· Fachbeitrag · Musterfall
Die Besteuerung des Verkaufs einer heilberuflichen Einzelpraxis
von StB Catrin Stockhausen, Korbach
| Die Veräußerung einer heilberuflichen Einzelpraxis ist ein Evergreen in der Beratung von Heilberuflern und soll in diesem Beitrag mit den Zahlen eines praktischen Beispiels dargestellt werden. Darüber hinaus geht der Beitrag auf Besonderheiten wie die Entnahme von Betriebsvermögen oder Gestaltungsmöglichkeiten bei der Gewinnbesteuerung ein. |
1. Gewinnermittlung bei Veräußerung
Bei der Veräußerung einer Einzelpraxis sind drei Gewinnkomponenten zu berücksichtigen: laufender Gewinn (einschließlich Übergangsgewinn), Veräußerungsgewinn und Entnahmegewinn. Nur der Veräußerungsgewinn und der Entnahmegewinn sind einkommensteuerlich begünstigt.
1.1 Die Ermittlung von laufendem Gewinn und Übergangsgewinn
Gerade bei Heilberuflern ist die Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR; § 4 Abs. 3 EStG) üblich. In der EÜR wird das wirtschaftliche Praxisergebnis bis zum Veräußerungszeitpunkt erfasst, bei einer Veräußerung z.B. auf den 1.7.14 also bis zum 30.6.14.
Wird der laufende Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, muss der Heilberufler zum Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) übergehen. Denn der Wert des Betriebsvermögens ist für den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 S. 2 EStG). Dabei entsteht ein Überleitungsgewinn, der sich im Wesentlichen aus den (noch nicht ertragswirksam gewordenen) Vorräten (z.B. Praxismaterial, Zahngold) und Forderungen (z.B. gegenüber Privatpatienten, KV) sowie den (noch nicht aufwandswirksam gewordenen) Verbindlichkeiten zusammensetzt.
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1.2 Ermittlung des Veräußerungsgewinns und des Entnahmegewinns
Einkommensteuerliche Grundlage für die Besteuerung des Veräußerungsgewinns ist § 18 Abs. 3 EStG. Danach gehört zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit auch der Gewinn, der bei der Veräußerung des Vermögens erzielt wird, das der selbstständigen Arbeit dient. Dabei sind die Regelungen über die Betriebsveräußerung in § 16 EStG entsprechend anzuwenden.
PRAXISHINWEIS | Damit überhaupt von einer Veräußerung gesprochen werden kann, müssen die wesentlichen Grundlagen der Praxis (Patientenstamm) entgeltlich in einem einheitlichen Vorgang übertragen werden und der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit einstellen. Eine weitere Betätigung des Veräußerers ist
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Der Veräußerungsgewinn errechnet sich aus dem Veräußerungspreis abzüglich der steuerlichen Restbuchwerte des mitveräußerten Praxisvermögens und der Veräußerungskosten Außerdem ist ggf. ein Entnahmegewinn zu berücksichtigen.
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Der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn erhöht sich um den Gewinn aus der Entnahme von Gegenständen des Betriebsvermögens. Das sind z.B. Kunstgegenstände, der Praxis-Pkw und vor allem die Praxisimmobilie. Bei anderen Freiberuflern ist hier auch an das häusliche Arbeitszimmer zu denken. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Gerade die Praxisimmobilie führt zu einer erheblichen steuerlichen und liquiden Mehrbelastung. Der steuerliche Entnahmegewinn ist zusätzlich zum Veräußerungsgewinn zu versteuern. Hierdurch kann der Freibetrag (§ 16 Abs. 4 EStG) für die Betriebsveräußerung und -aufgabe entfallen.
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Manchmal wollen Freiberufler bestimmte Mandanten oder Patienten trotz Praxisveräußerung (im tolerierten Umfang - Geringfügigkeitsgrenze!) weiterbetreuen. Honorarforderungen gegenüber diesen Kunden können als unwesentliche Betriebsgrundlage bei einer Betriebsveräußerung zurückbehalten werden. Arbeitet der Freiberufler nach der steuerbegünstigten Veräußerung mit dem zurückbehaltenen (nicht wesentlichen) Betriebsvermögen weiter, begründet er keinen anderen Betrieb, sondern führt den bisherigen fort. Die zurückbehaltenen Forderungen bleiben Restvermögen dieses Betriebs. Sie werden nicht bei der Praxisveräußerung in die Ermittlung des Übergangsgewinns einbezogen, sondern wirken sich erst bei Zufluss gewinnerhöhend aus.
2. Besteuerung des begünstigten Gewinns
Steuerpflichtige, die im Zeitpunkt der Veräußerung 55 Jahre alt oder älter sind (oder dauerhaft berufsunfähig), können einen Freibetrag beantragen und außerdem zwischen zwei Formen der Besteuerung wählen:
- Ermäßigter Steuersatz (§ 34 Abs. 3 EStG)
- Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 EStG)
Welche der beiden Regelungen im Einzelfall günstiger ist, muss für jeden Einzelfall beurteilt werden. Freibetrag und ermäßigter Steuersatz werden nur einmal im Leben gewährt.
Für Steuerpflichtige, die 54 Jahre alt und jünger sind, kommt nur die Fünftelregelung infrage.
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Vom Veräußerungsgewinn kann ein Veräußerer, der das 55. Lebensjahr vollendet hat, einen Freibetrag i.H. von max. 45.000 EUR abziehen. Der Freibetrag verringert sich um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn 136.000 EUR übersteigt.
