· Nachricht · Antikorruptionsgesetzgebung
Kabinett beschließt den Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen
von StB Jürgen Derlath, Münster
| Die Bundesregierung hat am 29.7.15 den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen beschlossen. Als nächstes geht der Entwurf in das parlamentarische Verfahren und soll mit Beginn 2016 in Kraft treten. Das Gesetz soll bei der strafrechtlichen Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen die Lücken schließen, auf die der BGH bereits vor drei Jahren (!) hingewiesen hatte. |
1. Notwendigkeit der Korruptionsbekämpfung
Die Gesamtausgaben im Gesundheitswesen beliefen sich 2012 auf über 300 Mrd. EUR, wovon die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anteil von 57,4 Prozent ausmachten. Das „European Healthcare Fraud & Corruption Network (EHFCN)“ hat 2010 ermittelt, dass in der EU knapp 6 % wegen Fehlern, Betruges und Korruption verloren gehen. Würde man diesen Prozentsatz auf die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen ansetzen (ca. 172 Mrd. EUR), beliefen sich die - finanziellen - Schäden auf etwa 9,6 Mrd. EUR. Hinzu kommt der Vertrauensverlust in die von Korruption betroffenen Institutionen. Dies wiegt gerade im Gesundheitswesen besonders schwer (vgl. Study on Corruption in the Healthcare Sector der Europäischen Kommission, 2013).
Der Große Senat des BGH (29.3.12, GSSt 2/11, PFB 12, 200) hatte 2012 entschieden, dass die geltenden Korruptionstatbestände des Strafgesetzbuchs für Vertragsärzte grundsätzlich nicht anwendbar sind, da sie bei der Wahrnehmung der ihnen in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben weder als Amtsträger noch als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen handeln.
2. Eckpunkte des Gesetzentwurfs
Der vorliegende Gesetzentwurf soll die vom BGH beanstandete Lücke schließen. Dazu werden die Straftatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen neu eingeführt.
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§ 299a StGB - Bestechlichkeit im Gesundheitswesen
(1) Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial |
1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder
2. seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer als Angehöriger eines Heilberufs im Sinne des Ab-satzes 1 einen Vorteil dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze.
§ 299b StGB - Bestechung im Gesundheitswesen
(1) Wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des § 299a Abs. 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial
1. ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder
2. seine berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des Absatz 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze.
§ 300 StGB - Besonders schwere Fälle
Besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen. In besonders schweren Fällen wird die Tat nach § 299, 299a oder § 299b mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
1. die Tat sich auf einen Vorteil großen Ausmaßes bezieht oder 2. der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat. |
Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Antragsberechtigt sind:
- Mitbewerber, rechtsfähige Berufsverbände von Mitbewerbern
- Patienten
- die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen sowie private Kranken- und Pflegeversicherungsunternehmen
2.1 Wer macht sich strafbar?
Die Straftatbestände erfassen auf Nehmerseite alle Heilberufsgruppen, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern. Sie unterscheiden insbesondere nicht zwischen der privatärztlichen und vertragsärztlichen Versorgung. Dazu gehören neben Ärzten, Zahnärzten und Apothekern auch Tierärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie Gesundheitsfachberufe wie Gesundheits- und Krankenpfleger, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten, deren Ausbildung ebenfalls gesetzlich geregelt ist. Eine Begrenzung des Täterkreises auf akademische Heilberufsgruppen wird nicht beabsichtigt. Auf Geberseite kann jeder Täter einer Bestechung sein.
2.2 Was ist strafbar
Die Straftatbestände erfassen Verhaltensweisen, bei denen Vorteile dafür eingeräumt werden, dass ein Angehöriger eines Heilberufs bei bestimmten heilberuflichen Entscheidungen einen anderen im Wettbewerb unlauter bevorzugt oder seine berufsrechtliche Pflicht zur heilberuflichen Unabhängigkeit verletzt. Bestechungsgelder, die für die Beeinflussung des Verordnungsverhaltens von Ärzten oder für die Zuführung von Patienten erfolgen, sollen künftig strafbar sein. Es ist also stets eine Verknüpfung von Vorteil und Pflichtverletzung erforderlich.
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Kick-Back-Zahlungen werden von Pharmaunternehmen an Ärzte als Gegenleistung für die Verordnung von Medikamenten dieses Unternehmens oder als „Kopfgelder“ für die Zuweisung von Patienten an ein bestimmtes Krankenhaus gewährt.
Eine Kooperationsvereinbarung wird nur zum Schein abgeschlossen, um das berufsrechtliche Verbot von Zuweisungen oder Verordnungen gegen Entgelt zu umgehen und Bestechungszahlungen zu verschleiern. |
Die bloße Annahme eines Vorteils ohne eine solche Gegenleistung ist auch in Zukunft nicht strafbar.
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Geschenke von Patienten, die sich damit für eine erfolgreiche Behandlung bedanken wollen, dürfen angenommen werden. Denn für die Strafbarkeit kommt es nicht allein auf den Vorteil an, sondern darauf, ob ein Arzt sich durch den Vorteil „kaufen“ lässt und damit seine wirtschaftlichen Interessen über das Wohl des Patienten stellt. |
Ebenso wenig strafbar sind Vorteile, die im Rahmen zulässiger beruflicher Kooperationen gewährt und angenommen werden, oder die bloße Teilnahme an einer vergüteten Anwendungsbeobachtung (keine Verknüpfung von Vorteil und heilberuflicher Gegenleistung). |
3. Institutionalisierter Erfahrungsaustausch
Außerhalb des Strafrechts enthält der Gesetzentwurf Änderungen des SGB V, durch die insbesondere ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch der Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen unter Einbeziehung der Staatsanwaltschaften etabliert werden soll.
Schon bislang sollten
- die kassenärztlichen Vereinigungen und die kassenärztlichen Bundesvereinigungen (§ 81a Abs. 1 S. 1 SGB V) auf der einen Seite
- sowie die Krankenkassen, ihre Landesverbände und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (§ 197a Abs. 1 S 1 SGB V) auf der anderen Seite
Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen einrichten, die regelmäßig über die Arbeit und Ergebnisse berichten und gegebenenfalls die Aufsichtsbehörden informieren müssen.
Dies soll nun intensiviert werden. So werden die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen verpflichtet für ihren Bereich einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit Einrichtungen ihrer Untergliederungen zu organisieren, an dem die Vertreter der jeweils anderen Einrichtungen, der berufsständischen Kammern und der Staatsanwaltschaft in geeigneter Form zu beteiligen sind. Über die Ergebnisse des Erfahrungsaustauschs sind die Aufsichtsbehörden zu informieren.
In den Berichten sollen u.a. die Anzahl der nachgewiesenen Pflichtverletzungen, die Art und Schwere der Pflichtverletzung, die dagegen getroffenen Maßnahmen sowie der verhinderte und der entstandene Schaden genannt werden. Wiederholt aufgetretene Fälle sowie sonstige geeignete Fälle sind als anonymisierte Fallbeispiele zu beschreiben.
Weiterführende Hinweise
- Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen (zuletzt abgerufen am 30.7.15)
- Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen wird verstärkt (Kurzmitteilung des BMJV vom 29.7.15)
- Study on Corruption in the Healthcare Sector der Europäischen Kommission, 2013
- Strafrecht - Keine Strafbarkeit von Kassenärzten wegen Bestechlichkeit (PFB 12, 200))