· Fachbeitrag · Existenzgründung
Rechtsformenwahl für Angehörige der Freien Berufe
von StB Catrin Stockhausen, Korbach
| Nach Angaben des Instituts für Freie Berufe waren 2011 in Deutschland ca. 1,15 Millionen Menschen freiberuflich tätig, die meisten von ihnen in den Heilberufen (30 %). Danach folgen die rechts-, wirtschafts- und steuerberatenden Berufe (27 %), die freien Kulturberufe (25 %) und die technischen und naturwissenschaftlichen Berufe (18 %). Wer sich als Freiberufler niederlassen will, dem stehen grundsätzlich alle Rechtsformen offen, sofern nicht berufsrechtliche Vorschriften die Wahlmöglichkeiten einschränken. Dieser Beitrag befasst sich nur mit rechtlichen und steuerlichen Überlegungen. |
1. Rechtliche Überlegungen
Im Folgenden sind die wesentlichen Vor- und Nachteile in Übersichten zusammengefasst.
1.1 Einzelunternehmen/-praxis
Das Einzelunternehmen bzw. die Einzelpraxis ist für viele Freiberufler nach wie vor die Rechtsform der Wahl, wenn es um die Gründung geht.
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Vorteile | Nachteile |
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1.2 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist sicherlich die flexibelste Rechtsform für die gemeinschaftliche Ausübung des freien Berufs.
Die GbR kann ohne aufwendige Formalität von mehreren Personen gegründet werden, die ein gemeinsames Ziel verfolgen. Zu beachten ist, dass für eine GbR kein schriftlicher Gesellschaftsvertrag nötig ist. Daher kann es den Akteuren unter Umständen gar nicht bewusst sein, dass sie gesellschaftsrechtlich als GbR verbunden sind. Wollen sie aber bewusst gemeinschaftlich handeln, so ist auf jeden Fall ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag zu empfehlen.
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Vorteile | Nachteile |
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1.3 Partnerschaftsgesellschaft
Zu einer Partnerschaftsgesellschaft (PartG) können sich ausschließlich Angehörige freier Berufe zusammenschließen. § 1 Abs. 2 PartGG nennt aus dem Heilberufebereich explizit u.a. folgende Adressaten dieser Rechtsform: Ärzte, Zahnärzte, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Hebammen, Heilmasseure, Diplom-Psychologen und ähnliche Berufe, unter die z.B. auch Heil- und Gesundheitsfachberufe (Physiotherapeuten, Logopäden etc.) zu subsummieren wären.
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Vorteile | Nachteile |
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PRAXISHINWEIS | Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung
Nach § 8 Abs. 4 PartGG können die Partner ihre Haftung für berufliche Fehler auf das Vermögen der Gesellschaft beschränken und stehen für berufliche Fehler nicht mehr mit ihrem Privatvermögen ein. Die Partnerschaftsgesellschaft selbst muss dann aber eine Berufshaftpflichtversicherung haben. Einzelheiten zur Versicherung (wie z.B. die Schadenssummen) sind im jeweiligen Berufsrecht geregelt und können von Berufsgruppe zu Berufsgruppe variieren.
Mit Einführung der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung wurde schon das Berufsrecht für Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater sowie Wirtschaftsprüfer dahingehend angepasst. Anpassungen im Berufsrecht der anderen freien Berufe wurden offenbar auch ein Jahr nach Inkrafttreten (19.7.13) nicht vorgenommen.
Die Verpflichtung eines Partners, eine Berufshaftpflichtversicherung für sich selbst zu unterhalten, bleibt bei den genannten Berufsgruppen neben der Versicherung der Partnerschaft bestehen (Römermann/Praß, NZG 12, 601). |
1.4 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Der große Vorteil der GmbH liegt in der Haftungsbegrenzung. Der/die Gesellschafter haftet/n nicht mit ihrem Privatvermögen. Gegenüber Banken ist die Haftungsbegrenzung allerdings theoretischer Natur. Damit ist diese Rechtsform vor allem für besonders risikoreiche Unternehmen erwägenswert. Auch können Gesellschafterstellung und Geschäftsführung getrennt werden, was unter Umständen von Vorteil sein kann.
