· Nachricht · Einnahmen-Überschussrechnung
Wann kann das Gewinnermittlungswahlrecht spätestens ausgeübt werden
| Das Wahlrecht, den Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln zu wollen, kann auch noch in der Verhandlung vor dem FG ausgeübt werden, wenn entsprechende Aufzeichnungen geführt wurden ( BFH 20.3.13, X R 15/11 ). |
Die Klägerin hatte hauswirtschaftliche und pflegerische Dienstleistungen für einen (nicht verwandten) Nachbarn erbracht und dafür eine Doppelhaushälfte erhalten. Streitig war, ob es sich um gewerbliche Einkünfte oder um Einkünfte aus nicht-selbstständiger Tätigkeit handelt. In der mündlichen Verhandlung vor dem FG beantragte die Klägerin hilfsweise für den Fall, dass sie als Gewerbetreibende anzusehen sei, ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln zu können (siehe auch die Besprechung der Vorinstanz in diesem Blog). Der BFH, wie auch schon das FG zuvor, ging von gewerblichen Einkünften aus. Einer wirksamen Ausübung des im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG grundsätzlich noch bestehenden Wahlrechts, den Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung zu ermitteln, stand aber entgegen, dass die Klägerin keine Aufzeichnungen vorgelegt hatte, so dass das FA zu Recht nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs den Gewinn schätzen durfte.
Zwar habe das FG zu Recht erkannt, dass die Klägerin ihr Wahlrecht auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG grundsätzlich noch hätte ausüben können. Die frühere Rechtsprechung, wonach das Wahlrecht bereits zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums ausgeübt werden müsse und nur die Mitteilung bzw. Offenlegung einer bereits getroffenen Wahl im Klageverfahren noch nachgeholt werden könne (so BFH 1.10.96 VIII R 40/94, BFH/NV 97, 403, unter II.2.b, und in BFH 9.2.99, VIII R 49/97, BFH/NV 99, 1195) hat der IV. Senat (BFH 19.3.09, IV R 57/07, BStBl II 09, 659) mit Zustimmung des VIII. Senats aufgegeben.
Allerdings genügt für die wirksame Ausübung des Wahlrechts eine bloße Erklärung des Steuerpflichtigen nicht. Denn die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erfordert, dass die zur Wahl berechtigten Steuerpflichtigen als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben „ansetzen“. Soll dieses „Ansetzen“ nicht lediglich ein „Schätzen“ sein, müssen die Steuerpflichtigen für die Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung jedenfalls gewisse Mindestanforderungen erfüllen. Zwar darf die Frage der Wahl der Gewinnermittlungsart nicht mit derjenigen nach der Ordnungsmäßigkeit der Gewinnermittlung gleichgesetzt werden. Daher wird für eine wirksame Wahlrechtsausübung nicht in jedem Falle die Vorlage von Aufzeichnungen verlangt werden können. Zumindest das Erstellen und Sammeln von Einnahmen- und Ausgabenbelegen bleibt aber erforderlich. Fehlt es auch daran, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Steuerpflichtige eine Wahl zugunsten der Einnahmen-Überschuss-Rechnung getroffen hat. Das FA muss daher, nachdem der Steuerpflichtige erklärt hat, den Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln zu wollen, eine solche (zumindest kursorische) Rechnung auch tatsächlich erhalten (zum Ganzen grundlegend BFH BFH 19.3.09, IV R 57/07, BStBl II 09, 659, unter II.2.b bb; im Anschluss daran BFH 21.7.09, X R 46/08, BFH/NV 10, 186, unter II.2.b bb, 3.b).
Diese Mindestanforderungen an die Ausübung des Wahlrechts sind vorliegend nicht erfüllt. Die Klägerin hat weder Aufzeichnungen noch Belege über Einnahmen und Ausgaben vorgelegt.
Die Erfüllung dieser Mindestanforderungen war im Streitfall auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Vertrag vom Januar 2002 vorliegt und dieser als ausreichende belegmäßige Grundlage angesehen werden könnte. Denn angesichts der Ungewissheit, ob der Klägerin neben der in diesem Vertrag für ihre hauswirtschaftlichen und pflegerischen Leistungen vereinbarten Gegenleistung (Übereignung des Hausgrundstücks) weitere Vergütungen durch N gewährt worden sind, wäre ein Mindestmaß an Aufzeichnungen bzw. Belegsammlungen unverzichtbar gewesen. Insbesondere die Zuwendung zusätzlicher Barbeträge durch N ist in der vom FG in Bezug genommenen Anzeige der T behauptet und von der Klägerin - jedenfalls dem Grunde nach - in der mündlichen Verhandlung vor dem FG eingeräumt worden („Ich habe aus diesem Grunde ab August [2008] nichts mehr von N an Geld bekommen.“). Ausweislich der von T eingereichten Anlagen zu ihrer Anzeige hat die Klägerin zudem eingeräumt, von N im Streitjahr 2006 zusätzlich zu der vertraglich vereinbarten Gegenleistung einen PKW übereignet bekommen zu haben, für den N auch in der Folgezeit weiterhin die Steuern und Versicherungsbeiträge gezahlt hat.