· Fachbeitrag · Umsatzsteuer
Anwendungsschreiben des BMF zur Vorsteueraufteilung bei gemischt-genutzten Immobilien
von Georg Nieskoven, Troisdorf
| Teils vorsteuerschädlich bzw. -unschädlich vermieteten Immobilien kommt auch in der Freiberuflerbesteuerung erhebliche Bedeutung zu, so z. B. beim Praxisgebäude mit dem an einen Apotheker vermieteten Erdgeschoss oder jenem Rechtsanwalt, der die übrigen Geschosse seines Praxisgebäudes als Wohnraum umsatzsteuerfrei vermietet. Nach langjähriger kontroverser Rechtsprechung zur deutschen Sonderregelung des § 15 Abs. 4 S. 3 UStG hat das BMF (20.10.22, III C 2 - S 7306/19/10001 :003) zur praktischen Handhabung der Aufteilungsfragen ausführlich Stellung bezogen. |
1. Hintergrund und Rechtsentwicklung
1.1 Zuordnung oder Aufteilung?
Soweit eine Immobilie zwar vollständig unternehmerisch, aber dabei teils für vorsteuerschädliche bzw. -unschädliche Umsätze genutzt wird, lässt das MwSt-Recht den Vorsteuerabzug aus gebäudebezogenen Eingangsleistungen nur anteilig zu (Art. 168, 173 MwStSystRL). Während die deutsche Umsatzbesteuerung im ersten Schritt von einer vorrangigen Zuordnung von Herstellungs- oder Erhaltungsaufwendungen zu den unterschiedlich genutzten Gebäudeteilen ausging und nur für den danach verbleibenden Rest eine sachgerechte Aufteilung vornahm, verneinte der BFH in seiner späteren Rechtsprechung zumindest für Gebäudeanschaffungs- wie -herstellungskosten (anders bei Erhaltungsaufwendungen) eine solche „geografische“ Zuordnung (BFH 28.9.06, V R 43/03, Rz. 26; 10.08.16, XI R 31/09 Rz. 32 bis 46).
Diesem vorsteuerbezogenen Zuordnungsverbot von Gebäudeherstellungskosten war das BMF nach einem anfänglichem Nichtanwendungserlass (BMF 22.5.07, IV A 5 -S 7306/07/0003 BStBl I 07, 482) letztlich gefolgt: Seither galt auch aus Sicht der Verwaltung, dass bei Erhaltungsaufwendungen eine Zuordnung des Aufwands zur jeweiligen Nutzungseinheit vorzunehmen ist, während bei Anschaffungs- oder Herstellungskosten eine vorsteuerbezogene Aufteilung zu erfolgen hat (BMF 30.9.08, IV B 8 - S 7306/08/10001, BStBl I 08, 896 mit Beispielen und entsprechender Anwendung auch für nachträgliche Herstellungskosten). Liegt zu letzterem keine Erweiterung bisheriger Flächen, sondern die Neuschaffung eigenständiger Nutzungsflächen vor, so hat eine „abgekoppelte“ Beurteilung zu erfolgen (BFH 25.3.09, V R 9/08).
Für die Abgrenzung zwischen Erhaltungs- und Herstellungskosten waren dabei grundsätzlich auch umsatzsteuerlich die ertragsteuerlichen Abgrenzungskriterien maßgeblich ‒ lediglich die Sonderregelung zu anschaffungsnahen Herstellungskosten (§ 6 Abs. 1a EStG) blieb umsatzsteuerlich unbeachtlich (Abschn. 15.17. Abs. 6 S. 2 UStAE).
1.2 Fläche oder Umsatzrelation als Aufteilungsschlüssel?
Lag nach den vorgenannten Grundsätzen kein zuordnungsfähiger, mithin aufteilungsbedürftiger Gebäudeaufwand vor, so hatte diese Aufteilung auf Basis einer sachgerechten Relationsbildung anhand der wirtschaftlichen Zurechnung zu erfolgen: Hierfür sieht das Unionsrecht grundsätzlich eine Aufteilung nach einem Umsatzschlüssel (pro-rata-Satz, Art. 173 bis 175 MwStSystRL) vor, der aus der Relation der Gesamtheit der vom Unternehmer bewirkten Umsätze gebildet wird. Allerdings können die Mitgliedsstaaten nach Art. 173 Abs. 2 MwStSystRL abweichende Regelungen treffen, wovon Deutschland mit der in § 15 Abs. 4 S. 3 UStG seit 1.1.04 verfügten Nachrangigkeit des Umsatzschlüssels Gebrauch gemacht hat.
