· Fachbeitrag · 12. IWW-Kongress Praxis Ärzteberatung
Tipps zur Vertragsgestaltung bei Kooperationen
von Dipl.-Volksw. Katja Nies (www.praxisbewertung-praxisberatung.com)
| Was gibt es Neues rund um die Ärzteberatung? Mit welchen Problemen waren die Kollegen im letzten Jahr konfrontiert? Diese und viele andere Fragen haben in diesem Jahr fast 250 Berater motiviert, an dem „12. IWW-Kongress Praxis Ärzteberatung“, der am 16.3.18 in Düsseldorf stattfand, teilzunehmen. Aus der Fülle an Informationen werden im Folgenden exemplarisch wichtige Empfehlungen und Gestaltungshinweise zur Vertragsgestaltung von Kooperationen herausgegriffen ‒ v. a. vor dem Hintergrund einiger wegweisender Urteile von BSG und BFH aus jüngster Zeit. |
1. Einleitung
In Zeiten des Versorgungsstärkungsgesetzes hat ein Arzt, der seine Praxis aus Altersgründen im gesperrten Gebiet verkaufen möchte, u. a. das Verzichtsmodell als Option, das in den letzten Jahren auch rege genutzt wurde. Beim Verzichtsmodell verzichtet der Arzt zugunsten einer Anstellung auf seine Zulassung und scheidet später aus dem Anstellungsverhältnis aus. Der Arbeitgeber, ein MVZ oder ein niedergelassener Arzt, kann die frei werdende Arztstelle neu besetzen.
Allgemein kann festgehalten werden, dass bei Vertragsverhandlungen, bei denen z. B. ein Arzt seine Einzelpraxis unter Verzicht auf seine Zulassung in ein MVZ einbringen bzw. verkaufen möchte, neben dem Kaufpreis folgende Vertragspunkte mit großer Sorgfalt ausgehandelt werden müssen:
- Übertragungsstichtag
- Bestandskraftvorbehalt bis zur Zulassungsentscheidung
- Haftung (u. a. für etwaige Umsatzsteuer)
- Kaufpreissicherheiten
- Sicherheitseinbehalte des Käufers für Garantien und Anstellungsdauer (drei Jahre)
Des Weiteren muss auch bei der „übergangsweisen“ (3-jährigen) Tätigkeit im MVZ u. a. festgelegt werden:
- Definition der geschuldeten Tätigkeit
- Arbeitszeit (eine schrittweise Reduzierung ist möglich ‒ siehe Tz. 3)
- Urlaubs- und Fortbildungsanspruch
- Vergütung (verschiedene Modelle von fest über variabel)
- Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung
- Wettbewerbsverbot ja/nein
PRAXISTIPP | Das Ausarbeiten bzw. die Überprüfung eines Kooperationsvertrags sollte auch zwingend vor dem Hintergrund des im letzten Jahr verabschiedeten Antikorruptionsgesetzes vorgenommen werden. |
2. Erste Erfahrungen mit dem Antikorruptionsgesetz
Im Mittelpunkt des Antikorruptionsgesetzes steht, verkürzt ausgedrückt, die Frage der angemessenen Vergütung für heilberufliche Leistungen im Rahmen von ärztlichen Kooperationen. Hierbei ist zu beachten, dass dies nicht nur für zukünftige Kooperationen gilt, sondern auch für bereits bestehende Verträge und Kooperationen.
Neben dem Urteil des BGH (25.7.17, 5 StR 46/17), in dem es um die Unzulässigkeit von Kickback-Zahlungen (im Tatzeitraum von 2010 bis 2012) zwischen einem Apotheker und einem Radiologen ging, wurden im Rahmen des Kongresses 4 „Compliance-Prinzipien“ vorgestellt, anhand derer man eine Kooperation auf den Prüfstand stellen kann:
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Transparenzprinzip | Äquivalenzprinzip | Trennungsprinzip | Dokumentationsprinzip |
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| Trennung zwischen
| Jegliche Form der Kooperation ist zu dokumentieren. |
Bei der Frage nach der Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung, also der Angemessenheit der Vergütung, kann eine zweistufige Prüfung als Hilfestellung dienen:
- Angemessenheit der Vergütung i. w. S.: Der offensichtliche ökonomische Nutzen und der „latente“ Nutzen werden im Einzelfall geprüft.
- Angemessenheit der Vergütung i. e. S.: Bei konkretem Verdacht wird die Proportionalität zwischen der eingesetzten Arbeitskraft des Arztes und dem gezahlten Entgelt anhand von Gebührenmodellen geprüft.
