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  • · Fachbeitrag · Vermögensplanung

    Altersvorsorge-Beratung als strategisches Geschäftsfeld für die Steuerkanzlei

    von Dipl.-Kfm. StB Dirk Klinkenberg, Fachberater für Vermögensgestaltung (DVVS e.V.), www.curator.de, Bergisch Gladbach

    | Altersvorsorgeberatung setzt sich aus mindestens drei Elementen zusammen. Zuerst kommen die Ermittlung und transparente Darstellung der bestehenden Altersvorsorgesituation. Dann wird über eine strategische Beratung festgelegt, wie eine sichtbar gemachte Versorgungslücke geschlossen werden könnte. Im letzten Schritt geht es um die konkrete Problemlösung. Steuerberater, die sich nicht nur um die steuerlichen Belange kümmern, sondern die die gesamte finanzielle Situation der Mandanten im Blick haben, können hier viel für ihre Mandanten tun. |

    1. Altersvorsorgeberatung ‒ eine Steuerberater-Aufgabe?

    Ein Beratungsfeld zu besetzen macht für Steuerberater immer dann Sinn, wenn folgende Faktoren zusammenkommen:

     

    • Der Mandant hat ein Interesse von seinem Steuerberater in diesem Feld beraten zu werden.
    • Der Steuerberater hat das Know-how dazu.
    • Es bestehen keine berufsrechtlichen oder haftungsrechtlichen Konflikte.

     

    1.1 Das Interesse des Mandanten

    Es besteht eine hohe Notwendigkeit für die Mandanten, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Dies wissen auch die Mandanten selbst ‒ entweder aus eigener Erkenntnis oder zumindest, weil sie über alle Medienkanäle mit dieser Notwendigkeit konfrontiert werden. Trotzdem sprechen viele Mandanten nicht über das Thema Altersvorsorge mit ihrem Steuerberater. Die Gründe liegen auf der Hand:

     

    • Es handelt sich um ein Thema, das zu Recht als „unsexy“ beschrieben wird. Heute auf Konsum zu verzichten, um im Alter finanziell besser aufgestellt zu sein, klingt nicht unbedingt attraktiv.

     

    • Mandanten haben bis jetzt nicht wahrgenommen, dass sich ihr Steuerberater überhaupt mit dem Thema Altersvorsorge beschäftigt und dazu ein Beratungsangebot hat.

     

    Es gibt einen hohen „latenten“ Bedarf, den der Steuerberater aber aktiv in Nachfrage umwandeln muss. Wenn man als Steuerberater dieses Beratungsfeld abdecken will, muss man sich nicht nur fachlich fit machen, sondern auch eine Strategie haben, diese Beratung aktiv zu kommunizieren.

     

    PRAXISTIPP | Der Mandant hat sich im Rahmen der betrieblichen Bilanzerstellung und für die Erstellung der Einkommensteuererklärung seinem Steuerberater finanziell bereits sehr weit offenbart. Mandanten sind grundsätzlich bestrebt, ihre kompletten finanziellen Verhältnisse nur einer Vertrauensperson offenzulegen. Deshalb liegt es nahe, diese komplette Offenlegung beim Steuerberater vorzunehmen, weil dieser bereits den höchsten Informationsstand hat und in der Regel auch eine hohe persönliche Kontinuität in der Betreuung zu erwarten ist. Deshalb befindet sich der Steuerberater gerade für den Einstieg in die Altersvorsorge-Beratung in einer optimalen Position.

     

    1.2 Das notwendige Know-how und die berufsrechtlichen Grenzen

    Manche Steuerberater scheuen sich, dieses Beratungsfeld anzubieten. Sie glauben, das notwendige Know-how neben dem eigentlichen Tagesgeschäft nicht aufbauen zu können. Wenn man sich selbst die richtigen Grenzen in der Beratung setzt, ist das notwendige Know-how gar nicht so hoch. An dieser Stelle greifen das Bedürfnis des Mandanten nach neutraler und objektiver Grundlagenberatung, die berufs- und haftungsrechtlichen Grenzen und das eigene ‒ meist bereits vorhandene Know-how ‒ wie von selbst ineinander.