Nach dieser nationalen Sonderregelung soll das Heranziehen des Umsatzschlüssels zur Relationsbildung lediglich dann zulässig sein, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Nach Zweifeln an der EG-Rechtskonformität dieser nationalen Regelung und einem Vorabentscheidungsersuchen des BFH hatte der EuGH (8.11.12, C-511/10) klargestellt, dass abweichende nationale Regelungen (wie § 15 Abs. 4 S. 3 UStG) nur zulässig sind, wenn sie eine präzisere Bestimmung des abzugsfähigen Anteils gewährleisten.
Der BFH (22.8.13, V R 19/09) hatte daraus zwar im ersten Schritt (Rz. 41) den Grundsatz abgeleitet, der Flächenschlüssel bleibe i. S. d. § 15 Abs. 4 S. 3 UStG vorrangig, da aus ihm in aller Regel präzisere Ergebnisse resultierten, was er in Rz. 31 seines wenig später ergangenen Urteils (BFH 7.5.14, V R 1/10) sowohl im Vergleich zum gesamtunternehmensbezogenen, als auch für den gebäudebezogenen Umsatzschlüssel konstatierte. Das Gericht schränkte diesen Grundsatz in Rz. 32 der Entscheidung (BFH 7.5.14, V R 1/10) aber gleich wieder mit der These ein, der Umsatzschlüssel gehe dagegen umgekehrt dem Flächenschlüssel vor, soweit die Ausstattung der vorsteuerschädlichen bzw. -unschädlichen Gebäudeeinheiten ‒ z. B. wegen unterschiedlicher Raumhöhen, Wanddicke oder Innenausstattung ‒ erheblich voneinander abwichen. Dann gelte (Rz. 33) grundsätzlich der objektbezogene Umsatzschlüssel, soweit sich die unterschiedlichen Umsätze auf die Gebäudenutzung selbst bezögen (= Mietrelation der einzelnen Gebäudeflächen bei einer Vermietungsimmobilie); dagegen gelte der gesamtunternehmerische Umsatzschlüssel, soweit das Gebäude für die verschiedenen Umsätze des Gesamtunternehmens genutzt werde (z. B. Verwaltungsgebäude eines Unternehmens mit gemischter Umsatzstruktur).
Schließlich hatte der BFH (11.11.20, XI R 7/20) klargestellt, der vom Grundsatz des § 15 Abs. 4 S. 3 UStG abweichende Vorrang des Umsatzschlüssels vor dem Flächenschlüssel greife in den o. a. Fällen der erheblichen Ausstattungsunterschieden sogar dann, wenn der Flächenschlüssel möglicherweise sogar zu präziseren Aufteilungsergebnissen führe. Zumindest müsse in diesem Sinne nicht der Unternehmer die größere Präzision des von ihm favorisierten Umsatzschlüssels nachweisen, sondern der vom Fiskus favorisierte Flächenschlüssel komme nur dann in Betracht, wenn er präziser sei ‒ was das FA zu beweisen habe.
2. Aufbau und Aussagen des BMF-Schreibens
Nach kurzer Einführung zur Vorsteueraufteilung befasst sich das BMF-Schreiben im ersten Schritt im mehrseitigen Vorspann (Rz. 2 bis 9) mit der entsprechenden Rechtsprechungsentwicklung und formuliert dort das Auslegungsverständnis zu den zugehörigen Urteilen aus Verwaltungssicht.
2.1 Zuordnung vs. Aufteilung
Bei gebäudebezogenen Errichtungs- wie Unterhaltungskosten leitet sich der Vorsteuerabzug aus den für die unterschiedlichen Nutzungseinheiten bezogenen Bau- und Materialkosten ab ‒ und nicht etwa aus den mit den unterschiedlichen Nutzflächen später erwirtschafteten unterschiedlichen Umsatzerlösen. Was damit gemeint ist, wird klar, wenn man sich den Fall eines in einer gut frequentierten Fußgängerzone belegenen Objektes mit einfach ausgestattetem aber hochpreisig vermietbarem Erdgeschossladenlokal und mit deutlich höherem Bauaufwand für den Innenausbau errichteten aber dennoch eine geringere Miete abwerfenden Wohnungen in den Obergeschossen vor Augen hält.
