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  • · Fachbeitrag · Kliniken

    Neue Möglichkeiten für Krankenhäuser

    von RAe Heiko Grunow, Christian Scur, ETL Medizinrecht Schwerin/Berlin; Rechtsanwältin Andrea Bielitz, WRG Audit GmbH, Laatzen

    | Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) wird der Kliniksektor stärker in die ambulante Versorgung integriert. Das geschieht zum einen durch die Terminservicestelle der KVen und zum anderen durch ein eigenes Zulassungsrecht. Daneben enthält das Gesetz weitere bedeutsame Neuerungen wie etwa den Einsatz innovativer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. |

    1. Krankenhäuser werden Teil der ambulanten Versorgung

    Die Teilnahme eines Krankenhauses an der ambulanten Versorgung kann auf mehreren Wegen erfolgen.

     

    • Zum einen ist der Zulassungsausschuss gemäß § 116a SGB V zukünftig verpflichtet ein Krankenhaus zur ambulanten Versorgung zuzulassen, wenn eine Unterversorgung oder ein zusätzlicher lokaler Versorgungsbedarf festgestellt wurde. Aus der bisherigen Kann-Vorschrift wird eine Muss-Vorschrift. Der Zulassungsausschuss hat kein Ermessen mehr und die antragstellenden Krankenhäuser sind zwingend zuzulassen.

     

    • Zum anderen können Kliniken über die neu einzurichtende Terminservicestelle gemäß § 75 Abs. 1a SGB V Versicherte ambulant versorgen, sofern der Termin mit dem Patienten durch die Terminservicestelle vermittelt wird und es sich nicht um eine Bagatellerkrankung oder Routineuntersuchung handelt (s. dazu den Beitrag von Scur, S. 41). Hat der Patient die Behandlung im Krankenhaus in Anspruch genommen, können künftig auch alle weiteren Termine, die dazu dienen, den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen hier wahrgenommen werden (§ 76 Abs. 1a SGB V n.F.). Die Leistungen werden aus der vertragsärztlichen Gesamtvergütung bezahlt, wobei der Krankenhausträger nach Maßgabe der regionalen Euro-Gebührenordnung mit der KV abrechnet. Hierzu wird § 120 SGB V durch das GKV-VSG entsprechend erweitert.

     

    • Zusätzlich wird ein gewisser Bestandsschutz für Krankenhäuser geschaffen, die an der ambulanten Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V in der bis zum 31.12.11 geltenden Fassung teilnehmen. Deren Bestimmungen werden erst unwirksam, wenn das Krankenhaus zu der jeweiligen Erkrankung oder hochspezialisierten Leistung zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung berechtigt ist, spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten des entsprechenden Richtlinienbeschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses. Drei Jahre nach dem jeweiligen Richtlinienbeschluss gilt also einheitlich das neue Recht.

    2. Entlassmanagement als Aufgabe des Krankenhauses

    Um Versorgungslücken zwischen stationärer und ambulanter Behandlung zu schließen, wird das Entlassmanagement in § 39 Abs. 1a SGB detailliert geregelt und ausgebaut. Es ist grundsätzlich Aufgabe des Krankenhauses und ergab sich als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag. Ab sofort können Teile des Entlassmanagements vertraglich auf Leistungserbringer nach § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V (Vertragsärzte, MVZ und ermächtigte Einrichtungen) übertragen werden. Durch den Verweis auf § 11 Apothekengesetz wird klargestellt, dass auch insoweit das Zuweisungsverbot zu beachten ist, wonach Apotheken mit Ärzten keine Absprachen über die Zuweisung von Verschreibungen oder die Zuführung von Patienten treffen dürfen.

     

    Zukünftig gewährt das SGB V dem Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse einen Anspruch auf Unterstützung beim Entlassmanagement. Die Unterstützung besteht darin, gemeinsam mit dem Krankenhaus rechtzeitig vor der Entlassung die Versorgung zu organisieren, die für die Umsetzung des Entlassplans erforderlich ist. Dazu gehört etwa die Kontaktaufnahme und Terminvereinbarung mit den Leistungserbringern wie Vertragsärzten, Rehabilitationseinrichtungen und Pflegediensten. Soweit Hilfen durch die Pflegeversicherung in Betracht kommen, kooperieren Kranken- und Pflegekassen miteinander.

