29.08.2013
Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 17.07.2013 – 4 K 32/11
1. Ein Arbeitsvermittler, der Arbeitslosen
aufgrund eines mit diesen abgeschlossenen Vermittlungsvertrags Arbeitsverträge
vermittelt, kann sich auch dann nicht auf die Steuerbefreiung des
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g 6. EG-Richtlinie berufen, wenn er
das Entgelt aufgrund eines vom Arbeitslosen vorgelegten Vermittlungsgutscheins
von der Agentur für Arbeit erhält.
2. Die Vermittlung von Arbeitsverträgen
stellt eine eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen
Sicherheit verbundene Leistung dar, wenn sie Maßnahmen
der aktiven Arbeitsförderung zur Wiedereingliederung der Arbeitslosen
in das Arbeitsleben umfasst und sich damit ausschließlich
an hilfsbedürftige Personen richtet (Anschluss an FG Berlin-Brandenburg, Urteil
vom 21. April 2010 2 K 998/05, EFG 2010, 2037).
3. Ein Arbeitsvermittler ist nicht als anerkannte
Einrichtung mit sozialem Charakter anzusehen, wenn er seine Vermittlungsleistungen
auf der Grundlage eines mit den einzelnen Arbeitslosen abgeschlossenen
Vertrags erbringt und die Kostenübernahme durch die Agentur
für Arbeit nicht auf einer unmittelbaren vertraglichen
Beziehung zu dieser beruht.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die von der Klägerin
in den Streitjahren erhaltenen Zahlungen für die Vermittlung
von Arbeitslosen, die sie auf Grund von Vermittlungsgutscheinen
im Sinne des § 421 g des Dritten Sozialgesetzbuches (SGB
III) unmittelbar von der Bundesagentur für Arbeit ausgezahlt erhalten
hat, der Umsatzsteuer unterliegende Entgelte sind.
Der Klage liegt im Wesentlichen der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Die Klägerin ist ihrem Internetauftritt zufolge zertifizierte
Partnerin der Job ... Gesellschaft, die durch Personalberater, Kommunikationsberater
etc. unter der Firmierung ”...” eine einheitliche
Dienstleistung anbietet, bei der die Partner im Außenverhältnis
selbständig und auf eigene Rechnung tätig werden. Aufgabe
der streitgegenständlichen Tätigkeit der Klägerin
ist es, Arbeitslose auf dem Arbeitsmarkt durch Vermittlung eines
geeigneten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses
wieder zu integrieren, die zuvor länger als drei Monate
bei der Bundesagentur für Arbeit als arbeitslos registriert
waren. In dem mit der Klägerin abgeschlossenen Vermittlungsvertrag
hatten sie zu bestätigen, dass sie seit mehr als drei Monaten
arbeitslos gemeldet waren (vgl. § 4 Nr. 1 des Vermittlungsvertrages).
Für die angestrebte Vermittlung erstellt die Klägerin
ein Profil von den beruflichen Fähigkeiten des Bewerbers,
führt ein individuelles Bewerbungstraining durch, optimiert
die Bewerbungsunterlagen und bereitet ihn auf ein eventuelles Vorstellungsgespräch
vor. Die Klägerin hat mit ihren Kunden einen Arbeitsvermittlungsvertrag
geschlossen, in dem unter anderem geregelt ist, dass der Arbeitslose
der Klägerin im Fall der erfolgreichen Vermittlung eine
von dem Arbeitgeber ausgefüllte und unterschriebene Vermittlungsbestätigung
zurückzugeben hat. Der Arbeitssuchende wird darauf hingewiesen,
dass er bei einem Erfolg der Vermittlungsbemühungen den
Vermittlungsgutschein abzugeben hat, weil andernfalls die Provision
nicht von der Agentur für Arbeit gezahlt wird und somit
von ihm zu begleichen ist (vgl. Ablichtung eines Vermittlungsvertrages
in der Anlage zur Einspruchsentscheidung). Bis zur Vorlage des Vermittlungsgutscheines
und dessen Einlösung ist die Vermittlungsprovision gestundet.
Mit dem der Klägerin von den Arbeitslosen vorgelegten Vermittlungsgutschein
beantragte die Klägerin auf einem von der Bundesagentur
für Arbeit herausgegebenen Vordruck die direkte Zahlung der
vereinbarten Vermittlungsprovision, die der in § 421 g
Abs. 2 Satz 4 SGB III gesetzlich vorgesehenen entspricht, bei der
Agentur für Arbeit. Die Klägerin hat die Vermittlungsentgelte,
die ihr ausschließlich von der Bundesagentur für Arbeit
gezahlt worden sind, als umsatzsteuerfreie Leistungen behandelt.
Nach einer bei der Klägerin durchgeführten
Außenprüfung für die Jahre 2004 bis 2006
hat das FA diese Handhabung beanstandet und die dem Regelsteuersatz
unterliegenden Entgelte nach Ermittlung der entsprechenden Nettobeträge
erhöht und die in dem Zusammenhang angefallenen Vorsteuerbeträge geschätzt.
