· Fachbeitrag · Betriebsprüfung
Von der Vorbeugemaßnahme bis zur Schönheits-OP - Prüfungsschwerpunkte in der Arztpraxis
von StB Dipl.-Finw. (FH) Christoph Gasten, LL.M., www.laufmich.de
| Die steuerliche Beratung von Arztpraxen wird auch aufgrund der größer werdenden ärztlichen Kooperationen immer komplexer. Während viele Vorurteile noch behaupten, die steuerliche Beratung von Ärzten werfe keine steuerlichen Probleme auf, da letztlich nur Einnahmen-Überschuss-Rechnungen und umsatzsteuerfreie Umsätze generiert würden, hat die Realität diese Vorurteile längst eingeholt. |
1. Von wegen „Kleine Einzelpraxen“
Immer mehr Arztpraxen sind praktisch Wirtschaftsunternehmen. Betrachtet man beispielsweise eine radiologische Großpraxis mit sieben Gesellschaftern, Umsätzen von 12 Mio. EUR p. a., einem Anlagevermögen von mehr als 10 Mio. EUR und entsprechenden Gewinnen je Gesellschafter, wird schnell klar, dass diese Praxen nur noch wenig mit der „kleinen Einzelpraxis“ zu tun haben. Entsprechend größer werden die steuerlichen Themen, die der steuerliche Berater zu beachten hat.
Lange waren auch die Betriebsprüfer der Finanzverwaltung der Meinung, die „Götter in Weiß“ bedürften keiner intensiven Prüfung, da dort größere Mehrergebnisse nicht zu erwarten seien. Dies hat sich jedoch in den letzten Jahren stark geändert.
Spätestens seitdem der Bundesrechnungshof feststellte, dass „steuerpflichtige Leistungen von Ärzten nur unzureichend erfasst würden“ (PM vom 10.12.13 des Bundesrechnungshofs mit dem Hinweis auf den Gesamtbericht des Bundesrechnungshofs 2013, S. 326), geht auch die Finanzverwaltung dazu über, der Betriebsprüfung von Arztpraxen größere Bedeutung beizumessen.
2. Ausbildung von Schwerpunktprüfern
Die ersten Bundesländer haben hierzu begonnen, Schwerpunktprüfer auszubilden, die auf die Betriebsprüfung von Heilberufen spezialisiert sind - dem Autor sind hier die Bundesländer Niedersachsen und Berlin bekannt. Diese Betriebsprüfer verstehen die Abrechnung und Zusammenhänge im Gesundheitswesen und sind dafür ausgebildet, Risiken aufzugreifen und auch vor dem Hintergrund der hiermit zusammenhängenden medizinrechtlichen Sichtweisen steuerlich zu würdigen.
Diese Bundesländer verschicken beispielsweise gemeinsam mit der Prüfungsanordnung einen mehrseitigen Fragebogen, auf dem der Arzt diverse Sachverhalte mitteilen muss. Dieser Fragebogen dient gezielt dazu, umsatzsteuerliche und gewerbesteuerliche Prüfungsschwerpunkte bereits in der Prüfungsvorbereitung festzustellen und dann in der Betriebsprüfung umzusetzen.
Aber auch die Tagespresse hat die Thematik aufgegriffen: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung widmete der steuerlichen Prüfung von Ärzten unter der Überschrift „Steuersünder im weißen Kittel“ einen halbseitigen Artikel (FAZ 21.1.15, S. 16).
3. Rechtsprechung für Heilberufe
Umso wichtiger ist es für den steuerlichen Berater, die entsprechende Rechtsprechung für Heilberufe zu verfolgen und mit den Mandanten im Wege der gestaltenden Beratung anzuwenden.
4. Betriebsprüfungsrisiken in Einzel- und Gemeinschaftspraxen
Dieser Betrag fasst die wichtigsten steuerlichen Brennpunkte zusammen, die von Betriebsprüfern in der Praxis immer wieder aufgenommen werden. Es wird hierbei unterschieden in Prüfungsschwerpunkte, die sowohl Einzel- als auch Gemeinschaftspraxen (Berufsausübungsgemeinschaften) betreffen und solchen, die lediglich Gemeinschaftspraxen betreffen.
