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  • 02.05.2013 · IWW-Abrufnummer 131429

    Sozialgericht Marburg: Urteil vom 30.01.2013 – S 12 KA 386/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    S 12 KA 386/11

    1. Unter Abänderung des Honorarbescheids der Beklagten für das Quartal I/10 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2011 wird die Beklagte verpflichtet, die abgesetzten 268 Leistungen nach Ziffer 86500 in Leistungen nach Ziffer 86512 der Onkologie-Vereinbarung umzuwandeln und in gesetzlicher Höhe zu vergüten.

    2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

    3. Der Streitwert wird auf 7.615,56 EUR festgesetzt.

    Tatbestand:

    Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Berichtigung für das Quartal I/10 und hierbei um die Absetzung von 268 Leistungen nach Ziffer 86500 bzw. deren Umwandlung in Ziffer 86512 trotz fehlender Angabe der Therapieform.

    Der Kläger ist als Facharzt für Urologie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

    In den Quartalen I bis IV/09 setzte die Beklagte das Nettohonorar wie folgt fest:
    Quartal I/09 II/09 III/09 IV/09
    Nettohonorar gesamt in EUR 57.879,38 48.299,92 47.017,37 51.815,12

    Mit Rundschreiben der KV Hessen, veröffentlicht in info.doc, Nr. 5, Oktober 2009, Seite 27, informierte die Beklagte ihre Mitglieder über den Abschluss einer bundeseinheitlichen Onkologie-Vereinbarung als Anlage 7 zum Bundesmantelvertrag, die zum 01.10.2009 in Kraft getreten sei. Wegen des verspäteten Abschlusses der neuen Vereinbarung werde die bisher geltende Vereinbarung im Quartal IV/09 fortgeführt. Im Quartal IV/09 könne weiterhin die Ziffer 86500 "Behandlung florider Tumorleiden oder maligner Hämoblastose, pro Behandlungsfall (nicht belegärztlich), 30,68 Euro" abgerechnet werden. In der Bekanntmachung im info.doc vom März 2010, Nr. 1, informierte die Beklagte darüber, dass die Vergütung des besonderen Aufwandes, welcher im Rahmen der onkologischen Betreuung der Patienten nach Maßgabe der Onkologie-Vereinbarung anfalle, in folgender Höhe vergütet werde: Ziffer 86510 (39,69 Euro), Ziffer 86512 (28,42 Euro), Ziffer 86514 (25,56 Euro), Ziffer 86516 (767,52 Euro) und Ziffer 86518 (167,52 Euro).

    Im Anhang 2 "Abrechnung und Vergütung" zur Onkologie-Vereinbarung werden unter Teil A "Kostenpauschalen" u. a. die Ziffer 86512 geregelt mit folgendem Inhalt: Behandlung solider Tumore entsprechend § 1 Abs. 2a - c unter tumorspezifischer Therapie gemäß Vereinbarung über die qualifizierte ambulante Versorgung krebskranker Patienten ("Onkologie-Vereinbarung"), einmal je Behandlungsfall. Die Kostenpauschale 86512 ist im Behandlungsfall nicht neben den Gebührenordnungspositionen 07345, 08345, 09345, 10345, 13435, 13675, 15345, 26315 und 86510 berechnungsfähig. Die Kostenpauschale 86512 ist nur unter Angabe der Therapieform berechnungsfähig.

    In dem streitbefangenen Quartal setzte die Beklagte das Honorar der Klägerin durch Honorarbescheid vom 29.06.2010 wie folgt fest:

    Quartal I/10
    Anzahl der Praxen/Ärzte 137/192,07
    Nettohonorar gesamt in EUR 46.837,30
    Bruttohonorar PK + EK in EUR 46.898,92
    Fallzahl PK + EK 1.242
    Honoraranteile PK + EK
    Regelleistungsvolumen in EUR 22.224,30
    Quotiertes Regelleistungsvolumen in EUR 1.410,48
    Fallwertzuschläge zum Regelleistungsvolumen in EUR 1.641,36
    Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingen Gesamtvergütung (MGV) 4.131,81
    Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingen Gesamtvergütung (AMG) 17.490,97

    Regelleistungsvolumen
    Obergrenze in EUR 23.263,41
    Angefordert in EUR 29.367,59
    Überschreitung in EUR 6.104,18

    Die Beklagte setzte im Honorarbescheid vom 29.06.2010 die Ziffer 86500 insgesamt 268 mal ab. Zur Begründung führte sie aus, die abgesetzte Gebührenziffer sei im aktuellen Quartal weder im EBM noch in den Zusatzvereinbarungen der KV Hessen aufgeführt.

