· Fachbeitrag · Ärztliche Kooperationen
Rechtliche Fragen zum korrekten Aufbau einer überörtlichen Teil-BAG
von RA Philip Christmann, FA MedR, Berlin/Heidelberg, www.christmann-law.de
| Für niedergelassene Ärzte gibt es mittlerweile viele Kooperationsmöglichkeiten. Eine interessante Form der Zusammenarbeit ist die überörtliche Teil-BAG. Allerdings sind die rechtlichen Voraussetzungen für deren Errichtung alles andere als trivial. Der Beitrag erörtert am Beispiel einer jüngeren Entscheidung des BSG, worauf es ankommt und klärt die rechtlichen Fragen. |
1. Das Urteil des BSG
Dem Urteil des BSG lag eine Kooperation von Augenärzten zugrunde.
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Die in Sch. niedergelassenen Augenärzte 1 und 2 waren operativ tätig und erbrachten auch Kataraktoperationen. Sie schlossen sich mit einem Gesellschaftsvertrag als überörtliche Teil-BAG zusammen mit dem Augenarzt 3, der in der Stadt E. niedergelassen war und der nur konservativ tätig war. Gegenstand der BAG war laut Vertrag der Betrieb der augenärztlichen Praxis in E.
Die Patienten, die den ersten ärztlichen Kontakt in der Praxis in E. hatten, sollten dort von Augenarzt 3 hinsichtlich Glasköper- und Netzhauteingriffen untersucht und präoperativ behandelt werden. Die Operation sollte bei den Augenärzten 1 und 2 stattfinden. Schließlich sollte der Augenarzt 3 die postoperative Behandlung durchführen. Die Gesellschafter 1, 2 und 3 waren zu je 1/3 an der Gesellschaft beteiligt. Ferner waren sie auch zu diesen Teilen am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt. |
Der Zulassungsausschuss verweigerte die Genehmigung der Teil-BAG. Dagegen klagten die Ärzte. Vor Gericht trugen sie vor, dass sich die Gewinnverwendung zumindest auch an der tatsächlichen Leistungserbringung der einzelnen Partner orientieren sollte. Das SG verurteilte den Zulassungsausschuss, die Genehmigung zu erteilen. Das LSG hob dieses Urteil auf und wies die Klagen der Ärzte ab. Das BSG bestätigte die Entscheidung des LSG.
1.1 Keine Erbringung „einzelner“ Leistungen
Das BSG sprach der Kooperation der Augenärzte die Absicht ab, auf die Erbringung einzelner Leistungen gerichtet zu sein, wie es § 33 Abs. 2 S. 3 bis 5 Ärzte-ZV für die Teil-BAG verlangt. Die Bildung einer Teil-BAG wird zur Übernahme spezifischer, auf die Erbringung bestimmter Leistungen bezogener Behandlungsaufträge erlaubt.
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Ein Kinderarzt und ein Neurologe bilden eine Teil-BAG zur Behandlung kinderneurologischer Erkrankungen. Ihre Einzelpraxen bestehen weiter (vgl. BT-Drs. 16/2474, S. 31). |
Die „einzelnen Leistungen“ sind sach- und nicht orts- oder personenbezogen näher zu definieren. Der Gesetzgeber hatte die diagnose- oder therapiebezogene gemeinsame Behandlung vor Augen, nicht aber die umfassende gemeinsame Leistungserbringung gegenüber bestimmten Patienten oder an einem bestimmten Ort (vgl. LSG Berlin-Brandenburg 12.9.12, L 7 KA 78/10). Erlaubt sind Teil-BAGs, in denen jeder Partner nur einen Teil seiner ärztlichen Leistungen einbringt und im Übrigen seine Praxistätigkeit weiter eigenständig und unabhängig ausübt. Dass ein Arzt nur in der Teil-BAG, der andere teilweise in dieser Teil-BAG und sonst in anderen Praxen oder BAGs tätig ist, ist unzulässig.
Im Sachverhalt erbrachten nur die Ärzte 1 und 2 für die Teil-BAG einzelne Leistungen (Operation) und waren sonst weiter in eigenständigen Praxen tätig. Arzt 3 sollte sein gesamtes Leistungsspektrum in die Teil-BAG einbringen, indem er die Patienten untersucht und die prä- und postoperative Behandlung übernimmt. Eine solche „asymmetrische“ Teil-BAG ist unzulässig.