Diese Prüfungsfeststellung führte zu einer Umsatzsteuernachforderung
von ... Euro für das Jahr 2004 (... Euro mehr Umsatzsteuer
abzüglich ... Euro mehr Vorsteuer), von ... Euro für
das Jahr 2005 (... Euro mehr Umsatzsteuer abzüglich ...
Euro mehr Vorsteuer) und ... Euro für das Jahr 2006 (...
Euro mehr Umsatzsteuer abzüglich ... Euro mehr Vorsteuer).
Unter dem 10. Oktober 2008 änderte das FA die Umsatzsteuerbescheide
für die Streitjahre entsprechend den Prüfungsfeststellungen,
die auch andere, soweit erkennbar, zwischen den Beteiligten unstreitige
Punkte umfasst haben.
Gegen diese Umsatzsteuerbescheide hat die Klägerin fristgemäß Einsprüche
eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Rechtsbehelfe
richteten sich gegen die Erfassung der Besteuerungsgrundlagen, die
die Arbeitsvermittlung betreffen. Auf eine Darstellung der Einspruchsbegründung
wird an dieser Stelle verzichtet, da sie zumindest im Wesentlichen
denen der Klagebegründung entspricht. Mit der zusammengefassten
Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2011 hat das FA die Rechtsbehelfe
der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen
und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt,
zwischen den Beteiligten sei nicht streitig, dass die streitgegenständlichen
Leistungen der Klägerin unter keine Steuerbefreiungsvorschrift
des nationalen Rechts falle. Aber auch die Voraussetzungen für
eine Umsatzsteuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g der Richtlinie
2006/112/EG des Rates über ein gemeinsames
Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) - vormals Art. 13 A Buchstabe
g 6. RLEWG – seien nicht erfüllt. Diese Vorschrift
befreie die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen
Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen,
einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen
des öffentlichen Rechts oder von anderen von dem betreffenden
Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannten
Einrichtungen bewirkt werden, von der Umsatzsteuer. Für
die Inanspruchnahme dieser Steuerbefreiung genüge es somit,
dass zwei Voraussetzungen erfüllt seien:
es müsse
sich um Leistungen handeln, die eng mit der Sozialfürsorge
und der sozialen Sicherheit verbunden seien, und
diese Leistungen müssten von Einrichtungen
des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die
von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen
sozialen Charakter anerkannt worden seien, erbracht worden sein.
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg habe zwar wie der Bundesfinanzhof
(BFH) die Auffassung vertreten, dass aus dem Umstand, dass die Kostenübernahme
für aktive Arbeitsförderung durch einen öffentlich-rechtlichen
Träger indizieren könne, dass eine Einrichtung
mit sozialem Charakter vorliege. In dem der Entscheidung zu Grunde
liegenden Fall sei die Steuerpflichtige jedoch auf Grund vertraglicher
Vereinbarungen mit dem Arbeitsamt verpflichtet gewesen, nachstehende
Leistungen an Arbeitssuchende zu erbringen, die pauschal vergütet
worden seien:
aktive Unterstützung bei der Stellensuche,
Unterstützung bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen,
Vor- und Nachbereitung von Bewerbungsgesprächen,
Kontrolle der Einhaltung der Meldepflicht,
Schulungen über gesetzliche Neuregelungen
des SGB III,
Unterweisung und Training berufsunabhängiger
Qualifikationen zur Arbeitsaufnahme, wie zum Beispiel Sprechen,
Aussehen, Auftreten, Bewerbung per Telefon.
Für eine erfolgreiche Vermittlung habe das Arbeitsamt
in dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall eine gesonderte
Vergütung geschuldet. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg
habe diese Leistungen dem Bereich der Sozialfürsorge und
der sozialen Sicherheit zugeordnet.
