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  • · Fachbeitrag · Gesellschaft bürgerlichen Rechts

    Gesellschafterhaftung für Steuerverbindlichkeiten der Gesellschaft nach deren Auflösung

    von RA Benedikt Büchling, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    Nach § 128 HGB analog haften die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) für Gewerbesteuerschulden persönlich und gesamtschuldnerisch. § 159 Abs. 4 HGB regelt nicht den Neubeginn der Verjährung, sondern setzt diesen voraus und überträgt lediglich dessen Wirkung auf die ehemaligen Gesellschafter (BVerwG 14.10.15, 9 C 11/14).

     

    Sachverhalt

    1998 gründeten Gesellschafterin A und Gesellschafter B eine physiotherapeutische Gemeinschaftspraxis (GbR). 2001 kündigte B den Gesellschaftsvertrag fristlos. 2003 setzte die später beklagte Stadt mit einem an die A adressierten Bescheid die Gewerbesteuer für das Jahr 2001 auf 168.820 DM (= 86.316,30 EUR) zzgl. Verspätungszuschlag und Nachzahlungszinsen fest. A teilte der Stadt mit, dass die GbR seit 2001 nicht mehr bestehe und beantragte die Stundung der Gewerbesteuer 2001. Diesem Antrag entsprach die Stadt. Nachdem das FA den Steuermessbetrag verringert hatte, setzte die Stadt 2004 die Steuerforderung herab.

     

    Parallel dazu erhob A Klage gegen den Gewerbesteuerbescheid. Das FA setzte daraufhin die Vollziehung des Gewerbesteuerbescheides aus. 2009 setzte die Stadt die zu zahlende Gewerbesteuer zzgl. Verspätungszuschlag nach Reduzierung des Steuermessbetrages auf 13.363 DM (= 6.832,39 EUR) fest und hob 2009 mit einem an die GbR adressierten Schreiben die Aussetzung der Vollziehung auf.

     

    Mit Haftungsbescheid vom 6.11.09 forderte die Stadt die Gesellschafterin zur Zahlung eines Betrages von 10.713,77 EUR für die Steuerverbindlichkeiten der GbR auf. Zur Begründung führte sie aus, dass die Gesellschafterin als Gesamtschuldnerin für die Steuerverbindlichkeiten der GbR hafte. Der Haftungsanspruch sei subsidiär, so dass sich die Stadt erst an die Steuerschuldnerin wende. Eine Vollstreckung gegen die GbR sei jedoch aussichtslos, weil diese nicht mehr existiere. Sie nehme daher sämtliche Gesellschafter in Anspruch, da sie nicht davon ausgehe, dass ein Gesellschafter für alle Steuerverbindlichkeiten aufkommen könne.

     

    Die gegen den Haftungsbescheid gerichtete Klage wies das VG ab. Die Berufung beim OVG hatte Erfolg. Das OVG begründete seine Entscheidung damit, dass der Haftungsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheids gemäß § 159 Abs. 1 HGB analog bereits verjährt gewesen sei, sodass der Haftungsbescheid gemäß § 191 Abs. 4 AO nicht hätte erlassen werden dürfen. Die beim BVerwG eingelegte Revision wird damit begründet, dass der Anspruch nicht verjährt sei, sondern dass die Verjährung nach § 231 AO unterbrochen worden sei. § 159 Abs. 4 HGB analog erfasse auch den steuerlichen Tatbestand der Verjährungsunterbrechung.

     

    Anmerkungen

    Der Senat hält die Revision für zulässig und begründet. Der dem Haftungsbescheid zugrunde liegende Haftungsanspruch ist nicht verjährt, denn durch die Stundungen und ausgesprochene Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheids wurde die fünfjährige Verjährungsfrist gemäß § 231 Abs. 1 S. 1 AO unterbrochen und lief erst nach Ende der Aussetzung im Oktober 2009 mit Ablauf dieses Kalenderjahres neu an.

     

    Die Verjährung des Haftungsanspruchs beginnt grundsätzlich mit dem Ende des Tages, an dem die Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen wird. Da die Auflösung einer GbR aber nicht in das Handelsregister eingetragen wird, ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem der Gläubiger von der Auflösung der GbR Kenntnis erlangt hat. Von der Auflösung habe die Stadt erst durch das Schreiben der Gesellschafterin aus 2003 erfahren. Die Frage, ob ein steuerlicher Anspruch gegenüber der Gesellschaft verjährt oder ob die Verjährungsfrist wirksam unterbrochen ist, kann sich nur nach der AO richten. Dies ergibt eine Auslegung des § 159 Abs. 4 HGB nach Gesetzeswortlaut, Systematik des Gesetzes und Entstehungsgeschichte. Die Beschränkung des § 159 Abs. 4 HGB auf zivilrechtliche Verjährungsvorschriften führt zu einer Ungleichbehandlung zivilrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Forderungen, für die kein sachlicher Grund erkennbar sei.

     

    A haftet damit für die bestehende Steuerschuld der GbR persönlich und gesamtschuldnerisch. Der Senat folgt der früheren Rechtsprechung des BVerwG, nach der sich die Haftung für die Gesellschafter einer GbR im Hinblick auf ihre nach außen bestehende beschränkte Rechtssubjektivität aus § 128 HGB analog ergibt. Die Stadt hat ermessensfehlerfrei gehandelt, indem sie die Gesellschafterin in Anspruch genommen habe, denn sie war zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides begründet davon ausgegangen, dass die Vollstreckung gegen die Gesellschaft aussichtslos sei. Insoweit habe die Gesellschafterin selbst mitgeteilt, dass der Mitgesellschafter die Gesellschaft in die Zahlungsunfähigkeit gebracht habe. Eines erfolglosen Vollstreckungsversuches habe es unter diesen Umständen nicht bedurft.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass Ärzte und Physiotherapeuten die Wahl ihrer Mitgesellschafter sorgsam treffen sollten. Ein ausgeschiedener Gesellschafter haftet für Verbindlichkeiten der GbR, sofern diese bei seinem Ausscheiden bereits begründet waren, vor Ablauf von fünf Jahren fällig und ihm gegenüber festgestellt werden, weiter. Dabei haften die Gesellschafter einer GbR nach gesetzlicher Anordnung (§§ 421 ff. BGB) gesamtschuldnerisch, d.h. dass dem Gläubiger ein Wahlrecht zusteht, welchen Gesellschafter er zur Begleichung seiner Forderung (gegen die Gesellschaft) in Anspruch nimmt. Der Ausgleich unter den Gesellschaftern erfolgt dann im Innenverhältnis. Die persönliche und gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter, die sich als GbR zusammengeschlossen haben, ist nicht abdingbar. Neben der engen persönlichen Verflechtung haftet jeder Gesellschafter für die Gesellschaft und somit auch für Fehlverhalten seiner Mitgesellschafter.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2016 | Seite 34 | ID 43796882