· Fachbeitrag · Musterfall
Gehören GmbH-Beteiligungen ins Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft?
von Prof. Dr. Alexander Kratzsch, Bünde
| Die Frage, ob GmbH-Beteiligungen dem Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft zuzurechnen sind, ist in der Beratungspraxis sehr relevant. Übersieht der Berater die Betriebsvermögenseigenschaft, kann es zur ungewollten Aufdeckung der stillen Reserven kommen. Umgekehrt ist im Fall der Veräußerung eine Gewinnvermeidung nach § 6b EStG nur möglich, wenn Betriebsvermögen vorliegt (sechsjährige Zugehörigkeit zum Anlagevermögen). Der BFH hatte jüngst erneut hinsichtlich der Zugehörigkeitszuordnung zu entscheiden (BFH 21.12.21, IV R 15/19). |
1. Sachverhalt und Entscheidung
Die BFH-Rechtsprechung rechnet die Anteile des Kommanditisten an der Komplementär-GmbH i. d. R. dem notwendigen Sonderbetriebsvermögen II (SBV II) zu, weil diese Beteiligung der Stärkung der Gesellschafterstellung des Kommanditisten in der GmbH & Co. KG dient. Durch die Wahrnehmung seiner Rechte aus der Beteiligung an der Komplementär-GmbH erweitert er seinen Einfluss auf die GmbH & Co. KG (vgl. BFH 14.4.88, BStBl 88 II, 667).
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Die I-GmbH & Co. KG ist eine zweigliedrige grundstücksverwaltende Personengesellschaft. An der KG ist Ingmar Inst (I) als alleiniger Kommanditist beteiligt. Komplementärin ist die I-GmbH, die nicht am Vermögen der KG beteiligt ist. Alleiniger Gesellschafter der I-GmbH ist I. Die KG verfügt über umfangreiches Grundvermögen und hat keine Arbeitnehmer. Wegen der gewerblichen Prägung (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) erzielt die KG Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die I-GmbH übt entgeltlich die Geschäftsführung aus und hat die Buchführung und die Verwaltung der Grundstücke der KG übernommen. Daneben hat die I-GmbH noch weitere Beteiligungen an Personengesellschaften mit vermietetem Grundvermögen. Aus diesen Beteiligungen erzielt die I-GmbH ebenfalls gewerbliche Einkünfte (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Mit notariellem Vertrag schenkte I seinem Sohn und seiner Tochter jeweils 26 % der Anteile an der I-GmbH. Das FA geht von einer Entnahme aus dem SBV II aus und setzt einen Entnahmegewinn von 13.000.000 EUR fest. Zu Recht? |
Der BFH stellt für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum notwendigen SBV II maßgebend auf den Veranlassungszusammenhang ab. Danach ist die (Mehrheits-)Beteiligung eines Kommanditisten an einer Kapitalgesellschaft, die neben ihren geschäftlichen Beziehungen zur KG oder neben ihrer Geschäftsführertätigkeit als Komplementär-GmbH für die KG einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung unterhält, i. d. R. nicht dem notwendigen SBV II zuzuordnen.
Dies gilt auch dann, wenn die einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung unterhaltende Komplementär-GmbH wirtschaftlich mit der GmbH & Co. KG verflochten ist und die Geschäftsbeziehungen aus Sicht der GmbH & Co. KG nicht von geringer Bedeutung sind (z. B. entgegen Verfügung der OFD Nordrhein-Westfalen 17.6.14, S 2242-2014/0003-St 114, 21.6.16, S 2242-2014/00003-St 115, jeweils unter III.2.) bzw. als Komplementär-GmbH gemeinsam mit dem an ihr beteiligten Kommanditisten eine aus ihnen bestehende zweigliedrige GmbH & Co. KG gründet.
2. Grundsätze der Zuordnung von Beteiligungen
Ob Anteile an Kapitalgesellschaften in das notwendige (Sonder-)Betriebsvermögen gehören, richtet sich bei Personengesellschaftern und Einzelunternehmern nach unterschiedlichen Gesichtspunkten.
2.1 Anteile im notwendigen Betriebsvermögen des Einzelunternehmers
Beim Einzelunternehmer ist entscheidend, ob die Beteiligung dem Einzelunternehmen dient. Die Zuordnung einer Kapitalbeteiligung zum notwendigen Betriebsvermögen ist gerade nicht davon abhängig, dass die Kapitalgesellschaft keinen eigenen erheblichen Geschäftsbetrieb unterhält. Folgende Merkmale führen bei einem Einzelunternehmer zur Zuordnung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft (Beteiligung) zum notwendigem Betriebsvermögen:
- Die Beteiligung ist dazu bestimmt, die betriebliche Betätigung entscheidend zu fördern, oder die Beteiligung dient dazu, den Absatz von Produkten oder Dienstleistungen zu gewährleisten.