Trotz dieser häufigen Flächenbezogenheit der Vorsteuervolumina hatte der BFH bei Gebäudeherstellungskosten eine flächenbezogene Baukosten- und Vorsteuerzuordnung abgelehnt, weil er eine solche Zuordnung in Anlehnung an eine Entscheidung des EuGH (9.6.16, C-332/14, Rz. 27 bis 36) als zu komplex und damit nur schwer durchführbar beurteilte.
2.2 Erhaltungs- oder Herstellungskosten
Die Finanzverwaltung hat sich mit dieser gefestigten Sichtweise des BFH abgefunden:
- In Rz. 11 konstatiert das BMF, dass (nur) bei Erhaltungsaufwendungen diese im ersten Schritt den einzelnen Gebäude-Nutzungseinheiten vorsteuerbezogen zuzuordnen und nur der danach verbleibende Restbetrag nach einem sachgerechten Schlüssel (s. u.) aufzuteilen ist.
- Demgegenüber scheide nach der o. a. Rechtsprechung bei gebäudebezogenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, diese (geografische) Zuordnung zu den unterschiedlich genutzten Gebäudeteilen (wegen ihrer Komplexität) bereits dem Grunde nach aus, sodass die in solchen Kosten enthaltenen Vorsteuerbeträgen einheitlich (Ein-Topf-Theorie) nach einem sachgerechten Schlüssel (s. u.) in einen abziehbaren bzw. nicht abziehbaren Teil aufzuteilen seien (Rz. 12). Dies auch deshalb, weil die Zugehörigkeit eines gemischt genutzten Gebäudes zum Unternehmensvermögen bei nur anteiliger Zuordnung keine räumlich-gegenständliche, sondern lediglich eine prozentuale sei, so dass Nutzungsänderungen innerhalb der Nutzungsquote (z. B. beim Tausch von gleich großen Räumen) zu keiner Vorsteuerberichtigung führe (so explizit BFH 11.11.20, XI R 7/20, Rz. 16).
2.3 Sonderfall Teiloption
Beim Verkauf eines gemischt-genutzten Gebäudes hat eine Teiloption nach Abschn. 9.1. Abs. 6 S. 2 und 3 UStAE jedoch gerade nicht nach rein quotalen, sondern vielmehr nach wirtschaftlich-funktionellen i. S. v. räumlichen Gesichtspunkten zu erfolgen, sodass sich die Frage stellte, ob abweichend von der räumlichen Teiloption des Veräußerers auf Erwerberseite entsprechend der o. a. Grundsätze gleichwohl eine rein quotale Vorsteueraufteilung zu erfolgen habe. Das BMF greift in Rz. 12 den Vorschlag der BStBK zum Entwurfsschreiben auf und stellt in Rz. 12 klar, dass in diesen Fällen des teiloptierten Verkaufs sich abweichend auch der Erwerber bei seiner Aufteilung an diesen räumlichen Aufteilungsüberlegungen zu orientieren habe (Vorsteuerzuordnung nur zur teiloptierten Fläche: bedeutsam z. B. beim Verkauf eines teils eigenbetrieblich genutzten und teils umsatzsteuerpflichtig an einen Apotheker vermieteten Praxisgebäudes durch einen Arzt an seinen Nachfolger).
2.4 Aufteilungs-Methodenwahlrecht/Beweislast
Nach Rz. 13 hat in den o. a. Fällen eine vorsteuerbezogene Aufteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf Basis eines sachgerechten Schlüssels zu erfolgen. Als sachgerecht sieht Art. 174 MwStSystRL zwar
- im ersten Schritt den Gesamtunternehmens-Umsatzschlüssel vor, den das deutsche Recht jedoch (laut EuGH zulässigerweise)
- im zweiten Schritt durch § 15 Abs. 4 S. 3 UStG wieder als subsidiär zurückstuft, wenn (was der Regelfall sein dürfte) andere Schlüssel präziseres Aufteilungsergebnisse liefern (wie z. B. der Flächenschlüssel, der objektbezogener Umsatzschlüssel oder eine Aufteilung nach umbautem Raum).
Kommen im konkreten Einzelfall mehrere andere (präzisere) Aufteilungsschlüssel in Betracht, steht das Wahlrecht zwischen diesen Alternativen dem Unternehmer zu, wobei er sich ausdrücklich nicht für die präziseste Methodik entscheiden muss (Rz. 14). Dieser unternehmerischen Entscheidungsfreiheit sind jedoch fiskalisch enge Grenzen gesetzt:
- Einerseits verbleibt dem FA das Überprüfungsrecht, ob die vom Unternehmen gewählte Aufteilungsmethodik tatsächlich sachgerecht ist (Rz. 14).