     

    1.2.1 Grundlagenberatung

    Das bedeutet nichts anderes als eine transparente Darstellung der bestehenden Altersvorsorge. Hier möchte der Mandant wissen:

    • Habe ich ein Problem mit meiner Altersvorsorge?
    • Wer kann mir das objektiv ausrechnen, ohne mir gleich etwas verkaufen zu wollen?

     

    Eigentlich handelt es sich also gar nicht um Beratung, sondern um eine Rechenaufgabe zur Frage: „Wie hoch ist die Versorgungslücke?“ Steuerberater können gut rechnen und Zahlen zusammenführen. Wenn sie über Grundwissen zu den Produkten verfügen ‒ was man bei wirtschaftlich interessierten Steuerberatern voraussetzen darf ‒ reicht dies in der Regel aus. Diese Aussage werden wir in der Darstellung der konkreten Vorgehensweise noch bestätigt sehen. Eine Altersvorsorge-Berechnung kann fast jeder Steuerberater anbieten.

     

    Altersvorsorge-Berechnung ist berufsrechtlich eine zulässige und vereinbare Tätigkeit i. S. des § 57 Abs. 3 StBerG, denn sie beschränkt sich auf die Datenerhebung und Datenerfassung.

     

    1.2.2 Strategische Beratung

    Wenn man die Versorgungslücke errechnet hat, geht es darum, die transparent gemachte Problemstellung zu lösen.

     

    Um eine strategische Beratung durchführen zu können, muss man mehr Produktwissen haben. Hier reicht es nicht, die steuerlichen Unterschiede zu kennen. Man muss auch Know-how über die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile der verschiedenen Wege der Altersvorsorge haben. Und dies umfasst neben den Rentenansprüchen auch Grundkenntnisse der betrieblichen Altersvorsorge, der verschiedenen Arten der Kapitalanlagen, Immobilien etc.

     

    Um diese strategische Beratung sachgerecht durchführen zu können, bedarf es Zusatzwissen. Dieses muss nicht zwingend über einen Fachberaterlehrgang (z. B. Fachberater für Finanz- und Vermögensplanung [DStV e.V.] oder Fachberater für Vermögensgestaltung [DVVS e.V.]) erworben werden. Viele Steuerberater sind hier auch durch ihr Interesse für Ihre eigene Altersvorsorge ganz gut vorgebildet.

     

    Entscheidend ist immer die Erkenntnis: „Ich weiß, was ich nicht weiß.“ Solange der Steuerberater im Vorfeld kommuniziert, wie weit seine Beratung geht und welche Fragen er nicht beantworten kann, ergibt sich keine falsche Erwartungshaltung.

     

    Der Inhalt der Altersvorsorge-Beratung kann sehr vielfältig sein. Sie reicht von strategischer Beratung über steuerliche Optimierung der vorhandenen Situation bis zur konkreten Beratung zu Altersvorsorge-Produkten.

     

    Wenn aus der Datenanalyse Handlungsempfehlungen für den Mandanten abgeleitet werden, muss unterschieden werden zwischen steuerlichen und wirtschaftlichen Optimierungsempfehlungen. Steuerliche Optimierungsempfehlungen gehören grundsätzlich zum Kernbereich der steuerberatenden Tätigkeit und sind immer unproblematisch. Wirtschaftliche Optimierungsempfehlungen werden nochmals differenziert. Strukturberatung (strategische Beratung) ist als eine Form der Wirtschaftsberatung eine vereinbare Tätigkeit im Sinne des § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG und damit ebenfalls unproblematisch.

     

    1.2.3 Konkrete Lösung ‒ Abgrenzung zur Produktberatung

    Sobald es in den Bereich der konkreten Umsetzungsberatung geht, hängt die Zulässigkeit sehr stark von Umfang und Inhalt der Empfehlung des Steuerberaters ab. Solange der Steuerberater eine unabhängige Position einnimmt, seine Vorschläge objektiv nachprüfbar und sachlich zutreffend sind und die Entscheidungen ausschließlich vom Mandanten getroffen werden, bestehen keine standesrechtlichen Bedenken.

     

    Grundsätzlich unzulässig ist die Annahme von Provisionen aus Produktvermittlungen, da es sich hier um eine gewerbliche und damit unzulässige Tätigkeit nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG handelt. Deshalb ist die konkrete Produktberatung kein Beratungsfeld für Steuerberater.