- Zwischen dem Einzelunternehmen und der Kapitalgesellschaft besteht eine intensive und nachhaltige Geschäftsbeziehung, die für das Einzelunternehmen erhebliche Vorteile bringt. Die intensiven und dauerhaften Geschäftsbeziehungen müssen nicht direkt mit der Kapitalgesellschaft bestehen. Es genügt die Beziehung zu einer Gesellschaft, die von der Beteiligungsgesellschaft beherrscht wird; dabei ist eine rechtliche oder faktische Beherrschung der Kapitalgesellschaft durch den Einzelunternehmer nicht erforderlich.
2.2 Anteile im notwendigen SBV des Mitunternehmers
Für die Zuordnung einer Beteiligung bei Mitunternehmerschaften ist die Sicht des Kommanditisten maßgebend. Laut BFH muss aus der Sicht des Kommanditisten entschieden werden, ob er die Komplementär-Anteile vorwiegend mit Rücksicht auf die Belange der GmbH & Co. KG oder aus anderen Gründen hält.
2.2.1 Zurechnung zum SBV I
Zum SBV I gehören Wirtschaftsgüter, die unmittelbar dem Betrieb der Personengesellschaft dienen und objektiv geeignet und subjektiv dazu bestimmt sind, den Betrieb der Gesellschaft zu fördern. Die Beteiligung eines Kommanditisten an einer Komplementär-GmbH ist objektiv erkennbar nicht zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb der Personengesellschaft selbst bestimmt. Denn die GmbH & Co. KG übt ihre Tätigkeit nicht durch die von einem Kommanditisten gehaltene Beteiligung an der Komplementär-GmbH aus.
2.2.2 Zurechnung zum SBV II
Wird ein Wirtschaftsgut nicht ausschließlich zur Begründung oder Stärkung der mitunternehmerischen Beteiligung eingesetzt, kann auch eine außerhalb dieser Sphäre begründete Veranlassung vorliegen. So ist es bei Kapitalbeteiligungen vorstellbar, dass diese nicht ausschließlich im Interesse der Personengesellschaft gehalten werden. In diesem Fall ist für die Zuordnung der Kapitalbeteiligung zum notwendigen SBV II erforderlich, dass ein ganz überwiegender Veranlassungszusammenhang mit der Beteiligung an der Personengesellschaft besteht. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in zwei Fällen dem notwendigen SBV II zugeordnet werden:
- Fallgruppe 1: Die Anteile an der Kapitalgesellschaft stärken die Position des Gesellschafters dadurch, dass sie für das Unternehmen der Personengesellschaft wirtschaftlich vorteilhaft ist.
- Fallgruppe 2: Die Gesellschafterposition wird auch gestärkt, wenn durch die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft der Einfluss des Gesellschafters in der Personengesellschaft steigt. Das ist v. a. der Fall, wenn sich der Kommanditist einer GmbH & Co. KG an der Komplementär-GmbH beteiligt und über seine Beteiligung an der Komplementär-GmbH Einfluss auf die Geschäftsführung in der KG gewinnt.
- Ausnahme: Der BFH sieht allerdings eine wesentliche Ausnahme zur Zuordnung zum notwendigen SBV II, und zwar bei einem eigenen Geschäftsbetrieb von nicht untergeordneter Bedeutung.
- Ausgehend vom Veranlassungszusammenhang als Zuordnungskriterium wertet der BFH in diesen beiden Fallgruppen die Kapitalbeteiligung i. d. R. nicht als notwendiges SBV II, wenn die Kapitalgesellschaft neben ihren geschäftlichen Beziehungen zur KG oder neben ihrer Geschäftsführertätigkeit für die KG einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung unterhält. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass bei einem derartigen eigenen Geschäftsbetrieb der Kapitalgesellschaft grundsätzlich von einer Gleichrangigkeit der beiden Gesellschaften und damit auch der Interessensbereiche der daran beteiligten Gesellschafter auszugehen ist. In einem solchen Fall kann i. d. R. nicht davon ausgegangen werden, dass das Halten der Kapitalbeteiligung im überwiegenden Interesse der mitunternehmerischen Beteiligung erfolgt und damit überwiegend durch den Betrieb der Personengesellschaft veranlasst ist.
3. Beteiligung als funktional wesentliche Betriebsgrundlage
Der BFH stellt sich mit diesem Urteil auch gegen die Meinung der Finanzverwaltung (OFD Nordrhein-Westfalen 21.6.16, S 2242 - 2014/0003 - St 115, Tz. III. 2) zu den Anteilen an einer Komplementär-GmbH als funktional wesentlicher Betriebsgrundlage.
