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  • · Fachbeitrag · Besteuerung von Gemeinschaften

    Grenzen der Bruchteilsbetrachtung in der Steuerplanung für Freiberufler

    von Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rennar, Hannover

    | Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, werden den Gemeinschaftern oder Gesellschaftern anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Der BFH hat diesen bedeutsamen steuerlichen Grundsatz jedoch gebrochen. Danach kann die Anschaffung bzw. Veräußerung eines Anteils an einer Erbengemeinschaft steuerlich nicht mit der Anschaffung bzw. Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter dieser gleichgestellt werden. Diese Entscheidung hat Signalwirkung für die Steuerplanung von Personengesellschaften. |

    1. Hintergrund

    Ein Wirtschaftsgut ist unter den Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO steuerlich nicht dem zivilrechtlichen, sondern dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen. Wirtschaftliches Eigentum ist hierbei insbesondere dann anzunehmen, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers besteht oder dessen Herausgabeanspruch keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (vgl. BFH 18.9.03, X R 54/01, BFH/NV 04, 474, m. w. N.). Ein schuldrechtlich oder dinglich Nutzungsberechtigter (Mieter oder Pächter) hat insoweit in der Regel kein wirtschaftliches Eigentum an dem ihm zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgut. Denn er ist lediglich befugt, eine fremde Sache zu nutzen, nicht aber wie ein Eigentümer mit der Sache nach Belieben zu verfahren.

     

    Für die anteilige Zurechnung von Wirtschaftsgütern, die mehreren zivilrechtlich zur gesamten Hand (z. B. bei Erbengemeinschaften) oder einer rechtsfähigen Personen(handels)gesellschaft zustehen (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO), sind die jeweiligen Steuergesetze sowie die allgemeinen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen maßgebend. Eine Ermittlung der Anteile erfolgt nur, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist (vgl. AEAO zu § 39 AO, Nr. 1 f.)

     

    Von einem traditionellen Grundverständnis geht § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO hierbei aus und rechnet die einzelnen Wirtschaftsgüter den an der Gesamthand beteiligten Personen wie Bruchteilseigentum zu, soweit die Gesamthand nicht selbst als Steuersubjekt erfasst wird. Hiervon zu unterscheiden ist die zivilrechtliche und steuerrechtliche (Teil-)Rechtsfähigkeit der Gesamthand. So ist inzwischen anerkannt, dass die (Außen-)GbR als rechtsfähiger Personenverband anzuerkennen ist, wenn sie über einen Namen, über für sie handelnde Organe und über Gesellschaftsvermögen verfügt, d. h., für den Rechtsverkehr identifizierbar ist. Die Erbengemeinschaft und die Gütergemeinschaft stellen hingegen keinen rechtsfähigen Personenverband dar (vgl. BGH 11.9.02, XII ZR 187/00). Zu den Gesamthandsgemeinschaften zählen insbesondere die Personengesellschaften des Handelsrechts, also die OHG, die KG sowie die GbR und die Erbengemeinschaft (vgl. Koenig, AO, § 39, Rz. 68, m. w. N.). Gerade im freiberuflichen Bereich ist die Personengesellschaft eine beliebte Kooperationsform.

     

     

    2. Paradigmenwechsel bereits durch den Wegfall des Gesamthandsprinzips mit dem MoPeG

    Ein Paradigmenwechsel wurde durch den Wegfall des Gesamthandsprinzips schon grundlegend durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG, BGBl I 21, 3436) eingeläutet. Mit den zivilrechtlichen Änderungen durch das MoPeG wurde insoweit bereits klargestellt, dass die für die Gesellschaft erworbenen Rechte und die gegen sie begründeten Verbindlichkeiten nicht den Gesellschaftern zur gesamten Hand, sondern vielmehr der Gesellschaft gehören. Damit tritt an die Stelle eines gesamthänderisch gebundenen Vermögens der Gesellschafter ein Vermögen der Gesellschaft.

