Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 12.09.2013

    Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 02.07.2013 – 4 K 1508/09

    Zahlungen eines vormals wesentlich beteiligten, ehemaligen Gesellschafter-Geschäftsführers aufgrund einer Haftungsinanspruchnahme
    nach § 69 AO für Steuerschulden der inzwischen aufgelösten Kapitalgesellschaft sind nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften
    aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die Haftungsinanspruchnahme durch eine Pflichtverletzung während der Tätigkeit als angestellter
    Gesellschafter-Geschäftsführer verursacht wurde und ein objektiver Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der beruflichen
    Tätigkeit besteht.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit


    hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt – 4. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 2. Juli 2013 durch den Vorsitzenden
    Richter am Finanzgericht Görlitz, die Richterin am Finanzgericht Gradl, den Richter am Finanzgericht Keilig, den ehrenamtlichen
    Richter … und die ehrenamtliche Richterin …


    für Recht erkannt:


    Abweichend von dem Bescheid vom 30. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2009 wird die Einkommensteuer
    2007 unter Berücksichtigung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. ./. 10.101,97 EUR festgesetzt.


    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.


    Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu 1/10 und der Beklagte zu 9/10 zu tragen.


    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte ist befugt, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung
    in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Kläger ihrerseits zuvor Sicherheit
    in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.


    Tatbestand

    Die Kläger sind die Erben des am 19. Juni 2012 verstorbenen C. (künftig: Steuerpflichtiger). Der Steuerpflichtige war Inhaber
    des Einzelunternehmens C., Immobilien/Bau/Versicherungen. Er ermittelte seinen Gewinn zunächst durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung
    und ging zum 31. Dezember 2006 zur Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich über.


    Außerdem war er finanziell zu 100 % an der D. Ltd. (D.) beteiligt und führte als Verfügungsberechtigter ihre Geschäfte in
    Deutschland. Diese Gesellschaft war in der Zeit vom 20. Mai 1996 bis zu ihrer Löschung am 29. Januar 2002 im britischen Handelsregister
    eingetragen. Sie erbrachte Bauleistungen in Deutschland, kam ihren inländischen steuerlichen Verpflichtungen jedoch nur unzureichend
    nach. Nach den Erkenntnissen des für ihre Besteuerung zuletzt zuständigen Finanzamts H. unterhielt sie in England keinen wirtschaftlichen
    Geschäftsbetrieb und beschäftigte dort auch kein eigenes Personal. Der formelle Sitz erwies sich als bloßes Rechtsdomizil
    einer Briefkastengesellschaft. Das Stammkapital betrug 100,00 GBP, von denen lediglich 2,00 GBP eingezahlt waren. Bei der
    Gesellschafterin, der E. Ltd., handelte es sich ebenso wie bei der Schriftführerin, der F. Ltd., um inaktive Gesellschaften,
    die regelmäßig nur zum Zwecke der treuhänderischen Übernahme von Geschäftsanteilen und Direktorenmandaten gegründet werden.


    Mit Haftungsbescheid vom 10. April 2003 nahm das Finanzamt H. den Steuerpflichtigen als ehemaligen inländischen Verfügungsberechtigten
    der D. neben der Gesellschaft für deren Steuerschulden zunächst in Höhe von 20.981,33 EUR gemäß § 69 i.V.m. § 35 Abgabenordnung
    (AO) in Anspruch. Auf den dagegen erhobenen Einspruch des Steuerpflichtigen nahm das Finanzamt H. den Haftungsbescheid mit
    Schreiben vom 18. April 2007 teilweise zurück und reduzierte die Haftungssumme auf 10.101,97 EUR. In der Bilanz seines Einzelunternehmens
    auf den 31. Dezember 2006 stellte der Steuerpflichtige für diese Haftungsschuld eine Rückstellung in Höhe von 11.000,00 EUR
    ein.


    In der Zeit von September 2008 bis Juni 2009 führte der Beklagte hinsichtlich des Einzelunternehmens des Steuerpflichtigen
    eine Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 2005 und 2006 durch.


    Dabei stellte die Prüferin fest, dass der Steuerpflichtige im Februar 2006 einen „Masseur-Sessel” für 2000,00 EUR brutto für
    sein Unternehmen angeschafft hatte. Weil eine Besichtigung des Sessels im Rahmen der Betriebsprüfung nicht möglich gewesen
    sein soll, verneinte die Prüferin die betriebliche Veranlassung der Anschaffung dieses Sessels und versagte die geltend gemachten
    Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 365,14 EUR sowie den Vorsteuerabzug in Höhe von 275,86 EUR.