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Vorteile | Nachteile |
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PRAXISHINWEIS | Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)
Die in § 5a GmbHG geregelte UG ist keine neue Rechtsform. Sie ist vielmehr eine GmbH mit einem geringeren Stammkapital (mindestens 1 EUR) und mit einem besonderen Rechtsformzusatz. Auch die Gründungsformalitäten sind im Großen und Ganze dieselben wie bei der GmbH. Allerdings sind die Kosten i.d.R. geringer.
Im Gegenzug dafür, dass die Stammeinlage (nahezu) beliebig gering ausfallen kann, müssen jährlich mindestens 25 % des Jahresüberschusses in eine Rücklage eingestellt werden. Wenn die angesammelte Rücklage zusammen mit dem ursprünglichen Stammkapital 25.000 EUR (Mindestkapital nach § 5 Abs. 1 GmbHG) erreicht hat, können die Gesellschafter nach § 57c GmbHG einen Kapitalerhöhungsbeschluss fassen. |
2. Steuerliche Überlegungen/Vergleichsrechnung
Die grundlegende steuerliche Vorschrift ist § 18 EStG. Danach gehören zu der freiberuflichen Tätigkeit u.a. die selbstständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten sowie die selbstständige Tätigkeit ähnlicher Berufe. Die freien Berufe sind grundsätzlich nicht gewerbesteuerpflichtig, außer die Gewerbesteuerpflicht ergibt sich aus der Gesellschaftsform (GmbH) oder ist das Ergebnis einer konkreten Berufsausübung des Steuerpflichtigen, die nicht mit § 18 EStG vereinbar ist.
2.1 Gewerbliche Einkünfte wider Willen
Freiberufliche Einkünfte sind dadurch gekennzeichnet, dass die Leistungen unmittelbar, persönlich und individuell erbracht werden, wobei sich der Leistungserbringer auch fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedienen kann. Voraussetzung ist, dass der Freiberufler weiterhin aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig bleibt (Stempeltheorie). Leitende Tätigkeit bedeutet, dass der Inhaber den Tätigkeitsbereich organisiert und Leitlinien für die Durchführung der Tätigkeiten festlegt sowie deren Durchführung und grundsätzliche Fragen selbst entscheidet. Eigenverantwortlichkeit erfordert, dass die persönliche Teilnahme des Inhabers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist und dass der Inhaber für jede Leistung die Verantwortung trägt (Michels/Ketteler-Eising, PFB 08, 226).
Mit der Eröffnung einer Niederlassung kann die Überwachungstätigkeit und die Eigenverantwortlichkeit des Inhabers nicht mehr gewährleistet sein, wenn Leistungen durch Angestellte erbracht werden, ohne dass deren Tätigkeit durch den Praxisinhaber jederzeit überprüft werden kann. In solch einem Fall sollte man einen Berufsträger besser zum Mitgesellschafter machen.
Stellt beispielsweise ein konservativer Orthopäde eine Chirurgin ein, entsteht Gewerbesteuerpflicht, da der konservative Orthopäde kraft Ausbildung nicht in der Lage ist, ihre Arbeit zu überwachen oder sie gar zu vertreten. Auch hier bleibt wohl nur als Ausweg die Gründung einer Gemeinschaftspraxis.
Ein Praxisshop führt ebenfalls zu gewerblichen Einkünften, die die gesamten Einkünfte einer Gesellschaft gewerblich infizieren können (Ziegler, PFB 11, 239). Zwar wird ein geringer Anteil von nicht mehr als 1,25 % des Gesamtumsatzes als unschädlich angesehen. Diese Grenze ist jedoch in der Diskussion (Göttsching/Bingel, PFB 12, 183). Mit einer beteiligungsidentischen Schwestergesellschaft oder mit dem Betrieb des Praxisshops im Sonderbetriebsvermögen nur eines Gesellschafters stehen aber Gestaltungsalternativen zur Verfügung.