4.1 Umsatzsteuerpflichtige Leistungen in der Arztpraxis
Die Abgrenzung zwischen umsatzsteuerfreien und umsatzsteuerpflichtigen Leistungen führt je nach Fachgruppe der Ärzte immer wieder zu Diskussionen mit der Betriebsprüfung. Die Leistungen niedergelassener Ärzte sind nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei, soweit es sich um heilberufliche Leistungen handelt. Voraussetzung dieser Leistungen ist immer, dass ein therapeutisches Ziel bei der Leistung im Vordergrund steht. Therapeutisches Ziel bedeutet zunächst:
- Vorbeugung (Prophylaxe)
- Diagnose (Feststellung von/Untersuchung auf mögliche Krankheiten)
- Behandlung (Heilung oder Linderung von Krankheiten)
- vorbeugende Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Personen, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, sowie Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden
Die Abgrenzung im Einzelfall ist häufig komplex und erfordert eine enge Abstimmung mit dem Mandanten. Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen:
4.1.1 IGEL-Leistungen
Die sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen stellen Leistungen dar, die nicht zwangsläufig umsatzsteuerpflichtig sind.
Es handelt sich hierbei zunächst der Definition nach um Leistungen, die Ärzte gesetzlich versicherten Patienten gegen Selbstzahlung anbieten können. Diese Kosten werden also nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Hieraus kann jedoch nicht automatisch geschlossen werden, dass diese Leistungen kein therapeutisches Ziel haben. Die Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen ist lediglich ein Indiz für das Vorliegen der Umsatzsteuerfreiheit, aber keine Notwendigkeit - auch wenn Betriebsprüfer dies häufig anders sehen. Bei IGEL-Leistungen ist daher zu unterscheiden, ob hierbei ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht (z. B. erweiterte Ultraschalluntersuchung des Gynäkologen, Hautkrebsvorsorge) oder ob die Leistung als kosmetische oder „Wellness-Leistung“ kein therapeutisches Ziel hat (z. B. Entfernung von Muttermalen ohne medizinisch indizierten Grund).
Fachgruppen mit erfahrungsgemäß einem hohen Anteil von IGEL-Leistungen sind beispielsweise Dermatologen, Augenärzte und Gynäkologen, wohingegen andere Fachgruppen (z. B. Radiologen) fast keine IGEL-Leistungen erbringen.
4.1.2 Ästhetische Leistungen
Ästhetische Leistungen sind stets umsatzsteuerpflichtig. Betriebsprüfer prüfen hier immer wieder anhand des auf der Homepage angebotenen Leistungsspektrums, ob diese Einnahmen korrekt erfasst wurden. Typische Beispiele (jenseits der klassischen reinen plastischen Chirurgen) sind:
- Dermatologen erbringen kosmetische Leistungen
- Augenärzte erbringen Lid-Operationen zur Reduzierung von Falten/Krähenfüßen
- Orthopäden oder andere Fachrichtungen injizieren Botox
Hier sollte mit jedem Mandanten ein jährlicher Umsatzsteuer-Checkup gemacht werden, bei dem der Mandant sein Leistungsspektrum beschreibt und hiernach weitere Vorgehensweisen abgesprochen werden. Es sollte immer beachtet werden, dass fast alle Fachgruppen dem Grunde nach kosmetische Leistungen anbieten können - für den steuerlichen Berater ist es wichtig, diese zu kennen. Dies wird er jedoch nur durch persönliche Abstimmungen mit seinem Mandanten erfahren.
4.1.3 Leistungen nach § 13b Umsatzsteuergesetz - „Google Ad-Words“
Bei Ärzten, die im Regelfall nach § 15 Abs. 2 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind, sollte in der laufenden Beratung auf die ordnungsgemäße Anmeldung der Umsätze nach § 13b UStG geachtet werden. Insbesondere Leistungen nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG werden häufig von Mandanten in Anspruch genommen (z. B. „Google-Ad-Words“) und können je nach Umfang aufgrund der fehlenden Vorsteuerabzugsberechtigung zu einer nicht unerheblichen Nachforderung führen.
