Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Gesellschaftsrecht

    Geltendmachung von Auseinandersetzungsansprüchen nach Ende einer Gemeinschaftspraxis

    von RA Philip Christmann, FA MedR, Berlin/Heidelberg, www.christmann-law.de

    Nach Beendigung der GbR sind die früheren Gesellschafter grundsätzlich gehindert, ihre Ansprüche gegen die Gesellschaft oder gegeneinander isoliert geltend zu machen. Die Forderungen sind vielmehr als unselbstständige Rechnungsposten in eine Auseinandersetzungsbilanz einzustellen. Ein Zahlungsanspruch besteht nur hinsichtlich des abschließenden Saldos (OLG München 3.12.14, 7 U 2705/14).

     

    Sachverhalt

    Die Parteien, ehemals Gesellschafter einer Gemeinschaftspraxis, streiten über Zahlungen eines Gesamtschuldnerausgleichs nach Auflösung einer Praxisgemeinschaft im Unfrieden. Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr Ansprüche aus einer von keiner der beiden Parteien unterschriebenen Auseinandersetzungsbilanz und aus rechtskräftigen Feststellungen des Landgerichts bestimmte Dauerschuldverhältnisse betreffend zustünden. Der Beklagte bestreitet dies.

     

    Das LG hat die Klage abgewiesen, weil es feststellte, dass ein Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich nicht bestehe. Ein endgültiger Abschluss der Auseinandersetzungsbilanz läge noch nicht vor, eine Schlussrechnung habe noch nicht erfolgen können, da in die Auseinandersetzungsbilanz bestimmte Forderungen nicht aufgenommen werden konnten. Wegen der nicht vollständigen Auseinandersetzung liege eine Durchsetzungssperre vor, die dazu führe, dass isolierte Zahlungsansprüche nicht geltend gemacht werden könnten.

     

    Anmerkungen

    Das OLG München wies die Klage ab; denn von einer abschließenden, durch Gesellschafterbeschluss festgestellten Auseinandersetzungsrechnung/-bilanz könne nicht die Rede sein. Es liegt keine von den Parteien unterschriebene und damit zwischen den Parteien festgestellte Auseinandersetzungsbilanz vor. Hinzu kommt, dass angesichts der von dem Beklagten gegen die Auseinandersetzungsbilanz vorgebrachten Einwände auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Parteien die dort getroffenen Feststellungen übereinstimmend als maßgebliche Auseinandersetzungsbilanz anerkannt haben.

     

    Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kann der einzelne Gesellschafter Ansprüche nur dann ausnahmsweise isoliert, d.h. ohne abschließende Auseinandersetzungsrechnung, geltend machen, wenn die Gefahr von Hin- und Herzahlungen während des Auseinandersetzungsverfahrens, der durch die Rechtsprechung des BGH begegnet werden soll, nicht besteht oder wenn kein zu liquidierendes Gesellschaftervermögen mehr vorhanden ist.

     

    Im vorliegenden Fall hat der Beklagte eingewandt, dass Gesellschaftsvermögen/Praxisausstattung vorhanden sei, das keinen Eingang in die Auseinandersetzungsbilanz gefunden habe. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass aufgrund dessen noch zu berücksichtigende Verrechnungsposten in die Auseinandersetzungsbilanz aufzunehmen sind. Die Klägerin behauptet zwar pauschal, es gebe kein freies Vermögen der Gesellschaft mehr, konkreten Vortrag hierzu bleibt sie aber schuldig.

     

    Da hier mithin kein solcher Ausnahmefall vorliegt, kann die Klägerin ohne Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz die geltend gemachten Ansprüche nicht durchsetzen.

     

    Praxishinweis

    Kommt eine Einigung über eine Auseinandersetzung nicht zustande, muss das Gericht den Auseinandersetzungsbetrag unter Berücksichtigung aller gegenseitigen Forderungen feststellen. Das Gericht lässt dann den Betrag mithilfe eines Gutachters nach § 738 Abs. 2 BGB schätzen. Der Ausscheidende kann im Wege der Stufenklage

     

    • Vorlage der Abschichtungsbilanz (Feststellungsklage als Stufe 1) und
    • Zahlung des Guthabens (Zahlungsklage als Stufe 2) verlangen.

     

    Isoliert geltend gemachten Forderungen steht, wie der vorliegende Fall zeigt, die Durchsetzungssperre entgegen.

     

    • Durchsetzungssperre

    Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH führt die Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ebenso wie das Ausscheiden eines Gesellschafters grundsätzlich dazu, dass ein Gesellschafter die ihm gegen die Gesellschaft und die Mitgesellschafter zustehenden Ansprüche nicht mehr selbstständig im Wege der Leistungsklage durchsetzen kann (Durchsetzungssperre). Diese sind vielmehr als unselbstständige Rechnungsposten in die Schlussrechnung aufzunehmen, deren Saldo ergibt, wer von wem noch etwas zu fordern hat. Einzelansprüche können allerdings abweichend von dem Grundsatz der Durchsetzungssperre dann gesondert verfolgt werden, wenn sich aus dem Sinn und Zweck der gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen ergibt, dass sie im Falle der Auflösung der Gesellschaft oder des Ausscheidens eines Gesellschafters ihre Selbstständigkeit behalten sollen (vgl. BGH 17.5.11, II ZR 285/09).

     

    Die Entscheidung des OLG zeigt, wie aufwendig und wenig erfolgreich streitige Praxisauseinandersetzungen sind. Der Fokus der Beteiligten sollte daher klar auf einer einvernehmlichen Regelung liegen in Gestalt der gemeinsamen Feststellung einer Auseinandersetzungsbilanz nach Abwarten der Beendigung der noch auslaufenden Dauerschuldverhältnisse.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2015 | Seite 218 | ID 43335452