· Fachbeitrag · Gestaltungsüberlegung
Beschäftigung von nicht angestellten Ärzten im Krankenhaus
von RA Dietmar Sedlaczek, FA StR, FA MedR, www.sps-steuerrecht.de, Berlin
| Die Beschäftigung von Honorarärzten in Krankenhäusern scheitert zunehmend daran, dass Honorarärzte qua Einbindung in den Stationsbetrieb als sozialversicherungspflichtig gelten. Dennoch sind Krankenhäuser auf freie ärztliche Mitarbeit angewiesen. Welche Gestaltungsmöglichkeiten bleiben also nach dem Ende des Honorararztes als freiem Mitarbeiter? Der Autor schlägt vor, eine ärztliche Dienstleistungs-GmbH zu gründen, die sich gegenüber dem Krankenhausträger verpflichtet, in dem im Kooperations- oder Dienstleistungsvertrag definierten Umfang ärztliche Dienstleistungen zu erbringen. |
1. Das Problem der Krankenhäuser und seine Lösung
Krankenhäuser müssen auch auf Ärzte zugreifen, die nicht in den normalen Klinikbetrieb eingegliedert sein wollen oder können, um ihren Versorgungsauftrag zu erfüllen. Dabei haben die Kliniken, was die Regelversorgung des Krankenhauses angeht, das Problem, dass sie nicht genug Ärzte finden. Das hat verschiedene Ursachen. Junge Ärzten wollen sich z. B. nicht der „Tretmühle“ Krankenhaus unterwerfen oder sie sehen in der Honorararzt-Tätigkeit eine Möglichkeit die Work-Life-Balance ausgewogener zu gestalten. In Einzelfällen, wenn es um Spezialleistungen geht, die das Krankenhaus nicht vollschichtig vorhalten kann, hat aber auch das Krankenhaus ein Interesse daran, die Ärzte nur anlassbezogen zu beschäftigen. Daneben besteht für die Krankenhausleitung stets das Risiko, nicht nur in erheblichem Umfang Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen zu müssen, sondern auch das Risiko, dass der kaufmännische und ärztliche Leiter strafrechtlich wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen belangt werden.
PRAXISHINWEIS | Der (sozial-)rechtliche Hintergrund wurde zuletzt in mehreren Beiträgen in der PFB vertieft (vgl. die weiterführenden Hinweise am Ende dieses Beitrags). Insofern sei an dieser Stelle nur noch einmal darauf hingewiesen, dass für Konsiliarärzte, die nur im Einzelfall herangezogen werden, und bei Notärzten eine differenzierte Betrachtung erforderlich ist (vgl. Sedlaczek, PFB 16, 272). |
Es stellt sich also die Frage, wie man den unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung tragen und strafrechtliche Risiken sowie die Risiken, in großem Umfang Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen zu müssen, begegnen könnte. Bei der Gestaltung eines solchen Vorhabens müssen folgende Rechtsthemen im Blick behalten werden:
- 1. Leistungserbringung durch nicht festangestellte Ärzte (KHEntgG)
- 2. Abrechenbarkeit von Wahlleistungen (= Liquidationsrecht der Chefärzte, KHEntgG)
- 3. Scheinselbstständigkeit und Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen
- 4. Schwierigkeiten nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
- 5. umsatzsteuerrechtliche Probleme
- 6. Strafrechtliche Aspekte, Verbot der Zuweisung gegen Entgelt/Bestechlichkeit §§ 299a und b StGB
Die Lösung könnte darin liegen, eine ärztliche Dienstleistungs-GmbH zu gründen, die sich gegenüber dem Krankenhausträger verpflichtet, in dem im Kooperations- oder Dienstleistungsvertrag definierten Umfang ärztliche Dienstleistungen zu erbringen. Im Rahmen des Dienstleistungsvertrags verpflichtet sich die GmbH, zu bestimmten Zeiten in bestimmtem Umfang durch wechselnde Personen, die nicht individualisiert sind, aber die notwendige ärztliche Qualifikation mitbringen müssen, Dienstleistungen zu erbringen. Beispielsweise verpflichtet sich eine GmbH, in erforderlichem Umfang Anästhesisten nach dem mit der Klinik abzustimmenden Operationsplan zu stellen, ebenso ist auch denkbar, dass Operateure oder auch Ärzte für den Stationsbetrieb zur Verfügung gestellt werden müssen. Diese Lösung möchte ich im Folgenden ‒ jeweils aus Sicht der vorgenannten Rechtsgebiete ‒ näher beleuchten.