4.1.4 Pkw-Überlassung an Arbeitnehmer
Ein Punkt, der häufig bei der Buchhaltung von Ärzten unbeachtet bleibt, ist die Tatsache, dass die Überlassung eines Pkws an Arbeitnehmer einen umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch darstellt, der nicht von der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG erfasst wird. Im Gegenzug kann natürlich die Vorsteuer auf die bezogenen Leistungen insoweit geltend gemacht werden.
Die Leistungen sollten jedoch immer offen erfasst werden, um auch bei einer Prüfung der Umsatzgrenzen der sogenannten Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG diese Umsätze jährlich mit einbeziehen zu können.
4.1.5 Steuerpflichtige Gutachten
Gutachten sind nur dann umsatzsteuerbefreit, wenn sie einem therapeutischen Ziel dienen. Häufig erstellen jedoch Ärzte auch Gutachten für Versicherungen (beispielsweise zur Feststellung einer Berufsunfähigkeit oder für Risiko-Lebensversicherungen). Diese Gutachten sind nicht umsatzsteuerbefreit und unterliegen grundsätzlich der Umsatzsteuer.
PRAXISHINWEIS | Sollte ein Arzt Gutachten für öffentliche Stellen erstellen, werden diese häufig nach dem JVEG (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz) honoriert. Die Honorare betragen in der Regel 21,68 EUR oder vergleichbare niedrige Beträge je Gutachten. Diese Leistungen stellen so genannten echten Schadensersatz dar, der nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG umsatzsteuerbar ist. Auch wenn die Gutachten somit nicht therapeutischen Zielen dienen, ist hierauf keine Umsatzsteuer abzuführen. |
4.1.6 Dokumentation der Umsatzsteuerfreiheit
Alle Umsatzsteuerbefreiungen haben gemeinsam, dass der Arzt die Beweislast hierfür hat. Daher sollten alle Mandanten sensibilisiert werden, bei Leistungen die medizinische Dokumentation zu erstellen, damit einer Betriebsprüfung später diese Nachweise vorgelegt werden können. Wie diese Dokumentation zu erfolgen hat, ist immer wieder streitig. Aus berufsrechtlichen Gründen (Arztgeheimnis) darf der Arzt keine Patientenunterlagen an den Betriebsprüfer weitergeben.
Der Betriebsprüfer hingegen hat nach § 200 Abs. 1 AO das Recht zur Einsichtnahme in alle entscheidungserheblichen Sachverhalte. Leider sind Berufsrecht und Steuerrecht in diesem Punkt diametral entgegengesetzt. Hier muss gemeinsam mit dem Mandanten überlegt werden, welche Dokumentation im Einzelfall getroffen werden kann. Häufig bietet es sich an, einige anonymisierte Patientenakten im Wege einer vom Betriebsprüfer getroffenen Zufallsauswahl vorzulegen.
Zuletzt entschied der BFH (4.12.14, V R 16/12, DStR 15, 420), dass auch Ärzte die Mitwirkungspflichten zu erfüllen hätten. Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung war hierfür aber nicht notwendig, dass der Arzt alle Patientennamen und Anschriften mitteilte, sondern er durfte auf anonymisierter Grundlage detaillierte Angaben zu der mit dem jeweiligen Behandlungsfall verfolgten therapeutischen oder prophylaktischen Zielsetzung machen.
4.2 Steuerliche Abschreibungen von Kaufpreisen - Schwerpunkt „Zulassung“
Die Abschreibung von Kaufpreisen einer Arztpraxis ist schon aufgrund der steuerlichen Auswirkung je Einzelfall ein Thema von höchster steuerlicher Relevanz.
Der BFH (9.8.11, VIII R 13/08, BStBl II 11, 875) hat entschieden, dass ein Kaufpreis, der für eine Arztpraxis gezahlt wird, grundsätzlich nicht in einen Teil „Zulassung“ und einen Teil „Praxiswert“aufgeteilt werden kann.
Im Regelfall sind die Aufwendungen für einen Praxiskauf daher im Wege der Abschreibung geltend zu machen. Die Nutzungsdauer beträgt bei Einzelpraxen drei bis fünf Jahre und bei Anteilen an Gemeinschaftspraxis sechs bis zehn Jahre. § 7 Abs. 1 S. 3 EStG findet hier keine Anwendung, da dieser nur gewerbliche Unternehmen umfasst.