    Hiergegen legte der Kläger am 04.10.2010 Widerspruch ein. Er trug vor, die Beklagte habe ausnahmslos keine "onkologischen" Ziffern berücksichtigt. Er sei leider nicht rechtzeitig über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Onkologie-Vereinbarung informiert worden. Er habe deshalb noch im ersten Quartal die Ziffer 86500 angesetzt. Auf das Anschreiben der "Abrechnungs-Produktion" habe er sofort mit der entsprechenden Abteilung Kontakt aufgenommen, wobei ihm erklärt worden sei, er würde alle 86500-Ziffern in Ziffer 86512 umgewandelt erhalten, wenn er mittels Fax den Prüfbericht zurücksende sowie nochmals seine Zusatzqualifikation "medikamentöse Tumortherapie", was er auch getan habe. Er sei seit 6 Jahren als Urologe und "onkologisch verantwortlicher Arzt" niedergelassen und müsste gerade in heutiger bescheidener Zeit mit Einkünften auch aus diesem Honorar-Sektor kalkulieren.

    Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2011 den Widerspruch als unbegründet zurück. Als Begründung führte sie aus, grundsätzlich obliege es dem Kläger, die Abrechnung korrekt zu erstellen, denn mit der Abgabe der Behandlungsausweise (ggf. eines maschinell verwertbaren Datenträgers) bestätige der Arzt in einer Sammelerklärung/Quartalserklärung, dass die zur Abrechnung eingereichten Leistungen nach dem Gesetz und den vertraglichen Bestimmungen erbracht worden seien, notwendig gewesen seien und die eingereichte Abrechnung sachlich richtig und vollständig sei. Sie habe bereits mitgeteilt, dass die Abrechnungsziffer 86500 im aktuellen Quartal nicht mehr abrechnungsfähig sei. Der Kläger habe sich daraufhin über den Sachverhalt informiert und letztendlich mit der Rückmeldung zur Quartalsabrechnung I/10 die Umsetzung der Ziffer 86500 in die Ziffer 86512 erbeten, in dem er die Ziffer hinter allen aufgelisteten Patientennamen vermerkt habe. In der Rückmeldung habe er jedoch keine weiteren Angaben zu der qualifizierten ambulanten Versorgung krebskranker Patienten hinterlegt, das heißt, er habe nicht angegeben, um welche Therapieform es sich im Einzelnen gehandelt habe. Die Kostenpauschale sei jedoch nur unter Angabe der Therapieform berechnungsfähig. Die Abrechnungsdaten seien insoweit korrigiert worden, als die Ziffer 86500 zentral in die Ziffer 86512 umgewandelt worden sei. Bei der manuellen Nachbereitung habe die jeweilige Therapieform, welche zwingend der Feldkennung 5009 (Begründungstext) oder 5002 (Arzt der Untersuchung) anzugeben sei, nicht eingetragen werden können, da der Kläger keinen Hinweis zur Therapieform auf den Abrechnungsscheinen vermerkt habe. Auch mit der Rückmeldung zur Abrechnung habe er hierzu keine Angaben gemacht. Sie habe über die Änderung der Abrechnungsziffern informiert.