Die Klägerin erbringe zumindest einen Teil dieser Leistungen
auf vertraglicher Grundlage mit den Arbeitssuchenden. Der Gesetzgeber
stufe die Tätigkeit eines Arbeitsvermittlers jedoch erkennbar
anders ein und habe in § 296 Abs. 3 SGB III geregelt, dass
die Vergütung die gesetzliche Umsatzsteuer enthalte. Deshalb
könne aus der ab 2005 geltenden Fassung des § 421
g SGB III auch nicht geschlossen werden, dass zuvor die betreffenden
Leistungen von der Umsatzsteuer befreit gewesen seien. Private Arbeitsvermittler
seien keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts und zumindest
bisher vom Gesetzgeber nicht als Einrichtungen mit im Wesentlichen
sozialen Charakter anerkannt worden. Nach der Rechtsprechung des
BFH könne sich der soziale Charakter einer Einrichtung
auch daraus ergeben, dass zumindest ein großer Teil der
Kosten der sozialen Sicherheit von der öffentlichen Hand übernommen
würden. Voraussetzung sei dafür jedoch, dass die
privaten Wirtschaftsteilnehmer vertragliche Beziehungen zu den entsprechenden
Einrichtungen unterhielten, für die die Leistungen zu erbringen
seien. Der BFH habe in seiner Entscheidung vom 08. November 2007
(Bundessteuerblatt Teil II - BStBl II 2008, 634) unter anderem wörtlich
ausgeführt; „Die Anerkennung des Mitgliedstaates
als eine „Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung” setzt
zumindest eine unmittelbare vertragliche -Inhalt, Umfang sowie Verantwortung
für die vertragsgemäße Durchführung
konkretisierende -- Beziehung zwischen diesem bzw. seinen Untergliederungen
und dem Unternehmen voraus.” Das für die Anerkennung einer
Einrichtung mit sozialem Charakter erforderliche Merkmal der „Unmittelbarkeit
der vertraglichen Beziehungen” sei im vorliegenden Fall
nicht erfüllt. Die Agentur für Arbeit habe lediglich
die Auszahlung der Vermittlungsprovision bei erfolgreicher Vermittlung
eines Arbeitssuchenden übernommen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die fristgemäß erhobene
Klage, zu deren Begründung im Wesentlichen ausgeführt
worden ist, die streitgegenständlichen Leistungen der Klägerin
seien gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe g
der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung
der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (6. RLEWG; jetzt
Art. 132 Abs. 1 lit. g MwStSystRL), nach der die Mitgliedstaaten
die eng mit der Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit
verbundenen Dienstleistungen von der Steuerpflicht befreien, von
der Umsatzsteuer befreit. Die in Art. 13 der Richtlinie vorgesehenen
Steuerbefreiungen stellten eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts dar
und erforderten eine gemeinschaftsrechtliche Definition, dies gelte
auch für die Bedingungen, von denen die Gewährung
der Befreiungen abhängig gemacht würden, insbesondere
für diejenigen, die die Eigenschaft des Wirtschaftteilnehmers
beträfen, der die von der Befreiung erfassten Leistungen erbringe.
Die beiden Voraussetzungen für die hier streitigen Leistungen
seien in der Einspruchsentscheidung zutreffend dargestellt worden.
Die Leistungen der Klägerin, Ausbildungs- und Arbeitssuchende
aktiv bei ihrer Arbeitssuche zu unterstützen, seien eng
mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden.
Die Sozialfürsorge stehe als zusammenfassender Begriff
für soziale Sicherheit und Armenfürsorge im Gemeinwesen,
wobei die soziale Sicherheit die sozialversicherungsrechtliche Absicherung
des Einzelnen beinhalte, d. h., Abhängigkeit von Sozialleistungen
solle durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik im Rahmen sozialpolitischer
Zielsetzungen nach Möglichkeit vermieden werden. Wie der
Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits ausgeführt
habe, sei Ziel der Steuerbefreiungsvorschrift, bestimmte Leistungen
auf dem sozialen Sektor von der Steuerpflicht auszunehmen, um die
eingesparten Mittel den Einzelnen, der sie in Anspruch nehmen müsse,
zugänglich machen zu können.
Die Klägerin habe die Maßnahmen zur Unterstützung
der Arbeitslosen bei deren Arbeitssuche im Auftrag bzw. mit der
Berechtigung einer gesetzlichen Legitimation (Vermittlungsgutscheine)
für einen Träger von Sozialleistungen und damit
Leistungen erbracht, die unter das SGB III fielen. Die Agenturen
für Arbeit erbrächten zur Verwirklichung sozialer
Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Leistungen der Arbeitsförderung.
Zur Unterstützung dieses Zwecks könne der zuständige
Träger der Sozialleistungen private Dritte für
die Vermittlung von Arbeitssuchenden einschalten. Bei den von der
Klägerin erbrachten Leistungen handele es sich um Sozialleistungen,
die dazu dienten, Arbeitslosen Zugang zu einer eigenen Erwerbstätigkeit
zu vermitteln. Die Personengruppe, die nach Einschätzung
der Agentur für Arbeit der Förderung zur Arbeitssuche bedürfe,
habe nur dann eine Chance auf dem Arbeitsmarkt, wenn ihnen beim Erstellen
der Bewerbungsunterlagen, bei der Vor- und Nachbereitung von Bewerbungsgesprächen
etc. professionell geholfen werde. Die Klägerin habe die
streitgegenständlichen Leistungen somit im sozialen Sektor
des SGB Teil I (SGB I) erbracht, die dem Gemeinwohl dienten, weil
sie der Arbeitsaufnahme durch Mitbürger gedient hätten,
die zuvor auf staatliche Unterstützung angewiesen gewesen
seien und damit dazu beigetragen, deren wirtschaftliche und soziale
Notlage abzuhelfen. Die Steuerbefreiung für Maßnahmen
der aktiven Arbeitsförderung, die dem Gemeinwohl dienten,
und die in der erfolgreichen Vermittlung eines sozialversicherungspflichtigen
Arbeitsverhältnisses lägen, sei geboten.
Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach Art.
13 Teil A Abs. 1 Buchstabe g 6. RLEWG sei es erforderlich, dass
die betreffenden Leistungen durch Einrichtungen des öffentlichen
Rechts oder von Einrichtungen mit sozialem Charakter oder mit anerkannter
vergleichbarer Zielrichtung erbracht würden, wobei der
Begriff „Einrichtung” auch private Einrichtungen,
zu denen auch natürliche Personen (vgl. EuGH C-216/97)
mit Gewinnerzielungsabsicht zählten, erfasse (EuGH C-498/03).
Die Vorschrift räume den Mitgliedsstaaten zwar ein Ermessen
hinsichtlich der Frage ein, ob sie bestimmten Einrichtungen sozialen
Charakter zuerkennen, der EuGH habe jedoch in seiner Entscheidung zum
Aktenzeichen C-141/00 darauf hingewiesen, dass spezifische
Anhaltspunkte dafür hinreichend seien, dass – wenn
eine Einrichtung in irgendeiner Weise als Einrichtung mit sozialem
Charakter anzusehen sein könnte – die nationalen
Gerichte zu prüfen hätten, ob die Voraussetzungen
für die Steuerbefreiung erfüllt seien. Es komme
somit weder darauf an, ob es sich bei dem Leistungserbringer um
eine Einrichtung des öffentlichen Rechts handele, noch darauf,
ob der Gesetzgeber die private Vermittlung von Arbeitslosen als
Einrichtung mit im Wesentlichen sozialen Charakter anerkannt habe.
Die entscheidungserheblichen Fragen seien somit im vorliegenden
Rechtsstreit von dem Finanzgericht zu entscheiden. Bei der Würdigung
sei auch zu berücksichtigen, dass die Vergütung
für die von der Klägerin erbrachten Leistungen
von der Bundesagentur für Arbeit auf Grund eines unmittelbaren öffentlichen
Zahlungsanspruchs gemäß § 421 g Abs.
2 Satz 4 SGB III gezahlt werde. Die Klägerin stehe zwar
nicht, worauf das FA abgestellt habe, in einer privatrechtlichen, jedoch
in einer im öffentlichen Recht geregelten Rechtsbeziehung
zur Bundesagentur für Arbeit. Entgegen der Rechtsansicht
des FA sei das Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen
dem Leistungserbringer und einem Sozialhilfeträger nicht
das entscheidende, sondern nach der Rechtsprechung des EuGH und
BFH nur eines der bei der Gesamtwürdigung des Einzelfalles
zu berücksichtigende Kriterium, ob der Leistende eine Leistung
mit sozialem Charakter erbracht habe. Da der Gesetzgeber das Rechtsverhältnis
zwischen der Klägerin und der Bundesagentur für
Arbeit im SGB III geregelt habe, hätte es keines privatrechtlichen
Vertrages zwischen ihnen bedurft. Der Umstand, dass der Gesetzgeber
nicht von der ihm zustehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht habe,
das Rechtsverhältnis privatrechtlich zu regeln, spreche
dafür, dass es sich somit nicht um das ausschlaggebende
Kriterium handele. Diese Rechtsauffassung werde auch von dem vom
FA zitierten Urteil des BFH vom 18. August 2005 zum Aktenzeichen
V R 71/03 gestützt, in dem ausgeführt
worden sei:
„Zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
77/388/EWG hat der erkennende Senat bereits entschieden,
dass die Anerkennung eines Unternehmers als Einrichtung mit sozialem
Charakter auch aus der Übernahme der Kosten für
seine Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der
sozialen Sicherheit abgeleitet werden kann. Maßgebend ist insoweit,
dass es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, für
die die Kosten von den Sozialversicherungsträgern übernehmbar
waren (BFH-Urteil in BFHE 205, 514, BStBl II 204, 849 m.w.N.). Von
diesen Grundsätzen ist auch für andere mit der
Fürsorge oder der sozialen Sicherheit zusammenhängenden Leistungen – wie
im Streitfall – auszugehen.
(3) Das FG hat hierzu festgestellt, dass die Klägerin
aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit dem Jugendamt die Leistungen
und die Kosten mit dem Jugendamt, dem für Kosten der Kinder-
und Jugendhilfe zuständigen Leistungsträger für
die betreffende Sozialleistung (§ 12 und 27 SGB I), abgerechnet
hat. Das genügt.”
