26.05.2004 · IWW-Abrufnummer 041335
Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 28.01.1999 – XI 264/95
Aufwendungen des Arbeitgebers aus Anlass des herausgehobenen Geburtstags eines Vorstandsmitglieds beim Arbeitslohn, soweit nicht die Aufwendungen anteilig auf das Vorstandsmitglied oder Familienangehörige entfallen, wenn die Auswahl der Gäste allein durch den Arbeitgeber erfolgt.
Niedersächsisches Finanzgericht
XI. Senat
Az.: XI 264/95
I M N A M E N D E S V O L K E S
U r t e i l
In dem Rechtsstreit XXX
wegen Haftung für Lohnsteuer
hat der XI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 28. Januar 1999, an der mitgewirkt haben: XXX
für Recht erkannt:
Unter Änderung des Lohnsteuer-Haftungsbescheids vom 1. März 1995 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 31. Juli 1995 wird die Lohnsteuer insoweit herabgesetzt, als sie auf die aus Anlass des 60. Geburtstags eines Arbeitnehmers von der Klägerin getragenen Aufwendungen in Höhe von 6.327,95 DM entfällt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Berechnung des verbleibenden Haftungsbetrags wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Klägerin zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist die R e v i s i o n zugelassen worden.
Die Revision ist durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer einzulegen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich durch Beamte oder Angestellte, welche die Befähigung zum Richteramt besitzen, vertreten lassen. Die Revision muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Nieder-
sächsischen Finanzgericht in Hannover, Hermann-Guthe-Str. 3, eingegangen sein und spätestens innerhalb eines weiteren Monatsbegründet werden. In der Revision ist das angefochtene Urteil anzugeben. Die Revision oder die Revisionsbegründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Die Frist für die Revisionsbegründung kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag durch den Vorsitzenden des zuständigen Senats des Bundesfinanzhofs verlängert werden.
Im übrigen wird auf die Vorschriften der §§ 118 bis 121 Finanzgerichtsordnung (FGO) und Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs verwiesen.
Anschrift des Finanzgerichts:
Hausadresse: Niedersächsisches Finanzgericht
Hermann-Guthe-Straße 3
30519 Hannover
Telefax: (0511) 8 408-499
T a t b e s t a n d :
Verfahrensgegenstand ist der Lohnsteuer-Haftungsbescheid des Beklagten (Finanzamt - FA -) vom 1. März 1995 (Bl. 14 Gerichtsakte - GA -) in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 31. Juli 1995 (Bl. 15-18 GA).
Streitig ist, ob ein Vorstandsmitglied (V) der Klägerin Arbeitslohn bezogen hat, weil die Klägerin aus Anlass des 60. Geburtstags des V einen Empfang veranstaltet hat.
Die Klägerin betreibt eine Genossenschaftsbank. Aus Anlass des 60. Geburtstags des V veranstaltete sie am 10. Mai 1993 einen Empfang, an dem 100 Gäste teilnahmen. Der von der Klägerin ohne Mitwirkung des V bestimmte Gästekreis bestand im wesentlichen aus Geschäftspartnern der Klägerin sowie Angehörigen des öffentlichen Lebens und der Presse. Daneben nahmen an dem Empfang Mitarbeiter der Klägerin, darunter V und vier seiner Familienangehörigen teil. Auch die Teilnahme der Familienangehörigen des V erfolgte auf Veranlassung der Klägerin. Wegen der Teilnehmer wird auf die Gästeliste (Bl.42-44 GA) verwiesen. Durch die Ausrichtung des Empfangs entstanden der Klägerin Kosten i.H. von 6.661,- DM.
Das FA sah in den Kosten des Empfangs nach einer Lohnsteuer--Außenprüfung steuerpflichtigen Arbeitslohn des V und erließ, nachdem sich die Klägerin mit ihrer Inanspruchnahme einverstanden erklärt hatte, einen entsprechenden Haftungsbescheid. Der Einspruch der Klägerin blieb im Streitpunkt ohne Erfolg.
Gegen die Einspruchsentscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie ist der Meinung, es liege kein Arbeitslohn vor, allenfalls insoweit, als die Aufwendungen anteilig auf den V und seine Familie entfielen. Der Empfang habe vor allem den geschäftlichen Interessen der Klägerin gedient.
Die vom FA herangezogene Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung sei für die Frage, ob Arbeitslohn vorliege, ohne Bedeutung. Auch die Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts vom 27. Juli 1995 4 K 735/93 (EFG 1996, 274) sei nicht einschlägig. Anders als in dem dort entschiedenen Fall habe sich der V sehr wohl einer Feier in dem Umfang, wie sie von der Klägerin durchgeführt wurde, entziehen können. Insoweit sei die Stellung eines Bankvorstands nicht mit der eines Bürgermeisters vergleichbar. Außerdem sei im Streitfall durchaus ein eigen-betriebliches Interesse der Klägerin an der Durchführung des Empfangs gegeben gewesen, während eine Gemeinde ein solches schon kraft ihrer Natur nicht habe.