     

    • (Un-)Zulässigkeit von Altersvorsorge-Beratung
    Art der Beratung
    Beurteilung
    Rechtsgrundlagen

    Empfehlungen, steuerlich

    grundsätzlich zulässige und vereinbare Tätigkeit

    § 33 S. 1 i. V. mit § 57 Abs. 3 StBerG

    Empfehlungen, wirtschaftlich

    zulässig, solange die Unabhängigkeit und Objektivität des Steuerberaters gewahrt bleibt und die wirtschaftlichen Entscheidungen ausschließlich vom Mandanten getroffen werden

     § 57 Abs. 3 StBerG

    Annahme von Provisionen

    unzulässig

     § 57 Abs. 4 StBerG

     

     

    ZWISCHENFAZIT | Die standesrechtlichen Grenzen beschränken den Steuerberater nicht, sondern helfen ihm seine neutrale Beraterrolle glaubhaft umzusetzen. Altersvorsorge-Beratung ist ein Netzwerkthema. Es hilft keinem Mandanten, nur die Probleme aufgezeigt zu bekommen, wenn man ihn danach komplett mit der Lösungssuche allein lässt. Wenn der Mandant nicht selbst über ein Netzwerk entsprechender Berater verfügt, ist es Aufgabe des Steuerberaters Hilfestellung zu leisten. Empfehlungsnetzwerke sind dabei ebenfalls berufsrechtlich sauber aufzustellen (mehr Hintergrund dazu z. B. unter www.fachberaterzentrum.de).

     

    2. Darstellung der bestehenden Altersvorsorge-Situation

    Diese Grundlagenberatung ist das Fundament jeder vernünftigen strategischen und danach auch konkreten Beratung. Die Bestandsaufnahme der bestehenden Altersvorsorge ermöglicht den Einstieg in eine objektive Situationsanalyse. Dies geschieht üblicherweise in vier Schritten:

     

    • Bestandsaufnahme in vier Schritten
    • Quantifizierung der Ausgabenseite: Ermittlung des gewünschten Lebensstandards im Alter ‒ als konkreter Liquiditätsbedarf pro anno

     

    • Quantifizierung der Einnahmeseite: Hochrechnung der Rentenansprüche und des Altersvorsorgevermögens

     

    • Visualisierung der Versorgungslücke, die sich aus der Differenz der hochgerechneten Einnahmen und Ausgaben ergibt

     

    • Umrechnung der Versorgungslücke p. a. auf zwei konkrete Werte:

     

      • Notwendiger Kapitalstock bei Renteneintritt zur Schließung der Versorgungslücke: Dies ist rechnerisch gesehen der abgezinste Barwert aller Versorgungslücken auf den Renteneintritt.

     

      • Notwendiger monatlicher Sparbetrag, um diesen Kapitalstock bis zum Renteneintritt aufzubauen: Hier wird der Barwert auf einen notwendigen Sparbetrag zurückgerechnet.
     

    2.1 Angestrebter Lebensstandard im Alter

    Die Prognose des gewünschten Lebensstandards ist notwendig, um herauszufinden, ob die bestehenden Altersvorsorgebausteine ausreichen. Die Frage, welchen Lebensstandard ich mir als Mandant für die kommenden Jahre und im Rentenalter vorstelle, ist schwierig zu beantworten. Die Höhe des gewünschten Lebensstandards orientiert sich bei den meisten Menschen an ihrem aktuellen Lebensstandard. Ausgangspunkt der Ermittlung ist deshalb die Bestimmung der aktuellen Lebenshaltungskosten.

     

    2.2 Ermittlung der voraussichtlichen Ausgaben im Alter

    Der aktuelle Lebensstandard kann auf verschiedenen Wegen ermittelt werden, die sich hinsichtlich Arbeitsaufwand und Genauigkeit unterscheiden.

     

    • Drei Wege zur Ermittlung der Lebenshaltungskosten
    • Schätzangabe des Mandanten

    Der einfachste, aber auch ungenauste Weg ist die Frage an den Mandanten: „Wie hoch schätzen Sie denn Ihre Lebenshaltungskosten?“ Die Praxis zeigt, dass man hier in der Regel keine belastbaren Zahlen erhält. Deshalb sollte diese Methode nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden und im Rahmen einer Prämissendarstellung deutlich genannt sein, dass hinsichtlich dieser Größe keine Datenermittlung stattgefunden hat.

