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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Sind Prämien für Ärzte eines Versorgungsnetzes von der Umsatzsteuer befreit?

    von Dipl.-Finw. StB Christian Herold, Herten/Westf.

    | Ärzte beteiligen sich zunehmend an Netzwerken zur integrierten Versorgung. Im Netz sollen die Patienten besser und kosteneffizienter betreut werden. Am Netzerfolg werden die Ärzte durch die Krankenkassen finanziell beteiligt, das heißt, sie erhalten im Erfolgsfall über das Netzwerk einen Bonus bzw. eine Prämie. Das FG Düsseldorf hat nun entschieden, dass bei Teilnahme an einer integrierten Versorgung i.S. des § 140c SGB V a.F. von der Krankenkasse gezahlten variablen Prämien nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit sind. Das Urteil hat weitreichende Bedeutung (FG Düsseldorf 6.4.17, 5 K 3168/14 U, nrkr.). |

    1. Reichweite des Begriffs Heilbehandlung

    Erbringen Ärzte und andere Heilberufler Leistungen, stellt sich die Frage, ob therapeutische Ziele im Vordergrund stehen, das heißt, ob Hauptziel der Leistungen der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit ist. Dies gilt v.a., wenn der Empfänger der Leistungen nicht unmittelbar ein bestimmter Patient ist, sondern ein Arbeitgeber oder ein Sozialversicherungsträger, oder aber sich die Leistungen im „Graubereich“ zwischen einer therapeutischen und einer Verwaltungsleistung befinden (Beispiel: Tumormeldungen an ein Krebsregister, vgl. BFH 9.9.15, XI R 31/13). Vergleichbares gilt auch für Zahlungen innerhalb eines Versorgungsnetzes.

     

    • Sachverhalt

    Die Kläger betreiben gemeinschaftlich eine Praxis für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Die Gemeinschaftspraxis nahm an einem integrierten Versorgungsnetz zur „verbesserten Betreuung der Versicherten im Rahmen des Verbundnetzes X nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des SGB V.“ teil. Der Vertrag zur integrierten Versorgung wurde zwischen der Krankenkasse als damalige Trägerin eines Krankenhauses und einem Bundesverband der Ärzte als Gemeinschaft der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte geschlossen. Die im Netz erbrachten ärztlichen Leistungen werden von der Krankenkasse als Kostenträger unmittelbar vergütet. Darüber hinaus werden die Ärzte am Netzerfolg finanziell beteiligt.

     

    Die Gemeinschaftspraxis behandelte diese Prämien bzw. Bonusbeträge als Entgelt für nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie Umsätze. Das FA hingegen war der Auffassung, dass die aus den Ärztenetzwerken erzielten Prämien nicht umsatzsteuerfrei seien. Sie würden kein Entgelt für eine konkrete ärztliche Leistung darstellen. Zwar würden die gezahlten Erfolgsprämien in einem engen Zusammenhang mit den Umsätzen aus der heilberuflichen Tätigkeit als Arzt stehen, doch stehe bei diesen Umsätzen nicht die Ausübung der Heilkunde im Mittelpunkt. Denn Gegenleistung für das Entgelt sei nicht die Behandlung des Patienten als solche, sondern vielmehr die Kosteneinsparungen für die gesetzlichen Krankenversicherungsträger. Das FG Düsseldorf sah die Sache anders.

    2. Die Argumentation des FG Düsseldorf

    In der gesetzlichen Regelversorgung sind die gesetzlichen Krankenkassen Leistungsempfänger der ärztlichen Leistungen und nicht etwa die Patienten; dennoch sind Heilbehandlungen unzweifelhaft nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG befreit. Der in der GKV Versicherte hat gegenüber seiner Krankenkasse einen Anspruch auf ärztliche Versorgung. Deshalb müssen die Kassen Ärzte bereitstellen, die im Krankheitsfall ärztliche Hilfe leisten. Um die ärztliche Versorgung der Versicherten zu gewährleisten, schließen die Verbände der Krankenkassen Sicherstellungsverträge mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), denen automatisch alle Vertragsärzte angehören, die zur ambulanten Behandlung von Kassenpatienten zugelassen sind. Die Krankenkasse zahlt über eine Gesamtvergütung (eine Art Kopfpauschale) mit befreiender Wirkung an die KV, die ihrerseits für die Verteilung der Gelder an die einzelnen Praxen zuständig ist. Ein direktes Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient besteht nur bei der Direktabrechnung, wie z.B. bei der privaten Krankenversicherung.

     

    Die Leistungsverhältnisse bei der integrierte Versorgung nach §§ 140a ff. SGB V a.F. sind die gleichen. Die Verträge zur integrierten Versorgung sollen eine bevölkerungsbezogene Flächendeckung der Versorgung ermöglichen; aus ihnen ergeben sich das Versorgungsangebot und die Voraussetzungen seiner Inanspruchnahme (§ 140a Abs. 1 SGB V a.F.). Die integrierte Versorgung räumt den Vertragspartnern dabei im Vergleich zur gesetzlichen Regelversorgung Gestaltungsfreiheiten ein. So können dem Sinn und der Eigenart der integrierten Versorgung entsprechende abweichende Regelungen getroffen werden, die die Qualität, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der integrierten Versorgung verbessern oder aus sonstigen Gründen zu ihrer Durchführung erforderlich sind (vgl. § 140b Abs. 4 S. 1 SGB V a.F.). Die integrierte Versorgung stellt damit nur eine andere Ausgestaltung der gesetzlichen Regelversorgung dar, ändert aber nicht die Leistungsverhältnisse an sich.

     

    Einer Steuerbefreiung des Leistungsverhältnisses nach § 4 Nr. 14 UStG steht nicht entgegen, dass Leistungsempfänger nicht der Patient, sondern die Krankenkasse ist. Denn die hiernach befreiten Umsätze sind nicht durch die Person des Leistungsempfängers definiert. Vielmehr beschränkt sich das personenbezogene Tatbestandsmerkmal auf den Leistenden, der Träger eines ärztlichen bzw. arztähnlichen Berufs sein muss.

    3. Praxishinweis

    Aufgrund der enormen Reichweite der Entscheidung ist es nicht überraschend, dass das FG die Revision zugelassen hat. Betroffene Steuerpflichtige sollten daher gegen ablehnende Bescheide Einspruch einlegen und ein Ruhen des Verfahrens beantragen. Die Erfolgsaussichten können dabei durchaus als gut bezeichnet werden, da die Argumentation des FG überzeugt. Letztlich entspricht es im Übrigen dem Sinn und Zweck des § 4 Nr. 14 UStG, Kosten der Heilbehandlungen zu senken. Insofern erscheint es nicht einleuchtend, dass die Finanzverwaltung versucht, gerade in den Fällen, in denen eine Kostensenkung massiv im Vordergrund steht, die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG zu versagen.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2017 | Seite 264 | ID 44890225