    Hiergegen hat der Kläger am 12.05.2011 die Klage erhoben. Er trägt vor, er habe bei der Rückmeldung bei denjenigen Patienten, bei denen korrekterweise statt der Honorarziffer 86500 die Honorarziffer 86512 abzurechnen sei, dies handschriftlich angemerkt. Er habe aber in der Tat keine Angaben zu entsprechenden Therapieformen bei den jeweiligen Patienten gemacht. Er habe bei den Patienten entweder Radiatio, Hormontherapie angewendet, diese operiert, lokale Chemotherapie angewendet oder sie in die aktive Überwachung genommen. Bei allen betroffenen Patienten und in allen 268 streitigen Behandlungsfällen sei mindestens eine dieser Therapieformen zur Anwendung gekommen. Die Behandlungsmaßnahmen seien in Abhängigkeit von dem Stadium der Erkrankung des Patienten erfolgt, entweder als adjuvante, palliative oder kurative Therapie. Mit diesen Angaben habe er nachträglich die Voraussetzung für die Abrechenbarkeit geschaffen. Nach Erhalt des Schreibens der Beklagten vom 18.04.2010 habe sich eine Mitarbeiterin telefonisch mit der Abteilung "Abrechnungsproduktion" der Beklagten in Verbindung gesetzt. Eine Mitarbeiterin habe ihr erklärt, der Kläger brauche lediglich mittels Fax die Rückmeldung zur Quartalsabrechnung I/10 zurückzusenden und dort handschriftlich anzumerken, bei welchen Patienten die Ziffern 86500 in die Ziffern 86512 zu ändern seien. Alles Weitere werde von der Abteilung übernommen. Darüber hinaus brauche er nur noch seine Zusatzqualifikation "medikamentöse Tumortherapie" mit dem Prüfbericht zurückzusenden, was er auch getan habe. Von der Mitarbeiterin sei dann eine automatische Korrektur angekündigt worden. Andernfalls hätte er selbstverständlich auch noch die Therapieform mitgeteilt. Er habe auf die Auskunft vertrauen dürfen. Das Bundessozialgericht habe in seiner Entscheidung vom 11.03.2009 darauf hingewiesen, dass eine nachträglich sachlich-rechnerische Richtigstellung zuzulassen sei, wenn die fehlerhafte Honoraranforderung durch eine missverständliche oder unzutreffende Information oder Ähnliches seitens der KÄV mit verursacht worden sei. Eine Absetzung scheide auch dann aus, wenn die vom Arzt eingereichte Honoraranforderung von vornherein erkennbar unzutreffend sei, das heißt aus Sicht der KV sich die Fehlerhaftigkeit sofort hätte aufdrängen müsse. Der erste Anruf sei binnen ein bis zwei Tagen nach Eingang des Schreibens der Beklagten vom 16.04.2010 erfolgt. Er habe bereits in seinem Widerspruch darauf hingewiesen, dass er nicht rechtzeitig über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Onkologie-Vereinbarung informiert worden sei. Die Zeugin C. habe unter der Telefonnummer: xxxxx angerufen. Er habe nunmehr auch handschriftlich die jeweilige Therapieform eingetragen. Wenn die Beklagte keine telefonischen Berichtigungen akzeptiere, so dürfe sie auch nicht entsprechende Auskünfte erteilen.

    Der Kläger beantragt,
    unter Abänderung des Honorarbescheids der Beklagten für das Quartal I/10 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2011 wird die Beklagte verpflichtet, die abgesetzten 268 Leistungen nach Ziffer 86500 in Leistungen nach Ziffer 86512 der Onkologie-Vereinbarung umzuwandeln und in gesetzlicher Höhe zu vergüten,
    hilfsweise
    die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

    Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Sie trägt vor, es sei unstreitig, dass der Kläger die Therapieform der Patienten nicht angegeben habe, obwohl diese Angabe für eine Abrechnung der Leistungen nach Ziffer 86512 erforderlich gewesen wäre. Unstreitig sei auch, dass der Kläger rechtzeitig über die neuen Ziffern informiert worden sei. Sie habe die Fehlerhaftigkeit der ursprünglich angesetzten Ziffer 86500 bemerkt und den Kläger in dem Arzt-Info-Brief hingewiesen. Ihm sei die Möglichkeit verblieben, den Fehler zu korrigieren. Sofern der Kläger diesen Fehler nicht ordnungsgemäß korrigiert habe, gehe dies zu seinen Lasten. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz wegen eines etwaigen Telefonats mit einer Mitarbeiterin berufen. Er habe weder ausgeführt, wann genau dieses Telefonat stattgefunden haben soll, noch mit wem er telefoniert haben soll. Selbst wenn ein solches Telefonat stattgefunden haben sollte, werde bestritten, dass ihrerseits behauptet worden sei, alles Weitere werde von ihr erledigt werden. Sie sei gar nicht in der Lage, die Therapieform hinzuzufügen. Der Kläger könnte sich daher nicht auf eine Aussage einer ihrer Mitarbeiterinnen stützen.

    Die Kammer hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin C. Hierzu wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe:

    Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

    Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

    Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal I/10 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2011 ist hinsichtlich fehlenden Umwandlung der Leistungen nach Ziffer 86500 in Leistungen nach Ziffer 86512 der Onkologie-Vereinbarung rechtswidrig und war insoweit abzuändern. Die Beklagte ist verpflichtet, die abgesetzten 268 Leistungen nach Ziffer 86500 in Leistungen nach Ziffer 86512 der Onkologie-Vereinbarung umzuwandeln und in gesetzlicher Höhe zu vergüten.

    Der Kläger hat einen Anspruch auf Ergänzung seiner Abrechnung hinsichtlich der Leistungen nach der nunmehr korrigierten Ziffer 86512 durch Nachreichung der Therapieform.