     

    Die ambulante Behandlung im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt bleibt weiterhin den Vertragsärzten vorbehalten. Die Krankenhäuser erhalten aber ein eingeschränktes Verordnungsrecht, soweit dies für die Versorgung des Versicherten erforderlich ist (§ 39 Abs. 1a S. 5 SGB V n.F.). Sie dürfen Arzneimittel in der kleinsten Packungsgröße oder auch häusliche Krankenpflege und Heilmittelversorgung für die Dauer von sieben Tagen verordnen. Durch die Gleichstellung der Krankenhäuser mit Vertragsärzten hinsichtlich des Verordnungsrechts müssen Krankenhäuser aber auch die Wirtschaftlichkeitsgrundsätze beachten. Das Verordnungsrecht schließt Versorgungslücken zwischen stationärer und ambulanter Behandlung, die durch die Zeitspanne zwischen Entlassung und Arzttermin auftraten. Zusätzlich kann das Krankenhaus auch die Arbeitsunfähigkeit feststellen.

     

    PRAXISHINWEIS | Die weiteren Einzelheiten zur Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus und Krankenkasse sowie dem gegebenenfalls mit eingeschalteten Vertragsarzt sind aber noch in einer Rahmenvereinbarung auf Bundesebene zu treffen. Auch die Einzelheiten zum Verordnungsrecht sind noch in weiteren Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses zu regeln.

     

    3. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB)

    Grundsätzlich können innovative Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Potenzial im Rahmen der Krankenhausbehandlung erbracht werden, ohne dass es zuvor einer positiven Richtlinienentscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses bedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft erst auf Antrag, ob das Verfahren überhaupt für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich ist (§ 137c Abs. 1 SGB V) . Diese Ausgestaltung wird als Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt bezeichnet.

     

    Um das Verfahren zu beschleunigen, sieht das GKV-VSG für die Beschlussfassung über die Annahme des Antrags nach § 137c SGB V eine Frist von drei Monaten vor. Das Bewertungsverfahren selbst muss dann grundsätzlich innerhalb weiterer drei Jahre abgeschlossen sein.

     

    Mit dem ebenfalls neu eingefügten § 137c Abs. 3 SGB V wird klargestellt, dass alle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Bewertung vorgenommen hat, weiterhin im Rahmen der Krankenhausbehandlung eingesetzt werden dürfen, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist.

     

    Das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative kann sich etwa daraus ergeben, dass die Methode aufgrund ihres Wirkprinzips und der bisher vorliegenden Erkenntnisse mit der Erwartung verbunden ist, dass andere aufwändigere, für den Patienten invasivere oder bei bestimmten Patienten nicht erfolgreiche Methoden ersetzt werden können oder die Methode in sonstiger Weise eine effektivere Behandlung ermöglichen kann. Die Neuregelung zeichnet die Rechtsprechung des BSG nach und schränkt die Möglichkeit der Krankenkassen ein, stationäre Leistungen im Einzelfall mit Hinweis auf einen nicht belegten Nutzen abzulehnen.

    4. Frühzeitige Nutzenbewertung bei Hochrisikoprodukten

    Von dem eben dargestellten Grundsatz der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt beim Einsatz innovativer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden weicht der Gesetzgeber mit dem neu geschaffenen § 137 h SGB V für Medizinprodukte mit hoher Risikoklasse aufgrund des besonders invasiven Charakters zukünftig ab und ordnet eine frühzeitige Nutzenbewertung an.

     

    Zukünftig müssen Krankenhäuser, die einen NUB-Antrag für Medizinprodukte der Risikoklassen IIb oder III stellen, die in der stationären Versorgung neu eingesetzt werden sollen, gleichzeitig einen Antrag auf Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss stellen. Dieser prüft, ob es sich um ein neues wissenschaftlich-theoretisches Konzept handelt. Das ist nach der Legaldefinition des § 137h Abs. 2 S. 2 SGB V der Fall, wenn sich ihr Wirkprinzip oder ihr Anwendungsgebiet  von anderen, in der stationären Versorgung bereits eingeführten systematischen Herangehensweisen wesentlich unterscheidet. Ist dies der Fall, wird eine Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss anhand der beigebrachten Informationen durchgeführt.

     

    Die Behandlungsmethode wird innerhalb von drei Monaten in eine der folgenden Kategorien eingeteilt:

     

    • Der Nutzen ist als hinreichend belegt anzusehen.
    • Der Nutzen ist zwar nicht belegt, aber die Methode bietet Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative.
    • Es handelt sich um eine schädliche oder unwirksame Behandlungsmethode.

     

    4.1 Der Nutzen ist belegt

    Ist der Nutzen nach Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss belegt, prüft er, ob Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung in einer Richtlinie nach § 137 SGB V zu regeln sind. Gleichzeitig haben die Krankenhäuser einen Anspruch auf sachgerechte Vergütung. Wird die Methode mit den pauschalierten Pflegesätzen nicht sachgerecht vergütet, ist eine Vereinbarung über die Vergütungshöhe zu treffen. Kann eine solche nicht erzielt werden, ist ihr Inhalt durch die Schiedsstelle festzulegen. Der Anspruch des Krankenhauses auf das NUB-Entgelt besteht für diejenigen Behandlungsfälle, die nach der NUB-Anfrage in das Krankenhaus aufgenommen worden sind. Dabei wird die Differenz zwischen dem NUB-Entgelt und der bereits gezahlten Vergütung ermittelt, um eine Doppelvergütung zu vermeiden.