Die Klägerin beantragt,
den Lohnsteuer-Haftungsbescheid vom 1. März 1995 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 31. Juli 1995 so zu ändern, dass die Aufwendungen für die Feier zum 60. Geburtstag des Vorstandsmitglieds nicht als lohnsteuerpflichtige Bezüge einbezogen werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Empfang habe anlässlich eines allein in der Person des V begründeten gesellschaftlichen Ereignisses vorrangig im Interesse des V stattgefunden. Die Aufwendungen der Klägerin dafür führten daher bei V in vollem Umfang zu Arbeitslohn.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist weitgehend begründet. Lediglich die anteilig auf den V sowie seine Familie entfallenden Kosten des Empfangs stellen Arbeitslohn dar.
Zu den steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Diese Bezüge und Vorteile müssen durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlaßt sein. Nach § 2 Abs. 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) sind steuerpflichtige Einnahmen aus dem Dienstverhältnis alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um einmalige oder laufende Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden (BFH-Urteil vom 9. März 1990 VI R 48/87, BFHE 160, 447, BStBl II 1990, 711).
Im vorliegenden Fall ist zwar unstreitig, dass die Aufwendungen der Klägerin für den Empfang durch das Dienstverhältnis des V zur Klägerin veranlasst sind. Im Umfang der auf Dritte entfallenden Aufwendungen hat der V aber keine Einnahmen erzielt. Voraussetzung für das Vorliegen einer Einnahme (§ 8 Abs. 1 EStG) ist nämlich eine Vermögensvermehrung, d.h. eine objektive Bereicherung des Arbeitnehmers (FH-Urteile vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39, und vom 7. Dezember 1984 VI R 164/79, BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164).
Zwar kann eine wirtschaftliche Bereicherung auch darin liegen, dass Ausgaben erspart werden (BFH-Urteil vom 9. März 1990 VI R 48/87, BFHE 160, 447, BStBl II 1990, 711 m.w.N.). Wird der Preisvorteil einem Dritten gewährt, liegt aber die Ersparnis von Aufwendungen beim Arbeitnehmer nur bei Vorliegen besonderer Umstände vor, wegen derer bei wirtschaftlicher Betrachtung die Zuwendung an den Dritten einen Vermögensvorteil des Arbeitnehmers begründet. Ein solcher Vermögensvorteil kann vorliegen, wenn die Aufwendungen des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer eine Schuldbefreiung verschaffen (Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG Anm. 123). Es ist jedoch nicht ersichtlich, welcher Vermögensvorteil dem V dadurch entstanden sein soll, dass die Klägerin Aufwendungen für die von ihr eingeladenen Gäste getragen hat, soweit diese nicht zur Familie des V gehörten.
Insbesondere eine Schuldbefreiung durch Ersparnis von Unterhaltsaufwendungen, auf die bei der Begründung der Lohnsteuerpflicht von Leistungen an Verwandte von Arbeitnehmern abgestellt wird (BFH-Urteil vom 23. Februar 1979 VI R 74/76, BFHE 127, 205,BStBl II 1979, 390), ist hier, anders als hinsichtlich der Familienmitglieder des V, nicht gegeben.
Bei wirtschaftlicher Betrachtung könnte zwar Arbeitslohn vorliegen, wenn die Gäste des Empfangs nicht von der Klägerin, sondern von V bestimmt worden wären. Darin könnte eine Anweisung des V an die Klägerin zur Leistung an Dritte und damit eine Verfügung über eine bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ihm zugeflossene Einnahme zu sehen sein. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin hatte jedoch der V an der Erstellung der Gästeliste in keiner Weise mitgewirkt. Auch unter diesem Gesichtspunkt scheidet deshalb die Annahme von Arbeitslohn wegen der auf Dritte entfallenden Aufwendungen aus.
