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  • · Nachricht · Steuerhinterziehung

    Keine verlängerte Festsetzungsfrist wegen Nichtabgabe von Steuererklärungen

    von Dr. Stephan Peters, Haltern am See

    | Die Nichtabgabe von Erklärungen führt nicht zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung, wenn dem FA alle wesentlichen tatsächlichen Umstände ‒ hier Lohnsteuerbescheinigungen der Eheleute ‒ vorliegen und die Bescheinigungen mit den Daten der Eheleute verknüpft sind (FG Münster 24.6.22, 4 K 135/19). |

     

    Sachverhalt

    Die Eheleute hatten 2009 und 2010 keine Steuererklärungen abgegeben. Beide hatten jedoch Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit, die dem Lohnsteuerabzug unterlagen. Beim FA war der Fall als Antragsveranlagung gespeichert. Die Lohnsteuerbescheinigungen lagen dem FA vor und waren mit der Steuernummer der Eheleute verknüpft. Erst 2018 fiel auf, dass die Eheleute seit 2009 der Pflichtveranlagung unterlagen. Das FA setze für die streitigen Jahre Bescheide über Einkommensteuer und Verspätungszuschläge fest. Dagegen wendeten sich die Kläger ‒ mit Erfolg!

     

    Entscheidungsgründe

    In diesem Fall galt die regelmäßige Festsetzungsfrist von vier Jahren und keine verlängerte Festsetzungsfrist. Der objektive Tatbestand von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (Unterlassungsvariante) lag nicht vor. Die Kläger hatten das FA über steuerlich erhebliche Tatsachen nicht in Unkenntnis gelassen. Die Einkünfteverhältnisse waren dem FA bekannt, die Veranlagung wäre technisch ohne weitere Informationen möglich gewesen. Die bloße Verletzung von Erklärungspflichten reicht für § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht aus. Die Norm knüpft ausdrücklich an ein In-Unkenntnis-lassen und nicht an ein pflichtwidriges Unterlassen von Erklärungspflichten an. Zudem ist die Erfüllung von Mitwirkungs- und Erklärungspflichten nicht das geschützte Rechtsgut von § 370 AO. Es entstehen auch keine Strafbarkeitslücken.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung ist zu begrüßen. Es bleibt abzuwarten, ob die ordentliche Gerichtsbarkeit in originären Steuerstrafverfahren mitziehen wird. Ob ein strafrechtlich zu sanktionierendes Verhalten auch schon dann anzunehmen ist, wenn die Lohnsteuerbescheinigungen nur vorliegen, aber mit den Daten der Steuerpflichtigen nicht konkret verknüpft oder tatsächlich zugeordnet sind (Krumm, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 370, Rz. 73), ist fraglich und konnte im vorliegenden Fall offenbleiben. Wegen der Digitalisierung des Steuerfestsetzungsverfahrens und der Zuordnungsmöglichkeiten über Steuernummer und Steuer-ID dürften diese Fälle in der Praxis ohnehin selten anzutreffen sein. Abzugrenzen und steuerstrafrechtlich weiterhin relevant sind Fälle, in denen nicht alle Daten vorliegen, wenn beispielsweise noch Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit erzielt werden.

    Zum Autor | Dieser Beitrag wurde vom Autor nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst, sondern gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Autors wieder.

    Quelle: ID 48522567

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