Das FA lehne die Steuerfreiheit der streitgegenständlichen
Leistungen der Klägerin zu Unrecht mit der Begründung
ab, der Leistungsbeziehung zwischen ihr und der Bundesagentur für
Arbeit habe kein zivilrechtliches Vertragsverhältnis zu
Grunde gelegen, da das Verhältnis bereits öffentlich-rechtlich
geregelt sei. Die Zahlungen an die Klägerin seien nach
der Systematik des SGB III als Leistungen an den Träger
gemäß § 21 des Gesetzes anzusehen, wonach
Träger auch natürliche Personen seien, die Maßnahmen
der Arbeitsförderung selbst durchführten. Die
Auszahlung an die Klägerin sei ein Verwaltungsakt, so dass
bei Streitigkeiten der Rechtsweg zu der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet
sei. Nach Auffassung der Klägerin vertrete der BFH die
Auffassung, dass die Anerkennung eines Unternehmens als Einrichtung
mit sozialem Charakter unter anderem aus der Übernahme
der Kosten für die Leistung durch einen öffentlich-rechtlichen
Träger abgeleitet werden könne; maßgeblich
sei, dass es sich der Art nach um Leistungen handele, für
die die Bundesagentur für Arbeit die der Klägerin
zustehende Vergütung zahle. Die Klägerin sei in
den Streitjahren auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit tätig
geworden und habe ihre Leistungen gegenüber der Bundesagentur
für Arbeit abgerechnet, die ihr die Vergütung für
jeden Einzelfall ausgezahlt habe. Da die Zahlung durch einen öffentlich-rechtlichen
Träger erfolgt sei, seien die abgerechneten Leistungen
mit denen im SGB III geregelten eng verbunden, in dem auch ihr Entgeltsanspruch
geregelt sei. In engen Zusammenhang mit der Vermittlung der Arbeitslosen
stünden auch die Maßnahmen zum Abbau von Sprach-
und Schreibdefiziten sowie die kommunikationspädagogische
Begleitung, die zur Erreichung des verfolgten Ziels notwendig gewesen
seien. Der Tätigkeit der Klägerin komme ein sozialer Charakter
in Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe g der RLEWG zu. Der Umstand,
dass die Richtlinienbestimmung in Deutschland nicht in das nationale Umsatzsteuergesetz
umgesetzt worden sei, könne nicht zu Nachteilen für
die Klägerin führen.
Das Urteil des Senats vom 29. August 2012 zum Aktenzeichen 4
K 172/11, in dem das Gericht die Leistungen eines privaten
Arbeitsvermittlers als nicht von der Umsatzsteuer befreit angesehen
habe, überzeuge demgegenüber nicht. Das zur Begründung
herangezogene Urteil des BFH vom 12. Mai 2009 zum Aktenzeichen V
R 35/07 betreffe einen anderen Fall und eine andere Steuerbefreiungsvorschrift.
Zudem habe der BFH in der Entscheidung ausgeführt:
„Der Kläger könne sich auch
nicht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h oder i ... berufen, denn
bei dem Unternehmen des Klägers habe es sich auch nicht
um eine mit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts vergleichbare
privatrechtliche Einrichtung gehandelt, weil es an der hierfür
erforderlichen Anerkennung fehle. Das Vorliegen einer derartigen
Einrichtung könne zwar aus der Übernahme der Kosten
durch die Jugendämter oder andere staatliche Einrichtungen
abgeleitet werden. Diese Voraussetzung (liege) jedoch unstreitig
nicht vor und sei vom Kläger auch nicht geltend gemacht
worden.”
Dagegen sei im vorliegenden Fall die Zahlung durch eine staatliche
Stelle, der Bundesagentur für Arbeit, erfolgt. In dem Urteil
des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg, dem ein Fall zu Grunde gelegen
habe, in dem vergleichbare Leistungen wie von der Klägerin
erbracht worden seien, sei die Steuerfreiheit anerkannt worden.
Die Finanzverwaltung habe die gegen diese Entscheidung zugelassene
Revision zurückgenommen. Nach dem Urteil des BFH vom 01. Dezember
2010 zum Aktenzeichen XI R 46/08 könne sich ein
nicht zu einem anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege gehörender
Verein für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für
einen Haus-Notruf-Dienst unmittelbar auf die Befreiungsvorschrift
des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. RLEWG berufen, weil die
Pflegekassen einen Teil der Kosten übernommen hätten.
Ebenso habe der BFH mit Urteil vom 18. August 2008 zum Aktenzeichen
V R 71/03 in einem Fall entscheiden, in dem Legasthenie-Behandlungen zur
Eingliederungshilfe erbracht worden seien, die gegenüber
dem Träger der Sozialleistung abgerechnet worden seien.
Nach der Rechtsprechung des EuGH stellten Leistungen der Grundpflege
und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die von anerkannten Pflegediensten
gegenüber körperlich oder wirtschaftlich Hilfsbedürftigen
erbracht würden, eng mit der Sozialfürsorge und
der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen im Sinne des
Art. 13 Teil A Abs. 1Buchst. g 6. RLEWG dar. In seinem Urteil vom
08. November 2008 zum Aktenzeichen V R 2/07 habe der BFH
unter anderem ausgeführt:
„Für die Anerkennung eines Unternehmens
als eine Einrichtung mit sozialem Charakter kann auch gewürdigt
werden, dass die Leistende die begünstigten Leistungen
aufgrund vertraglicher Leistungen mit Trägern der Sozialversicherung
erbracht hat.”