Der BFH hat jedoch einen Ausnahmefall festgestellt: Lässt sich an objektiven Kriterien feststellen, dass der Kaufpreis praktisch nur für eine Zulassung des Arztes gezahlt wurde und die Übernahme einer vollständigen Praxis nicht geplant war, ist der Kaufpreis mangels Wertverzehr nicht abschreibbar.
Dies führt in der Praxis immer wieder zu Diskussionen, da die Finanzverwaltung naturgemäß bestrebt ist, gezahlte Kaufpreise als einen solchen Sondertatbestand zu definieren und somit die Abschreibung zu versagen. Praktisch existieren auch tatsächlich Konstellationen, in denen nur eine Zulassung gekauft werden soll - hierdurch haben sich auch „Marktpreise für Zulassungen“ gebildet, die je nach Fachrichtung und Lage der Praxis stark abweichen können. In Einzelfällen kann es dazu kommen, dass tatsächlich nur für eine reine Zulassung Beträge von 350.000 EUR und mehr bezahlt werden.
Im Rahmen der gestaltenden Beratung sollte daher bei folgenden Konstellationen Vorsicht geboten sein:
- Ein Arzt kauft nur die immateriellen Wirtschaftsgüter einer Praxis (Hinweis: rechtlich darf der Arzt seine Zulassung nicht veräußern, daher wird rechtlich nie eine Zulassung, sondern immer nur der immaterielle Wert der Praxis veräußert). Die materiellen Wirtschaftsgüter verbleiben beim Eigentümer oder werden verschrottet.
- Der Arzt verlegt die Zulassung direkt nach Erwerb an seinen Praxissitz und schließt die Praxisräume des Veräußerers.
- Es werden weder Personal noch Verträge noch Geräte durch den Erwerber übernommen.
In diesen Fällen besteht das Risiko, dass die Betriebsprüfung die Abschreibung auf den Kaufpreis versagt. Es sollten daher bereits im Vorhinein Dokumentationen getroffen werden, dass sich der Kaufpreis nicht nur auf die Zulassung, sondern auf die Praxis bezog und der erworbene Praxisstandort lediglich aus betriebswirtschaftlichen Gründen geschlossen wurde. Hierzu sollte Folgendes dokumentiert bzw. im Rahmen des Kaufs gestaltet werden:
- Nachweis, wie sich der Kaufpreis errechnete (z. B. durch ein Wertgutachten, aus dem hervorgeht, dass nicht lediglich ein „Marktpreis für eine Zulassung“ gezahlt wurde).
- Nachweis der Bemühungen, dass auch Privatpatienten übergehen sollten und Dokumentation der übernommenen Privatpatienten
- Soweit möglich: Übernahme von Geräten und Personal durch den Erwerber
- Mitarbeit des Veräußerers beim Erwerber für einige Zeit zur Überleitung der Patientenbeziehungen
Mit diesen Indizien kann dann gegenüber der Finanzverwaltung dokumentiert und argumentiert werden, dass der Kaufpreis sich nicht lediglich auf die Zulassung bezog. Dennoch wird es immer wieder Fälle geben, in denen dies faktisch der Fall sein wird. Klassische Beispiele hierfür sind:
- Ein Psychologe veräußert eine halbe Kassenzulassung und der Erwerber eröffnet hiermit neue Räume, ohne Mitarbeit des Veräußerers und ohne Übernahme von materiellem Vermögen oder Patienten.
- Ein MVZ erwirbt zur strategischen Erweiterung eine Zulassung, die sie direkt an den Hauptstandort verlegt.
In diesen Fällen sollte mit dem Mandanten klar kommuniziert werden, dass die Abschreibung einer Zulassung keinen Erfolg verspricht.
4.3 Vollständige Erfassung der (Bar-)Einnahmen
Auch in Arztpraxen vereinnahmen bestimmte Fachgruppen immer häufiger größere Beträge in bar. Als Beispiele seien hier insbesondere Leistungen genannt, die nicht von den Krankenkassen übernommen werden, also beispielsweise Botox-Leistungen, IGEL-Leistungen etc.