- Andererseits (Rz. 15) interpretiert das BMF bei diesem Methodenwahlrecht die BFH-Rechtsprechung in der Weise, dass der objektbezogene Flächenschlüssel vorrangig anzuwenden ist (BFH 11.11.20, XI R 7/20, Rz. 17: „… ist bei der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes im Regelfall grundsätzlich eine Vorsteueraufteilung nach dem objektbezogenen Flächenschlüssel vorzunehmen …“).
Die Alternative sonstiger Aufteilungsschlüssel ‒ insbesondere der Aufteilung nach Umsätzen ‒ eröffnet sich für den Unternehmer demnach erst dann, wenn die unterschiedlichen Nutzungseinheiten erhebliche Ausstattungsunterschiede aufweisen. Allerdings trägt nach Rz. 18 das FA die Feststellungslast dafür, dass der Flächenschlüssel zu präziseren Ergebnissen als ein Umsatzschlüssel führt; dies soll allerdings nur dann gelten, wenn dem FA alle erforderlichen Informationen für diese Beurteilung vorliegen, also der Unternehmer zuvor vollumfänglich der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht Genüge getan hat. Liegen dem FA mithin nicht alle beurteilungsrelevanten Informationen vor oder lassen diese keine eindeutige Beurteilung zu, so bleibt es beim Flächenschlüssel.
2.5 Objektbezogener Flächenschlüssel
Nach Rz. 15 erfolgt die Vorsteueraufteilung bei Anschaffungs-/Herstellungskosten regelmäßig nach dem objektbezogenen Flächenschlüssel. Dazu sind nur die (unterschiedlich genutzten) Gebäudeinnenflächen zueinander ins Verhältnis zu setzen, also beispielsweise Kfz-Außenstellplätze nicht mit einzubeziehen. Ein solcher Flächenschlüssel hat grds. die Grundflächen aller Räume einzubeziehen ‒ unabhängig davon, ob es sich um Wohn- oder Gewerbeflächen handelt (incl. der als Lagerflächen genutzten Keller oder Speicherräume und auch der Tiefgaragenflächen. Dagegen sind Gemeinschaftsflächen (z. B. Technikräume, Treppenhaus, Waschküche) oder die von vornherein nicht zum Ausbau vorgesehenen Räume nicht einzubeziehen. Bei dieser Flächenberechnung sollen grundsätzlich auch Grundflächen mit Dachschrägen voll (Terrassen u. Balkone hälftig) einbezogen werden (Rz. 16).
Nach Rz. 17 dürfen nunmehr zudem auch andere anerkannte Berechnungsmethoden (z. B. DIN 277 oder Wohnflächen-VO) Anwendung finden ‒ nach BMF-Ansicht allerdings nur, wenn sie dem Nutzungsverhältnis (z. B. im Mietvertrag) auch tatsächlich zugrunde gelegt und für das gesamte Gebäude einheitlich angewendet werden sowie das daraus resultierende Ergebnis sachgerecht ist.
2.6 (Objektbezogener) Umsatzschlüssel
Wie das BMF in Rz. 19 klarstellt, ist die Anwendung eines Umsatzschlüssels kein freies Wahlrecht des Unternehmers, sondern nur subsidiär denkbar, soweit die unterschiedlichen Nutzungseinheiten nachweislich erhebliche Ausstattungsunterschiede aufweisen. Ist Letzteres zu bejahen, so kommt grundsätzlich der objektbezogene Umsatzschlüssel ‒ also bei Vermietungsobjekten durch Relationsbildung der aus den unterschiedlichen Vermietungseinheiten erwirtschafteten Vermietungsumsätzen ‒ zur Anwendung. Ein Gesamtunternehmens-Umsatzschlüssel ‒ also eine gebäudebezogene Vorsteueraufteilung auf Basis aller vom Unternehmen insgesamt erwirtschafteten Umsätze ‒ ist demnach nur in Sonderfällen denkbar, z. B. soweit das fragliche Gebäude nicht vermietet, sondern eigenbetrieblich als Verwaltungsgebäude genutzt wird und das Unternehmen (z. B. Bauunternehmung mit teils Wohnbau-Bauträgertätigkeit) eine gemischte (teils umsatzsteuerfreie) Umsatzstruktur aufweist (Rz. 20).
