· Fachbeitrag · Realteilung
Zivilrechtliche Steuerklauseln bei Überspringen stiller Reserven und Sperrfristverletzungen
von Prof. Dr. Alexander Kratzsch, Bünde
| Springen bei einer Realteilung mit Kapitalkontenanpassung stille Reserven über, sollte in Erwägung gezogen werden, die steuerlichen Folgen durch eine Steuerklausel zu regeln. Zudem sollten die Folgen einer Sperrfristverletzung bei der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern in jedem Fall in Gestalt einer entsprechenden zivilrechtlichen Abrede festgehalten werden. Für beide Sachverhalte werden in diesem Beitrag Regelungsmöglichkeiten dargestellt. |
1. Das Überspringen stiller Reserven
Bei einer Realteilung stellt sich häufig das Problem, dass ‒ bei Fortführung der Buchwerte ‒ stille Reserven vom einen auf den anderen Realteiler „überspringen“. Die Buchwertfortführung bei einer Realteilung ist in folgenden beiden Fällen zulässig (vgl. BMF 19.12.18, IV C 6 - S 2242/07/10002, Rz. 1 ff.):
Das Überspringen stiller Reserven ist Folge der Technik des Realteilungserlasses, der vorschreibt, dass die Kapitalkonten anzupassen sind. Infolge der Kapitalkontenanpassung springen die stillen Reserven von dem einen auf den anderen Realteiler über, ohne dass hierfür ein Ausgleich gezahlt werden muss ‒ soweit die Beteiligten diesen nicht regeln.
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An der AB-GbR sind A und B zu je 50 % (Gewinn/Verlust, Vermögen) beteiligt. Zum Zeitpunkt der Realteilung liegen folgende Werte vor: | ||
Buchwert | Teilwert | |
Aktiva | ||
WG-Gruppe I | 300.000 EUR | 360.000 EUR |
WG-Gruppe II | 300.000 EUR | 360.000 EUR |
600.000 EUR | 720.000 EUR | |
Passiva | ||
Kapital A | 300.000 EUR | 360.000 EUR |
Kapital B | 300.000 EUR | 360.000 EUR |
600.000 EUR | 720.000 EUR | |
Lösung: § 16 Abs. 3 S. 2 EStG ermöglicht auch bei Zuteilung von einzelnen Wirtschaftsgütern eine steuerneutrale Umstrukturierung zu Buchwerten (Realteilung). Übernimmt A die Wirtschaftsgüter (WG) der Gruppe I und B die WG II, ergeben sich für A und B bei Buchwertfortführung keine Anpassungen. Die Eröffnungsbilanzen von A und B sehen gleich aus: Den Wirtschaftsgütern der Gruppe I bzw. II (Buchwert 300.000 EUR) steht jeweils das Kapitalkonto (300.000 EUR) gegenüber. |
Nun wollen wir den Ausgangsfall abwandeln, sodass die Wirtschaftsgütergruppen unterschiedliche Buchwerte haben.
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Der Sachverhalt sei wie im Ausgangsfall. Die Wirtschaftsgüter haben jedoch unterschiedliche Buchwerte: WG-Gruppe I: 400.000 EUR, WG-Gruppe II: 200.000 EUR.
Unschädlich ist, wenn im Zuge der Realteilung stille Reserven von einem Realteiler auf einen anderen verlagert werden (Anpassung der Kapitalkonten durch Auf- und Abstockung, sog. Kapitalkontenanpassungsmethode). Entspricht die Summe der Buchwerte der den Realteilern zugeteilten Wirtschaftsgütern nicht dem jeweiligen Betrag ihrer Kapitalkonten, sind die Kapitalkonten daher erfolgsneutral an die Höhe der Summe der übernommenen Wirtschaftsgüter anzupassen.