2. Leistungserbringung durch nicht angestellte Ärzte
Trotz des eindeutigen Wortlauts in § 2 Abs. 1 KHEntgG, wonach die ärztliche Behandlung auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte erbracht werden kann, halten Teile der sozialgerichtlichen Rechtsprechung an der Auffassung fest, dass die Krankenhausleistungen regelmäßig nur durch angestellte Ärzte erbracht werden können.
2.1 Rechtsprechung des BSG
Soweit erkennbar, ist das letzte zu dieser Frage ergangene Urteil die Entscheidung des BSG (17.11.15, B 1 KR 12/15 R). Sie erging allerdings zu der Fassung von § 2 Abs. 1 KHEntgG von 2012, in der der Zusatz, dass die Krankenhausleistungen auch durch nicht angestellte Ärzte erbracht werden können, noch nicht enthalten war. Dies erwähnt das BSG in seinem Urteil ausdrücklich, stellt aber für den zur Entscheidung vorliegenden Sachverhalt aus dem Jahre 2006 fest, dass zumindest 2006 allgemeine Krankenhausleistungen nur durch fest angestellte Ärzte erbracht werden können. Unter Tz. 17 der Begründung stellt es gerade die geänderte Rechtslage ab 1.1.13 als Ausformung des gesetzgeberischen Willens dahin dar, dass bis zum 1.1.13 der Gesetzgeber die allgemeinen Krankenhausleistungen nur durch fest angestellte Ärzte erbringen lassen wollte.
PRAXISHINWEIS | Ausdrücklich offen lässt das Sozialgericht ‒ da nicht entscheidungserheblich ‒, ob nach der neuen Rechtslage auch nicht fest angestellte Ärzte (Honorarärzte) allgemeine Krankenhausleistungen erbringen können. Es nimmt weiter Bezug auf die §§ 108 SGB V und 111 SGB V, in denen die strikte Trennung zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung im SGB V aufgelockert wird und eine bessere Kooperation zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung zugelassen wird. |
In der Politik und vonseiten der Ärzte- und Patientenvertreter wird seit langem gefordert, dass die strikte Trennung zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor aufgehoben werden muss und dass die Kooperation zwischen beiden Sektoren erlaubt sein muss, damit die Patienten besser aus der ambulanten Versorgung in die stationäre Versorgung hinein transferiert und auch wieder zurück transferiert werden können.
Das BSG zieht in dem genannten Urteil den Schluss, dass Ärzte seitdem als Vertragsärzte und Unternehmer aber auch als angestellte Ärzte in Krankenhäusern arbeiten können. Eine Tätigkeit im Krankenhaus bewirkt keine Ungeeignetheit für die daneben ausgeübte vertragsärztliche Tätigkeit i. S. von § 20 Abs. 2 ÄrzteZV mehr.
Dieser Satz bedarf der Erläuterung. Das BSG hat in dem Urteil darauf abgestellt, dass nach den früheren Fassungen des SGB V und der Ärztezulassungsverordnung den zugelassenen Vertragsärzten nur im geringen Umfang anderweitige Tätigkeiten erlaubt waren, halbe Versorgungsaufträge kannten die Ärztezulassungsverordnung und das SGB V lange nicht. Durch die Änderung der Rechtslage sieht sich das BSG gehindert, an dem Dogma der strikten Trennung zwischen der Tätigkeit im ambulanten oder stationären Sektor weiter festzuhalten.