Zusätzliche Annahmen für die Besteuerung: Lediger Heilberufler, keine weiteren Einkunftsquellen, Einkommensteuertarif 2014, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag werden vernachlässigt.
Der ermäßigte Steuersatz ist oft günstiger. Zu prüfen wäre jedoch, ob die Fünftelregelung nicht vorteilhafter ist, wenn z.B. die Möglichkeit besteht, durch freiwillige Bilanzierung im Jahr vor dem Praxisverkauf die Versteuerung des Übergangsgewinns vorzuziehen. |
PRAXISHINWEISE | Die Kirchensteuer, die auf den Veräußerungsgewinn entfällt, lässt sich durch einen Kappungsantrag reduzieren.
Eine Praxisveräußerung zum 31.12. eines Jahres ist in der Regel nachteilig. Die Steuerbelastung ist in der Regel höher und fällt auch früher an. Eine Praxisveräußerung in den ersten Monaten des Jahres ist günstiger. Man ist hierbei nicht an das Quartalsende gebunden. Möglicher Termin: 2. Januar, 7.00 Uhr morgens.
(Vgl. Sedlaczek/Pfofe/Bierling/Engel in: Praxisnachfolge aus Sicht des Abgebers, PFB Sonderausgabe 2014) |
3. Gestaltungsmöglichkeiten
Die Gestaltungsmöglichkeiten setzen am progressiven Einkommmensteuersatz an. Ziel sollte es sein, den Gewinn zu verteilen und den Veräußerungsgewinn in ein Jahr mit möglichst geringen Einkünften zu legen. So kann vermieden werden, dass ein hoher Steuersatz anzuwenden ist.
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3.1 Den Übergangszeitpunkt gestalten
Ein hoher Steuersatz entsteht, wenn Gewinn lt. GuV, Übergangsgewinn sowie Veräußerungsgewinn und Entnahmegewinn in einem Veranlagungszeitraum zusammenfallen. Dem kann man entgegenwirken:
- Veräußerung im Folgejahr: Hierzu wird die Praxis zum 1.1.02 oder 2.1.02 übergeben und der Kaufpreis im Jahr 02 gezahlt. Einkommensteuerlich sind Honorarrestzahlungen für das abgelaufene Jahr 01 zwingend in die Aufgabebilanz (auf den 31.12.01) einzubeziehen (vgl. Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rz. 330).
- Übergang zur Bilanzierung: Wo das nicht möglich ist, sollte der Veräußerer für das Jahr vor der Praxisveräußerung zur Bilanzierung übergehen, sodass die Honorarzahlungen für das 3. und 4. Quartal den Gewinn des letzten vollen Kalenderjahres erhöhen und nicht nach den Grundsätzen der EÜR in dem Jahr der Abgabe zu versteuern sind.
- Investieren vor Übergabe: Ein zusätzlicher Effekt lässt sich erzielen, wenn der Praxisgewinn durch Abschreibungen aus zusätzlichen Investitionen gemindert wird, und zwar zum vollen Steuersatz. Der später erzielbare höhere Veräußerungsgewinn unterliegt unter Umständen einer niedrigeren Steuerbelastung gemäß § 34 EStG.
3.2 Kaufpreisraten vereinbaren
Wird der Kaufpreis nicht in einer Summe, sondern in Raten gezahlt, gewährt die Finanzverwaltung zwei Möglichkeiten (R 16 Abs. 11 EStR):
- Der Kaufpreis kann i.H. des Barwerts sofort - begünstigt - versteuert werden. Der Barwert ist nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes zu ermitteln. Der jährlich zufließende Zinsanteil ist als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG zu behandeln.
- Der Abgeber versteuert die Ratenzahlungen als - nicht begünstigte - nachträgliche Betriebseinnahmen i.S. des § 15 i.V. mit § 24 Nr. 2 EStG. In diesem Fall entsteht ein zu versteuernder Gewinn, wenn der Kapitalanteil der wiederkehrenden Leistungen das steuerliche Kapitalkonto des Veräußerers zuzüglich etwaiger Veräußerungskosten übersteigt. Auch hier gilt, dass der in den wiederkehrenden Leistungen enthaltene Zinsanteil bereits im Zeitpunkt des Zuflusses eine Betriebseinnahme darstellt.
Die Finanzverwaltung lässt eine derartige Gestaltung aber nur zu, wenn die Vereinbarung der Ratenzahlung den Charakter einer Leibrente hat. Der tatsächliche Wille zur Vereinbarung von Versorgungsbezügen muss also im Vertrag seinen Ausdruck finden (im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge eher unbedenklich). Aber der Veräußerer trägt das Risiko, dass sämtliche Raten ordnungsgemäß gezahlt werden.
Weiterführende Hinweise
- Sedlaczek/Pfofe/Bierling/Engel in: Praxisnachfolge aus Sicht des Abgebers, PFB Sonderausgabe 2014)
- Gewinnermittlung: Den Übergang von der Einnahmen-Überschussrechnung zum Bestandsvergleich gestalten (Kratzsch, PFB 12, 38)
- Wenn Freiberufler nach dem Praxisverkauf weiterarbeiten wollen (Karch/Michels, PFB 13, 124)
- Gewinnermittlung: Zurückbehaltung von Forderungen bei der Einbringung eines Betriebs nach § 24 UmwStG (Ketteler-Eising, PFB 13, 88)
- Praxisaufgabe - aber richtig (Kratzsch, PFB 09, 150)