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  • · Fachbeitrag · Einkommensteuer

    Wer die Gehaltsabrechnung liest, ist klar im Vorteil

    von RA Dietmar Sedlaczek, FA SteuerR, FA MedizinR, Berlin, www.sps-steuerrecht.de

    Sachverhalt

    Für einige Aufmerksamkeit in der ärztlichen Presselandschaft sorgte ein Urteil des FG Münster (15.02.19, 14 K 2122/16 E, n.rkr, Rev. eingelegt). Einem Chefarzt war das Missgeschick widerfahren, dass seine Wahlleistungen (ca. 30.000 EUR im Jahr) in vier ‒ mittlerweile bestandskräftigen ‒ VZ zweimal besteuert wurden, und zwar als Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit und aus freiberuflicher Tätigkeit. Das FG sah keine Möglichkeiten, die Veranlagungen nach der AO zu ändern. Vielmehr bejahte es ein grobes Verschulden des Klägers wie auch seiner steuerlichen Berater.

     

    Der Kläger war ein zur Privatliquidation berechtigter Chirurg in einem Krankenhaus. Er erzielte monatliche Einkünfte aus nicht-selbstständiger Arbeit von 12 TEUR, daneben Einkünfte aus der Erbringung von Wahlleistungen sowie Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, weil der Arzt noch ambulante Sprechstunden abhielt. Von den Einkünften aus der Erbringung von Wahlleistungen erhielt das Krankenhaus einen Anteil, ein weiterer Anteil wurde in einen Pool gezahlt, aus dem die nachgeordneten Ärzte vergütet wurden. Das Krankenhaus versteuerte die Einkünfte aus Wahlleistungen als Einkünfte aus nicht-selbstständiger Arbeit; der Kläger erklärte sie nochmals als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Auf den monatlichen Gehaltsabrechnungen wurde das Bruttogehalt nebst Zulagen sowie die Einkünfte aus den Wahlleistungen unter dem Titel „Bruttounwirksam“ mit der Bezeichnung „Mitversteuerung“ ausgewiesen. Die Steuererklärungen wurden durch einen Steuerberater erstellt.

     

    PRAXISTIPP | Wahlärztliche Leistungen können nach der Rechtsprechung des BFH selbstständig oder unselbstständig erbracht werden. Ob das eine oder das andere zutrifft, beurteilt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, insbesondere, ob die wahlärztlichen Leistungen innerhalb oder außerhalb des Dienstverhältnisses erbracht werden (BFH 11.8.09, VI B 46/08; 5.10.05, VI R 152/01).

     

    Entscheidungsgründe

    Das FG verneinte alle drei Änderungsmöglichkeiten nach der AO. Eine offenbare Unrichtigkeit (§ 129 AO) sah es nicht als gegeben an, da es sich nicht um ein rein mechanisches Versehen handelte, auch nicht um einen reinen Übernahmefehler. Die Voraussetzungen des § 174 AO (widerstreitende Steuerfestsetzung) seien nicht gegeben, da die widerstreitenden Steuerfestsetzungen in zwei verschiedenen Steuerbescheiden vorgenommen sein müssten, die Doppelberücksichtigung eines Sachverhalts in ein und demselben Steuerbescheid sei vom Regelungsumfang des § 174 AO nicht umfasst. Der Wortlaut der Norm ist insoweit eindeutig.

     

    Schließlich lägen auch die Voraussetzungen des § 173 AO (neue Tatsachen) nicht vor. Möglicherweise sei die Versteuerung der Einkünfte aus den Wahlleistungen für die Parteien des Rechtsstreits neu. Aber der Kläger hätte aufgrund der unter dem Titel „Bruttounwirksam“ mit der Bezeichnung „Mitversteuerung“ auf den Gehaltsabrechnungen aufgeführten Beträge zumindest nachfragen müssen, was sein Arbeitgeber damit meint. Wenn auf den Gehaltsabrechnungen wesentlich mehr der Besteuerung unterworfen wird, als an Bruttogehalt geschuldet werde, hätte der Kläger zumindest um Erläuterung bitten müssen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung dürfte inhaltlich nicht zu beanstanden sein. Zwar wurde in dem Verfahren noch ein Kurzgutachten eines Prof. Dr. X, Vorsitzender Richter am BFH a. D. vorgelegt, nach dem die Voraussetzungen aller drei Änderungsnormen gegeben seien; die Entscheidung des FG Münster fußt aber auf der bisherigen Rechtsprechung des BFH. Auch wenn man grundsätzlich dem Inhalt der Lohnsteuerbescheinigung vertrauen kann, ist eine genaue Kenntnis von lohnsteuerlichen Fallstricken jedenfalls für Steuerberater unerlässlich. Auch von einem akademisch gebildeten Arbeitnehmer kann man verlangen, dass er seine Gehaltsabrechnungen zumindest einer Plausibilitätsprüfung unterzieht.

    Quelle: ID 46483819