In bestimmten Fachgruppen können diese Barerlöse einen nicht unerheblichen Teil der gesamten Einnahmen darstellen (z. B. plastische Chirurgen oder Arztgruppen mit einem hohen Anteil an IGEL-Leistungen). In diesen Fällen sollte unbedingt auf eine ordnungsgemäße Kassenbuchführung geachtet werden, um Hinzuschätzungen zu vermeiden. Zusätzlich sollte insbesondere bei Botox-Leistungen und sonstigen „warenintensiven Leistungen“ eine Liste geführt werden, in der der Verbrauch jedes Materials dokumentiert wird, damit eine spätere Verprobung des Wareneinsatzes im Rahmen der Betriebsprüfung nicht zulasten des Arztes ausgelegt wird.
Betriebsprüfer gehen auch vermehrt dazu über, einen Zugriff auf die Praxis-EDV der Ärzte zu verlangen. Hier lassen sie sich zeigen, wie Rechnungen storniert werden, ob die Stornierungen festgeschrieben sind und ob in diesem Rahmen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung eingehalten wurden. Schwerpunkt sind hier die fortlaufenden Rechnungsnummern. Zur Vereinbarkeit des Arztgeheimnisses mit dieser Anforderung gelten die unter dem Punkt „Dokumentation der Umsatzsteuerfreiheit“ genannten Grundsätze.
Steuerliche Berater sollten ihre Mandanten hier sensibilisieren, zunächst eine ordnungsgemäße Kassenbuchführung sicherzustellen, aber auch mit ihrer Praxis-EDV abzustimmen, ob stornierte Rechnungen dort ordnungsgemäß dokumentiert werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass ein Betriebsprüfer nicht die Vollständigkeit der Einnahmen anzweifelt.
PRAXISHINWEIS | Der steuerliche Berater sollte unbedingt mit seinen Mandanten besprechen, wie eine ordnungsgemäße fortlaufende Nummerierung der Bareinnahmen sichergestellt werden kann. Gerade IGEL-Leistungen werden häufig nur mit Quittungsblöcken (oder gar nicht) quittiert. Hier sollte eine Lösung gefunden werden, wie diese Rechnungen fortlaufend nummeriert werden können. |
4.4 Vollständige Erfassung der Erlöse der kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen
Ärzte, die die Zulassung haben, auch gesetzliche Patienten behandeln zu dürfen, rechnen diese Leistungen direkt gegenüber der jeweiligen kassenärztlichen Vereinigung (KV) des Bundeslands ab. Als steuerlicher Berater ist es notwendig, sich die Quartalsabrechnungen der kassenärztlichen Vereinigung vorlegen zu lassen, und diese ordnungsgemäß zu erfassen.
Nur die Buchung der Erlöse gemäß des Bankkontos reicht hierzu nicht aus, da die KV von dem erwirtschafteten Honorar immer auch Kosten einbehält. Dies können einerseits Kosten sein, die faktisch keine Gewinnauswirkung haben (z. B. Verwaltungsgebühren, die Betriebsausgaben darstellen), aber andererseits haben die Ärzte in vielen KVen auch die Möglichkeit, ihre Beiträge zum ärztlichen Versorgungswerk direkt über die KV-Abrechnung einbehalten zu lassen. Werden diese Einnahmen dann nicht durch die Abrechnung erfasst, wären die Einnahmen unvollständig. Bei Regelbeiträgen in das Versorgungswerk von ca. 12.000 EUR p. a. (bei Zahnärzten noch höher), entstehen hier schnell große Summen, die nicht als Betriebseinnahmen erklärt werden.
PRAXISHINWEIS | Zufluss der Erlöse lt. den Quartalsabrechnungen der kassenärztlichen Vereinigungen ist immer das Datum der Abrechnung, da erst in diesem Zeitpunkt die Honorare endgültig festgestellt werden. Wenn also die Quartalsabrechnung des dritten Quartals 2015 erst Ende Januar 2016 erstellt wird, ist Zufluss der Einnahmen erst in 2016 (FG Rheinland-Pfalz 14.6.94, 2 K 2945/93). |
5. Betriebsprüfungsrisiken in der Gemeinschaftspraxis -Gewerbesteuerliche Infizierung der Einkünfte
Während die vorgenannten Punkte sowohl Einzel- als auch Gemeinschafts-praxen betreffen, sollten bei Gemeinschaftspraxen weitere Positionen in der Beratung beachtet werden. Ein Schwerpunkt gilt hierbei der gewerbesteuerlichen Infizierung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG.