Das Finanzgericht Köln habe in seinem Urteil vom 10.
April 2012 zum Aktenzeichen 4 K 3627/09 zur Frage der vertraglichen
Vereinbarungen des Leistenden und dem Träger der Sozialversicherung
ausgeführt:
„Die Anerkennung eines Unternehmens als eine
Einrichtung mit sozialem Charakter kann auch aus der Übernahme
der Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder
andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit abgeleitet werden.
Für die Anerkennung kann auch gewürdigt werden,
dass der Leistende die begünstigten Leistungen aufgrund
vertraglicher Vereinbarungen mit Trägern der Sozialversicherung
erbracht hat (vgl. BFH-Urteil vom 08.11.2007 V R 2/06).”
In dem Urteil des erkennenden Senats zum Aktenzeichen 4 K 172/11
sei entscheidend darauf abgestellt worden, dass ein Vertragsverhältnis
zwischen dem dortigen Kläger und der Bundesagentur für
Arbeit nicht bestanden habe, worauf es jedoch nicht maßgeblich
ankomme, weil das Kriterium der „vertraglichen Beziehung” als „conditio
sine qua non” für die Anerkennung einer Einrichtung
mit sozialem Charakter nicht allein maßgeblich sei. Das
Bestehen vertraglicher Beziehungen zwischen dem Leistenden und dem
Sozialversicherungsträger sei nur eines der Kriterien,
die bei der erforderlichen Abwägung aller im Einzelfall
maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen
sei. Da der Gesetzgeber das Verhältnis zwischen der Klägerin
und der Bundesagentur für Arbeit bereits im SGB III ausgestaltet
habe, sei der Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrages nicht erforderlich
gewesen. Die dem Gesetzgeber zur Wahl stehenden Möglichkeiten
der Regelung rechtlicher Verhältnisse (öffentlich-rechtlich
oder privat-rechtlich) spreche bereits dagegen, die nicht vorhandene (privat-)vertragliche
Beziehung zwischen der Klägerin und der Bundesagentur für
Arbeit als das maßgebliche Kriterium anzusehen. Der EuGH
habe in der Entscheidung vom 15. November 2012 zum Aktenzeichen
C 174/11 ausgeführt, dass die Anerkennung eines
Unternehmens als Einrichtung mit sozialem Charakter unter anderem
aus der Übernahme der Kosten für die Leistung
durch einen öffentlich-rechtlichen Träger abgeleitet
werden könne, wobei die Mehrwertsteuerbefreiung von gewerblichen
Leistungserbringern nicht von einer bestimmten Bedingung, wie zum
Beispiel der Kostenübernahme in Höhe von zwei
Drittel durch den Träger der Sozialversicherung abhängig
gemacht werden dürfe, wenn diese Bedingung nicht als Kriterium
für die Anerkennung des sozialen Charakters geeignet sei.
Die Klägerin beantragt,
die geänderten Umsatzsteuerbescheide für Streitjahre
vom 10. Oktober 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.
Januar 2011 zu ändern und die Umsatzsteuer für
das Jahr 2004 um ... Euro, für das Jahr 2005 um ... Euro
und für das Jahr 2006 um ... Euro niedriger festzusetzen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt es Bezug auf die Ausführungen
in der angefochtenen Einspruchsentscheidung und führt ergänzend
aus, ob die von der Klägerin angebotenen Leistungen eng
mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherung verbunden
seien, würden von den Finanzgerichten in Brandenburg und
Schleswig-Holstein unterschiedlich beurteilt. Allen von der Klägerin
zitierten Urteilen sei gemein, dass eine Einrichtung mit sozialem
Charakter – sofern sie nicht von dem betreffenden Mitgliedstaat
als solche anerkannt worden sei – auch dann vorliege, wenn
die/der Steuerpflichtige in unmittelbarer vertraglicher
Beziehung zu einem Träger der Sozialversicherung tätig
geworden sei und direkt mit diesem abgerechnet habe. Insoweit handele
es sich um einen Hilfstatbestand. An dieser unmittelbaren vertraglichen
Verbindung zwischen der Klägerin und der Bundesagentur
für Arbeit fehle es im vorliegenden Fall, da die Klägerin lediglich
berechtigt gewesen sei, mit der Agentur direkt abzurechnen. Als
Vergleich lasse sich das Verhältnis Patient, Arzt und gesetzliche
Krankenkasse heranziehen. Auch hier komme das Vertragsverhältnis
zwischen dem Patienten und dem Arzt zustande, der sein Honorar nach
einer Pauschale von der Krankenversicherung erhalte. Die These der
Klägerin, das Kriterium der vertraglichen Beziehung zwischen
dem Leistenden und einem Sozialversicherungsträger sei
nur eines von mehreren Merkmalen für die Anerkennung einer
Einrichtung als solche mit sozialem Charakter, lasse sich aus der bisher
zu diesem Komplex ergangenen Rechtsprechung nicht herleiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst
Anlagen und den Inhalt der beigezogenen Steuerakten ergänzend
Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen
Verhandlung und Beratung.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre
2004 bis 2006 vom 10. Oktober 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 18. Januar 2011 sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin
nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung
-FGO-). Das FA hat die Entgelte, die die Klägerin im Zusammenhang
mit der Vermittlung von Arbeitslosen vereinnahmt hat, in den angefochtenen
Bescheiden zu Recht als steuerpflichtige, dem Regelsteuersatz unterliegende
Entgelte erfasst.