Auch die Auffassung des FA, der V hätte, falls die Klägerin den Empfang nicht veranstaltet hätte, eine entsprechende Feier selbst durchführen müssen, wird vom erkennenden Senat nicht geteilt. Das vom FA herangezogene Urteil des Hessischen Finanzgerichts (a.a.O.) ist für den Streitfall nicht einschlägig. Die Position des V ist mit der eines Bürgermeisters hinsichtlich der Verpflichtung zur Repräsentation bereits nicht vergleichbar. Ein Erfahrungssatz des Inhalts, leitende Angestellte seien gezwungen, ihren 60. Geburtstag mit Mitarbeitern und Geschäftsfreunden zu feiern, besteht im übrigen nicht. Der Senat teilt auch nicht die in dem BFH-Beschluss vom 16. Juni 1998 VI B 155/97 (nicht veröffentlicht - JURIS Nr. STRE 985114060) wiedergegebene Auffassung des Finanzgerichts München aus dem Urteil vom 16. Mai 1997 8 K 2397/95 (nicht veröffentlicht), wonach bei kundenorientierten Unternehmen des Dienstleistungsbereichs die gesellschaftlichen Repräsentationspflichten des Vorstands auch die betriebliche Begehung herausgehobener Geburtstage umfassen.
Schließlich teilt der Senat auch nicht die Ansicht, dass eine objektive Bereicherung eines Dritten genügt, um Arbeitslohn beieinem Arbeitnehmer anzunehmen, wenn nur die Leistung an den Dritten durch das Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer und einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Anlass veranlasst ist (OFD Hannover, Vfg. v. 6.12.1994, DStR 1995, 258, und eingeschränkt FG München, a.a.O.). Fehlt es wie im vorliegenden Fall an einer wirtschaftlichen Verknüpfung zwischen Arbeitnehmer und Leistungsempfänger, weil der Arbeitnehmer keinerlei Einfluss auf Art und Umfang der vom Arbeitgeber veranstalteten Feier hatte, kann nicht von einer Einnahme des Arbeitnehmers und damit von Arbeitslohn ausgegangen werden. Denn seine Leistungsfähigkeit wird unter solchen Umständen durch die vom Arbeitgeber für Dritte unternommenen Aufwendungen nicht erhöht. Auf die Frage, ob die Feier überwiegend betrieblich veranlasst ist, weil sie der Arbeitgeber zum Zweck seiner eigenen Repräsentation veranstaltet, kommt es unter diesen Umständen nicht mehr an.
Letztlich kann auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Behandlung von Aufwendungen einer GmbH für die Geburtstagsfeier des Gesellschafter-Geschäftsführers (BFH-Urteil vom 28. November 1991 I R 13/90, BFHE 166, 251, BStBl II 1992, 359) nicht zu Gunsten des FA auf den Streitfall übertragen werden. Denn in jenem Fall waren betriebliche und gesellschaftsrechtliche Veranlassung von Aufwendungen voneinander abzugrenzen und zu entscheiden, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt. Aus dieser Entscheidung kann aber nicht hergeleitet werden, ob entsprechende Aufwendungen eines Arbeitgebers für einen Empfang aus Anlass des Geburtstags eines Arbeitnehmers Arbeitslohn darstellen. Denn das Vorliegen einer Einnahme ist, anders als beim Arbeitslohn, gerade nicht Voraussetzung für eine verdeckte Gewinnausschüttung an den Gesellschafter-Geschäftsführer. Einnahmen und damit steuerpflichtigen Arbeitslohn hat der V in diesem Zusammenhang jedoch insoweit erzielt, wie die Aufwendungen anteilig auf ihn und seine Familie entfielen. Denn in diesem Umfang hat der V nach den o.g. Grundsätzen eigene Aufwendungen erspart. Wegen der auf V und seine Familie entfallenden Aufwendungen kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, die Einladung der Familie sei im betrieblichen Interesse erfolgt, um der Feier einen würdigen Rahmen zu geben. Denn damit hat die Klägerin im Rahmen ihrer Repräsentation allenfalls zum Ausdruck gebracht, dass sie den V würdigen und also ihm etwas zuwenden wollte. Angesichts dieser Umstände kann nicht festgestellt werden, dass das eigenbetriebliche Interesse der Klägerin an der Teilnahme des V und seiner Familie den Vorteil des V bei weitem überwiegt. Das wäre aber nach der Rechtsprechung des BFH (BFH--Urteil vom 5. Mai 1994 VI R 55-56/92, BFHE 174, 425, BStBl II 1994, 771) Voraussetzung dafür, in den insoweit ersparten Aufwendungen keinen Arbeitslohn zu sehen. Hinsichtlich des auf den V und seine Familie entfallenden Anteil der Aufwendungen i.H.v. 333,05 DM hat das FA daher die Klägerin zu Recht für die hierauf entfallende Lohnsteuer in Anspruch genommen, da auch die Voraussetzungen für die Haftung der Klägerin nach § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG gegeben sind. Insbesondere hat das FA sein Auswahlermessen korrekt ausgeübt, weil sich die Klägerin mit der Inanspruchnahme anstelle des V einverstanden erklärt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, weil das FA nur im Umfang von 5 v.H. des Streitwerts obsiegt hat und der Streitwert auch nicht ungewöhnlich hoch ist.
Die Entscheidung über die vorläufigte Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.