· Fachbeitrag · Berufsrecht
Dürfen Steuerberater zum Mindestlohn beraten?
von RA FAfArbR Dr. Till Thomas, Berlin, ETL Rechtsanwälte und RA StB Dietrich Loll, Berlin, ETL SteuerRecht
| Am 16.8.14 ist das Mindestlohngesetz (MiLoG) in Kraft getreten. Seither finden vor allem mit der Lohn- und Gehaltsbuchhaltung mandatierte Steuerberater vor Anfragen ihrer Mandanten keine Ruhe. Doch noch ist die Frage offen, ob die Beratung zum Thema Mindestlohn im Rahmen der zulässigen Rechtsberatung durch Steuerberater liegt. Eine Überschreitung der dem Steuerberater zugewiesenen Kompetenzen hätte sowohl wettbewerbsrechtliche als auch haftungsrechtliche Konsequenzen. Dieser Beitrag soll der Orientierung dienen, wobei anzumerken ist, dass es noch an einer abschließenden, Sicherheit bietenden Rechtsprechung mangelt. |
1. Typische Fragen von Mandanten wegen des MiLoG
Das MiLoG sieht diverse Pflichten vor, deren Einhaltung viele Arbeitgeber vor große Herausforderungen stellen. Für den Mandanten liegt es daher nahe, sich mit Fragen direkt an den Steuerberater zu wenden.
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2. Grenzen durch das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG)
Fraglich ist, ob es sich bei der Beratung zum Mindestlohn durch Steuerberater um eine nach dem RDG zulässige Rechtsberatung handelt.
2.1 Allgemeine Informationserteilung
Die Regulierung der Beratungstätigkeit setzt zunächst einmal voraus, dass es sich bei der Hilfeleistung überhaupt um eine Rechtsdienstleistung i. S. des RDG handelt.
Nach § 2 Abs. 1 RDG ist eine Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Im Falle der außergerichtlichen Prüfung und Beratung verlangt diese ein gewisses Maß an substanzieller Prüfung, die über die bloße Rechtsanwendung hinausgeht. Zudem muss sie sich auf einen konkreten Einzelfall beziehen (vgl. BSG 14.11.13, B 9 SB 5/12 R; OLG Düsseldorf 8.5.14, I-6 U 154/13). Entscheidend für das Vorliegen einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalls ist, dass es sich um eine nicht fingierte, sondern sachverhaltsbezogene Rechtsfrage einer bestimmten Rat suchenden Person handelt.
FAZIT | Daraus folgt, dass allgemeine Informationen zum Mindestlohngesetz, dessen Vorgaben und die sich daraus für die Praxis ergebenden Konsequenzen nicht durch das RDG reguliert sind. Es ist daher auch dem Steuerberater ohne Weiteres erlaubt, diese Informationen beispielsweise in Form von Newslettern, auf der Homepage oder auf Informationsveranstaltungen weiterzugeben, solange sie nicht auf die Beratung im konkreten Einzelfall zugeschnitten sind. Eine solche Informationserteilung dürfte vor dem Hintergrund eines bestehenden Lohn- und Gehaltsbuchhaltungsmandat und angesichts der allgemeinen Erwartungshaltung von Mandanten sogar haftungsrechtlich geboten sein. |
2.2 Einzelfallberatung zum MiLoG
Wird ein Steuerberater allerdings zur Klärung eines konkreten Falles - also zu einer Rechtsdienstleistung i.S. des RDG - herangezogen, sind die vom RDG vorgegebenen Grenzen zu beachten. Der Zweck dieser Grenzen besteht gemäß § 1 RDG darin, den Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen.
Die Beratung zum Mindestlohn ist nicht Gegenstand der Haupttätigkeit eines Steuerberaters, auch nicht bei dessen Mandatierung mit der Lohn- und Gehaltsbuchhaltung. Deren Kernmerkmale sind die Zusammenfassung der Lohn- und Gehaltsbezüge der Mitarbeiter, die Ermittlung der Lohn- und Gehaltsabzüge (LSt, Sozialabgaben, Vorschüsse) und die Veranlassung der Auszahlung der Nettolöhne und -gehälter (Winnefeld in Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, Rz. 800). Zweck der Lohn- und Gehaltsbuchhaltung ist somit im Wesentlichen:
- Ermittlung des Lohn- bzw. Gehaltsanspruchs jedes Mitarbeiters unter Einbeziehung der verschiedenen Zu- und Abschläge (Gesamt-Bruttobetrag),
- Feststellung der Bemessungsgrundlage für den Abzug der Lohn- und Kirchensteuer sowie der Beiträge zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung,
- Ermittlung der sonstigen Abzüge (z.B. für Betriebsmahlzeiten, private Telefongespräche, Darlehensrückzahlungen),
- Führen der Lohnkonten als Beleg ggü. FA und Sozialversicherungsträger,
- Übermittlung der Summen der Bruttolöhne und -gehälter sowie der verschiedenen Abzüge an die Hauptbuchhaltung (Winnefeld in Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, Rz. 800).
Darüber hinaus gehende Beratungstätigkeiten im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit sind einem Steuerberater gemäß § 5 Abs. 1 RDG allenfalls dann erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zu seinem Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
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Auf Basis dieser Rechtsprechung lässt sich zusammenfassen, dass ein Steuerberater dann in einem Bereich beraten darf, wenn das Thema zu den Prüfungsgebieten der Steuerberaterprüfung gemäß § 37 Abs. 3 StBerG gehört. Existiert eine Prüfung mit gesetzlich vorgeschriebenen Gebieten und findet sich die relevante Tätigkeit darin nicht, so spricht dies gegen eine erlaubte Nebenleistung (so auch Römermann, NJW 14, 1777, 1779).