     

    • Blick in die ungebundenen Entnahmen der Buchführung

    Wenn für den Mandanten eine Buchführung existiert, bei der ein gemischtes Konto gebucht wird, kann der Blick in die gebuchten Entnahmen hilfreiche Informationen vermitteln. Dabei ist zu beachten:

     

      • Werden alle privaten Ausgaben von diesem Konto bestritten oder gibt es noch andere private Konten? Sobald andere Konten existieren, findet man hier nur einen Ausschnitt der Ausgaben vor.

     

      • Wie differenziert sind die privaten Entnahmen gebucht? Je differenzierter gebucht wurde, umso leichter fällt die Trennung der Ausgaben nach Steuerzahlungen, Versicherungsbeiträgen, Vermietungseinkünften und Ausgaben dazu etc. Die Konten zu den ungebundenen Entnahmen und auch den Einlagen sollten auf jeden Fall nicht nur als Saldo betrachtet werden, sondern hier sollte man den Kontoauszug durchsehen, um z. B. echte Ausgaben von Transferzahlungen auf z. B. Festgelder zu differenzieren. Als Steuerberater kann man hier bei den eigenen Mandanten durch eine differenzierte Verbuchung positiven Einfluss nehmen, sowohl für Zwecke der Finanzplanung als auch für Zwecke der Wertermittlung der ESt-Erklärung.

     

    • individuelle Ermittlung der Ausgaben

    Der Mandant kann konkret ermitteln, wie hoch sein aktuelles Ausgabenniveau ist und wie es sich zusammensetzt. Da diese Methode nur Sinn macht, wenn eine Verprobung möglich ist, bietet sich eine Checkliste in Form einer Excel-Tabelle inklusive Verprobung an. Dazu gibt man dem Mandanten ein vorbereitetes Excel-Dokument an die Hand, in das er seine monatlichen und jährlichen Kosten einträgt. Mithilfe dieser Tabelle kann der Mandant, auf Basis seiner Kontoauszüge der letzten drei Monate, Zahlen ermitteln, eintragen und sich selbst kontrollieren.

     

    Wenn man die Zusammenstellung der Ausgaben zusätzlich aufteilt in Ausgaben, die man auch im Rentenalter noch hat (z. B. Essen, Urlaub etc.) und Ausgaben, die man im Rentenalter nicht mehr hat (z. B. Finanzierungsrate für das Eigenheim, Sparraten für die Altersvorsorge), ist damit bereits automatisch ein erster Schritt in die Ermittlung des gewünschten Lebensstandards in der Rentenphase gemacht.

     
    • Schema für die Ermittlung der Ausgabenseite [EUR]
    Kategorie
    jährliche Ausgaben
    jährlich nom.(bei 2 % Inflation)
    Veränd.im Rentenalter
    jährlich bei Rentenbeginn
    1. Ausgaben heute und imRentenalter
    2018
    2038
    2038
    • Lebensmittel

    13.200,00

    19.614,51

    0%

    19.614,51

    • Kleidung, Hobbys

    7.000,00

    10.401,63

    -50%

    5.200,82

    • Nebenkosten Eigenheim

    6.000,00

    8.915,68

    0%

    8.915,68

    • Urlaub

    5.000,00

    7.429,74

    0%

    7.429,74

    • Kfz-Unterhalt/öffentliche Verkehrsmittel

    3.650,00

    5.423,71

    -30%

    3.789,17

    • Krankenversicherung (gesetzl./privat)

    7.200,00

    10.698,82

    0%

    10.698,82

    • usw.
    Zwischensumme

    42.050,00

    62.484,09

    55.648,73

    2. Ausgaben bis zum Rentenalter
    2018
    2038
    • Finanzierung Eigenheim

    12.000,00

    17.831,37

    • Risiko-Versicherungen (BU, Risiko-LV,...)

    600,00

    891,57

    • Ausbildung der Kinder

    5.750,00

    8.544,20

    • usw.
    Zwischensumme

    18.350,00

    27.267,13

    3. Ausgaben ab dem Rentenalter
    2038
    • Gartenpflege (2018: 750 EUR geschätzt)

    1.114,46

    • usw.

