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  • · Fachbeitrag · Adressbuchschwindel

    Abzocke mit wertlosen Branchenbucheinträgen

    von RA Tim Hesse und RA Benedikt Büchling, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

     

    | Werbung im Internet ist erfolgreich und Branchenbucheinträge sind für viele Selbstständige eine attraktive Werbeform. Allerdings tummeln sich in diesem Markt auch eine Menge dubioser „Branchenbuchanbieter“. Die neueste Masche: Cold Calls, also unangekündigte Telefonanrufe, in denen den Opfern wertlose Einträge aufgeschwatzt werden. Das AG Bonn (23.6.15, 109 C 348/14) hat diese Vorgehensweise allerdings für rechtswidrig erklärt und sieht keine Zahlungsverpflichtung des Betroffenen für den Eintrag in ein Internet-Branchenverzeichnis. |

    1. Sachverhalte

    Dieses Vorgehen dürfte mittlerweile schon bekannt sein: Ein Unternehmer wird per E-Mail angeschrieben und über einen scheinbar bereits bestehenden Eintrag in einem Online-Verzeichnis informiert, der zu aktualisieren/bestätigen sei. Tatsächlich wird mit der Aktualisierung/Bestätigung aber ein neuer Vertrag abgeschlossen - zu sehr schlechten Bedingungen. Rasch können so für einen wertlosen Eintrag bis zu 2.000 EUR fällig werden. Statt einer Aktualisierung/Bestätigung wird oftmals auch ein rechnungsähnliches Schreiben verschickt. In beiden Fällen ist das wahre Anliegen im Kleingedruckten versteckt.

     

    Der BGH (26.7.12, VII ZR 262/11) hat dieser Masche einen Riegel vorgeschoben: Absichtlich im Kleingedruckten versteckte Kosten werden nicht Bestandteil des Vertrags. Sie sind unwirksame Überraschungsklauseln i.S. des § 305c BGB. Betroffene müssen also nicht zahlen und können gezahlte Beiträge zurückfordern - zumindest theoretisch.

     

    Die neue Masche besteht nun in zwei aufeinander folgenden Anrufen, wovon zumindest der erste unangekündigt und ohne Einwilligung des Angerufenen erfolgt. Die Gespräche werden aufgezeichnet. Der Angerufene wird beispielsweise angewiesen, auf bestimmte Fragen explizit nur mit „ja“ zu antworten. Nicht selten wird er hinsichtlich der rechtlichen Konsequenzen seiner Antworten in die Irre geführt. Wenige Tage nach dem Telefonat erhält er dann eine Rechnung für den kostenpflichtigen Eintrag. Bei Zahlungsverweigerung wird der Überrumpelte auf den Telefonmitschnitt verwiesen.

    2. Rechtliche Bewertung

    Das AG Bonn hat entschieden, dass der Angerufene dem Branchenbuch-Anbieter in einem solchen Fall einen Schadensersatzanspruch in der Höhe der gegen ihn geltend gemachten Zahlungsforderung entgegenhalten und diese so zu Fall bringen kann. Werbeanrufe in Bezug auf „Verzeichnisse von geringer Marktgeltung“ seien in der Regel unerwünscht. Die Einwilligung des Angerufenen könne nicht vorausgesetzt werden, weswegen die beschriebene Kontaktaufnahme als „unzumutbare Belästigung“ im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb rechtswidrig erfolge. Das AG orientierte sich insoweit an einer Entscheidung des LG Bonn (5.8.14, 8 S 46/14). Auch in diesem Urteil ist von „einer gezielt geschaffenen und rechtswidrigen Überrumpelungssituation“ die Rede.

     

    Die in Bezug auf Gewerbetreibende ergangene Rechtsprechung der Gerichte dürfte auf betroffene Freiberuflergruppen wie z.B. Ärzte übertragbar sein. Denn sie sind in ähnlichem Maß schutzwürdig. Auch für sie besteht die Gefahr, durch eine Vielzahl ähnlicher Telefonanrufe in ihrer Berufsausübung empfindlich gestört zu werden. Betroffene sollten sich also wehren.

    3. Zu den Kosten eines Verfahrens

    Hinsichtlich der Kosten ist zu unterscheiden zwischen den allgemeinen Kosten der in Anspruch genommenen Rechtsanwälte und den Kosten eventueller Gerichtsverfahren (inkl. Anwaltsvertretung). Die Verfahrenskosten hatte in den beschriebenen Bonner Verfahren jeweils das klagende „Abzock-Unternehmen“ als unterlegene Partei zu zahlen.

     

    Schadenersatzansprüche der Beklagten in Bezug auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten standen dort nicht zur Debatte. Nach der Rechtsprechung der Bonner Gerichte zum Cold Call-Verfahren ist ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der entstandenen Rechtsanwaltskosten gegen das „Abzock-Unternehmen“ denkbar. Allerdings ist fraglich, ob der Betroffene mit der Durchsetzung dieses Anspruchs letztlich weit käme. Denn oft handelt es sich bei den Abzock-Firmen um „Briefkastenfirmen“, die z.T Adressen im Ausland angeben. Mitunter scheitern auch strafrechtliche Ermittlungen, weil die verantwortlichen Personen z.B. in Spanien oder England nicht zu ermitteln sind.

     

    Ob die Rechtsschutzversicherung eines Betroffenen die Kosten übernimmt, hängt vom Vertrag des Betroffenen im Einzelfall ab.

    4. Fazit

    Zwielichtige Branchenbuch-Anbieter erweisen sich erfahrungsgemäß als äußerst hartnäckig und lassen sich nur schwer „abschütteln“. Bei Zahlungsverweigerung droht eine Klage. Betroffene sind gut beraten, juristischen Rat zur Abwehr der rechtswidrigen, meist angreifbaren „Abzocke“ einzuholen.

     

    PRAXISHINWEIS | Präventiv lässt sich in Bezug auf die „Cold Calls“ nur ein Rat geben: Auf den Postweg verweisen und sofort auflegen. Branchenbucheinträge sind nicht so eilbedürftig, dass sie am Telefon geklärt werden müssten.

     
    Quelle: ID 43658167