1.2 Möglicher Verstoß gegen Verbot der Zuweisung gegen Entgelt
Die vertragliche Konstruktion deutet nach Meinung des BSG auf eine Umgehung des Verbots der Zuweisung gegen Entgelt (§ 73 Abs. 7 SGB V) hin. Das BSG konnte dies im Einzelnen nicht klären, weil die Angaben der Ärzte zu den genauen vertraglichen Abreden und v.a. zur Gewinnverteilung unklar und teilweise widersprüchlich waren. Unklar blieb, wie die Patienten im Einzelnen gemeinsam behandelt werden sollten. Das BSG kann sich zwar eine sinnvolle engere Zusammenarbeit zwischen behandelndem und operierenden Ärzten vorstellen, etwa indem die Partner den Patienten zumindest gemeinsam untersuchen, bevor die Entscheidung zur Operation getroffen wird. Es sei aber unwahrscheinlich, dass die Ärzte 1 und 2 extra zu Arzt 3 reisen, um potentiell operationsbedürftige Patienten zu untersuchen.
1.3 Unklare Gewinnverteilung
Unklar blieb auch, ob der Gewinn entsprechend § 33 Abs. 2 S. 4 Ärzte-ZV nach dem Anteil der vom einzelnen Arzt persönlich erbrachten Leistungen verteilt werden sollte. Denn die Angaben der Ärzte vor Gericht wichen von der vertraglichen festgelegten Verteilung von je 1/3 ab. Besonders im Fall der Teil-BAG gilt aber, dass die nichtoperativ tätigen Ärzte am Gesamtergebnis (nur) in dem Verhältnis beteiligt werden dürfen, in welchem der Wert der von ihnen erbrachten konservativen Leistungen zum Wert der Gesamtleistungen steht. Aus Sicht des BSG deutete vieles darauf hin, dass die Ärzte 1 und 2 letztlich die Praxis des Arztes 3 gegen Zuweisung lukrativer Patienten subventionierten.
1.4 Keine klar nachvollziehbaren Verträge
Dass diese Fragen - und damit auch die Frage eines verbotenen Umgehungsgeschäfts - nicht zu klären war, geht aus Sicht des BSG zulasten der Ärzte. Der BSG warf den Ärzten zudem vor, dass dem Gesellschaftsvertrag nicht zu entnehmen war, welche (operativen) Leistungen im Einzelnen Gegenstand der teilweisen gemeinsamen Berufsausübung sein sollten. Den Ärzten war daher die Genehmigung zu Recht verweigert worden. Das BSG stellt klar, dass es die Aufgabe der Ärzte ist, die Verträge klar und nachvollziehbar zu gestalten und dass es ihnen nicht erlaubt ist, das vertragliche Konzept der Gewinnverteilung im Gerichtsverfahren grundlegend zu modifizieren.
2. Voraussetzungen für eine Teil-BAG
Damit lassen sich folgende Voraussetzungen für eine überörtliche Teil-BAG herausarbeiten: Gemeinsame Berufsausübung, Erbringung einzelner Leistungen, Definition der von den BAG-Partnern gemeinsam zu erbringenden Leistungen und eine klare und nachvollziehbare Verteilung von Gewinn und Verlust zwischen den BAG-Teilen.
PRAXISHINWEIS | Nicht vorausgesetzt wird, dass die Zusammenarbeit der Partner der Teil-BAG medizinisch erforderlich ist, um Patienten zu versorgen, die einer medizinischen Versorgung bedürfen. Zwar wird dies von § 15a Abs. 5 BMV-Ä gefordert. Diese Vorschrift ist aber aus Sicht des BSG nicht mit § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV als insoweit höherrangigem Recht vereinbar und damit unbeachtlich. |
2.1 Gemeinsame Berufsausübung
Es bedarf einer Zusammenarbeit der Teil-BAG-Partner im Sinne einer Schnittmenge der verschiedenen ärztlichen Tätigkeiten und Fähigkeiten. Diese Zusammenarbeit muss im Gesellschaftsvertrag konkret bezeichnet sein. Kontrollfrage: Ließe sich der Patient auch lediglich mittels einer schlichten Überweisung weiter versorgen? Wenn ja, dann liegt keine legale Teil-BAG vor, sondern eine verbotene Umgehung des Verbots der Zuweisung gegen Entgelt, mithin ein nach § 134 BGB unwirksames Umgehungsgeschäft.
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Schließen sich eine überwiegend, aber nicht ausschließlich diabetologisch tätige Fachärztin für Innere Medizin und ein Facharzt für Allgemeinmedizin, der überwiegend außerhalb der Diabetologie tätig ist - beide Ärzte nahmen am DMP Diabetes I und II teil - zu einer Teil-BAG „zum Zwecke der diabetologischen Versorgung inklusive Fußambulanz“ zusammen, so ist dies zu genehmigen (vgl. BSG 25.3.15, B 6 KA 21/14 R).