ZWISCHENFAZIT | Aus dem Urteil des BSG und der geänderten Rechtslage ist m. E. zu folgern, dass der „Glaubenssatz“, Krankenhäuser dürften ihre Leistungen nur durch angestellte Ärzte erbringen, nicht weiter aufrecht erhalten werden kann. In der Beratung der Mandanten muss aber darauf hingewiesen werden, dass nach den bisher bekannt gewordenen Urteilen ein Risiko besteht, dass die sozialgerichtliche Rechtsprechung an dieser Rechtsauffassung festhält. |
2.2 Konsequenzen dieser Rechtsauffassung
Beleuchten wir kurz die Konsequenzen, die sich aus einer Perpetuierung der Rechtsauffassung ergeben, die allgemeinen Krankenhausleistungen dürften nur durch festangestellte Ärzte erbracht werden.
Zum einen sind keinerlei Fälle bekannt geworden, dass die Aufnahme eines Krankenhauses in den Krankenhausbedarfsplan und damit die Erlaubnis, Leistungen zu Lasten der Kostenträger abzurechnen, durch derartige Konstruktionen gefährdet sind. Soweit ersichtlich findet sich auch in der Literatur keinerlei Hinweis auf eine derartige Konsequenz. Entschieden sind Fälle, in denen die Kostenträger die Leistungen für die Operationen samt Nebenleistungen (DRGs) nicht zahlen wollten und die Prozesse gegen die Kostenträger auf Zahlung der DRGs deswegen verloren gingen, weil die Leistungen durch nicht angestellte Ärzte erbracht worden sind. Allerdings ergingen diese Urteile alle zu Konstellationen, die vor der Änderung des KHEntgG zum 1.1.13 vorlagen.
Auch daraus ist m.E. zu schließen, dass das Risiko, das Krankenhausträger durch die Beschäftigung von nicht angestellten Ärzten eingehen, auf das statistisch nicht zu vermeidende Mindestmaß reduziert worden ist.
3. Abrechenbarkeit von Wahlleistungen
Ebenfalls ist § 17 Abs. 3 KHEntgG zu beleuchten, denn zu den Krankenhausleistungen gehören auch die wahlärztlichen Leistungen (= Liquidationsrecht der Chefärzte).
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„Eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen erstreckt sich auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen im Rahmen der vollstationären und teilstationären sowohl einer vor- und nachstationären Behandlung (§ 115a SGB V) sozial berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses; darauf ist in der Vereinbarung hinzuweisen.“ |
Auf die Details der Probleme, die mit den Wahlleistungsvereinbarungen verbunden sind, soll hier nicht weiter eingegangen werden. Es ist aber wichtig, dass Wahlleistungsvereinbarungen nur mit angestellten oder beamteten Ärzten geschlossen werden können. Eine Wahlleistungsvereinbarung oder eine Privatliquidation durch nicht im Krankenhaus festangestellte Ärzte ist nach dem eindeutigen Wortlaut nicht möglich.
Zu dieser Frage sind einige Entscheidungen des BGH ergangen (so z.B. BGH 16.10.14, III ZR 85/14). Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, dass ein zugelassener Vertragsarzt (Neurochirurg) Bandscheibenoperationen im Krankenhaus erbracht hat, ohne dort angestellt zu sein. Bei Privatpatienten hat der Neurochirurg wie ein Chefarzt seine Leistungen nach GOÄ unter Beachtung der Regelungen der GOÄ liquidiert. Die Versicherung des Patienten wollte diese Leistungen nicht zahlen. Der BGH hat entschieden, dass der Arzt weder beamtet noch angestellt war und deswegen die gesetzlichen Voraussetzungen für das Liquidationsrecht eines Chefarztes nicht vorliegen.
Die Entscheidung war auch Gegenstand des Nichtannahmebeschlusses des BVerfG (3.3.15, 1 BVR 3226/14). Es nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, da ein Eingriff in Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) nicht dargelegt und nicht erkennbar sei. Die Divergenz zwischen § 2 Abs. 1 KHEntgG (nicht festangestellte Ärzte) und § 17 Abs. 3 (festangestellte oder beamtete Ärzte) stelle keinen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit dar, sondern sei vom gesetzgeberischen Ermessen gedeckt. Am Rande sei nur kurz erwähnt, dass der Neurochirurg keine Wahlleistungsvereinbarung mit Privatpatienten getroffen hat und auch nicht namentlich genannt war. Das sind weitere gesetzliche Voraussetzungen, die in dem entschiedenen Fall nicht beachtet worden sind.