Bei einer Gründung mit mehreren Partnern ist darauf zu achten, dass alle Gesellschafter die freiberufliche Qualifikation haben. Bereits ein „Nicht“-Freiberufler mit gewerblichen Einkünften macht die ganze Unternehmung zum Gewerbebetrieb.
2.2 Anrechnung der Gewerbesteuer
Um die Belastung von Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften mit Gewerbesteuer zu kompensieren, wird eine pauschale Gewerbesteueranrechnung durchgeführt. Die anteilig auf die gewerblichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer wird um das 3,8-Fache (bis 31.12.07: 1,8-Fache) des Gewerbesteuermessbetrags reduziert. Allerdings muss der gewerbesteuerliche Gewinn erst den Freibetrag von 24.500 EUR übersteigen. Bei einem Spitzensteuersatz von 45 % und einem Hebesatz von etwa 400 % wird eine volle Entlastung erreicht. Bei darüber liegenden Hebesätzen entsteht eine Belastung mit Gewerbesteuer. § 35 Abs. 1 S. 2 EStG schreibt vor, dass der Entlastungshöchstbetrag nicht höher sein darf als die geminderte tarifliche Steuer, gewichtet mit dem Quotienten aus der Summe der positiven gewerblichen Einkünfte (Zähler) und der Summe aller positiven Einkünfte (Nenner).
PRAXISHINWEIS | Unklar ist, ob die Summen vor einer horizontalen Verlustverrechnung oder danach anzusetzen sind. Zumindest für den Nenner lässt das FG Münster (13 K 4566/10 E, Rev. BFH III R 7/14) eine Saldierung positiver und negativer Einkünfte mehrerer Quellen in derselben Einkunftsart zu und stellt sich so gegen die Auffassung des BMF (24.2.09, IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl I 09, 1440). |
§ 35 EStG können unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Personen beanspruchen, die als Einzelunternehmer (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG) tätig sind oder als Mitunternehmer an einer Personengesellschaft bzw. als persönlich haftende Gesellschafter an einer KGaA (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 EStG) beteiligt sind. Kapitalgesellschaften können die Gewerbesteuer nicht anrechnen.
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Der Steuerpflichtige erzielt in Variante 1 ausschließlich gewerbliche Einkünfte i.H. von 100.000 EUR. In Variante 2 erzielt er ausschließlich freiberufliche Einkünfte.
Der Gewerbemessbetrag beträgt 2.643 EUR (Gewinn [100.000 EUR] ./. Freibetrag [24.500 EUR] = 75.500 EUR x 3,5 %). Bei einem Hebesatz von 400 % beträgt die zu zahlende Gewerbesteuer damit 10.570 EUR. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Tendenziell wird also durch die Anrechnung der Gewerbesteuer bei der Einkommensteuer eine Doppelbelastung mit beiden Steuern vermieden. |
2.3 Vergleich der steuerlichen Belastung
In der Gründerberatung erlebt man häufig, dass Mandanten eine ausgeprägte Vorliebe für die GmbH haben. Das wird mit dem Haftungsvorteil begründet oder damit, dass die Rechtsform GmbH am Markt mehr hermache. Und auch steuerlich sei die GmbH ja vorteilhafter, weil man z.B. das eigene Gehalt als Geschäftsführer als Betriebsausgabe geltend machen könne. Um in der Beratung zu einem rationalen Ergebnis zu kommen, hilft am besten eine Vergleichsrechnung. Das folgende Beispiel beleuchtet zwei Szenarien für einen ledigen Gründer: die Gründung einer Einzelpraxis und alternativ die Gründung einer GmbH (mit Vollausschüttung und vollständiger Thesaurierung).
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Unterstellt sei ein vorläufiger Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit (100.000 EUR). Bei der GmbH ist noch das Geschäftsführergehalt (60.000 EUR) abzuziehen. Ferner wird davon ausgegangen, dass der Steuerpflichtige ledig ist, keine Kinder hat und keine Kirchensteuer zahlt. Positionen wie Sonderausgaben etc. bleiben unberücksichtigt. Auf einen Vergleich mit dem Teileinkünfteverfahren wird verzichtet.