Lösung: In der steuerrechtlichen Schlussbilanz der GbR (möglich wäre auch die Anfangsbilanz der Realteiler) wird die Kapitalkontenanpassung vorgenommen. |
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2. Verletzungen der Sperrfrist
Ebenso können sich Steuerfolgen beim Verstoß gegen die Sperrfrist infolge der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern ergeben. Denn nach § 16 Abs. 3 S. 3 EStG führt die Sperrfristverletzung dazu, dass rückwirkend der Teilwert anzusetzen ist. Der hierdurch entstehende Gewinn wird allerdings der Realteilungsgemeinschaft nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zugerechnet.
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Ausgangstatbestand | erfolgsneutrale Realteilung über Einzelwirtschaftsgüter |
relevante Wirtschaftsgüter | Grund und Boden, Gebäude, andere wesentliche Betriebsgrundlagen |
schädlich | Veräußerung oder Entnahme, auch Einbringung nach den §§ 20, 24 UmwStG zu Buchwerten |
Sperrfrist | drei Jahre nach Abgabe der Steuererklärung der Mitunternehmerschaft für den Veranlagungszeitraum der Realteilung |
Umfang | Aufdeckung der stillen Reserven für das veräußerte oder entnommene Wirtschaftsgut („soweit“) |
Folge |
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An der AB-OHG sind A und B zu je 50 % (Gewinn/Verlust/Vermögen) beteiligt. Sie setzen sich dergestalt auseinander, dass A zum 1.1.20 wertmäßig 50 % der einzelnen Wirtschaftsgüter (kein Teilbetrieb) erhält, die er in sein Einzelunternehmen einbringt. B übernimmt die Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen. Am 30.12.21 entnimmt A ein mit einem Wirtschaftsgebäude bebautes Grundstück sowie einen Pkw. Grundstück und Pkw wurden im Zuge der Realteilung auf A übertragen. | |
Die gemeinen Werte (bei Grund und Boden und Gebäude gleich den Teilwerten) betrugen: | |
1.1.20 | |
Grund und Boden | 400.000 EUR (Buchwert: 100.000 EUR) |
Gebäude | 600.000 EUR (Buchwert: 150.000 EUR) |
Pkw | 30.000 EUR (Buchwert: 10.000 EUR) |
Lösung: Für A liegt eine Realteilung vor, da der bisherige Betrieb aufgegeben wurde und er die Wirtschaftsgüter in sein Betriebsvermögen übernommen hat (= zunächst zwingende Buchwertfortführung). Anders für B: Dieser realisiert einen begünstigten Aufgabegewinn (§ 16 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG).
Rückwirkend zum 1.1.20 sind allerdings nach § 16 Abs. 3 S. 3 EStG die stillen Reserven des Grundstücks, nicht aber des Pkw (da keine wesentliche Betriebsgrundlage) oder der anderen Wirtschaftsgüter, aufzudecken. Der Gewinn hieraus ist ‒ mangels abweichender Abrede ‒ allen Realteilern, also A und B, nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen. Somit ist zum 1.1.20 ein laufender Gewinn i. H. v. 300.000 EUR (Grund und Boden) zzgl. 450.000 EUR (Gebäude) ‒ insgesamt 750.000 EUR ‒ anzusetzen, der entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilen ist. |
3. Abhilfe durch Steuerklauseln
In beiden Fällen schafft eine Steuerklausel Abhilfe: Die Rechtsprechung hat sich zwar noch nicht abschließend mit der steuerrechtlichen Anerkennung von Steuerklauseln i. e. S. befasst (Pahlke/Koenig/Koenig, § 41 AO, Rz. 27). Bestimmte Einzelfälle (z. B. „Schiffsverkaufsfall“ BFH 24.8.61, IV 352/59 U, BStBl III 62, 112) wurden anerkannt, aber noch keine allgemein gültige Lösung gefunden (BFH 29.4.87, I R 176/83, BStBl II 87, 733). Allerdings kann mit einer Steuerklausel der Gewinn einzelnen Gesellschaftern und der Gewinn aus einer Sperrfristverletzung allein dem „Verletzer“ zugewiesen werden.