    Außerdem erkannte sie die Rückstellung für die Haftungsschuld nicht an, weil diese Schuld in keinem Zusammenhang mit dem Einzelunternehmen
    des Steuerpflichtigen stehe.


    Den gegen die entsprechenden Änderungsbescheide für 2006 eingelegten Einspruch wies der Beklagte ebenso zurück wie den mit
    derselben Begründung erhobenen Einspruch gegen die (erstmalige) Einkommensteuerfestsetzung 2007.


    Dagegen richtet sich die vorliegende Klage.

    Zur Begründung führte der Steuerpflichtige aus, er nutze den Sessel in seinem Büro. Entgegen der entsprechenden Behauptung
    in der Einspruchsentscheidung habe er sich nicht geweigert, den Sessel der Betriebsprüferin zu zeigen. Vielmehr habe der Beklagte
    die mehrfachen Angebote zur Besichtigung des Sessels nicht wahrgenommen.


    Seine Auffassung, die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für die Steuerschulden der D. stehe in Zusammenhang mit seinem
    Einzelunternehmen, hielt der Steuerpflichtige nicht mehr aufrecht.


    Er vertrat vielmehr die Auffassung, dass es sich um nachträgliche Werbungskosten aus seiner Tätigkeit für die D. handele.
    Diese Tätigkeit sei der eines alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers vergleichbar. Es handele sich bei der D. entgegen
    der Behauptung des Beklagten nicht um eine Briefkastengesellschaft. Vielmehr habe sie zum Beispiel im Geschäftsjahr 1997 Umsatzerlöse
    in Höhe von 48.172,61 DEM erzielt.


    Der Beklagte stütze sich zu Unrecht auf das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 21. Januar 1999 (4 K 6282/98). Es gehe dort
    um die Anrechnung von Körperschaftsteuer auf verdeckte Gewinnausschüttungen, hier aber um seine Inanspruchnahme als Geschäftsführer
    der D. für deren Steuerschulden im Haftungswege. Aus dieser Gesellschaft habe er zwar nicht in den Streitjahren, aber früher
    Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen. Er habe die reduzierte Haftungssumme von 10.101,79 EUR in 2007 bezahlt und
    könne die streitigen Aufwendungen deshalb als nachträgliche Werbungskosten in diesem Jahr abziehen.


    Die Rechtsauffassung des Beklagten stehe im Gegensatz zur Verfügung der Oberfinanzdirektion Düsseldorf vom 29. Oktober 1992
    (S-2350 / S-2244 A – St 114).


    Die Kläger führen das Verfahren fort und beantragen,

    die Einkommensteuer 2006 abweichend von dem Bescheid vom 26. Juni 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober
    2009 unter Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben i.H.v. 365,00 EUR,


    die Umsatzsteuer 2006 abweichend von dem Bescheid vom 26. Juni 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2009
    unter Berücksichtigung weiterer Vorsteuern i.H.v. 275,86 EUR sowie


    die Einkommensteuer 2007 abweichend von dem Bescheid vom 30. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober
    2009 unter Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben i.H.v. 314,00 EUR und Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v.
    ./. 10.101,97 EUR festzusetzen.


    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Aufwendungen für den Massagesessel könnten nicht anerkannt werden, weil der Steuerpflichtige dessen Besichtigung verweigert
    habe. Der Beklagte verweist insofern auf Aktenvermerke der Betriebsprüferin vom 8. Juni und 16. Juli 2009. Auch im Rahmen
    des Rechtsbehelfsverfahrens sei eine Besichtigung nicht möglich gewesen, obwohl der Verfahrensbevollmächtigte des Steuerpflichtigen
    und der Rechtsbehelfssachbearbeiter am 17. September 2009 vereinbart hätten, dass sich der Steuerpflichtige zur Vereinbarung
    eines Besichtigungstermins mit dem Sachbearbeiter in Verbindung setze. Dies sei jedoch nicht geschehen.