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Vertragsgestaltung, um die einzubringende bzw. eingebrachte Zulassung nicht zu verlieren, ergibt sich aus dem Urteil des BSG (4.5.16, B 6 KA 21/15 R), auf das im Folgenden einzugehen sein wird.
3. Die „Drei-Jahres-Nachbesetzungs-Entscheidung“ des BSG
Die Quintessenz des Urteils (BSG 4.5.16, B 6 KA 21/15 R) stellt sich wie folgt dar: Ein Arzt verzichtet zugunsten eines MVZ auf seine Zulassung und lässt sich dort als Arzt anstellen. Diese Arztstelle kann im MVZ nur dann nachbesetzt werden, wenn der Arzt tatsächlich dort als angestellter Arzt tätig geworden ist, und zwar mit dem beabsichtigten Willen, dies mindestens für einen Zeitraum von 3 Jahren zu tun. Eine schrittweise Reduktion des Tätigkeitsumfangs um eine Viertelstelle pro Jahr ist dabei unschädlich.
Damit ist der in der Vergangenheit beliebten Variante „Verkauf der Einzelpraxis an das MVZ und Weiterarbeiten für ein halbes Jahr im MVZ, danach Ausscheiden, und die Arztstelle bleibt im MVZ zur Nachbesetzung“ erheblich erschwert worden.
Zu den damals aufgeworfenen wichtigen Fragen bei der Vertragsgestaltung konnten im Rahmen des diesjährigen Kongresses einige wichtige Handlungs- bzw. Gestaltungsempfehlungen ausgesprochen werden:
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4. Verlegung einer Arztstelle von einem MVZ
Im Zusammenhang mit der Vergrößerung eines MVZ durch Hinzugewinnung zusätzlicher Arztstellen bzw. Anstellungsgenehmigungen ist ein weiteres Urteil des BSG (11.10.17, B 6 KA 38/16 R) interessant:
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Eine MVZ-Betreibergesellschaft (GmbH), die bereits mehrere MVZ betreibt, beantragt beim zuständigen Zulassungsausschuss die Zulassung eines weiteren MVZ zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Die „Arztstellen“ in dem neuen MVZ sollen durch Verlegung von 15 Arzt- bzw. Psychotherapeutenstellen aus den bereits bestehenden MVZ in das zu genehmigende MVZ entstehen. Der Zulassungsausschuss hat diesen Antrag abgelehnt. |
Das BSG hat die Ablehnung bestätigt, denn:
- Für die Verlegung von Anstellungsgenehmigungen ist Voraussetzung, dass das andere MVZ bereits besteht und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist.
- Es soll keine „bedingungslose“ und ausufernde Vermehrung von MVZ durch Neugründung und Verlegung von Arztstellen geben.
- Die im Gesetz (§ 95 Abs. 1a SGB V) angelegte Gründereigenschaft soll nicht umgangen werden.
5. Abschreibung des Praxiswerts
Um steuerrechtliche Fehler bei der Vertragsgestaltung zu vermeiden, müssen die Urteile des BFH, die sich auf eine Abschreibung des Praxiswerts beziehen, zwingend beachtet werden (hier vor allem BFH 9.8.11, VIII R 13/08 und BFH 21.2.17, VIII R 7/14).
Mit der Bezahlung des Kaufpreises werden sowohl die materiellen Wirtschaftsgüter (Praxiseinrichtung, Geräte, Laboreinrichtung etc.) als auch der immaterielle Wert der Praxis erworben. Sowohl die Wirtschaftsgüter des materiellen Praxiswerts als auch der immaterielle Praxiswert können über die jeweils anzuwendenden Zeiträume abgeschrieben werden. Der „Vorteil aus der Vertragsarztzulassung“ ist „normalerweise“ untrennbar im immateriellen Wert enthalten und wird somit abgeschrieben. Es gibt allerdings Konstellationen, in denen offensichtlich der Kaufpreis „nur“ für die Zulassung im gesperrten Gebiet bezahlt wird und keinerlei Interesse an der Fortführung der bisherigen Arztpraxis gezeigt wird. Hier wird der „Vorteil aus der Vertragsarztzulassung“ als selbstständiges, nicht abnutzbares Wirtschaftsgut eingeordnet und ist somit nicht abschreibungsfähig.
Was ist ein Indiz dafür, dass die gesamte Praxis und nicht nur die „Zulassung“ gekauft wurde? Worauf muss der Berater achten?
