näher zu prüfen. Auch von daher kann im Regelfall eine Prüfung erst nachträglich erfolgen.
Der Bescheid ist aber für das Quartal III/05 insoweit fehlerhaft, als die Beklagte für das herangezogene Quartalsprofil davon ausgeht, dass der Job-Sharing-Partner nur mit 25% zu berücksichtigen sei.
Für die Tagesprofile, auf die die Beklagte die Prüfung in den übrigen streitgegenständlichen Quartalen gestützt hat, geht die Beklagte für den Zeitraum der Anstellung im Rahmen des Job-Sharings zutreffend von zwei vollwertigen Behandlern aus. Allerdings war Frau Dr. S. nicht als gleichberechtigte Partnerin, sondern nur als angestellte Ärztin im Rahmen eines sog. Job-Sharing-Verhältnisses beschäftigt. Von daher ist von der wöchentlich vereinbarten Arbeitszeit der angestellten Ärztin auszugehen, es sei denn, der Vertragsarzt weist die Ableistung entsprechender Überstunden nach. Soweit feststeht, dass die vereinbarte Arbeitszeit unterschritten wurde, können diese Werte berücksichtigt werden. Im Regelfall wird eine Kassenärztliche Vereinigung im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht gehalten sein, entsprechende Nachweise sich vorlegen zu lassen oder weitere Ermittlungen anzustellen. Im Normalfall ist daher bei einer vereinbarten Arbeitszeit von 40-Stunden pro Woche von einer täglichen Arbeitszeit von 8 Stunden auszugehen. Sofern die Beklagte dem Kläger ein Zeitprofil auf 1.440 Minuten/Tag zugesteht, unterstellt sie zu Gunsten des Klägers auch für die angestellte Ärztin eine Arbeitszeit von 12 Stunden. Dies war, da der Kläger hierdurch nicht beschwert wird, von der Kammer im Ergebnis nicht zu beanstanden. Von daher ist der Vortrag des anwaltlich vertretenen Klägers unverständlich, das Zeitprofil müsse auf 1.440 Minuten/Tag angehoben werden. Die Anstellung einer Ärztin im Praktikum hat die Beklagte mit dem Faktor 0,5 berücksichtigt. Ob eine Ärztin im Praktikum überhaupt gesondert zu berücksichtigen ist, kann hier letztlich dahinstehen, da jedenfalls eine Berücksichtigung in einem größeren Umfang ausgeschlossen ist (zur Weiterbildungsassistentin s. BSG, Urt. v. 28.09.2005 - B 6 KA 14/04 R - SozR 4-5520 § 32 Nr. 2 = GesR 2006, 163 = MedR 2006, 307, juris Rn. 11).
Soweit die Beklagte im Quartal III/05 im Rahmen des Quartalsprofils davon ausgeht, dass der Job-Sharing-Partner nur mit 25% zu berücksichtigen sei, so folgt dies einer Logik der Job-Sharing-Anstellung, nicht jedoch zwingend der der Plausibilitätsprüfung zugrunde liegenden Logik. Die Plausibilitätsprüfung geht davon aus, dass bei Überschreiten bestimmter zeitlicher Vorgaben die Leistung nicht mehr oder nicht mehr vollständig erbracht werden kann bzw. nicht erbracht worden ist. Soweit zwei Behandler tätig sind, können sie grundsätzlich das doppelte Leistungsvolumen erbringen, auch wenn sie damit u. U. massiv gegen die Vorgaben einer Job-Sharing-Genehmigung verstoßen. Der Kammer sind solche Fälle im Rahmen von Streitigkeiten über die Honorarberichtigung aufgrund der Obergrenzen für Job-Sharing-Verhältnisse bekannt. Ein solch unzulässiges Abrechnungsverhalten wird nicht zwingend implausibel, verstößt aber im Regelfall gegen die Vorgaben der Obergrenzen durch den Zulassungsausschuss. Denklogisch ist dies nur dann nicht der Fall, wenn bereits die Obergrenzen aufgrund eines implausiblen Abrechnungsverhaltens überhöht angesetzt wurden. Nach Eintritt der Bestandskraft gilt insofern aber eine Bindungswirkung für die Beklagte und das Gericht. Eine Job-Sharing-Anstellung ist daher im Quartalsprofil entsprechend der vereinbarten bzw. tatsächlichen Arbeitszeit zu berücksichtigen, im Normalfall mit 40-Wochenstunden. Das Quartalsprofil von 780 Stunden geht von einer durchgehenden Fünf-Tage-Woche für 52 Wochen im Jahr aus (3.220 Jahresstunden), die auf die vier Quartale gleichmäßig umgelegt werden. Eine volle Anstellung mit 40 Wochenstunden erhöht daher das Quartalsprofil um 520 Stunden auf 1.300 Stunden. Eine Anstellung mit 30-Wochenstunden würde entsprechend das Quartalsprofil um 390 Stunden auf 1.170 Stunden erhöhen, eine Anstellung mit 20-Wochenstunden um 260 Stunden auf 1.040 Stunden.