*GewSt = 5.600 EUR, KSt = 6.000 EUR, SolZ = 330 EUR
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Steigt ‒ wie in Tabelle 3 ‒ der Gewinn der Einzelpraxis, steigt wegen des progressiven Einkommensteuersatzes auch die Steuerbelastung. Hingegen sind der Körperschaftsteuersatz und der Abgeltungsteuersatz konstant. Tendenziell nimmt dadurch der Vorteil der Einzelpraxis ab. Aber selbst bei einer Verdoppelung des Gewinns ist die Einzelpraxis noch vorteilhaft. Auch gilt es wieder, die liquiditätsmäßigen Auswirkungen zu beachten.
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*GewSt = 19.600 EUR, KSt = 21.000 EUR, SolZ = 1.155 EUR
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3. Abschließende Bemerkungen
Insbesondere in der Gründungssituation ist die GmbH für den Freiberufler nicht unbedingt die richtige Rechtsform. Zahlt er sich z.B. als Geschäftsführer ein Gehalt, fällt bereits Lohnsteuer an, ohne dass die Gesellschaft Gewinn gemacht hätte. Für die flexiblere Einzelpraxis (im Gegensatz zur GmbH) spricht ferner, dass die Jahresabschluss-, Deklarations- und Veröffentlichungskosten deutlich höher sind als bei einer Einzelpraxis. Auch können Anfangsverluste aus der freiberuflichen Tätigkeit mit anderen einkommensteuerlichen Einkünften im Jahr der Entstehung verrechnet werden, was bei der GmbH nicht möglich ist.
Schließlich ist bei der GmbH auf das Risiko der verdeckten Gewinnausschüttung hinzuweisen. Gewährt die GmbH ihrem Gesellschafter oder nahestehenden Personen einen Vorteil, liegt eine vGA (und nicht wie bei einer Einzelpraxis oder in einer Personengesellschaft eine gewinnneutrale Entnahme) vor. Die GmbH kann für den gewährten Vorteil keine Betriebsausgaben ansetzen, der Empfänger muss dennoch in Höhe des Vorteils Kapitaleinnahmen versteuern. In der Praxis werden oft Darlehens-, Miet- oder Lohnvereinbarungen sowie Pensionszusagen als verdeckte Gewinnausschüttungen eingestuft, wenn die Konditionen zwischen GmbH und Gesellschafter-Geschäftsführer unter fremden Dritten nicht üblich sind. Auch die Pkw-Nutzung oder eine Zuwendung unter Preis kann eine verdeckte Gewinnausschüttung auslösen.
Weiterführende Hinweise
- Existenzgründung und freie Berufe (Begleitbroschüre zum eTraining des BMWT)
- Gründungsberatung: In fünf Phasen zur Praxiseröffnung (Teil I bis IV) (Nies/Nies/Michels, PFB 10, 132; PFB 10, 184; PFB 10, 329; Rehborn/Renger, PFB 11, 16)
- Rechtsformenwahl: Die Partnerschaftsgesellschaft im Vergleich (Lindenau/Spiller, PFB 06, 169)
- Rechtsformenwahl: Eignet sich die Unternehmergesellschaft für Heilberufler? (David, PFB 10, 212)
- Rechtsformenwahl: Die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung ‒ Allheilmittel für Freiberufler? (George/Schmolinske/Wiedenhaupt, PFB 13, 342)
- Gewerbesteuer: Anstellung von Ärzten in der Praxis (Michels/Ketteler-Eising, PFB 08, 226)
- Einkünftequalifizierung: Steuerliche Fallstricke bei der Anstellung von (Zahn-)Ärzten (Paschhoff, PFB 13, 304)
- Berufsausübungsgemeinschaft: Gewerbliche Infizierung der Einkünfte (Göttsching/Bingel, PFB 12, 183)
- Zahnarztpraxis: Organisation und Betrieb eines Praxisshops (Ziegler, PFB 11, 239)