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  • · Nachricht · Änderungskündigung

    Ein Mindestmaß an Kündigungsschutz gilt auch in Zahnarztpraxen unter zehn Mitarbeitern

    von RA Benedikt Büchling, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    Ein effektiver Rechtsschutz gebietet, dass einem Arbeitnehmer gegen eine Änderungskündigung außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung dieser Maßnahme zur Verfügung stehen muss. Es gelten insoweit die allgemeinen Grundsätze über den Kündigungsschutz außerhalb des KSchG. Eine Zahnarztpraxis muss daher eine ZFA weiterhin zu unveränderten Bedingungen beschäftigen (LAG Hessen 12.10.15, 16 Sa 278/15).

     

    Sachverhalt

    Die ZFA war zum Zeitpunkt der Änderungskündigung 57 Jahre alt und seit ca. 40 Jahren Arbeitnehmerin der Praxis. Seit 2013 konnte sie krankheitsbedingt nicht lange sitzen und wurde ausschließlich als Stuhlassistenz eingesetzt. Die Praxis bot ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter geänderten Bedingungen an - statt einer Arbeitswoche mit 39 Stunden für 2.420,00 EUR brutto eine 29-Stunden-Woche bei 1.799,49 EUR brutto. Die Praxis beschäftigte noch weitere acht Mitarbeiterinnen zwischen 18 und 37 Jahre; sie wiesen eine Betriebszugehörigkeit längstens seit 2007 auf.

     

    Anmerkungen

    Erst das LAG entschied zu Gunsten der ZFA. Eine Kündigung verstoße in der Regel nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletze, die von § 1 KSchG nicht erfasst seien. Es gehe vor allem darum, Arbeitnehmer vor Kündigungen aus Willkür oder aus sachfremdem Motiven zu schützen, z.B. vor Diskriminierungen i. S. von Art. 3 Abs. 3 GG. Schließlich dürfe auch ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt bleiben. Der Vorwurf willkürlicher, sachfremder oder diskriminierender Ausübung des Kündigungsschutzrechts scheide dagegen aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Rechtsausübung vorliege.

     

    Die Darlegungslast für Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit ergibt, liege beim Arbeitnehmer. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs-und Beweislast reiche es aus, wenn der Arbeitnehmer einen Sachverhalt vortrage, der die Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB indiziere. Der Arbeitgeber müsse sich auf diesen Vortrag des Arbeitnehmers konkret einlassen. Tue er dies nicht, so gelte der Vortrag der Arbeitnehmerin als zugestanden. Die ZFA habe sich darauf berufen, dass sie als die bei weitem (betriebs-)älteste ZFA als einzige von einer Änderungskündigung betroffen ist. Damit habe es der GbR oblegen, diesen Vortrag zu entkräften. Diesen Vortrag sei die GbR - insbesondere im Hinblick auf die langjährige Dauer des Arbeitsverhältnisses - schuldig geblieben.

     

    Praxishinweis

    Erst kürzlich entschied das BAG (23.7.15, 6 AZR 457/14), dass ein Hinweis auf eine Pensionierungsberechtigung in einem Kündigungsschreiben gemäß § 22 AGG vermuten lasse, dass das Alter der Mitarbeiterin jedenfalls auch ein Motiv für die Kündigung war. Nach der Rechtsprechung des EuGH liege eine Benachteiligung wegen des Lebensalters vor, wenn ein Arbeitnehmer wegen der Möglichkeit des Bezugs einer Rente wegen Alters weniger günstig behandelt wird als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation.

     

    Diese wie auch die vorliegende Entscheidung aus Hessen zeigen, dass Zahnärzte auch bei (Änderungs-)Kündigungen im Kleinbetrieb ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme walten lassen müssen. Insofern darf die Kündigung insbesondere nicht willkürlich ausgesprochen werden. Zur Wirksamkeit der Kündigung reicht es aber im Regelfall aus, wenn mit ihr ein rechtlich gebilligter Zweck verfolgt wird. Entgegen einer verbreiteten Praxis sollte die Kündigung im Kleinbetrieb nicht schriftlich begründet oder erklärt werden; die meist gut gemeinte Rechtfertigung wendet sich oft zu Lasten des Arbeitgebers.

     

    • Kündigungsschutzgesetz

    Nach dem KSchG unterliegen (Änderungs-)Kündigungen einer rigiden arbeitsgerichtlichen Kontrolle, insbesondere muss durch den Arbeitgeber ein Kündigungsgrund dargelegt werden. Das KSchG findet gemäß §§ 1, 23 KSchG aber nur dann Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat und der Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer hat (Auzbis werden nicht mitgerechnet, Teilzeibeschäftigte nur anteilig).

     

    Es gibt aber Kündigungsbeschränkungen und -verbote, die auch ein Kleinbetriebsinhaber außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG zu berücksichtigen hat. So kann eine Arbeitgeberkündigung im Kleinbetrieb

    • gemäß § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen,
    • gemäß § 242 BGB gegen Treu und Glauben verstoßen.

     

    Rechtsfolge der Sittenwidrigkeit oder eines Verstoßes gegen §§ 134, 242 BGB ist die Unwirksamkeit der Kündigung.

     

    Verbotsgesetze i. S. des § 134 BGB enthält u. a. das AGG. Nach § 7 AGG i. V. mit §§ 1,3 AGG bestehen Benachteiligungsverbote aufgrund der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.

     

    Eine unmittelbare Benachteiligung liegt gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters kann aber nach § 10 AGG gerechtfertigt sein. Voraussetzung dafür ist, dass sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Darlegungs-und Beweislast bezüglich des Vorliegens eines legitimen Ziels trägt derjenige, der sich darauf beruft, d.h. vorliegend die Praxis.

     
    Quelle: ID 43855558