Diese beiden Entscheidungen sowie weitere Urteile des BGH befassen sich mit der Frage, wie Honorarärzte Leistungen, die sie im Rahmen der Klinik als Wahlleistungen (vgl. § 2 Abs. 1 KHEntgG) erbringen, abgerechnet werden können.
Weder das BVerfG noch der BGH problematisieren die Frage, ob die Leistungserbringung von Krankenhausleistungen (auch allgemeinen Krankenhausleistungen) durch nicht fest angestellte Ärzte überhaupt zulässig ist. Das BVerfG zitiert unter Tz. 14 der Entscheidungsgründe die Definition des Honorararztes aus der medizinrechtlichen Fachliteratur: „Ein Honorararzt erbringt aufgrund eines Dienstleistungsvertrags im stationären oder ambulanten Bereich des Krankenhauses ärztliche Leistungen für den Krankenhausträger, ohne bei diesem angestellt oder als Belegarzt oder Konsiliararzt tätig zu sein.“ Das BVerfG problematisiert in seinem Beschluss mit keinem Wort die Frage, ob die Erbringung von Krankenhausleistungen durch Honorarärzte überhaupt zulässig ist.
ZWISCHENFAZIT | Aus der unkritischen Übernahme der Definition aus der medizinrechtlichen Fachliteratur darf m. E. geschlossen werden, dass die Kammer des BVerfG die Frage nicht als problematisch ansieht, sondern es als mit der Rechtslage in Übereinstimmung stehend ansieht, wenn Krankenhäuser ihre Leistungen durch Honorarärzte erbringen. Ferner gibt es die neue Rechtslage seit dem 1.1.13 eindeutig her, dass Krankenhausträger ohne Risiken ihre allgemeinen Krankenhausleistungen auch durch nicht angestellte Ärzte erbringen lassen können. Wahlleistungen dürfen allerdings nur durch beamtete oder angestellte Ärzte erbracht und abgerechnet werden. |
4. Scheinselbstständigkeit und Vorenthalten von Sozialversicherungsentgelt
Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen einem sozialversicherungspflichtigen und einem freien Dienstverhältnis eine Reihe von Kriterien aufgestellt. Losgelöst von der Kritik, die man an dieser Definition des BSG üben kann (Sedlaczek, PFB 16, 272), muss unter Beachtung der derzeitigen Rechtslage bei Gestaltungsüberlegungen davon ausgegangen werden, dass die Kriterien weiter Anwendung finden und die Eingliederung des Arztes in den Klinikbetrieb regelmäßig zur Annahme eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses führt.
4.1 Kriterien und deren Anwendung
Die Kriterien werden unterschiedlich gewichtet und bei Heilberufen, aber auch bei anderen freien Berufen, dahin spezifiziert, dass die Eingliederung in den Betriebsablauf sich zur „funktionsgerechten dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert. Unter Anwendung dieser Grundsätze kommt man bei Ärzten, die in den Operationsbetrieb einer Klinik eingebunden sind oder die in den normalen Stationsdienst einer Klinik eingebunden sind, regelmäßig zu dem Schluss, dass es sich um nicht selbstständige Beschäftigungsverhältnisse handelt.
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4.2 Die Kriterien bei einer Dienstleistungsgesellschaft
Anders sieht es aus, wenn nicht der einzelne Arzt mit der Klinik einen Vertrag schließt, dass er persönlich sich verpflichtet, Dienstleistungen zu erbringen. Verpflichtet sich hingegen ein Dienstleistungsunternehmen, bestimmte Dienstleistungen im von der Klinik anzufordernden Umfang zur Verfügung zu stellen, geht es gerade nicht darum, dass eine bestimmte Person zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort dem Weisungsrecht des nach der Klinikhierarchie Vorgesetzten unterliegend tätig wird. Vielmehr sorgt der Dienstleister dafür, dass eine zur Dienstleistung hinreichend qualifizierte Person zu der angeforderten Zeit am angeforderten Ort die Dienstleistung erbringt (Anästhesist oder Operateur am OP-Tisch).