    Hinsichtlich der Rückstellung hält der Beklagte an seiner im Rechtsbehelfsverfahren vertretenen Position fest. Auch eine Berücksichtigung
    der Zahlungen des Steuerpflichtigen im Haftungsverfahren als nachträgliche Werbungskosten sei nicht möglich.


    So habe das Niedersächsische Finanzgericht in einem Urteil vom 8. August 2001 (13 K 518/97) entschieden, dass Haftungsbeträge,
    für die ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH nach § 69 AO in Anspruch genommen werde, nachträgliche Anschaffungskosten
    im Sinne des § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) darstellten. Der Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehe
    regelmäßig mit Abschluss des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft. Da die D. aber bereits im Jahr 2002 gelöscht
    worden sei, sei deshalb eine Berücksichtigung in den Streitjahren nicht möglich.


    Dem Gericht haben drei Bände Steuerakten vorgelegen.

    Entscheidungsgründe

    I. Das Verfahren kann trotz des Todes des Steuerpflichtigen fortgesetzt werden. Zwar wird das Verfahren gemäß § 155 Finanzgerichtsordnung
    (FGO) i.V.m. § 239 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) im Falle des Todes einer Partei unterbrochen. Gemäß § 246 Abs. 1 ZPO tritt
    eine Unterbrechung jedoch nicht ein, wenn eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten stattfindet.


    Die Kläger sind als Erben des Steuerpflichtigen aktivlegitimiert und klagebefugt. Gemäß § 1942 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches
    (BGB) geht die Erbschaft auf die Erben über. Sie machen infolgedessen eine eigene Rechtsverletzung i.S.d. § 40 Abs. 2 FGO
    geltend.


    Es liegt auch keine subjektive Klageänderung i.S.d. § 67 FGO vor (vgl. Gräber/von Groll, FGO, 6. Auflage 2006, Rdnr. 9 zu
    § 67 FGO).


    II. Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

    Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2007 vom 30. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2009
    ist insoweit rechtswidrig, als er die streitigen nachträglichen Werbungskosten des Steuerpflichtigen aus seiner Tätigkeit
    für die D. nicht steuermindernd berücksichtigt. Er verletzt deshalb die Rechte der Kläger und ist insoweit aufzuheben (§ 100
    Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).


    1. Die dem Steuerpflichtigen aus der Haftungsinanspruchnahme entstandenen Aufwendungen sind Werbungskosten bei den Einkünften
    des Steuerpflichtigen aus seiner Tätigkeit für die D. (nichtselbständige Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG).


    Sie sind gemäß der Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG im Streitjahr 2007 zu berücksichtigen. Zwar liegt ein konkreter Zahlungsnachweis
    nicht vor. Der Senat hat jedoch aus der Anhörung des Prozessbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung die
    Überzeugung gewonnen, dass die Haftungssumme tatsächlich in diesem Jahr von dem Steuerpflichtigen bezahlt worden ist. Der
    Bevollmächtigte hat in Übereinstimmung mit dem Inhalt der dem Gericht vorliegenden Akten ausgeführt, dass die Herabsetzung
    der Haftungsschuld im April 2007 nur habe erreicht werden können, weil der Steuerpflichtige dem Finanzamt H. zugesagt habe,
    die Haftungssumme nunmehr zeitnah in zwei Raten von 5000 EUR und 5101,97 EUR zu entrichten, und zwar am 15. Mai und 31. Juli
    2007. Den Zahlungsvorgang selbst konnte der Bevollmächtigte allerdings aus eigener Wahrnehmung nicht bestätigen. Er hat insoweit
    aber nachvollziehbar und glaubhaft bekundet, dass er sich im Rahmen seiner weiteren Tätigkeit für den Steuerpflichtigen mit
    dieser Haftungsangelegenheit nicht mehr habe befassen müssen. Daraus könne der sichere Schluss gezogen werden, dass die Zahlung
    tatsächlich erfolgt sei. Denn anderenfalls hätte er von den dann mit Sicherheit eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen des
    Finanzamts H. erfahren, weil der einzige nennenswerte Vermögensgegenstand des Steuerpflichtigen ein Hausgrundstück gewesen
    sei. Eine Vollstreckung in dieses Objekt sei jedoch nicht erfolgt. Dieser Darstellung wollte sich die Vertreterin des Beklagten
    nicht ausdrücklich anschließen; sie hat sie aber auch nicht in Abrede gestellt.


    Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Zwar sind
    dem Steuerpflichtigen in den Streitjahren keine Einnahmen aus dieser Einkunftsquelle zugeflossen, und es sind auch künftig
    keine Einnahmen mehr zu erwarten, weil die D. bereits im Januar 2002 gelöscht worden ist. Es ist aber allgemein anerkannt,
    dass auch Ausgaben, die erst nach der Aufgabe der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit anfallen, als Werbungskosten
    abzugsfähig sein können, wenn sie – wie im Streitfall – noch in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der früheren Einnahmeerzielung
    stehen (Schmidt/Loschelder, EStG, 32. Auflage 2013, Rdnr. 40 zu § 9 EStG m.w.N.). Die in der mündlichen Verhandlung von der
    Vertreterin des Beklagten geäußerten Bedenken gegen das Bestehen dieses Zusammenhangs teilt der Senat nicht. Zwar sind seit
    der Löschung der D. mehr als fünf Jahre vergangen. Dies ist aber allein der Dauer des Haftungsverfahrens geschuldet und kann
    dem Steuerpflichtigen deshalb nicht entgegen gehalten werden.


    Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG). In Betracht kommen
    im Streitfall grundsätzlich Werbungskosten bei den Einkünften des Steuerpflichtigen aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer
    der D. (nichtselbständige Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder aus seiner finanziellen Beteiligung an der D. (Kapitalvermögen
    gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG).


    Stehen Aufwendungen mit mehreren Einkunftsarten in einem objektiven Zusammenhang, sind sie bei der Einkunftsart zu berücksichtigen,
    zu der sie nach Art und Weise die engere Beziehung haben. Dabei sind die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls maßgebend
    (BFH Urteil vom 16.11.2011 – VI R 97/10, BStBl II 2012, 343).


    Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer mit nicht nur unwesentlicher Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft geht die
    ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs indes davon aus, dass die Aufwendungen regelmäßig weniger durch seine Geschäftsführertätigkeit,
    sondern eher durch seine Gesellschafterstellung veranlasst sind (z.B. Urteil vom 16.11.2011 – VI R 97/10, a.a.O., Beschlüsse
    vom 28.06.2007 – VI B 44/07, BFH/NV 2007, 1655, und 22.02.2007 – VI B 99/06, BFH/NV 2007, 1297, Urteile vom 22.10.2002 – VI
    R 16/02, BFH/NV 2003, 164, und 02.05.2001 – VIII R 32/00, BStBl II 2001, 668). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer
    für die Steuerschulden der Gesellschaft als Haftender in Anspruch genommen wird (BFH Urteile vom 26.11.1993 – VI R 3/92, BStBl
    II 1994, 242, vom 08.12.1992 – VIII R 99/90, juris, vom 14.05.1991 – VI R 48/88, BStBl II 1991, 758, und vom 20.12.1988 –
    VI R 55/84, BFH/NV 1990, 23, und 14.10.1960 – VI 45/60 U, BStBl III 1961, 20).


    Auch Teile der Finanzverwaltung (OFD Münster, Verfügung vom 07.12.1992 – S 2350-91-St 15-31, und OFD Düsseldorf, Verfügung
    vom 29.10.1992 – S 2350 A-St 114, S 2244 A-St 114) sind der Ansicht, dass Zahlungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers
    einer GmbH aufgrund einer Haftungsinanspruchnahme nach § 69 AO nicht durch das Gesellschaftsverhältnis, sondern durch das
    Arbeitsverhältnis veranlasst sind. Dies wird nach Ansicht des Senats zutreffend damit begründet, dass von einer Haftung nach
    § 69 AO nur die in den §§ 34, 35 AO genannten Personen betroffen sind und die Haftung des Gesellschafter-Geschäftsführers
    deshalb nicht auf seiner Stellung als Gesellschafter beruht, sondern ausschließlich auf seiner Stellung als Geschäftsführer
    der GmbH.


    Bei den Zahlungen handelt es sich mithin grundsätzlich um Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit,
    wenn die Haftungsinanspruchnahme des Gesellschafter-Geschäftsführers – wie im Streitfall – durch eine Pflichtverletzung während
    seiner Tätigkeit als angestellter Gesellschafter-Geschäftsführer verursacht wurde und ein objektiver Zusammenhang zwischen
    Pflichtverletzung und der beruflichen Tätigkeit besteht. Dementsprechend sind solche Zahlungen bei einem wesentlich beteiligten
    Gesellschafter-Geschäftsführer weder als nachträgliche Anschaffungskosten auf seine Beteiligung noch als sonstige Betriebsausgaben
    (z.B. Veräußerungskosten) nach § 17 EStG zu berücksichtigen.