Die Beratung und Hilfestellung zur Einhaltung des MiLoG setzt aber fundierte arbeitsrechtliche Kenntnisse voraus. Das Arbeitsrecht wird in der Aufzählung des § 37 Abs. 3 StBerG nicht genannt und ist auch im Übrigen kein prüfungsrelevanter Gegenstand der Ausbildung eines Steuerberaters.
FAZIT | Bei jeder Prüfung und Beratung im Hinblick auf die mit dem MiLoG zusammenhängenden Fragen besteht also die Gefahr, dass sie nicht mehr auf Basis des RDG erfolgt. Der Steuerberater sollte daher - auch im Rahmen der Lohn- und Gehaltsbuchhaltung >- keine verbindlichen Aussagen im Zusammenhang mit dem MiLoG treffen. Anderenfalls besteht das Risiko, dass eine nicht mehr zugelassene rechtliche Beratung erbracht wird.
Allerdings kann von einem Steuerberater erwartet werden, dass er bei Bestehen von Zweifeln an der Einhaltung des MiLoG einschließlich etwaiger Verstöße gegen Dokumentationspflichten angesichts der ihm mitgeteilten Daten zu seiner eigenen Entlastung seinen Mandanten rät, an anderer Stelle qualifizierten Rechtsrat einzuholen. |
2.3 Bescheinigungen über die Einhaltung des MiLoG
Die in § 13 MiLoG normierte Auftraggeberhaftung birgt für viele Mandanten ein wirtschaftliches Risiko, weil sie unter Umständen anstelle ihrer Subunternehmer auf Zahlung des Mindestlohns wie ein Bürge in Anspruch genommen werden könnten. Das führt in der Praxis zunehmend zu Anfragen bei Steuerberatern hinsichtlich der Ausstellung einer Bescheinigung über die Einhaltung des MiLoG durch ihre Mandanten, die als Subunternehmer von ihren Auftraggebern zur Vorlage dieser Bescheinigung verpflichtet werden.
Die BStBK geht laut einer aktuellen Mitteilung vom 6.7.15 davon aus, dass Steuerberater die Einhaltung des Mindestlohngesetzes bescheinigen dürfen, da es sich um eine Nebenleistung zur Lohn- und Gehaltsbuchführung handele. Dies ist, zumal wenn sich die Erklärung nicht ausdrücklich auf eine bereits erfolgte Prüfung durch die Zollverwaltung bezieht, mit Blick auf die oben beschriebenen Grundsätze u.E. jedoch zu weitgehend. Die Erteilung einer verbindlichen Bescheinigung durch den Steuerberater erfordert tiefgehende Kenntnisse hinsichtlich des Mindestlohngesetzes und setzt zudem die Prüfung voraus, ob
- der Lohnempfänger tatsächlich ein Angestellter ist (oder doch ein freier Mitarbeiter),
- einschlägige Regelungen des Arbeitsvertrags tatsächlich angewandt werden dürfen oder nicht oder
- tarifvertragliche Vorschriften oder Regelungen einer Betriebsvereinbarung berücksichtigt werden müssen.
FAZIT | Steuerberater sollten u.E. eine solche Bescheinigung nicht ausstellen. Die für eine Prüfung notwendigen Kenntnisse können (und dürfen) von einem Steuerberater nicht erwartet werden. Vor allem ist zu berücksichtigen, dass die Rechtslage im Zusammenhang mit dem MiLoG noch längst nicht so geklärt ist, dass verbindliche Erklärungen zu dessen Einhaltung abgegeben werden könnten. |
3. Konsequenzen für die Praxis
Zu den zulässigen Informationen gehören allgemeine, nicht auf den Einzelfall zugeschnittene Auskünfte über den Inhalt des MiLoG und dessen Anwendungsbereich für bestimmte Branchen und Mitarbeitergruppen. Darüber hinaus dürfte es dem Steuerberater nicht verwehrt sein, allgemeine Praxishinweise zu geben und Handlungshilfen wie Checklisten und Dokumentationsvorlagen zur Verfügung zu stellen.
Die Grenze zulässiger Informationserteilung wird überschritten, sobald die Beratung und Hilfestellung auf den Einzelfall zugeschnitten ist. Dazu gehört etwa die Klärung, ob für einen Mandanten aufgrund eines einschlägigen Tarifvertrags Übergangsregelungen gelten, ob ein Mitarbeiter oder eine bestimmte Mitarbeitergruppe vom Mindestlohn ausgenommen ist (z.B. Praktikanten) oder ob bestimmte, vom Mandanten gewährte Entgeltbestandteile mindestlohnrelevant sind. Generell verbietet sich jede arbeitsrechtliche Beratung im Hinblick auf die Gestaltung von Arbeitsverträgen, den Abschluss von Betriebsvereinbarungen oder etwaige Umstrukturierungen, die mit der Änderung von Arbeitsbedingungen oder sonstigen Personalentscheidungen wie beispielsweise Kündigungen oder Versetzungen verbunden sind.
Im Zusammenhang mit der Bescheinigung durch Steuerberater über die Einhaltung der Vorschriften des MiLoG bei ihren Mandanten ist trotz des „Freibriefs“ der BStBK dringend Vorsicht geboten.
Weiterführender Hinweis
- Bescheinigung des Steuerberaters über die Einhaltung der Vorschriften des Mindestlohngesetzes (BStBK vom 6.7.15)