     

    Mit dem Verzicht auf das Gesamthandsprinzip geht somit zwar eine gewisse natürliche Erklärung für bestimmte Strukturmerkmale der Personengesellschaften verloren. Eng mit dem Gesamthandsprinzip verbunden ist daher die Frage, wie sich das Ausscheiden eines Gesellschafters auf die Beteiligungsverhältnisse auswirkt. Änderungen an den ertragsteuerlichen Grundsätzen bei der Besteuerung von Personengesellschaften sollen mit den Änderungen durch das MoPeG allerdings nicht verbunden sein. Dies soll insbesondere für die transparente Besteuerung von Personengesellschaften gelten. Soweit in den Steuergesetzen von Gesamthandsvermögen gesprochen wird, sei dies bei rechtsfähigen Personengesellschaften dahin gehend zu verstehen, dass damit das Vermögen der Gesellschaft in Abgrenzung zum Vermögen der einzelnen Gesellschafter (Sonderbetriebsvermögen) gemeint ist (siehe hierzu weitergehend Rennar, BBP 24, 136).

    3. Rechtsprechung zieht Grenzen der Bruchteilsbetrachtung für die Steuerplanung

    Der BFH hat in jüngster Rechtsprechung (vgl. BFH 26.9.23, IX R 13/22, NJW 24, S. 463 zu § 23 EStG bei Erbengemeinschaften; bestätigt durch BFH 15.7.21, IV R 36/18, NZG 21, 1608 und BFH 18.8.21, XI R 43/20, DB 22, 712 zu § 6 Abs. 5 EStG bei Mitunternehmerschaften) die Grenzen der Bruchteilsbetrachtung auch für eine vorausschauende Steuer- und Vermögensplanung für Freiberufler gezogen. Der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer Erbengemeinschaft führt demnach ‒ mit Signalwirkung für Personengesellschaften ‒ nicht zur anteiligen Anschaffung eines zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks.

     

    PRAXISTIPP | Diese aktuellen Rechtsgrundsätze des BFH zur Grenzlinie der Bruchteilsbetrachtung bei privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 EStG) bestätigen die Judikaturlinie zu steuerneutralen Übertragungs- bzw. Überführungsakten (§ 6 Abs. 5 EStG) und sind damit für eine vorausschauende Steuer- und Vermögensplanung für Freiberufler & Co. unabdingbar. Hieraus ergeben sich nachfolgende Implikationen zur Beurteilung ertragsteuerlicher Sperr- bzw. Nachbehaltensfristen (z. B. § 6 Abs. 5 S. 4 EStG bzw. § 16 Abs. 3 S. 3 EStG). Nachfolgende Grundsätze sind daher bereits frühzeitig bei der Steuerplanung einzubeziehen, um rechtssichere Gestaltungsoptionen im Einzelfall zu eröffnen.

     

    Eine gesamthänderische Beteiligung ist insoweit kein Grundstück und auch kein Recht, das den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegt. Das gilt selbst dann, wenn sich im Gesamthandsvermögen nur Grundstücke befinden. Eine gesamthänderische Beteiligung vermittelt aber keinen sachenrechtlich fassbaren Anteil und infolgedessen auch kein Verfügungsrecht des einzelnen an den Gegenständen des Gesamthandsvermögens. Sie kann deshalb einem Grundstück oder einem grundstücksgleichen Recht nicht gleichgestellt werden (vgl. BFH 10.7.96, X R 103/95, BStBl II 97, 678).

     

    Daran ändert § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO letztlich nichts. Nach dieser Vorschrift werden Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH wird eine anteilige Zurechnung i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO i. R. d. § 23 EStG somit nur erforderlich, wenn die Gesamthand selbst, die nicht Schuldnerin der Einkommensteuer ist, den Besteuerungstatbestand erfüllt. Bei Anschaffungs- oder Veräußerungsvorgängen, die hingegen von einzelnen Gesellschaftern oder Gemeinschaftern verwirklicht werden, ist dagegen eine Zurechnung nach Bruchteilen nicht erforderlich (vgl. BFH 4.10.90, X R 148/88, BStBl II 92, 211; bestätigend BFH 10.7.96, X R 103/95, BStBl II 97, 678). § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO) ist daher nach aktueller Rechtsprechung nicht anzuwenden, wenn der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts deshalb nicht erfüllt ist, weil kein Grundstück, sondern ein Gesellschafts- oder Gemeinschaftsanteil angeschafft worden ist.