Ob dies jedoch auch dann gelten soll, wenn das Gebäude teils eigenbetrieblich und teils vermietend genutzt wird (z. B. eigenbetrieblich genutztes Arztpraxisgebäude mit an Apotheker USt-pfl. vermietetem Erdgeschoss/Rechtsanwaltskanzleigebäude mit in den Obergeschossen vermieteten Wohnungen), lässt das BMF-Schreiben offen. M. E. würde dies jedoch zu unsachgerechten Verzerrungen (Fremdmiete ins Verhältnis gesetzt zu den regelmäßig um ein Vielfaches höheren eigenbetrieblichen Umsätzen) führen, sodass hier der Flächenschlüssel sachgerecht und vorzugswürdig wäre (hilfsweise der Ansatz einer fiktiv erzielbaren Miete im eigenbetrieblichen Bereich); der BFH (11.11.20, XI R 7/20, Rz. 35 bis 38) scheint jedoch bei erheblichen Ausstattungsunterschieden von einem Wechselzwang zum Umsatzschlüssel ausgehen zu wollen, sodass diese Frage bislang ungeklärt scheint.
2.7 Erhebliche Ausstattungsunterschiede
Entscheidender Auslöser für die Abkehr vom Flächenschlüssel sind für den BFH die erheblichen Ausstattungsunterschiede; definiert, was er dabei unter erheblichen Ausstattungsunterschieden versteht und wo die Grenzziehung der Erheblichkeit verläuft, hatte der BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung jedoch in keiner Weise.
|
In dieser Entscheidung war der BFH sogar zu einem gegenläufig-paradoxen Phänomen gelangt: Denn im dortigen Sachverhalt hatte Vermieter V einen verschachtelten Gebäudekomplex mit einer umsatzsteuerfrei vermieteten Seniorenanlage (Flächenanteil 62,5 %) und umsatzsteuerpflichtig vermieteten Ladenlokalen (Flächenanteil 37,5 %) errichtet, und die baukostenbezogene Vorsteuer im vorgenannten Flächenverhältnis aufgeteilt. Nachdem das FA im Zuge einer Außenprüfung durch korrigierte Flächenberechnung den Anteil der Seniorenanlage erhöhte, begehrte V im Einspruchs- u. Klagewege eine vollständige Neuaufteilung nach Umsatzrelation (50 % zu 50 %).
Das FG ging zwar ‒ wie der Kläger ‒ von erheblichen Ausstattungsunterschieden zwischen den einfach ausgestatteten, aber mit einer Geschosshöhe von 4,75 m und vollflächigen Schaufenstern versehenen Ladenlokalen und dem deutlich aufwendiger/höherpreisiger gebauten Seniorenkomplex aus, versagte aber gleichwohl die begehrte Aufteilung nach Umsatzrelation, da dies zu paradox überhöhter Vorsteuergewährung in Relation zu den vorsteuerbezogenen Baumassen geführt hätte, da die niedrige Miethöhe für den Seniorenbereich mit der hohen Miete (trotz niedriger Baukosten) quersubventioniert worden sei.
Der BFH ging in seiner Revisionsentscheidung über diese substanzbezogenen Vorsteuerüberlegungen jedoch ohne inhaltliche Befassung hinweg: Bei erheblichen Ausstattungsunterschieden trete an die Stelle des grds. vorrangigen Flächenschlüssels zwingend der Umsatzschlüssel, auch wenn ‒ wie das FG meine ‒ der Flächenschlüssel zu deutlich sachgerechteren Ergebnissen führe. |
Ohne diese systematisch problematische Folge explizit zu thematisieren, versucht sich das BMF nun in den Rz. 20 bis 22 an einer Eingrenzung der vom Flächen- zum Umsatzschlüssel führenden Erheblichkeit: Insofern definiert das BMF, dass erhebliche Ausstattungsunterschiede dann vorlägen, wenn sich die Dicke der Wände oder Decken oder der Innenausstattung ‒ und damit auch der Bauaufwand ‒ erheblich voneinander unterscheide und folglich auch die daraus erzielbaren Mieteinnahmen voneinander abwichen. Dagegen seien Ausstattungsunterschiede, die lediglich in der unterschiedlichen Nutzungsart begründet seien, denen aber im anderen Gebäudeteil ein ähnlicher Aufwand gegenüberstehe, noch keine erheblichen Unterschiede in diesem Sinne. Seine Abgrenzungsvorstellungen illustriert das BMF nachfolgend in einer Reihe von Anwendungsbeispielen für verneinte (unterschiedliche Anzahl von Strom-/Wasseranschlüssen, deckenhohe Schaufenster ggü. Wohnbereichsfenstern) oder bejahte (luxuriöser ggü. einfachem Innenausbau; besondere Traglastböden) erhebliche Ausstattungsunterschiede.