    Nur wenn die die Haftung nach § 69 AO auslösende Pflichtverletzung nicht in einem objektiven Zusammenhang mit der beruflichen
    Tätigkeit steht und die Aufwendungen hinsichtlich des privaten und beruflich veranlassten Anteils nicht zutreffend und in
    leicht nachprüfbarer Weise zu trennen sind, soll der Gesamtbetrag aus der Haftungsinanspruchnahme nach § 12 Nr. 1 EStG den
    nichtabzugsfähigen Lebenshaltungskosten zuzurechnen sein. Dies soll zum Beispiel dann der Fall sein, wenn sich der Gesellschafter-Geschäftsführer
    zu Unrecht bereichert hat, er den Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder er Familienangehörigen pflichtwidrig auf Kosten
    seines Arbeitgebers Vorteile verschafft hat. Dafür sind im Streitfall keine Anhaltspunkte erkennbar.


    Die vorstehenden Grundsätze gelten auch, wenn – wie im Streitfall – von einem ehemaligen Gesellschafter-Geschäftsführer nach
    Auflösung der GmbH nachträglich Werbungskosten geltend gemacht werden. Voraussetzung ist lediglich, dass die Haftungsinanspruchnahme
    des Gesellschafter-Geschäftsführers durch eine Pflichtverletzung während seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer
    verursacht wurde. Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.


    2. Die Anschaffung des Sessels ist dagegen weder einkommen- noch umsatzsteuerlich zu berücksichtigen. Seine Anschaffung war
    weder betrieblich veranlasst noch ist sie für das Unternehmen des Steuerpflichtigen erfolgt. Denn dies setzte voraus, dass
    er tatsächlich – wie von dem Steuerpflichtigen lediglich behauptet – als Bürosessel in seinem Betrieb verwendet worden ist
    und nicht – wie seine Bezeichnung als Massagesessel nahelegt – lediglich der privaten Lebensführung gedient hat. Davon konnte
    sich der Senat die notwendige Überzeugung indes nicht verschaffen. Auch wenn der Kläger zu 1., der Sohn des Steuerpflichtigen,
    in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass er den Sessel im Betrieb seines Vaters gesehen und ihn nach dessen Tod
    veräußert habe, so genügt dies dem Senat nicht. Es bleiben zumindest Zweifel, ob es sich bei dem von dem Kläger zu 1. beschriebenen
    Sessel um den hier streitigen gehandelt und ob er sich bereits in den Streitjahren im Betrieb des Steuerpflichtigen befunden
    hat. Diese Zweifel hätten bei einer zeitnahen Besichtigung ohne Weiteres ausgeräumt werden können.


    Die Zweifel des Senats beruhen insbesondere darauf, dass der Steuerpflichtige dem Beklagten die erforderlichen Feststellungen
    für die Streitjahre nicht ermöglicht hat. Davon ist der Senat nach der Anhörung der Betriebsprüferin und des zuständigen Rechtsbehelfssachbearbeiters
    in der mündlichen Verhandlung überzeugt. Eine Besichtigung während der Betriebsprüfung ist offenkundig nicht erfolgt. Anderenfalls
    hätte der Bevollmächtigte des Steuerpflichtigen eine Besichtigung des Sessels durch den Rechtsbehelfssachbearbeiter während
    des Rechtsbehelfsverfahrens jedenfalls nicht in der Art und Weise vereinbart, wie es nach der Aussage des Sachbearbeiters
    am 17. September 2009 unstreitig geschehen ist. Dass sich der Steuerpflichtige entsprechend dieser Vereinbarung vereinbarungsgemäß
    mit dem Beklagten in Verbindung gesetzt hätte, ist weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen worden.


    Für die betriebliche Verwendung bzw. Zugehörigkeit zum Unternehmensvermögen trägt indes der Steuerpflichtige die objektive
    Beweislast. Die Zweifel des Senats gehen insoweit zu seinen Lasten.


    III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 151 Abs. 3,
    155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

    VorschriftenEStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, EStG § 9 Abs. 1 S. 1, AO § 69