Da Arztpraxen in der Regel freiberufliche Einkünfte erzielen, sollte eine gewerbliche Infizierung möglichst vermieden werden, damit eine Betriebsprüfung keine Gewerblichkeit der Einkünfte feststellt.
5.1 Folgen einer gewerblichen Infizierung
Die Folgen einer Gewerblichkeit können im Einzelfall beachtlich sein, denn letztlich werden nach Anrechnung der Einkommensteuer nach § 35 EStG je nach Hebesatz der Gemeinde ca. 2,5 - 3,0 % des Praxisgewinns als „Mehrbelastung“ gezahlt.
Falls der Arzt durch sonstige Einkünfte ein zu versteuerndes Einkommen von 0 EUR hat, kann sich die Definitivbelastung auf 17 % erhöhen. Außerdem kann die Praxis zur Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 1 AO aufgefordert werden (die Umsatz- und Gewinngrenzen werden im Zweifelsfall erfüllt sein), sodass ein Übergangsgewinn entsteht, der schnell sechsstellig sein kann. Aus diesem Grund sollte eine gewerbliche Infizierung möglichst vermieden werden.
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Eine Gemeinschaftspraxis in Köln (Hebesatz 475 %) hat einen Jahresgewinn von 500.000 EUR und offene Forderungen zum Jahresende von 200.000 EUR.
In diesem Fall betrüge die bei einer Betriebsprüfung über drei Jahre festgestellte Mehrbelastung:
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5.2 Gründe für eine gewerbliche Infizierung
Übt eine Gemeinschaftspraxis eine originär gewerbliche Tätigkeit aus (z. B. Verkauf von Kontaktlinsen durch eine Augenarzt-GbR), führt dies zur gewerblichen Infizierung aller Einkünfte. Der BFH (27.8.14, VIII R 6/12) hat seine bisherige Rechtsprechung zur Nichtaufgriffsgrenze aufgegeben. Die Einkünfte werden nun lediglich dann nicht gewerblich, wenn die Einnahmen (nicht die Einkünfte) weniger als 3 % der Gesamtumsätze der Praxis und weniger als 24.500 EUR pro Jahr betragen.
5.2.1 Handel/originär gewerbliche Tätigkeit
Im Rahmen der Gestaltung sollte immer eine beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaft gegründet werden, die die gewerblichen Tätigkeiten übernimmt.
5.2.2 Mehrere Standorte einer Praxis
Gerade größere Praxen gehen dazu über, mehrere Standorte zu eröffnen. Hier ergibt sich ein gewerbesteuerliche Problem durch angestellte Ärzte. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG sind Ärzte grundsätzlich berechtigt, sich angestellter Ärzte zu bedienen. Voraussetzung ist jedoch, dass sie aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werden. Die beiden letzten Punkte führen in der Praxis häufig zu Problemen.
Sämtliche Standorte, an denen angestellte Ärzte tätig sind, sollten durch den steuerlichen Berater intensiv betrachtet werden. Die tatsächliche Überwachung muss dokumentiert werden (z. B. durch Ausdrucke des Kalenders des Praxisinhabers, durch Sichtvermerke des Inhabers etc.), um sämtliche Risiken im Vorhinein auszuschließen.
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Eine große operativ tätige Augenarztpraxis eröffnet einen neuen Standort. Hier sollen keine Operationen durchgeführt werden, sondern nur konservative Eingriffe. Da keiner der Gesellschafter diesen Standort führen möchte, wird ein angestellter Arzt eingestellt, der den Standort eigenständig leitet.