Möglich sind auch Kooperationen zwischen Radiologe und Kardiologe zur Erbringung von Schnittbilddiagnostik per Teleradiologie oder die Zusammenarbeit von Endokrinologen und Laborärzten. |
PRAXISHINWEIS | Denkbar wäre im vorliegenden Fall eine Gestaltung, wonach die Daten des Patienten telemedizinisch ausgetauscht werden und die Partner anschließend gemeinsam in einer telefonischen Besprechung entscheiden, ob und wie der Patient operiert werden soll. Dieser Entscheidungsfindungsprozess sollte dokumentiert werden. |
2.2 Einzelne Leistungen
Die Zusammenarbeit muss sich aus der Erbringung einzelner Leistungen der Teil-BAG-Partner zusammensetzen. Wo die Leistungen erbracht werden, ist bei der überörtlichen Teil-BAG ohne Belang und bedarf keiner vertraglichen Fixierung.
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Der konservativ tätige Arzt untersucht den Patienten mit grauem Star. Der operativ tätige Arzt operiert ihn. Aber: Die weitere (Nach-)Behandlung des Patienten darf dann nicht mehr Aufgabe der Teil-BAG sein. Diese Aufgabe muss der konservativ tätige Arzt in seiner Einzelpraxis erbringen und für diese abrechnen. Mit anderen Worten muss der Teil-BAG-Partner neben der Teil-BAG noch einen eigenständigen Versorgungsauftrag erbringen (vgl. BSG 25.3.15, B 6 KA 21/14 R). |
2.3 Definition der gemeinsamen Leistungen
Die Leistungen der Partner sind im Gesellschaftsvertrag genau zu beschreiben (z.B. Ärzte 1 und 2: Benennung bestimmter Arten von Operationen; Arzt 3: Benennung bestimmter Untersuchungen). Dabei ist es nicht erforderlich, die einzelnen EBM-Ziffern zu benennen. Es muss sich aber um mehr als eine Leistung handeln (vgl. BSG 25.3.15, B 6 KA 21/14 R).
2.4 Transparente und angemessene Gewinnverteilung
Es ist ausreichend und rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass der Gewinn der Teil-BAG zugeordnet wird durch die Leistungserbringerkennzeichnung in der Praxisabrechnungssoftware (vgl. BSG 25.3.15, B 6 KA 21/14 R). Um die Gewinnermittlung und -verteilung im Fall der Kooperation behandelnder und operierender Ärzte klar zu gestalten, sind folgende Schritte notwendig:
- Welche Leistungen nach EBM „ermöglicht“ die Kooperation als überörtliche Teil-BAG überhaupt erst? Vorliegend waren dies die Katarakt-Operationsleistungen. Ohne die Kooperation hätten die Ärzte 1 und 2 die Operationen an den Patienten des Arztes 3 nicht durchführen können. Die Einnahmen aus diesen Operationen sind also der eigentliche Gewinn der Teil-BAG.
- Der Gewinn ist so zu verteilen, dass die nichtoperativ tätigen Ärzte davon weniger profitieren als die operierenden Ärzte. Denn der konservativ tätige Arzt erbringt im Vergleich zu den operierenden Ärzten eine weniger einträglichere Leistung. Es erscheint daher sinnvoll, ihm einen geringeren Gewinnanteil zuzusprechen als den operierenden Ärzten. Sonst entsteht der Verdacht einer unerlaubten Zuweisung gegen Entgelt, der die Teil-BAG zu Fall bringen kann.
3. Fazit
Die sinnvolle Möglichkeit der Bildung einer legalen Teil-BAG zwischen behandelndem Arzt und Operateur ist aus Sicht des BSG „nicht völlig von der Hand zu weisen“. Die Skepsis des BSG ist aber spürbar. Daher wird die vertragliche Gestaltung in dieser Fallgruppe schwierig.
Ein gescheiterter Antrag auf Genehmigung einer Teil-BAG kann aber jederzeit - unter angepassten Bedingungen - neu gestellt werden. Überdies kann ein Antrag im laufenden Gerichtsverfahren auch insofern „nachgebessert“ werden, als z.B. die einzelnen gemeinsamen Leistungen in einer Ergänzungsvereinbarung zum Gesellschaftsvertrag definiert werden (vgl. BSG 25.3.15, B 6 KA 21/14 für den Fall der Kooperation zweier Hausärzte).