    0

    Zwischensumme

    1.114,46

    Summe der Ausgaben = Kosten des Lebensstandards

    60.400,00

    56.763,19

     

    2.3 Ermittlung der voraussichtlichen Einnahmen im Alter

    Die Ermittlung der voraussichtlichen Einnahmen im Alter ist vielschichtiger, weil viele Themenbereiche berührt werden, von denen hier nur die wichtigsten genannt werden sollen:

     

    • Altersvorsorge-Versicherungen wie z. B. gesetzliche Rente, Versorgungswerkrente, Kapital-Lebensversicherungen, bAV-Versicherungen, Rürup- und Riester-Versicherungen
    • Kapitalanlagen verschiedenster Ausprägungen. Hier sind insbesondere Wertpapierdepots, Festgelder sowie Investmentfonds auf Aktien- oder Anleihenbasis zu nennen.
    • Vermietungs-Immobilien

     

    • Schema für die Ermittlung der Einnahmenseite [EUR]
    Kategorie
    2018(jährlich)
    2038(jährlich)
    • Nettogehalt Ehemann

    36.000,00

    0,00

    • Unternehmerlohn Ehefrau

    24.000,00

    0,00

    • Kindergeld

    2.400,00

    0,00

    • Zinsen und sonstige Kapitalerträge

    0,00

    2.000,00

    • Vermietung und Verpachtung

    0,00

    0,00

    • Renten

    0,00

    36.000,00

    • usw.
    Summe der Einnahmen

    62.400,00

    38.000,00

     

    Ein ganz entscheidender Punkt sowohl für die Berechnung als auch für die spätere strategische Beratung ist der Unterschied zwischen dem Erwerb von Rentenansprüchen und dem Aufbau von Altersvorsorge-Vermögen.

     

    Während man in der Beratung dafür sorgen sollte, dass ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen beiden Wegen angestrebt wird, ist es für die Berechnung der Versorgungslücke entscheidend, dass man das Altersvorsorge-Vermögen in einen Liquiditätsstrom umrechnet. Dazu muss der planmäßige Bestand des Altersvorsorgevermögens in einen Entnahmeplan mit Kapitalverzehr umgerechnet werden. Neben dem Vermögensbestand braucht man dazu noch folgende Planungsannahmen:

     

    • Renteneintritt,
    • Verzinsung des Restkapitals und
    • Dauer des Entnahmeplans (= Bis zu welchem Lebensalter soll das Geld reichen?)

     

    An dieser Stelle zeigt sich, dass es zwar immer noch um eine Rechenaufgabe geht, eine zügige Umsetzung in der Regel aber nur über eine Finanzplanungssoftware möglich ist, die diese Berechnung auf Knopfdruck durchführt.

     

    2.4 Visualisierung der voraussichtlichen Versorgungslücke

    Mit den Angaben zur Einnahmen- und zur Ausgabenseite lässt sich jetzt auch eine mögliche Versorgungslücke als Überschuss der Ausgaben über die Einnahmen berechnen.

     

    • Ermittlung der Versorgungslücke [EUR]
    2018(jährlich)
    2038(jährlich)
    • Summe der Einnahmen

    62.000,00

    38.000,00

    • Summe der Ausgaben (= Kosten des Lebensstandard)

    60.400,00

    56.763,19

    Differenz

    2.000,00

    ./. 18.763,19

    Überschuss
    Versorgungslücke
     

    Wichtig, die Versorgungslücke ist keine statische Größe, sondern eine dynamische Berechnung von Einnahmen und Ausgaben über den abzusichernden Lebenshorizont. Während die Einnahmen auf Basis von vertraglichen Vereinbarungen (z. B. private Rentenversicherung) oder anderer Bestimmungsgrößen (z. B. bei der gesetzlichen Rente) steigen, entwickelt sich das Ausgabenniveau in aller Regel anhand der zu erwartenden Inflation. Dadurch kann in der dynamischen Betrachtung im Laufe der Zeit eine Schere aufgehen.

     

     

    Über die Grafik werden mehrere Effekte beispielhaft sichtbar:

    • In den Jahren 2038 und 2039 bestehen größere Versorgungslücken, z. B. weil der jetzt geplante Renteneintritt nicht mehr mit dem ursprünglich festgelegten Auszahlungsbeginn der Rentenversicherungen abgestimmt ist.
    • Von 2039 bis 2046 halten sich geplante Einnahmen und Ausgaben in etwa die Waage.
    • Ab 2047 steigen die zu erwartenden Ausgaben inflationsbedingt stärker an als die Einnahmen. Es geht eine Schere auf.