Für die von der Klägerin gegenüber
den Arbeitslosen erbrachten Vermittlungsleistungen vereinnahmten
Entgelte ergibt sich eine Steuerbefreiung weder aus § 4
UStG noch aus dem Unionsrecht.
Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG
kommt nicht in Betracht, da die von der Klägerin gegenüber
den Arbeitslosen erbrachten Dienstleistungen keine Vorträge,
Kurse oder andere Veranstaltungen belehrender Art beinhalten. Die
Leistungen der Klägerin dienen aus diesem Grund nicht unmittelbar
dem Schul- oder Bildungszweck, so dass auch eine Steuerbefreiung nach § 4
Nr. 21 UStG ausscheidet. Dies ist zwischen den Beteiligten auch
nicht streitig, so dass insoweit weitergehende Ausführungen
nicht erforderlich erscheinen.
Die Klägerin kann sich nicht auf die Steuerbefreiung
des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g 6. RLEWG berufen, da sie mit
den streitigen Vermittlungsleistungen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung
nicht erfüllt.
Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g 6. RLEWG befreien die Mitgliedstaaten
von der Steuer eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen
Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen,
einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen
des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden
Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte
Einrichtungen bewirkt werden.
Eine Leistung, die eng mit der Sozialfürsorge oder der
sozialen Sicherheit verbunden ist, liegt vor, wenn der Personenkreis
der Leistungsempfänger im Hinblick auf seine Bedürftigkeit
dem Personenkreis der Sachverhalte entspricht, bei denen die Rechtsprechung
des EuGH und des BFH das Merkmal der mit der Sozialfürsorge
oder der sozialen Sicherheit eng verbundenen Leistungen bejaht hat
(BFH-Urteil vom 1. Dezember 2010 XI R 46/08, Sammlung amtlich
nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
-BFH/NV- 2011, 712).
Im Streitfall sind die von der Klägerin erbrachten Leistungen
zur Vermittlung von Arbeitslosen eng mit der Sozialfürsorge
oder der sozialen Sicherheit verbunden. Bei den Arbeitslosen handelt
es sich um hilfsbedürftige Personen, da sie sich aufgrund
ihrer Arbeitslosigkeit in einer wirtschaftlichen und sozialen Notlage
befunden haben (vgl. FG Berlin-Brandenburg, Entscheidungen der Finanzgerichte
-EFG- 2010, 2037). Die von der Klägerin im Rahmen der Vermittlungsleistungen
vorgenommenen Tätigkeiten, die zwischen den Beteiligten nicht
streitig sind, umfassten zumindest in ausreichendem Umfang Maßnahmen der
aktiven Arbeitsförderung. Die Erstellung eines Profils
der beruflichen Fähigkeiten des Bewerbers, das individuelle
Bewerbungstraining, die Optimierung der Bewerbungsunterlagen, die
Vorbereitung auf ein Bewerbungsgespräch, die Vor- und Nachbereitung
von Bewerbungen und die Suche nach geeigneten Arbeitsplätzen
stellen speziell auf hilfsbedürftige Arbeitslose zugeschnitten
Maßnahmen dar, die der Wiedereingliederung der Arbeitslosen
in das Arbeitsleben dienten (vgl. hierzu FG Berlin-Brandenburg,
a. a. O.). Der Annahme einer eng mit der sozialen Sicherheit verbundenen
Leistung steht nicht entgegen, dass die Klägerin nicht
in einem Vertragsverhältnis mit der Agentur für
Arbeit gestanden hat. Denn Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g 6. RLEWG
stellt bei dem Tatbestandsmerkmal der eng mit der sozialen Sicherheit verbundenen
Leistung nicht auf die vertraglichen Beziehungen, sondern darauf ab,
ob die Leistungen tatsächlich den Hilfsbedürftigen
zugute kommen (vgl. BFH/NV 2011, 1804).