PRAXISHINWEIS | Wichtig ist, dass es allenfalls ein fachliches Weisungsrecht gibt, das die Meinungs- und Hierarchiefreiheit des behandelnden Arztes nicht einschränkt, dass aber ein sonstiges Direktionsrecht in der Hierarchie der Klinik nicht besteht. Es darf nur ein sonstiges Direktionsrecht des Dienstleistungsverpflichteten (vereinfacht ausgedrückt, des Geschäftsführers und seiner nachgeordneten Führungskräfte der Dienstleistungs-GmbH) gegeben sein. Wichtig ist auch, dass der Dienstleister sich nicht verpflichtet, stets eine bestimmte Person zur Verfügung zu stellen, sondern nur qualifiziertes Personal nach Bedarf und Notwendigkeit. |
In der hier vorgeschlagenen Lösung sind die Ärzte sozialversicherungspflichtig in der Dienstleistungs-GmbH angestellt, die darüber hinaus nicht nur für eine Klinik, sondern auch für andere Kliniken und andere ambulante Operateure Anästhesiedienstleistungen erbringt. Das Besondere an der Konstruktion ist, dass nicht die Zurverfügungstellung einer bestimmten Person geschuldet wird, sondern die Zurverfügungstellung einer unbestimmten Person (Vielzahl von Behandlern). Auch wechselnde Behandler an einem Tag, die nur die fachlich erforderlichen Voraussetzungen mitbringen, sind denkbar.
Die Konstruktion ist vergleichbar mit Dienstleistern im Krankenhaus, die die Reinigungsdienstleistung der Räume, die Zurverfügungstellung der Kleidung und Wäsche sowie das Catering übernehmen. In diesem Fällen sind auch keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse zwischen den in der Klinik tätigen Angestellten der Fremdfirmen begründet oder vermutet, sondern die Beschäftigungsverhältnisse bestehen mit dem Dienstleister, der die Personen zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung anweist, beim Dienstnehmer tätig zu werden. Auch wenn die Parallele zu einem Reinigungs- oder Catering-Unternehmen zunächst befremdet, ist es unter sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten kein Unterschied.
Folgende weitere Kriterien sprechen gegen ein sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis der tätigen Ärzte mit dem Krankenhaus. In dem zur Gestaltung anstehenden Fall war es so, dass zahlreiche Ärzte nur reduziert und nur zu bestimmten Zeiten bereit oder in der Lage waren, ihre ärztliche Tätigkeit auszuüben und dass der Dienstleister eine Vielzahl von fachlich gleich qualifizierten Ärzten als Arbeitnehmer beschäftigt, die er je nach Arbeitszeitwunsch der tätigen Behandler und Anforderungen der Dienstgeber (Kliniken und ambulante Operateure) zur Verfügung gestellt hat. Im Einzelfall führt es auch dazu, dass derselbe Operateur oder dieselbe Klinik in demselben Operationssaal nacheinander verschiedene Anästhesisten zur Verfügung gestellt bekamen, da aufgrund der Arbeitszeitwünsche der beim Dienstleister angestellten Ärzte die ärztliche Dienstleistung nur so dargestellt werden konnte. Die Konstruktion ergibt, dass nicht immer eine individuell bestimmte ärztliche Persönlichkeit an demselben Standort tätig wird, sondern dass wechselnde Individuen an demselben Standort die ärztliche Dienstleistung erbringen. Damit liegt keine dauerhafte Eingliederung dieser einzelnen Personen in den Betrieb der Klinik oder des Operationszentrums vor, sondern eingebunden ist der Arzt in den Betrieb des Dienstnehmers.