     

    Auch aus § 23 Abs. 1 S. 4 EStG ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift gilt die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter. Die Vorschrift erfasst nach ihrem klaren und eindeutigen Wortlaut damit nur Beteiligungen an Personengesellschaften. Dies schließt eine Anwendung der Regelung auf Erbengemeinschaften aus, da diese bereits nicht zu den Personengesellschaften zählen (vgl. BFH 19.1.23, IV R 5/19, BStBl II 23, 649).

    4. Besonderheit: Reinvestitionsrücklagen nach § 6b EStG

    Die aktuellen Rechtsprechungsgrundsätze sind hingegen nicht auf Gestaltungsvarianten einer Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG übertragbar. Hinsichtlich der Übertragungsmöglichkeiten der aufgedeckten stillen Reserven nach § 6b EStG ist nämlich vielmehr zu unterscheiden, ob der Veräußerungsvorgang die Mitunternehmerschaft des Gesellschafters unberührt lässt oder ob der Veräußerungsvorgang gleichzeitig das Ende der Mitunternehmerschaft bedeutet. Zu beachten ist hierbei, dass der übertragende Mitunternehmer den nach § 6b EStG begünstigten Gewinn nur insoweit übertragen darf, als der begünstigte Gewinn anteilig auf den übertragenden Mitunternehmer entfällt. Dementsprechend darf bei der Mitunternehmerschaft, auf die der begünstigte Gewinn übertragen werden soll, der begünstigte Gewinn nur insoweit übertragen werden, als das angeschaffte Wirtschaftsgut dem übertragenden Mitunternehmer (anteilig) zuzurechnen ist (sog. gesellschafterbezogene Betrachtungsweise). Dies gilt auch für eine an der Mitunternehmerschaft beteiligte Kapitalgesellschaft in dem Umfang ihres Beteiligungsverhältnisses (vgl. Brandis/Heuermann, EStG, § 6b, Rn. 230, m. w. N.).

     

    FAZIT | Die Grenzen der Bruchteilsbetrachtung als Ausprägung des Grundsatzes wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO) zeigen durch die jüngsten Urteile des BFH die aktuellen Grenzen der Steuerplanung auch für Freiberufler & Co. auf. Hiervon sind gerade ertragsteuerliche Regelungsbereiche betroffen. Insbesondere die Veräußerung von Wirtschaftsgütern i. R. d. § 23 EStG oder steuerliche Sperrfristen bei Überführung bzw. Übertragung etwaiger Einzelwirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 5 S. 4 EStG) und Realteilungen (§ 16 Abs. 3 S. 3 EStG) sind hierbei zu nennen.

     

    Gerade bei ertragsteuerlichen Sperr- bzw. Nachbehaltensfristen kann es die höchstrichterliche Rechtsprechung im Einzelfall ermöglichen, einen entsprechenden Verstoß zu verhindern. Hierbei ist bereits bei der Steuerplanung darauf zu achten, dass die Veräußerung eines sperrfristbehafteten Wirtschaftsguts mittelbar als Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft gestaltet wird. In Abhängigkeit der jeweiligen Sperr- bzw. Nachbehaltensfrist im Einzelsteuergesetz ist eine entsprechende Gestaltung jedoch auch darauf zu überprüfen, ob auch ein mittelbarer Veräußerungsakt schädlich sein kann. Dieses ist bereits bei der Steuerplanung einzubeziehen, um rechtssichere Gestaltungsoptionen im Einzelfall zu eröffnen.

     

    Keine Auswirkungen aus der aktuellen Rechtsprechung zu den Grenzen der Bruchteilsbetrachtung ergeben sich hingegen für Reinvestitionsrücklagen nach § 6b EStG und den hier auch weiterhin geltenden Grundsatz der gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise.

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2024 | Seite 186 | ID 50032658

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