     

    2.5 Zusammenfassung zu zwei konkreten Werten

    Auch wenn die Grafik schon vieles zeigt. Sie beantwortet nicht die Kernfrage des Mandanten: „Wie groß ist denn jetzt mein Problem?“ Diese Aussagen sollten deshalb auf zwei Werte verdichtet werden, damit der Mandant zwei Größen hat, mit denen er „arbeiten“ kann:

     

    • Erforderlicher Kapitalstock bei Renteneintritt: Welches Kapital muss bis zum Renteneintritt noch aufgebaut werden, um die Summe der jährlichen Versorgungslücken zu schließen? In unserem konkreten Beispiel (siehe Grafik oben) ergibt sich als Barwert aller jährlichen Versorgungslücken ein Betrag von 239.960 EUR über einen Horizont von 30 Jahren.

     

    • Monatlicher Sparbetrag: Welcher Betrag müsste ab sofort gespart werden, um bis zum Renteneintritt dieses Kapital aufzubauen? Die konkrete Umrechnung führt zu einer notwendigen Sparrate von 748 EUR pro Monat.

     

    Für den Planer ergeben sich zwei Erfordernisse:

     

    • Neben der Berechnung müssen auch die Prämissen genannt werden, die zu den oben genannten Zahlen geführt haben, wie z. B. Verzinsungsannahmen.

     

    • Ein Teil der strategischen Beratung ist die Berechnung von Alternativen, um zu zeigen, wie man diese Lücke schließen kann. Hier gibt es neben dem Vorgang des „Ansparens“ auch noch andere Wege. In unserem konkreten Fall könnte man die Lücke deutlich verändern, wenn man mit dem geplanten Renteneintritt noch ein oder sogar zwei Jahre länger wartet, bis die Renteneinkünfte beginnen.

     

    Auch um solche Berechnungen wirtschaftlich und sicher durchzuführen, ist eine Finanzplanungs-Software unerlässlich.

    3. Altersvorsorgeberatung als Netzwerkthema

    Der Steuerberater kann dem Mandanten erheblich weiterhelfen. Er kann ihm die Höhe seines „Problems“ berechnen und ihm transparent darstellen. Er kann ihm ‒ im Rahmen seiner Kompetenzen ‒ strategische Wege zur Lösung aufzeigen. Dabei sind nicht alle Lösungswege zwangsläufig mit Produkten verbunden. Überall dort, wo die Lösung über ein Altersvorsorgeprodukt sinnvoll ist, kann und muss der Weg über das Thema Netzwerk gelöst werden. Hier wird der Steuerberater berufsrechtlich und damit auch haftungsrechtlich begrenzt. Wenn der Mandant nicht selbst über ein Netzwerk entsprechender Berater verfügt, ist es Aufgabe des Steuerberaters hier Hilfestellung zu leisten.

     

    FAZIT | Altersvorsorge-Beratung kann in verschiedene Schritte aufgegliedert werden. Der Steuerberater kann dabei insbesondere bei den Grundlagen wertvolle Hilfe leisten wie z. B. bei der Darstellung der bestehenden Altersvorsorge. Das Know-how für die notwendigen Berechnungen ist bei den Steuerberatern grundsätzlich gegeben. Um die Berechnungen und die Darstellung des Ergebnisses wirtschaftlich anbieten zu können, sollte auf eine Finanzplanungs-Software zurückgegriffen werden. Die Beratungsschritte, die dem Steuerberater berufsrechtlich nicht möglich sind, unterstützen seine Position als neutraler Berater. Um den Mandanten am Ende eine Lösung zu bieten, muss Altersvorsorge-Beratung als Netzwerkthema begriffen werden.

     

    Zum Autor | Diplom-Kaufmann Dirk Klinkenberg, Steuerberater und Geschäftsführer der CURATOR Treuhand- und Steuerberatungsgesellschaft mbH ‒ Spezialkanzlei für Heilberufe, www.curator.de; Geschäftsführer der Instrumenta GmbH ‒ Beratungswerkzeuge für Steuerberater, www.instrumenta.de, jeweils Schlossstraße 20, 51429 Bergisch Gladbach; Fachberater für Vermögensgestaltung (DVVS e.V.)

    Quelle: Ausgabe 12 / 2018 | Seite 338 | ID 45543768