ZWISCHENFAZIT | Aufgrund des Dienstverhältnisses gegenüber dem Dienstnehmer und der wechselnden Einsatzorte und der wechselnden Personen ist m. E. eine Einbindung in den Betrieb der Klinik oder des Operationszentrums nicht gegeben und somit liegt auch kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor. Aufgrund der fehlenden Qualifizierung der Tätigkeit der bei der Dienstleistungs-GmbH angestellten Ärzte in der Klinik oder im OP-Zentrum als versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis entfällt auch das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung der verantwortlichen Personen in der Klinik. |
5. Arbeitnehmerüberlassung
Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen (§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG). Ausgehend vom reinen Wortlaut könnte man auf die Idee kommen, dass die hier entwickelte Konstruktion durchaus eine Arbeitnehmerüberlassung i. S. des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes darstellt. Allerdings fehlt die Komponente Weisungs- und Direktionsrecht (übertragen von dem ursprünglichen Arbeitgeber) auf den Entleiher.
PRAXISHINWEIS | Hier ist bei der Konstruktion dringend zu beachten, dass der Dienstnehmer (Klinik) kein Weisungsrecht hinsichtlich der in seinem Haus tätigen Ärzte des Dienstnehmers hat, sondern dieses bei dem Dienstnehmer verbleibt. |
Schon die Hinweise der Arbeitsagentur (www.arbeitsagentur.de/pdf/1463061728463) schließen eine Arbeitnehmerüberlassung aus, wenn ein selbstständiger Dienstleistungsvertrag vorliegt. Die Arbeitsagentur schreibt unter 3. der Hinweise: „Ein selbstständiger Dienstvertrag liegt nur vor, wenn der dienstleistende Unternehmer die Dienste unter eigener Verantwortung ausführt (Organisation der Dienstleistung, zeitliche Disposition, Zahl der Erfüllungsgehilfen, Eignung der Erfüllungsgehilfen usw.). Das bedeutet, dass die Erfüllungsgehilfen in Bezug auf die Ausführung der zu erbringenden Dienstleistung im Wesentlichen frei von Weisungen seitens Arbeitgeberrepräsentanten des Drittbetriebes sind und ihre Arbeitszeit selbst bestimmen können.“
So liegt die Konstellation im vorliegenden Fall. Die GmbH verpflichtet sich, eine Vielzahl von Erfüllungsgehilfen vorzuhalten und diese nach Bedarf der Klinik und der anderen Operationszentren so zur Verfügung zu stellen, dass die Operationen planmäßig durchgeführt werden können. Es liegt ein Dienstleistungsvertrag vor, da gerade nicht die Überlassung eines bestimmten Arbeitnehmers unter Eingliederung in den Betrieb des Entleihers geschuldet wird, sondern die Erbringung einer fachlich qualifizierten Dienstleistung nach Absprache und Notwendigkeit mit dem Operationsplan des Klinikums.
Von den von der Arbeitsagentur aufgestellten Kriterien ist allenfalls das Kriterium Selbstbestimmbarkeit der Arbeitszeit infrage zu stellen. Denn tatsächlich ist es so, dass im Bereich der Stationsdienste und im Bereich der Operationen alle Beteiligten (Operateure, Anästhesisten, OP-Pfleger und sonstige tätige Personen) zur selben Zeit am selben Ort sein müssen, ansonsten kann die Operation nicht durchgeführt werden, ebenso ist die Versorgung der Patienten auf der Station nicht sichergestellt, wenn der Dienstleister nicht zu einer bestimmten Zeit einen fachlich qualifizierten Arzt zur Verfügung stellt.
