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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Keine Ist-Besteuerung für bilanzierende Freiberufler

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    | Freiberufler können auf Antrag ihre Umsatzsteuer liquiditätsschonend erst mit Entgeltsvereinnahmung an den Fiskus abführen (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Nachdem der BFH in 2010 hierzu einschränkend geäußert hatte, diese Möglichkeit gelte nicht, wenn der Freiberufler seine Gewinne nach § 4 Abs. 1 UStG ermittle, verfügt das Schreiben des BMF (31.7.13, IV D 2 - S 7368/10/10002 ) die Anwendung dieser einschränkenden Rechtsprechungsgrundsätze. |

    1. Zum Hintergrund

    In einer Entscheidung aus dem Jahre 2010 hatte der BFH (22.7.10, V R 4/09) einer Steuerberatungs-GmbH die auf § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG gestützte Ist-
Besteuerung verwehrt, da sie nicht die vom Gesetz geforderten freiberuflichen Einkünfte i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 UStG erwirtschafte, sondern als Kapital­gesellschaft vielmehr kraft Gesetzes Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte. Mit Blick auf den mehrwertsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz gelte Entsprechendes auch bei anderen Rechtsformen (Personengesellschaft, Einzelunternehmen), wenn diese Unternehmen zwar freiberufliche Einkünfte erwirtschafteten, aber - aufgrund gesetzlicher Vorgabe oder freiwillig - bilanzierten. Denn die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG sei geschaffen worden, um bei den nach dem Zu- und Abflussprinzip des § 4 Abs. 3 EStG ihren Gewinn ermittelnden Freiberuflern zu verhindern, dass diese nur für Zwecke der Umsatzsteuer ihre Umsätze zusätzlich auch nach Sollbesteuerungsgrundsätzen hätten aufzeichnen müssen. Auch wenn der Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG eine solche Einschränkung nicht vorsehe, gebiete der historische Systemhintergrund dieser Regelung, dass den in einem Einzelunternehmen oder einer Personengesellschaft tätigen Freiberuflern i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Ist-Besteuerung des § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG auch dann zu versagen sei, wenn sie aufgrund gesetzlicher Vorgabe oder freiwillig bilanzierten.

     

    Die Finanzverwaltung wendete die einschränkende Auslegung des BFH unter Verweis auf eine anhängige Verfassungsbeschwerde für das Erste nicht an (vgl. BMF-Antwort an DStV e.V. vom 16.3.11, IV D 2 - S 7500/0:003). Nachdem das BVerfG (20.3.13, 1 BvR 3063/10) diese Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hatte, verfügt das BMF nun die Übernahme der BFH-Grundsätze.

    2. Das BMF-Schreiben vom 31.7.13

    Für bilanzierende Freiberufler ergeben sich damit die folgenden Konsequenzen.

     

    2.1 Keine Ist-Besteuerung für bilanzierende Freiberufler

    Die Finanzämter haben „ab sofort“ die Genehmigung eines auf § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG gestützten Antrags auf Ist-Besteuerung dann nicht mehr zu erteilen, wenn das freiberufliche Einkünfte i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erwirtschaftende Unternehmen für diese Umsätze „Bücher führt“ - unabhängig davon, ob diese Buchführung aufgrund gesetzlicher Verpflichtung oder freiwillig erfolgt. Die daneben bestehende Antragsmöglichkeit wegen Einhaltung der Vorjahresumsatzschwelle von 500.000 EUR (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG) bleibt davon unberührt.

     

    2.2 Neue Antragsfrist für die Ist-Besteuerung

    Bisher war der Antrag auf Genehmigung der Ist-Besteuerung an keine Frist gebunden (A. 20.1. Abs. 1 S. 1 UStAE), sodass auch nach bereits eingetretener formeller Bestandskraft für eine nach der AO (insb. § 164 AO) noch änderbaren Umsatzsteuerfestsetzung auch später noch ein rückwirkender Antrag gestellt werden konnte. Bereits zur Fristverkürzung bei der Option i.S. von § 9 UStG hatte das BMF die Entscheidung des BFH (10.12.08, XI R 1/08) genutzt und mit dem BMF-Schreiben (1.10.10, IV D 3 -S 7198/09/10002, BStBl I 10, 768) verfügt, die Option bzw. ihr Widerruf sei ab dem 1.11.10 nur innerhalb der formellen Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung möglich. Unter Verweis auf eben diese BFH-Entscheidung modifiziert das BMF nun auch die Weisung in A. 20.1. Abs. 1 S. 1 UStAE dahingehend, dass jegliche Anträge auf Ist-Besteuerung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1- 3 UStG) nur noch bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft der jeweiligen Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung gestellt werden können. Neben der o.a. Buchführungsproblematik bei § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist diese - davon unabhängige, zusätzliche - Einschränkung für die Praxis von größerer Bedeutung.

     

    2.3 Anwendungsregeln

    Das BMF verfügt ein Inkrafttreten der neuen Weisungslage mit Wirkung ab 1.8.13. Nach meinem Verständnis dieser Stichtagsregelung sind nach diesem Stichtag gestellte Anträge nach den neuen Grundsätzen abzulehnen. Zu den neuen Ablehnungsgründen zählen - neben der nun schädlichen Bilanzierung bei Freiberuflern i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG - auch die Einreichung eines auf § 20 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 oder Nr. 3 UStG gestützten Ist-Besteuerungsantrags nach Ablauf der formellen Bestandskraft der Jahressteuerfestsetzung (s. Tz. 2.2).

     

    PRAXISHINWEIS | Für die einem bilanzierenden Freiberufler noch nach alter Sichtweise (unter Widerrufsvorbehalt) erteilte Altgenehmigung weist das BMF die Finanzämter an, diese Genehmigungen zeitnah zurückzunehmen, aber die Wirkung der Rücknahme dabei auf nach dem 31.12.13 ausgeführten Umsätze zu beschränken.

     

    3. Schlussbemerkung

    Denkbar ist nach der BFH-Rechtsprechung auch ein konkludenter Antrag/Genehmigung der Ist-Besteuerung. Davon ist allerdings nur dann auszugehen, wenn der Voranmeldung deutlich erkennbar zu entnehmen ist, dass die Umsätze auf der Grundlage von Ist-Einnahmen deklariert wurden. Die Bekanntgabe der Genehmigung braucht dann nicht förmlich zu erfolgen, sondern kann auch durch eine erkennbare Gestattung der beantragten Besteuerung bekannt gegeben werden. An einer solchen konkludenten Genehmigung fehlt es jedoch, wenn das FA keine oder keine nach außen erkennbare Entscheidung getroffen hat (vgl. hierzu BFH 11.5.11, V B 93/10).

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 267 | ID 42240218