    Nach der Abrechnungsrichtlinie der Beklagten in der hier maßgeblichen, von der Vertreterversammlung am 25. Oktober 2008 beschlossenen Fassung (im Folgenden: ARL), kann die Beklagte gestatten, dass ein Arzt bzw. Psychotherapeut innerhalb der ersten 6 Wochen nach Ende eines Abrechnungsquartals seine bereits eingereichten Abrechnungsunterlagen berichtigt. Die Berichtigung ist schriftlich zu beantragen. Sie kann in allen Geschäftsräumen der Beklagten in Anwesenheit eines ihrer Bevollmächtigten erfolgen. In begründeten Einzelfällen kann die Beklagte auf Antrag, soweit die Bearbeitung der Abrechnung nicht beeinträchtigt wird, eine nachträgliche Berichtigung der Abrechnungsunterlagen über den Zeitraum von 6 Wochen hinaus gestatten (§ 3 Satz 2 bis 5 ARL).

    Nach Bekanntgabe des fehlerhaften Ansatzes der Ziffer 86500 hat sich der Kläger durch die Zeugin C. an die von der Beklagten genannten Auskunftsstelle gewandt und nachgefragt, was, da die entsprechende Onkologieleistung in allen abgesetzten Fällen erbracht worden sei, zu tun sei, um eine Vergütung zu erhalten. Die Beklagte hat lediglich angegeben, sie solle für den Kläger die Liste mit den abgesetzten Leistungen durch die richtige Leistungsziffer ergänzen und die Zusatzqualifikation "medikamentöse Tumortherapie" des Klägers nochmals nachweisen. Alles Weitere werde von ihr, der Beklagten erledigt. Auf Nachfrage der Zeugin C. wurde seitens der Auskunftsperson bestätigt, dass die richtige Leistungsziffer nicht für jeden Behandlungsfall angegeben werden müsse, sondern die Angabe seitenweise durch eine geschwungene Klammer zusammengefasst werden könne. Die Zeugin C. hat sich entsprechend der Auskunft verhalten und die Abrechnung entsprechend berichtigt. Über die Angabe der Therapieform oder gar über deren zwingende Vergütungsvoraussetzung wurde in dem Telefonat nicht gesprochen.

    Die Kammer geht von diesem Sachverhalt aufgrund der Vernehmung der Zeugin C. aus. Diese hat diesen Sachverhalt so bestätigt. Die Kammer sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass sie die Unwahrheit gesagt haben sollte. Ihrer Aussage konnte auch entnommen werden, dass insb. die Frage der durch die Klammer ermöglichte vereinfachte Angabe Gegenstand des Gesprächs war. Die Angaben der Zeugin C. werden im Übrigen durch den Ablauf des Verfahrens und den Akteninhalt bestätigt.

    Die Kammer hält es für unerheblich, dass weder der Kläger noch die Zeugin C. angeben können, wann genau dieses Telefonat stattgefunden hat und mit wem telefoniert wurde. Insofern handelt es sich um einen, wie die fachkundig mit zwei selbst als niedergelassene Vertragsärzte tätigen ehrenamtlichen Richtern besetzte Kammer weiß, vergleichsweise alltäglichen Vorgang in einer Vertragsarztpraxis.

    Die Beklagte selbst hat nicht behauptet, den Kläger über seine Helferin auf die notwendige Angabe der Therapieform hingewiesen zu haben. Sie steht lediglich auf dem fehlerhaften Rechtsstandpunkt, sofern der Kläger diesen Fehler nicht ordnungsgemäß korrigiert habe, gehe dies zu seinen Lasten. Im Übrigen wäre die Beklagte für eine ordnungsgemäße, d. h. hier vollständige Beratung auch beweispflichtig. Hinzu kommt, dass bei der Beklagten nach ihren Angaben über solche Gespräche keinerlei Aufzeichnungen geführt werden. Die Beklagte hat letztlich nicht vorgetragen, ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen seien in solchen Fällen zur vollständigen Auskunft verpflichtet, d. h. in solchen Fällen auf die Therapieform hinzuweisen. Von daher liegt die Vermutung nahe, dass die Auskunftsperson der Beklagten selbst nicht Kenntnis davon hatte, dass die Therapieformangabe, was sich erst aus der damals neuen Onkologievereinbarung ergab, zwingende Leistungs- und damit Vergütungsvoraussetzung war. Hierauf deuten auch die Angaben der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid hin, die Abrechnungsdaten seien insoweit korrigiert worden, als die Ziffer 86500 zentral in die Ziffer 86512 umgewandelt worden sei, bei der manuellen Nachbereitung habe die jeweilige Therapieform, welche zwingend der Feldkennung 5009 (Begründungstext) oder 5002 (Arzt der Untersuchung) anzugeben sei, nicht eingetragen werden können, da der Kläger keinen Hinweis zur Therapieform auf den Abrechnungsscheinen vermerkt habe.

