· Fachbeitrag · Honorarrecht
Wirtschaftlichkeitsprüfungen müssen einzelfallbezogen und nicht bloß statistisch erfolgen
| Die Zufälligkeitsprüfung i. S. des § 106 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB V ist vorrangig bei der Einzelfallprüfung durchzuführen. Von dieser Vorgabe durften die Vertragspartner auch nicht durch Regelungen in der Prüfvereinbarung abweichen. Eine statistische Durchschnittsprüfung darf von den Prüfgremien nur dann durchgeführt werden, wenn eine Einzelfallprüfung nicht aussagekräftig oder nicht durchführbar ist (SG Hannover 19.10.16, S 78 KA 191/15). |
Der Kläger, ein Dermatologe, wendet sich gegen eine Beratung wegen unwirtschaftlicher Leistungserbringung und unwirtschaftlicher Verordnung von Arzneimitteln im Jahr 2011. U.a. teilte die Prüfungsstelle dem Kläger mit, dass bei einer statistischen Durchschnittsprüfung Überschreitungen festgestellt wurden. Der Dermatologe äußerte sich dazu gegenüber der Prüfungsstelle zunächst nicht. Die Prüfungsstelle Niedersachsen setzte eine Beratung fest. Gegen diese Entscheidung erhob der Arzt Widerspruch und berief sich auf Praxisbesonderheiten.
Hier hat sich der Beklagte im Rahmen der Zufälligkeitsprüfung ohne weitere Darlegungen auf die Durchführung einer statistischen Durchschnittsprüfung zur Feststellung der Unwirtschaftlichkeit beschränkt. Dieses Vorgehen steht nach Auffassung der Kammer im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben des § 106 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs 2a SGB V. Zwar wird teilweise vertreten, dass die Regelungen zur Zufälligkeitsprüfung keine Vorgaben zur Prüfmethode enthalten (Clemens in jurisPK § 106 SGB V Rn 356 ff; Peikert in: Schnapp/Wigge Vertragsarztrecht 2. Aufl., § 20 Rn 49; Heinze, Gesamtkommentar, § 106 SGB V Ziff 8; Spellbrink, NZS 1993, 298, 303). Die Gegenansicht kommt aber mit überzeugenden Argumenten zu dem Ergebnis, dass im Rahmen der Zufälligkeitsprüfung regelmäßig eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist (Engelhardt in: Hauck/Noftz SGB V § 106 Rn 268 f; KassKomm/Hess, SGB V § 106 Rn 41; Rompf/Weinrich in: Liebold/Zalewski Kassenarztrecht § 106 Rn 27; Hoßbach, Wirtschaftlichkeitsprüfung und Praxisbesonderheiten im Kassenarztrecht, Seite 170 ff).
Die Entscheidung des Beklagten wird damit den Anforderungen nicht gerecht, da sie den Vorrang der Einzelfallprüfung nicht hinreichend beachtet hat. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass von einer gesetzlichen vorgesehenen Regelprüfmethode durch die Prüfgremien im Einzelfall nur vor dem Hintergrund des Gebots der effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung abgewichen werden kann (BSG 23.2.05, B 6 KA 72/03 R; Bayerisches LSG 28.1.15, L 12 KA 15/13, m. w. N.). Voraussetzung dafür ist aber, dass die gesetzlich vorgesehenen Prüfmethoden sich als nicht aussagekräftig oder nicht durchführbar erweisen. Insoweit sind die Prüfgremien wegen ihres Beurteilungsspielraums grundsätzlich zu Feststellungen im Rahmen der Bescheidbegründung verpflichtet (BSG 13.8.14, B 6 KA 41/13 R, Rz. 16 m. w. N.; BSG 19.10.11, B 6 KA 38/10 R, Rn. 19 f.; LSG Niedersachsen-Bremen 29.1.14, L 3 KA 52/11, Rz. 30 ff.). Derartige Feststellungen hat der Beklagte nach der schriftlichen Bescheidbegründung aber nicht getroffen.