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  • · Fachbeitrag · Pflegedienste

    Abrechnungsbetrug bei Einsatz unterqualifizierter Mitarbeiter zur Patientenversorgung

    von RA FA MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg; www.christmann-law.de 

    Setzt ein Pflegedienst für die Pflege entgegen der vertraglichen Vereinbarung (ohne negative Auswirkungen auf den Pflegezustand des Patienten) durchweg geringer qualifiziertes Personal ein, so ist dies eine Betrugshandlung, weil die Leistung für den Patienten wertlos ist (BGH 16.6.14, 4 StR 21/14, Beschluss).

     

    Sachverhalt

    Die Angeklagte hatte sich gegenüber einer Kranken- und Pflegekasse vertraglich verpflichtet, die langfristige Pflege eines schwerkranken Wachkomapatienten zu übernehmen. Der Vertrag sah vor, dass eine bestimmte Anzahl täglicher Pflegestunden erbracht und für die Pflege nur Pflegepersonal mit einer besonderen Qualifikation für Intensivpflege eingesetzt werden sollte.

     

    Anmerkungen

    Weil die Pflegedienstmitarbeiter wegen ihrer geringeren Qualifikation eine hinreichende Versorgung des Patienten etwa in Notfallsituationen nicht sicherstellen konnten, sah der BGH in den erbrachten Leistungen keine gleichwertige Gegenleistung für die Zahlungen der Krankenkasse. Aufgrund der verletzten vertraglichen Vorgabe war die Qualität der Leistung auch keine Schlechtleistung, sondern stand einer Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Leistung gleich. Ihr wirtschaftlicher Wert ging gegen Null.

     

    • Exkurs zum Wert der 7„Pflegeleistung“

    Eine hinreichende Versorgung konnte bei dem tracheostomierten Patienten unter Berücksichtigung möglicher Notfallsituationen, die eine Beatmung notwendig machen konnten, nur erfolgen, wenn die eingesetzten Mitarbeiter über eine Zusatzausbildung zum Fachgesundheitspfleger oder Krankenpfleger bzw. Kinderkrankenpfleger für pädiatrische Intensivpflege verfügten. Dies sollte durch die vertraglichen Vereinbarungen mit der Angeklagten über die Zusatzqualifikation sichergestellt werden, was dieser auch bekannt war.

     

    Die eingesetzten Mitarbeiter der Angeklagten erhielten jedoch nicht einmal nähere Instruktionen darüber, welche Komplikationen beim Patienten eintreten könnten und welche Maßnahmen bei einem Notfall, z.B. während der Wartezeit auf den Notarzt, zu ergreifen wären. Sie wurden lediglich darauf verwiesen, sich an die vor Ort tätigen, nicht ausgebildeten polnischen Hilfskräfte, die allerdings kaum Deutsch sprachen, zu wenden oder gegebenenfalls den Notarzt zu rufen.

     

    In Anlehnung an die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Abrechnungsbetrug bei kassen- und privatärztlichen Leistungen ist daher der Kranken- und Pflegekasse ein Betrugsschaden in voller Höhe der an die angeklagte Pflegedienstbetreiberin gezahlten Beträge entstanden.

     

    Praxishinweis

    Der BGH führt mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung zum besonderen Schadensbegriff in der medizinischen Behandlung fort. Wer medizinische Leistungen erbringt und dies auch vertraglich gesondert zusagt, muss dafür hinreichend qualifiziert sein, sonst betrügt er den Patienten um die vereinbarte Leistung. Ob diese Rechtsprechung sich auch auf Ärzte übertragen lässt, die eine besondere Behandlung zusichern (z.B. durch den Chefarzt), diese dann aber nicht erbringen, ist eher zweifelhaft. Denn auch ein Arzt, der nicht Chefarzt ist, verfügt über medizinische Kenntnisse. Im vorliegenden Fall verfügten die vom Pflegedienst eingesetzten Kräfte noch nicht einmal über rudimentäre medizinische Kenntnisse und sprachen auch nicht oder kaum Deutsch. Sie waren daher erkennbar völlig ungeeignet, auf Notfälle zu reagieren und die versprochene Leistung zu erbringen.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 319 | ID 43004511