PRAXISTIPP | Eine etwaige Ausgleichszahlung für eine (spätere, genau bezifferte) Steuermehrbelastung, die auf Grundlage einer Steuerklausel gezahlt wird, führt nicht zu einem Veräußerungsentgelt bzw. zu Anschaffungskosten. |
3.1 Steuerklausel betreffend die Gewinnverteilung
Ist eine Änderung des Gewinnverteilungsschlüssels möglich, soll die Korrektur zunächst durch diesen erfolgen (s. BMF 19.12.18, IV C 6 - S 2242/07/10002, Rz. 29). Dies kommt hinsichtlich der Sperrfristverletzung nach § 16 Abs. 3 S. 3 EStG in Betracht. Im Realteilungserlass heißt es: Dieser Gewinn ist im Fall der „echten” Realteilung bei Wirtschaftsgütern, die zum Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft gehörten, allen Realteilern nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen, es sei denn, dass der Gewinn nach dem Gesellschaftsvertrag oder den von den Mitunternehmern schriftlich getroffenen Vereinbarungen über die Realteilung allein dem entnehmenden oder veräußernden Realteiler zuzurechnen ist.
Dies bedeutet:
- Für die Gewinnfeststellung kann der Gewinn bei Verletzung der Sperrfrist den einzelnen Gesellschaftern zugewiesen werden.
- Dies ist hinsichtlich der Gewerbesteuer nicht möglich. Für den Fall, dass die Änderung nicht über den Gewinnverteilungsschlüssel erfolgen kann, steht der Gesellschaft bzw. den übrigen Gesellschaftern ein Freistellungsanspruch zu. Dies dürfte z. B. für die Gewerbesteuer gelten (Schuldnerin ist nämlich die Personengesellschaft).
- Hinsichtlich überspringender stiller Reserven kann ebenso keine abweichende Gewinnverteilung erreicht werden, da im Falle einer späteren Veräußerung (nach Ablauf der Sperrfrist) ausschließlich der übernehmende Realteiler die Wirtschaftsgüter zu versteuern hat. Hier bietet es sich an, dass als pauschaler Ausgleich für die später zu versteuernden stillen Reserven der voraussichtlich eintretende Steuerschaden abgegolten wird. Das ist der Betrag der übergehenden stillen Reserven multipliziert mit dem persönlichen Steuersatz, abgezinst um den Zeitraum, der bis zum Zeitpunkt der Realisierung des Steuerschadens verstreicht. Hinsichtlich des Zeitraums dürfte eine Schätzung zulässig sein (z. B. der Zeitraum bis zum voraussichtlichen Renteneintritt).
- Berechnungsbeispiel für den Steuerschaden
- Überspringende Reserven: 100.000 EUR
- 44,1 % (persönlicher Steuersatz) × 100.000 EUR = 44.100 EUR
- Abgezinst auf 10 Jahre (der Realteiler, auf den die stillen Reserven überspringen, ist 55 Jahre alt) = ca. 32.814,54 EUR (74,41 % bei einem Zinssatz von 3 %)
Diese Überlegungen kann man vertraglich (z. B.) wie folgt umsetzen:
Musterformulierung / Ertragsteuer |
Ziffer 1. Realteilung mit Überführung der zugeordneten Wirtschaftsgüter in Betriebsvermögen bei Buchwertfortführung Die Parteien haben gemäß anliegender Berechnung die Höhe der überspringenden stillen Reserven mit X EUR beziffert. In dieser Höhe (X), multipliziert mit dem persönlichen Steuersatz, abgezinst auf den Zeitraum, der bis zum Zeitpunkt der Realisierung des Steuerschadens verstreicht, entsteht ein Steuerschaden. In dieser Höhe leistet … dem …. einen Wertausgleich, der explizit keinen Spitzenausgleich darstellt.