Von daher können Verstöße gegen die Vorgaben im Rahmen eines Job-Sharing-Verhältnisses nicht im Wege der Plausibilitätsprüfung zu einer Honorarrückforderung führen. Bereits von daher war der Bescheid bzgl. des Quartals III/05 aufzuheben, da die Beklagte von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage und einer fehlerhaften Rechtsanwendung ausgegangen ist.
Zu beanstanden war auch die Berechnung des Berichtigungsbetrages.
Im Rahmen ihres Schätzungsermessens hat die Beklagte den Leistungsanteil abgeschöpft, der im Quartal III/05 auf Leistungen jenseits der zeitlichen Grenze von 12 Stunden bzw. der in den übrigen Quartalen auf die Überschreitung des Quartalsprofils entfällt. Dieser Ansatz der Beklagten ist zunächst nicht zu beanstanden. Der Rechenvorgang über die Feststellung eines Überschreitungsprozentsatzes bedeutet letztlich, dass die Beklagte einen erwirtschafteten Minutenpreis für alle abgerechneten Leistungen ermittelt hat. Auf diese Weise hat die Beklagte alle Vergütungsanteile und evtl. Sachkostenerstattungen einbezogen. Die letztlich hier zu Tage tretende systematisch fehlerhafte Abrechnung hat die Beklagte damit zu Gunsten des Klägers letztlich nur auf die Tage bezogen, an denen eine Überschreitung der 12-Stunden-Grenze bzw. ein Überschreiten der Quartalsprofile vorliegt. Evtl. Sachkostenerstattungen sind Teil des Vergütungsanspruchs, unabhängig davon, ob sie gesondert ausgewiesen werden oder ob sie als Teil der Leistungsbewertung mit der Abgeltung der Leistung indirekt erstattet werden. Diese Vorgehensweise wäre nur dann im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung zu beanstanden, wenn der Kläger eine signifikant von seiner Fachgruppe bzw. seine Fachgruppe von den übrigen Fachgruppen abweichende Kostenerstattung hätte, also ein ganz wesentlicher Teil des Vergütungsanspruchs ein bloß "durchlaufender" Posten wäre, was hier aber nicht der Fall ist.
Nicht zu beanstanden war ferner die quartalsbezogene Berechnung des jeweiligen Rückforderungsbetrages.
Anhand der Überschreitung der Tages- bzw. Quartalsprofile ermittelt die Beklagte den prozentualen Leistungsumfang, der gekürzt werden kann. Soweit diese "Quote" mit dem jeweiligen Nettohonorar multipliziert wird, wird der Kürzungsbetrag berechnet. Damit geht die Beklagte von einer gleichbleibenden Vergütung für alle Leistungen aus und unterscheidet nicht danach, wie sich die Honorarfestsetzung aufgrund der verschiedenen Begrenzungsmechanismen gestaltet. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Beklagte von einem durchschnittlichen Punktwert für alle Leistungen ausgeht, unabhängig davon, ob es sich im Einzelnen um Leistungen zum sog. oberen Punktwert oder unteren Punktwert aufgrund der Überschreitung des Regelleistungsvolumens handelt. Ein solcher durchschnittlicher Punktwert ist der Punktwert, mit dem letztlich die Leistungen des Klägers vergütet wurden.
Es besteht kein Anspruch darauf, dass zunächst die - im Rahmen der Honorarberechnung - geringer vergüteten Leistungen als Maßstab genommen werden. Für die Berechnung der Rückforderung aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung im Falle von Budgetierungen bleibt der praxisindividuelle Punktwert maßgebend, der sich auf der Grundlage des vom Arzt in Ansatz gebrachten Punktzahlvolumens ergeben hat. Es erfolgt keine Neuberechnung des Punktwerts auf der Grundlage des korrigierten Punktzahlvolumens. Eine andere Berechnungsweise kann in Ausnahmefällen zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Betracht kommen (vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2009 - B 6 KA 62/07 R - BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 7 = USK 2009-11). Ein solcher Ausnahmefall setzt aber voraus, dass die fehlerhafte Honoraranforderung durch eine missverständliche oder unzutreffende Information o. ä. seitens der Kassenärztlichen Vereinigung mit verursacht wurde. Ein derartiger Sonderfall ist auch dann in Betracht zu ziehen, wenn ein Arzt in offenem Dissens mit der Kassenärztlichen Vereinigung eine Gebührennummer ansetzt, weil er die Frage ihrer Abrechenbarkeit einer gerichtlichen Klärung zuführen will (vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2009 - B 6 KA 62/07 R -, aaO., juris Rdnr. 27 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Im Übrigen dienen Budgetierungsmaßnahmen nur – neben ihrer Steuerungsfunktion – der Berechnung des Honorars, bedeuten aber keine Wertigkeit der einzelnen Leistungen. Der tatsächliche Wert der Leistung kann nur praxisbezogen mit Hilfe des praxisindividuellen Punktwerts berechnet werden (vgl. SG Marburg, Urt. v. 10.11.2010 - S 12 KA 555/09 -). Soweit eine solche punktwertbezogene Berechnung nicht sinnvoll ist, da nicht ein bestimmtes Punktzahlvolumen von der Vergütung ausgeschlossen ist, kann das dem Kläger verbleibende Honorar auch in der Weise bemessen werden, dass eine zu vergütende Tätigkeit im Umfang von höchstens 12 Stunden täglich angenommen wird und nur der darüber hinausgehende Teil die Grundlage der Berichtigung bildet. Der "Minutenpreis" entspricht dabei dem durchschnittlichen Punktwert. Die Vorgehensweise der Beklagten ist daher insoweit von ihrem Schätzungsermessen gedeckt.