Ob eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage vorliegt, ist von der Frage der Zuordnung zum Betriebsvermögen zu trennen. Relevant wird dies insbesondere bei folgenden Vorschriften, die alle voraussetzen, dass sämtliche funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen der betroffenen betrieblichen Einheit übertragen werden:
- § 6 Abs. 3 EStG (unentgeltliche Übertragung betrieblicher Einheiten)
- § 20 UmwStG (Einbringung in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten)
- § 24 UmwStG (Einbringung in eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten)
- § 16 Abs. 3b EStG (Betriebsunterbrechung und Betriebsverpachtung im Ganzen)
3.1 Komplementär-GmbH, deren Tätigkeit sich auf die Geschäftsführung einer einzigen KG beschränkt
Die Stärkung der Gesellschafterstellung des Kommanditisten in der KG beinhaltet eine funktionale Bedeutung der Beteiligung für die Mitunternehmerstellung, die durch die Haftungsübernahme durch die Komplementär-GmbH noch verstärkt wird. Darauf, ob die Komplementär-GmbH am Vermögen sowie am Gewinn und Verlust der KG beteiligt ist, kommt es nicht an. Die OFD NRW (21.6.16, a. a. O.) unterscheidet folgende Fälle, wenn sich die Tätigkeit der GmbH auf die Geschäftsführung einer (!) KG beschränkt:
- Nicht mehrheitlich beteiligter Kommanditist (≤ 50 %): Die wirtschaftliche Bedeutung der Beteiligung an der Komplementär-GmbH ergibt sich für diesen Gesellschafter aus der mit der Gesellschafterstellung bei der GmbH verbundenen Möglichkeit der Einflussnahme auf die Geschäftsführung der GmbH, die zur Geschäftsführung der GmbH & Co. KG berufen ist. Diese Möglichkeit der Einflussnahme ist aber nur dann wirtschaftlich von Bedeutung und begründet nur dann eine funktionale Wesentlichkeit der Beteiligung, wenn der Kommanditist die Mehrheit der Stimmrechte an der Komplementär-GmbH besitzt und hierüber in der Lage ist, seinen geschäftlichen Betätigungswillen in der GmbH & Co. KG über die GmbH durchzusetzen. Die Beteiligung an der Komplementär-GmbH ist immer als funktional wesentliche Grundlage seiner Mitunternehmerstellung anzusehen, wenn der Kommanditist beherrschender Gesellschafter der GmbH ist.
- Mehrheitlich beteiligter Kommanditanteil (> 50 % und < 100 %): Die Gesellschafterstellung wird nur unwesentlich gestärkt, weil er aufgrund der mehrheitlichen Beteiligung an der GmbH & Co. KG bereits dort seinen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen kann. Die Beteiligung an der Komplementär-GmbH stellt in diesem Fall keine funktional wesentliche Betriebsgrundlage dar. Sie ist aber dem notwendigen SBV zuzurechnen.
- Ein-Mann-GmbH & Co. KG: Die Beteiligung an der Komplementär-GmbH ist eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage, weil die GmbH aus Sicht des Kommanditisten benötigt wird, um überhaupt eine Personengesellschaft zu begründen.
3.2 Komplementär-GmbH mit eigenem Geschäftsbetrieb von nicht untergeordneter Bedeutung
Unterhält die GmbH ‒ neben ihrer Geschäftsführertätigkeit für die GmbH & Co. KG ‒ einen Geschäftsbetrieb von nicht untergeordneter Bedeutung, ist davon auszugehen, dass beide Gesellschaften ‒ und damit auch die Interessen der Gesellschafter ‒ gleichrangig nebeneinanderstehen. In diesem Fall gehören die Anteile der Kommanditisten an der Komplementär-GmbH schon deshalb nicht zu deren notwendigem SBV II und stellen keine funktional wesentliche Betriebsgrundlage dar.
Ist die GmbH aufgrund von Geschäftsbeziehungen ‒ über ihre gesellschaftsrechtliche Beteiligung als Komplementärin und ihre Geschäftsführertätigkeit hinaus ‒ auch wirtschaftlich mit der GmbH & Co. KG verflochten, gehören die Anteile zum notwendigen SBV II, wenn aus Sicht der GmbH & Co. KG die Geschäftsbeziehung zur GmbH von nicht geringer Bedeutung ist (OFD NRW 21.6.16, a. a. O., III.2). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die GmbH über die Geschäftsführung für die GmbH & Co. KG hinaus auch den Alleinvertrieb für die Produkte der GmbH & Co. KG übernommen hat. Aufgrund dieser wirtschaftlichen Bedeutung der Beteiligung stellt diese auch immer eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage (und damit notwendiges SBV) dar.
Im Streitfall hat der BFH entschieden, dass eine Zuordnung zum SBV II mangels Veranlassungszusammenhang nicht gegeben ist, wenn die Kapitalgesellschaft mehrere Beteiligungen hält und dadurch einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht untergeordneter Bedeutung unterhält. Insoweit ist anzunehmen, dass der BFH auch die Frage der funktionalen Wesentlichkeit verneint, wenn nach den hier unter Tz. 2. genannten Kriterien kein notwendiges Betriebsvermögen vorliegt.