Die Parteien haben Kenntnis von den Behaltensfristen gemäß § 16 Abs. 3 S. 3 und S. 4 EStG. Danach ist für den jeweiligen Übertragungsvorgang rückwirkend der gemeine Wert anzusetzen, soweit bei einer Realteilung, bei der einzelne Wirtschaftsgüter übertragen worden sind, zum Buchwert übertragener Grund und Boden, übertragene Gebäude oder andere übertragene wesentliche Betriebsgrundlagen innerhalb einer Sperrfrist nach der Übertragung veräußert oder entnommen werden. Diese Sperrfrist endet drei Jahre nach Abgabe der Steuererklärung der Mitunternehmerschaft für den Veranlagungszeitraum der Realteilung. |
Derjenige Gesellschafter, der einen Verstoß gegen die vorstehend genannten Behaltensfristen begeht, verpflichtet sich, alle steuerlichen Folgen des Verstoßes gegen die Haltefristen alleine zu tragen.
Ziffer 2. Realteilung mit Überführung der zugeordneten Wirtschaftsgüter in Privatvermögen unter Aufdeckung der stillen Reserven Die Parteien haben darüber hinaus ebenfalls Kenntnis, dass der gemeine Wert anzusetzen ist, sofern im jeweiligen Übertragungsvorgang Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen überführt werden. Derjenige Gesellschafter, der die ihm zugeordneten Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen überführt, verpflichtet sich, den durch den Ansatz des gemeinen Werts des Wirtschaftsguts realisierten Gewinn und die daraus resultierenden Steuern zu tragen.
Ziffer 3. Zurechnung der steuerlichen Folgen Die steuerlichen Folgen nach den vorstehenden Ziffern 1 bzw. Ziffer 2 werden der jeweiligen Partei im Rahmen einer abweichenden Gewinnverteilung auf der Ebene der Personengesellschaft zugerechnet. Insoweit sind sich die Parteien darüber einig, dass von dem gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Gewinnverteilungsschlüssel abgewichen wird. Soweit die steuerlichen Folgen auf der Ebene der Personengesellschaft nicht durch eine abweichende Gewinnverteilung ‒ aus welchen Gründen auch immer ‒ nachvollzogen werden können, steht den übrigen Gesellschaftern bzw. der Personengesellschaft ein Freistellungsanspruch zu. |
3.2 Klausel betreffend die Umsatzsteuer
Auch eine umsatzsteuerliche Würdigung der Realteilung sollte vorgenommen und in einer Klausel fixiert werden. Realteilungen stellen zwar unter Umständen Geschäftsveräußerungen im Ganzen dar (§ 1 Abs. 1a UStG), aber auch andere Konstellationen sind denkbar. Es bietet sich an, eine entsprechende Klausel aufzunehmen, die wie folgt lauten könnte:
Musterformulierung / Umsatzsteuer |
Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die Voraussetzungen der Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1a UStG vorliegen.
Für den Fall, dass die Übertragung dennoch der Umsatzsteuer unterliegen sollte, verpflichtet sich […] eine ordnungsgemäße Rechnung mit Ausweis der Umsatzsteuer zu erteilen. […] verpflichtet sich, unverzüglich nach Erhalt der Rechnung die Umsatzsteuer an […] zu bezahlen. |
3.3 Klausel betreffend die Verjährung
Schließlich ist zu klären, ob eine abweichende Regelung zur zivilrechtlichen Verjährung in Bezug auf etwaige Ansprüche der Gesellschafter untereinander vereinbart werden soll. Hier bietet sich z. B. folgende Formulierung an:
Musterformulierung / Verjährung |
Ansprüche aufgrund der Regelungen nach § […] des Vertrags verjähren sechs Monate nach Bestandskraft der entsprechenden Steuerbescheide. |