Die Beklagte hat dennoch ihr Schätzungsermessen fehlerhaft ausgeübt, als sie die Honorarrückforderung aufgrund der Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV, die alle streitbefangenen Quartale betrifft und sich für die Quartale II/05 bis IV/06 auf einen Betrag von 66.986,10 EUR und für die Quartale I bis III/07 auf 33.844,01 EUR beläuft, nicht berücksichtigt hat. Ebenso ist es unzulässig, die Kürzung aufgrund der Obergrenzen für das Job-Sharing-Verhältnis nicht einzubeziehen. Hinsichtlich des Job-Sharing-Verhältnisses hat die Beklagte mit Bescheid vom 20.08.2007, der aufgrund des mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2009 abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens bestandskräftig ist, für die hier streitbefangenen Quartale III/05 bis II/06 weitere 12.103,08 EUR zurückgefordert, die aufgrund des sog. Nettohonorarvergleichs auf 8.099,95 EUR reduziert wurden. Für die Quartale III/06 bis IV/06 wurden weitere 22.487,07 EUR zurückgefordert, insgesamt also 30.577,02 EUR.
Für das Verhältnis von Wirtschaftlichkeitsprüfung und Plausibilitätsprüfung hat die Kammer bereits mit Urteil vom 07.09.2011 - S 10 KA 913/09 - juris, Rdnr. 72, Berufung anhängig beim LSG Hessen - L 4 KA 57/11 -, entschieden, dass im jeweils nachfolgenden Bescheid, soweit sich eine sachlich-rechnerische Berichtigung wegen Implausibilität und eine Honorarkürzung wegen Unwirtschaftlichkeit überlappen, bei der Festsetzung des konkreten Kürzungsbetrages im Rahmen der Ermessensausübung die vorangehende Kürzung zu berücksichtigen ist. Die Kammer hält die dortigen Ausführungen auch für das Verhältnis von Plausibilitätsprüfung und Berichtigung aufgrund der Obergrenzen für ein Job-Sharing-Verhältnis und einer Honorarrückforderung aufgrund der Ziff. 7.5 HVV, also weiteren sachlich-rechnerischen Berichtigungen (zur Honorarrückforderung aufgrund der Ziff. 7.5 HVV als sachlich-rechnerische Berichtigung s. SG Marburg, Urt. v. 10.02.2010 - S 12 KA 639/09 – juris, Berufung zurückgewiesen durch LSG Hessen, Urt. v. 13.07.2011 - L 4 KA 14/10 – juris), für übertragbar. Alle Berichtigungsverfahren führen zu einer Honorarkürzung. Wird bei jeder Kürzung das ursprünglich in voller Höhe angesetzte Honorar als Berechnungsgrundlage genommen, so geht die Beklagte von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage aus, da der tatsächliche Honoraranspruch aufgrund der vorangegangenen sachlich-rechnerischen Berichtigung bereits vermindert war. Auf Anfrage der Kammer hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eine Vergleichberechnung vorgelegt, die im Ergebnis die Kürzung (einschließlich des Quartals III/05) auf 68.222,82 EUR vermindern würde. Dabei legt die Beklagte die Rückforderungsbeträge für das Job-Sharing-Verhältnis, die jahresweise berechnet werden, zu gleichen Teilen quartalsweise um, was von der Kammer nicht zu beanstanden wäre. Die Vergleichberechnung zeigt deutlich die überproportionale Belastung des Klägers durch die fehlerhafte Ausübung des Schätzungsermessens. Von daher war der Bescheid auch insgesamt aufzuheben.
Im Rahmen einer Anfechtungsklage kommt eine Verpflichtung zur Neubescheidung nicht in Betracht. Im Übrigen steht es der Beklagten frei zu prüfen, ob sie eine erneute Prüfung der Plausibilität vornimmt. Eine einmal bewirkte Fristwahrung und -hemmung wirkt weiter für die Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens nach gerichtlicher Aufhebung des fristwahrenden bzw. fristhemmenden Bescheids bis zur Neubescheidung (vgl. Clemens in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 106a SGB V, Rdnr. 66 unter Hinweis auf die BSG-Rspr.). Fehlt es an einer Bestandskraft des Honoraranspruchs oder der vorausgehenden Kürzung, so dürfte grundsätzlich die Möglichkeit bestehen, deren Eintritt abzuwarten oder aber Festsetzungen unter einem entsprechenden Vorbehalt zu treffen.
Nach allem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Verfahrenskosten.
Der Streitwertbeschluss erfolgte durch den Vorsitzenden.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
Der wirtschaftliche Wert folgt aus dem Rückforderungsbetrag. Dies ergab den festgesetzten Wert.