     

    4.2 Die Methode hat Potenzial

    Ist der Nutzen zwar nicht belegt, aber bietet die Behandlungsmethode Potenzial, entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss über eine Richtlinie zur Erprobung. Auch in diesem Fall hat das leistende Krankenhaus Anspruch auf sachgerechte Vergütung, sodass wiederum eine Vereinbarung abzuschließen ist, wenn die Leistung mit den pauschalierten Pflegesätzen nicht sachgerecht vergütet wird. Zu beachten ist aber, dass Krankenhäuser, die die neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode erbringen wollen, verpflichtet sind, an der Erprobung teilzunehmen.

     

    Für schädliche oder unwirksame Behandlungsmethoden erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden darf.

     

    Ergibt die Methodenbewertung bei einem noch nicht hinreichend belegten Nutzen ein Potenzial, ist eine Erprobung der Methode durchzuführen. Alle Krankenhäuser, die die Behandlungsmethode gegenüber den Krankenkassen abrechnen möchten, wären dann zur Teilnahme an der Erprobung verpflichtet. Nach Abschluss der Erprobung beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss per Richtlinie, ob die Behandlungsmethode weiterhin erbracht und abgerechnet werden darf.

    5. Erweiterte Zulassung von Hochschulambulanzen

    Mit dem GKV-VSG wird die Ermächtigung von Hochschulambulanzen zur ambulanten Versorgung in § 117 SGB V erweitert. Neben ihrer bisherigen Ermächtigung zur ambulanten Behandlung in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang können sie zukünftig auch solche Personen behandeln, die wegen Art, Schwere oder Komplexität ihrer Erkrankung einer Untersuchung oder Behandlung durch die Hochschulambulanz bedürfen. Hierfür benötigen die Patienten aber grundsätzlich einer Überweisung eines Facharztes.

     

    Auch verfahrensrechtlich gibt es erhebliche Erleichterungen. Bisher bedurften die Hochschulambulanzen einer Ermächtigung durch den Zulassungsausschuss. Dieser Verfahrensschritt entfällt, denn nach der Neuregelung des § 117 SGB V sind die Hochschulambulanzen bereits kraft Gesetzes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt.

     

    Die Gruppe der Patienten, die wegen Art, Schwere oder Komplexität der Erkrankung einer Behandlung in der Hochschulambulanz bedarf, wird durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft festgelegt. Hierin können die Parteien auch Ausnahmen vom Erfordernis der Überweisung vereinbaren.

     

    Die Leistungen der Hochschulambulanzen werden unmittelbar über einen Direktvertrag mit den Krankenkassen vergütet. § 120 SGB V wird dazu angepasst. Die Vergütung hat sich künftig nicht mehr nach den Entgelten für vergleichbare Leistungen zu richten . Sie muss in ihrer Höhe vielmehr so bestimmt sein, dass die Leistungsfähigkeit der Hochschulambulanzen bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleistet ist. Der neu gefasste § 120 Abs. 2 S. 4 SGB V gibt hierzu vor, dass zur Erhöhung der Leistungstransparenz der Hochschulambulanzen bei den Vergütungsvereinbarungen bundeseinheitliche Grundsätze, die die Besonderheiten der Hochschulambulanzen abbilden, insbesondere zur Vergütungsstruktur und zur Leistungsdokumentation, zu berücksichtigen sind.

    6. Fazit

    Die geplanten Änderungen bewirken eine Stärkung der Kliniken bei der Versorgung der Versicherten. Zwar wird damit im Gegenzug der grundsätzliche Vorrang der ambulanten Versorgung durch niedergelassene Ärzte in den unterversorgten Gebieten eingeschränkt; dieser Umstand ist aber im Zweck des Gesetzes begründet, der sich auch in seinem Namen „Versorgungsstärkungsgesetz“ wiederspiegelt. Eine Versorgungsstärkung kann dabei insbesondere auch durch ein Ineinandergreifen der sektoralen Bereiche zugunsten der Versicherten erreicht werden.

     

    Weiterhin ist die frühe Nutzenbewertung bei Hochrisikoprodukten zu begrüßen, da hierdurch die Interessen von Klinik, Patient und Krankenversicherung in Einklang gebracht werden können. Das Verfahren ist zwar aufwendig, aber erforderlich. Denn derzeit mangelt es an einem nationalen und europäischen Zulassungsverfahren für Medizinprodukte höherer Risikoklassen.

     

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    Quelle: ID 43533792