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Auch wenn letztlich das FA die Feststellungslast trägt, dass der r„Vorteil der Zulassung“ nicht untrennbar mit dem abgegoltenen Praxiswert verbunden und somit eine Abschreibbarkeit zu versagen ist, sollte man auf folgende Punkte sehr viel Sorgfalt verwenden:
- Orientierung des Kaufpreises am Verkehrswert/Überpreis
- zeitnahe Verlegung des Sitzes
- Aufgabe der Praxisräume
- räumliche Entfernung
- intensive Bemühungen zur Überleitung des Patientenstamms
- Übernahme der Patientenkartei
- Übernahme von Personal und Geräten
- Fallzahlen des Veräußerers
Grundsätzlich unstreitig ist ein Praxiserwerb ohne Sitzverlegung, also Weiterarbeit in den bisherigen Räumen.
Wie ist nun eine Verlegung des Sitzes bzw. eine Aufgabe der bisherigen Praxisräume zu beurteilen? Laut BFH (21.2.17, VII R 7/14) spricht eine Verlegung in neue Räume nicht gegen den Praxiserwerb, wenn eine berechtigte Erwartungshaltung besteht, dass die Patientenbindung und die Zuweiserbindung erhalten bleiben kann. Dies kann z. B. untermauert werden durch:
- die Tätigkeit von Veräußerer und Erwerber in einem eng begrenzten örtlichen Wirkungskreis
- eine kurzzeitig überleitende Tätigkeit des Veräußerers
- Übernahme von Mitarbeitern
- Übernahme von Geräten und Inventar
6. Schlussbemerkung
Das in der Einleitung angeführte Beispiel der Anstellung nach Zulassungsverzicht in einem MVZ (hinter der sich letztlich der Verkauf der Einzelpraxis verbirgt) ist nur einer der vielen Möglichkeiten einer ärztlichen Kooperation, wobei man unter Kooperation im weiteren Sinne sowohl die Anstellung eines Arztes als auch die gleichberechtigte Zusammenarbeit mit einem Arzt bzw. mehreren Ärzten verstehen kann.
Bei einer Anstellung kommen z. B. infrage:
- Weiterbildungs- und Entlastungsassistent/Entlastungsvertretung
- Job-Sharing-Anstellung (im gesperrten Planungsbereich)
- Anstellung auf hälftiger Zulassung nach „Splitting“
- Anstellung im freien Planungsbereich
- Sonderfall: Anstellung nach Zulassungsverzicht zugunsten einer Anstellung (im gesperrten Planungsbereich)
Bei einer Kooperation i. e. Sinne (Gesellschaft) kommen z. B. infrage:
- Jobsharing-Gesellschaft
- BAG/ÜBAG (mit hälftiger Zulassung nach „Splitting“)
- BAG/ÜBAG (mit vertragsärztlicher Zulassung)
Kurz nach dem Kongress wurde von der Bundesärztekammer die Ärztestatistik 2017 (Stand 31.12.17) vorgestellt, in der sich bekannte Trends weiter fortsetzen, wobei es zu beachten gilt, dass die reine Anzahl der Ärzte weder etwas über die angebotenen Behandlungsstunden noch über die (besorgniserregende) Altersstruktur aussagt:
- Die Zahl der in Deutschland tätigen Mediziner steigt stetig (2017: 385.149, davon knapp 200.000 Klinikärzte).
- Die Zahl der „Vertragsärzte“ (die also an der vertragsärztlichen Versorgung von Kassenpatienten teilnehmen) ist auf knapp 106.000 gesunken (ohne „nicht ärztliche“ Psychotherapeuten).
- Es gibt darüber hinaus ca. 13.000 niedergelassene Ärzte, die „nur“ privat abrechnen.
- Um 10 % im Vergleich zum Vorjahr (und fast sechsmal so viele wie vor 10 Jahren) ist die Zahl der angestellten, ambulant tätigen Ärzte gestiegen: 31.477.
Der Titel eines FAZ-Artikels vom 5.4.18 lautete deshalb provokant: „Junge Ärzte bleiben lieber ohne eigene Praxis“. Aus diesem Grund dürfte aber das beim Kongress u. a. im Fokus stehende Verzichtsmodell für ältere, abgabewillige Ärzte eine wichtige Alternative sein, wenn sie ihr Lebenswerk verkaufen und hierfür einen angemessenen Kaufpreis erzielen möchten.