Trotz der in den Rz. 21 u. 22 betonten Verknüpfung mit einer entsprechenden Baukostenrelation lässt das BMF damit offen, ob die Finanzverwaltung bei gegenläufig-erheblichen Ausstattungsunterschieden i. S. von BFH (11.11.20, XI R 7/20) ein Umschwenken vom Flächen- auf den Umsatzschlüssel (mit der Folge einer paradox noch höheren oder niedrigeren Vorsteuer) anders behandelt wissen will.
2.8 Umbauter Raum und Dach-PV-Anlage
Soweit lediglich erhebliche Abweichungen in der Geschosshöhe bestehen, aber das Gebäude ansonsten keine erheblichen Unterschiede in der Ausstattung aufweist, offeriert das BMF in Rz. 24 nun alternativ zur Umsatzrelation auch einen weiteren Aufteilungsschlüssel der Vorsteuer nach umbautem Raum. Dies soll zulässig sein, wenn eine solche Aufteilung präzisere wirtschaftliche Zurechnungen der Vorsteuer ermöglicht als der Umsatzschlüssel. Auch hierzu bleibt abzuwarten, ob diese Sichtweise gerichtsfest ist.
Aufdach-Photovoltaikanlagen stellen unter den Voraussetzungen des Abschn. 15.17 Abs. 6 UStAE Herstellungskosten für das Gebäude dar, was bei einer (umsatzsteuerpflichtigen) Einspeisung des erzeugten Stroms zur Frage der Vorsteueraufteilung führt (beachte jedoch die Besonderheit des Nullsteuersatzes im neuen durch das Jahressteuergesetz 2022 ab 1.1.23 eingeführten § 12 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 UStG). In Rz. 23 verfügt das BMF hierzu, dass dabei grds. eine zweistufige Aufteilung zu erfolgen hat: Im ersten Schritt per Umsatzrelation (PV-Anlage : sonstiges Gebäude) und im zweiten Schritt entsprechend der Nutzungsrelationen der Gebäuderaumeinheiten nach allgemeinen Grundsätzen (s. o.).
3. Schlussbemerkung
Nach langjähriger Bedenkzeit hat das BMF nun endlich zur praxisbedeutsamen Vorsteueraufteilung bei gemischt-genutzten Gebäuden ausführlich Stellung bezogen. Der durch den BFH bislang nicht überzeugend gelöste Systemwechsel (durch welche konkreten Sachverhaltsumstände kippt der vorsteuerbezogene Flächenaufteilungsgrundsatz in eine Aufteilung nach Umsatzrelationen) bleibt auch nach der nun vorliegenden BMF-Weisung weiterhin problematische wie klageanfällige Sollbruchstelle.
Dem Unternehmer eröffnet die vorliegende Verwaltungsweisung jedoch größere Freiheiten (z. B. die Akzeptanz abweichender Flächenberechnungen/Rz. 17 oder abweichender Aufteilungsmaßstäbe: umbauter Raum/Rz. 24) und eine Übergangsregelung für die Rechtslage vor Veröffentlichung (Rz. 27). Zu betonen bleibt zudem, dass der BFH (11.11.20, XI R 7/20, Rz. 23) konstatiert hat, dass (abweichend vom sonst bestehenden Grundsatz der Unzulässigkeit eines späteren Aufteilungsmethodenwechsels) die ursprüngliche Wahl eines objektiv unzutreffenden Aufteilungsschlüssels den Unternehmer gerade nicht bindet, ihm also auch in späteren Jahren noch ein Wechsel vom vermeintlichen Flächen- zum Umsatzschlüssel offensteht. Dabei gilt es jedoch ganz allgemein zu beachten, dass die Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel zwar im Investitionsjahr lukrativ sein mag, aber dieser Vorteil häufig mit der Kehrseite der in Folgenjahren beratungsintensiv zu bearbeitenden Vorsteuerkorrekturen i. S. v. § 15a UStG verbunden ist.