    Die Kammer hat auch keine Anzeichen dafür, dass der Kläger seinerzeit nicht in der Lage gewesen wäre, die Therapieform anzugeben, die er dann im Gerichtsverfahren nachgereicht hat.

    Die Beklagte verhält sich aber widersprüchlich, einem Vertragsarzt zeitnah auf die Möglichkeit einer Abrechnungskorrektur hinzuweisen und ausdrücklich hierbei eine Hilfestellung anzubieten, dann aber falsche oder unzureichende Auskünfte zu erteilen und sich hierfür nicht in der Verantwortung zu sehen. Die unvollständige Auskunft der Beklagten hat den Kläger offensichtlich davon abgehalten, sich nun seinerseits eingehender mit den Leistungsvoraussetzungen zu beschäftigen. Von einem Vertragsarzt kann nicht mehr verlangt werden, als dass er sich bei Abrechnungsproblemen an die Beklagte wendet. Mit der Frage, was nunmehr zu tun sei, war auch der Beratungsgegenstand hinreichend konkretisiert worden. Konnte der Vertragsarzt wie hier davon ausgehen, nunmehr für eine ordnungsgemäße Abrechnung alles Erforderliche veranlasst zu haben, dann kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, für die Einreichung weiterer Unterlagen sei die Frist der ARL verstrichen bzw. es bestehe kein Grund für eine Nachfrist. Dies verstößt grob gegen den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

    Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat eine Kassenärztliche Vereinigung, wenn sie zunächst die Richtigstellung eines bestimmten Gebührenansatzes vorgenommen, diese aber auf einen Rechtsbehelf des Vertrags(zahn)arztes hin ohne jede Einschränkung wieder rückgängig gemacht wird, durch diese Vorgehensweise bei dem betroffenen (Zahn-)Arzt einen besonderen Vertrauenstatbestand für das "Behalten dürfen" des ihm bereits zugesprochenen Honorars geschaffen. Dies führt nach dem auch im Sozialrecht allgemein geltenden - Verbot eines widersprüchlichen Verhaltens ( vgl. § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), "venire contra factum proprium", Hinweis auf BSGE 65, 272, 277 = SozR 4100 § 78 Nr. 8 S 36 m.w.N.; BSG SozR 3-5555 § 9 Nr. 1 S 5; BSG SozR 4-1500 § 55 Nr. 1 Rdnr. 6; BSG SozR 4-2400 § 27 Nr. 1 Rdnr. 14 ) dazu, dass eine erneute Korrektur hinsichtlich der gleichen Angelegenheit nur noch zulässig ist, wenn besondere, berechtigtes Vertrauen ausschließende Umstände hinzutreten (vgl. die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X aufgeführten Sachverhalte) (so BSG, Urt. v. 08.02.2006 B 6 KA 12/05 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 1 = Breith 2006, 811 = MedR 2006, 607 = USK 2006-89, juris Rdnr. 18). Dieser Fallkonstellation ist die hier vorliegende Fallkonstellation gleichzustellen, in der nach Absetzung einer Leistung eine Korrekturmöglichkeit mit auf Nachfrage bestimmten Angaben eingeräumt wird. Auch hierdurch wird ein besonderer Vertrauenstatbestand für den Vergütungsanspruch geschaffen.

    Die Beklagte ist daher verpflichtet, dem Kläger Gelegenheit zu geben, die Angabe der Therapieform nachzuholen. Die Tenorierung einer Vergütung in gesetzlicher Höhe bedeutet auch, dass die Beklagte berechtigt ist, diese Angabe noch zu überprüfen.

    Im Ergebnis war der Klage daher stattzugeben.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

    In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).

    Der wirtschaftliche Wert folgt aus dem Wert der strittigen Leistungen. Dies ergab den festgesetzten Wert.

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    Berichtigungsbeschluss

    hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Marburg am 22. Februar 2013 durch den Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht Dr. Pawlita, beschlossen:

    Tenor:

    Das Urteil wird im Teil "Entscheidungsgründe", 3. Absatz, 1. Satz (Seite 6) durch Abänderung der Worte "aber unbegründet" in die Worte "auch begründet" berichtigt.

    Gründe:

    Die offensichtliche Fehlerhaftigkeit folgt bereits aus dem Urteilstenor und der weiteren Urteilsbegründung.

    RechtsgebieteBGB, SGB 5Vorschriften§ 106a SGB 5, § 242 BGB