Die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g 6. EWGRL
setzt jedoch ferner voraus, dass die Leistung von einer Einrichtung
bewirkt wird, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung
mit sozialem Charakter anerkannt worden ist. Der Begriff der Einrichtung
erfasst auch natürliche Personen, die als Unternehmer mit
Gewinnerzielungsabsicht tätig werden. Bei der Bestimmung
der anerkannten Einrichtungen steht den Mitgliedstaaten ein Ermessen
zu. Bei der Ausübung des Ermessens durch die Behörden
der Mitgliedstaaten sind spezifische nationale oder regionale Rechts-
oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften
im Bereich der sozialen Sicherheit, das mit den Tätigkeiten
des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse,
die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten
bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen,
und der Umstand zu berücksichtigen, dass die Kosten der
fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen
Teil von den Trägern der sozialen Sicherheit übernommen
werden (EuGH-Urteile vom 10. September 2002 C-141/00 „Kügler”,
Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes -Slg.- 2002, I-6833
Rz. 58; vom 26. Mai 2005 C-498/03 „Kingscrest
Associates und Montecello”, Slg. 2005, I-4427 Rz. 53; BFH-Urteil
vom 18. August 2005 V R 71/03, BStBl II 2006, 143).
Für die Anerkennung als sonstige Einrichtung mit sozialem
Charakter kommt einer unmittelbaren vertraglichen Beziehung zwischen
dem Mitgliedstaat bzw. den Trägern der sozialen Sicherheit
und dem Unternehmer, durch die Inhalt, Umfang sowie Verantwortung
für die vertragsgemäße Durchführung
der Leistungen konkretisiert werden, rechtserhebliche Bedeutung
zu (EuGH-Urteil in Slg. 2002, I-6833 Rz. 58; BFH-Urteile in BStBl
II 2006, 143; vom 8. November 2007 V R 2/06, BStBl II 2008,
634; FG Köln, Urteil vom 20. April 2012 4 K 3627/09,
juris). Allein der Umstand, dass eine Leistung an eine Einrichtung
erbracht worden ist, deren sozialer Charakter von dem Mitgliedstaat anerkannt
worden ist, reicht für die Anerkennung nicht aus. Vielmehr
setzt die Anerkennung des betreffenden Mitgliedstaates des Steuerpflichtigen
als eine „Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung” zumindest
eine unmittelbare vertragliche – Inhalt, Umfang sowie Verantwortung
für die vertragsgemäße Durchführung
konkretisierende – Beziehung zwischen dem örtlichen
Träger der Sozialversicherung oder einer seiner Untergliederungen
und dem Unternehmer voraus. Dass der Steuerpflichtige seine Tätigkeit
mit dem Träger der Sozialversicherung abgestimmt hat, genügt
nicht (BFH BStBl II 2008, 634). Aus der Kostenerstattung durch einen
Träger der sozialen Sicherheit allein kann keine Anerkennung
als Einrichtung mit sozialem Charakter hergeleitet werden (vgl. BFH-Beschluss
vom 26. Januar 2012 V R 52/10, BFH/NV 2012, 817).
Nach diesen Grundsätzen ist die Klägerin nicht
als eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter anzuerkennen.
Die Klägerin hat ihre Vermittlungsleistungen auf der Grundlage
eines mit den einzelnen Arbeitslosen abgeschlossenen Vertrags erbracht.
Ein Vertragsverhältnis der Klägerin mit den zuständigen
Trägern der Arbeitsverwaltung bestand dagegen nicht. Es
fehlen bereits Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin
ihre Tätigkeit überhaupt mit der Agentur für
Arbeit abgestimmt hat, was allein für die Anerkennung als
Einrichtung mit sozialem Charakter auch nicht ausreichend gewesen
wäre. Dem steht nicht entgegen, dass das Entgelt bei einer
erfolgreichen Vermittlungsleistung der Klägerin über
den Vermittlungsgutschein im Ergebnis von den Trägern der Arbeitsverwaltung
getragen worden ist. Denn die Übernahme des Entgelts erfolgte
auf der Grundlage des § 421 g SGB III allein im Verhältnis
zwischen dem Arbeitslosen und den Trägern der Arbeitsverwaltung.
Gegenüber der Klägerin war ausschließlich
der Arbeitslose selbst zur Zahlung des Vermittlungshonorars verpflichtet.
Dem entspricht die Regelung in dem von der Klägerin mit
den Arbeitslosen geschlossenen Vermittlungsvertrag, nach der die
Arbeitslosen das Vermittlungshonorar selbst zu entrichten hatten,
falls sie den Vermittlungsgutschein nicht der Klägerin übergeben
sollten. Anderweitige Anhaltspunkte, aufgrund derer die Klägerin
als Einrichtung mit sozialem Charakter anzuerkennen sein könnte,
sind im Streitfall nicht erkennbar und sind auch nicht geltend gemacht
worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 in Verbindung
mit § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen, weil
der Frage der Umsatzsteuerbefreiung der aktiven Arbeitsförderung
Arbeitsloser aufgrund des Unionsrechts, die bislang – soweit
ersichtlich – noch nicht höchstrichterlich entschieden
worden ist, über den entschiedenen Fall hinausgehende Bedeutung beigemessen
wird.