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  • · Nachricht · Umsatzsteuerbefreiung

    Privatkliniken können sich unmittelbar auf EU-Recht berufen

    | Bei Krankenhausbehandlungen durchgeführte psychotherapeutische Leistungen einer Klinik sind auch dann umsatzsteuerfrei, wenn die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG nicht vorliegen. Die vom deutschen Gesetzgeber in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG aufgestellten Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit entsprechender psychotherapeutischer Leistungen sind nicht mit der europarechtlichen Regelung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL vereinbar. Steuerpflichtige können sich daher unmittelbar auf die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie berufen ( FG Münster 18.3.14, 15 K 4236/11 U, Rev. zugelassen). |

     

    Die Klägerin ist eine GmbH und betreibt eine Klinik für Psychotherapie. Sie war im Streitjahr 2009 weder in den Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen noch hatte sie mit den Landesverbänden der Krankenkassen einen Versorgungsvertrag i.S. von § 108 Nr. 3 SGB V abgeschlossen. Der Umsatz der Klägerin aus der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten machte 2006 bis 2009 zwischen 34 % und 47 % des Gesamtumsatzes aus. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass nach der ab 2009 geltenden Fassung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG entsprechende psychotherapeutische Leistungen nur dann steuerfrei seien, wenn sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder von gemäß § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern erbracht würden. Dies sei in Bezug auf die Klägerin nicht der Fall. Ihre Leistungen seien mithin nicht umsatzsteuerfrei.

     

    Das FG Münster ist anderer Ansicht: Zwar erfülle die Klägerin nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG. Jedoch sei diese Regelung nicht richtlinienkonform. Nicht zugelassene Kliniken könnten die vom deutschen Recht vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung selbst dann nicht in Anspruch nehmen, wenn sie exakt die gleichen Heilbehandlungen zu gleichen Bedingungen erbrächten wie öffentlich-rechtliche bzw. zugelassene Kliniken. Hierin liege eine sachlich nicht gerechtfertigte umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung. Daher könne sich die Klägerin unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen. Die dort genannten Voraussetzungen erfülle sie. Die Klägerin biete insbesondere ein vergleichbares Leistungsspektrum wie öffentliche bzw. gem. § 108 SGB V zugelassene Kliniken an und behandele gesetzlich wie privat versicherte Patienten gleich. Daher seien ihre Leistungen umsatzsteuerfrei.

     

    Dies gelte unabhängig davon, dass der Umsatz der Klägerin aus der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten im Streitjahr bei 35 % gelegen habe und damit die in der vor 2009 geltenden Fassung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG vorgesehene Grenze von 40 % nicht erreicht worden sei. Jene Grenze finde keine Anwendung mehr. Zudem ergebe sich aus der gebotenen Gesamtschau, dass die Klägerin ihre psychotherapeutischen Leistungen unter Bedingungen erbringe, die in sozialer Hinsicht den Bedingungen entsprechen, die auch für öffentlich-rechtliche Einrichtungen gelten.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Umsatzsteuerfreiheit für Privatkliniken wird im Anschluss an jüngere Finanzgerichtsentscheidungen kontrovers diskutiert. Zum alten Recht ( § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG ) sind zwei konträre Entscheidungen (FG Baden Württemberg 28.11.12, 14 K 2883/10, UR 13, 531, Rev. XI R 8/13 versus FG Köln 22.5.13, 8 K 3374/10) zu beachten. Die Neufassung der Krankenhausleistungen in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG ist missglückt und gemeinschaftsrechtswidrig mit der Folge, dass sich die Privatkliniken unmittelbar auf die Steuerbefreiungsvorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen können. So sehen das auch das FG Hessen (17.7.13, 4 K 104/12) und - in einem AdV-Beschluss - das FG Schleswig-Holstein (10.6.13, 1 V 1700/12). Siehe hierzu ausführlich: Umsatzsteuer: Umsatzsteuerfreiheit für Privatkliniken (Leonard PFB 14, 8).

    Quelle: ID 42646869