In diesem Fall kann die Überwachung des Angestellten zur Sicherstellung der „leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit“ nicht sichergestellt werden. Der vollständige Praxisgewinn würde gewerblich infiziert. |
PRAXISHINWEIS | Sollte ein neuer Standort gegründet werden, muss immer sichergestellt sein, dass dort auch Gesellschafter tätig sind, die die angestellten Ärzte überwachen. Bei bestimmten Fachgruppen wird dies auch durch Telemedizin möglich sein (z. B. Radiologie) - Voraussetzung ist jedoch, dass diese Überwachung auch tatsächlich durchgeführt wird. Dies sollte dokumentiert werden. Eine andere Lösung bestünde darin, den Standort von einem Minderheitsgesellschafter („Nullbeteiligung“) führen zu lassen. Dieser Gesellschafter wäre dann kein Angestellter und müsste nicht überwacht werden. |
5.2.3 Risiko Nullbeteiligungsgesellschafter
Eine solche Nullbeteiligung sollte jedoch steuerlich richtig gestaltet werden, da auch sie von Betriebsprüfern immer wieder überprüft wird.
Voraussetzung ist, dass der sogenannte Nullbeteiligte Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko trägt. Fehlt dieses, gilt er steuerlich als Angestellter und damit ist der gewünschte Zweck verfehlt. Insbesondere wird bei Gemeinschaftspraxen dann aufgrund einer wohl nicht mehr erfolgten Überwachung des Gesellschafters, der steuerlich plötzlich als Angestellter gilt, eine gewerbliche Infizierung unvermeidbar sein.
Im Rahmen der Einsichtsrechte
- müssen ihm daher die gleichen Rechte wie einem Kommanditisten gewährt werden;
- sein Gewinnanteil darf nicht fix sein, sondern muss variabel sein;
- er muss am Verlust beteiligt werden und
- sein Gewinnanteil darf nicht alleine von dem von ihm erbrachten Umsatz abhängig sein (vgl. FG Düsseldorf 19.9.13, 11 K 3968/11 F, EFG 14, 840, Rev. BFH VIII R 63/13).
Das FG Düsseldorf hat in dem dortigen Streitfall festgestellt, dass eine Gewinnverteilungsabrede, die einem Nullbeteiligungsgesellschafter einen Gewinn einzig auf Basis des vom ihm erzielten Honorars zuweist, zu einer fehlenden Mitunternehmerstellung führt (detailliert hierzu: Ketteler-Eising, MedR 15, 33, S. 381-383).
Der Nullbeteiligungsgesellschafter stellt für den steuerlichen Berater eine große Herausforderung dar. Bestehende Verträge sollten insbesondere im Hinblick auf eine rein umsatzabhängige Gewinnverteilung kritisch überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
5.2.4 Fachfremde angestellte Ärzte
Damit angestellte Ärzte „aufgrund eigener Fachkenntnisse“ nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG überwacht werden können, ist es notwendig, dass mindestens einer der Gesellschafter die fachliche Qualifikation hat, diese überwachen zu können. Eine chirurgische Gemeinschaftspraxis kann daher nicht einen Anästhesisten ohne Steuerrisiken anstellen, da dieser nicht überwacht werden kann.
Hierzu lassen sich Betriebsprüfer häufig die Anstellungsverträge der angestellten Ärzte vorlegen, um deren fachliche Qualifikation zu überprüfen. Bei allen angestellten Ärzten sollte der steuerliche Berater daher immer deren Qualifikation mit denen des Praxisinhabers abgleichen, um sicherzustellen, dass der oder die Gesellschafter rein fachlich in der Lage sind, die Tätigkeit des angestellten Arztes zu überwachen.
6. Fazit
Die steuerliche Beratung von Ärzten wird immer komplexer. Da immer mehr Bundesländer dazu übergehen, Betriebsprüfer speziell zu schulen, müssen steuerliche Berater die wesentlichen Gefahrenquellen für Ärzte beachten. Die größten Gefahrenquellen sind hierbei die Abgrenzung umsatzsteuerpflichtiger von umsatzsteuerfreien Leistungen und die Gefahr der Gewerblichkeit von Gemeinschaftspraxen. In diesen Themengebieten sollte der steuerliche Berater regelmäßig die Rechtsprechung verfolgen und gemeinsam mit seinen Mandanten Vorsichtsmaßnahmen und Dokumentationen treffen, damit die Gefahren bei richtiger Gestaltung möglichst minimiert werden.