PRAXISHINWEIS | Die Hinweise der Bundesagentur sind aber nicht so zu verstehen, dass die Tatsache, dass der Dienstnehmer seine Arbeitnehmer verpflichtet, ihre Dienste zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten zu erbringen, mangels Selbstbestimmung der Arbeitszeit zur angestellten Tätigkeit des Arztes in der Klinik führt. Die Arbeitnehmer des Dienstnehmers sind (zweifelsfrei) bei diesem sozialversicherungspflichtig angestellt. |
6. Umsatzsteuer
Bekanntlich sind Heilbehandlungen grundsätzlich umsatzsteuerfrei, das gilt vor allen Dingen dann, wenn eine unmittelbare Behandlungsbeziehung zwischen dem Patienten und dem Arzt besteht. Es ist vorliegend so, dass der Arzt als Arbeitnehmer des Dienstnehmers tätig wird und der Dienstnehmer im Verhältnis zur Klinik die Leistung erbringt. Bei einer strengen Auslegung des deutschen Umsatzsteuergesetzes fehlt es also an der unmittelbaren Beziehung zwischen dem Arzt und dem Patienten, sodass eine umsatzsteuerbefreite Heilbehandlung nicht vorliegt.
Allerdings hat der BFH (dem EuGH folgend) im Fall des Infektionshygienikers (BFH 5.11.14, XI R 11/13, PFB 15, 63) entschieden, dass eine selbstständige Leistungsbeziehung zwischen einem Dienstnehmer und dem Klinikum dann der Umsatzsteuerbefreiung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie unterfällt, wenn diese Dienstleistung zwingend notwendig ist, damit die Klinik ihre Heilbehandlung ordnungsgemäß erbringen kann. Der deutsche Gesetzgeber hat versucht, diese Rechtsprechung in § 4 Nr. 14 Buchst. e UStG umzusetzen und die Befreiung auf die Verhütung von Infektionen und die Vermeidung der Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu beschränken.
PRAXISHINWEIS | Diese Regelung setzt m. E. die Interpretation der Mehrwertsteuersystemrichtlinie durch den EuGH nur unzureichend um. Der Grundsatz, die Leistung muss für die ordnungsgemäße Erbringung der Heilbehandlung notwendig sein, wird wieder nur eingeschränkt in deutsches Recht transferiert. Unter Berücksichtigung des UStG dürfte daher die Leistung der Dienstnehmer-GmbH nach deutschem Recht nicht umsatzsteuerbefreit sein, allerdings ist der Weg zur unmittelbaren Berufung auf die Mehrwertsteuersystemrichtlinie eröffnet. Dieser müsste, wenn der EuGH die gleichen Grundsätze anwendet wie bei den Hygiene-Fachkräften, dazu führen, dass unter unmittelbarer Berufung auf die Mehrwertsteuersystemrichtlinie die Leistung der GmbH umsatzsteuerbefreit ist. |
7. Verstoß gegen das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt
In diesem Kontext ist zu berücksichtigen, dass es unter Umständen zu Konflikten kommen kann, weil die in der Klinik tätigen Ärzte oder die Ärzte, die die Dienstleistungs-GmbH betreiben oder als Geschäftsführer tätig sind, aufgrund der Beziehung mit dem Krankenhaus Patienten in das Krankenhaus einweisen und sich zum Zwecke der Einweisung überhöhte Entgelte versprechen lassen. In dem Fall droht die Strafbarkeit auf beiden Seiten.
Der notwendige Wettbewerbsbezug ist gegeben, da die Ärzte, wenn sie ambulant tätig sind, sei es nun als Vertrags- oder als Privatärzte, insofern den Wettbewerb verzerren, als sie behandlungsbedürftige Patienten nicht in die Klinik einweisen könnten, die die Behandlung der Patienten am ehesten sicherstellt, sondern in die Klinik einweisen, mit der sie selbst in einer Dienstleistungsbeziehung stehen. Ist dieser Sachverhalt gegeben, liegt dann eine strafbare Handlung vor, die im Übrigen auch gegen § 128 Abs. 2 SGB V und § 31 MBO-Ä sowie verschiedene Krankenhausgesetze (exemplarisch sei § 31 Krankenhausgesetz NRW genannt) verstößt.
Es ist nach meiner Kenntnis völlig unklar, wie das angemessene Entgelt für die Tätigkeit von Ärzten in einer Klinik bestimmt werden kann. Die Problematik stellt sich nur, dies nochmal deutlich gemacht, dann, wenn der in der Klinik tätige und von der Klinik bezahlte Arzt (Operateur) eigene Patienten hat, die er der Klinik zuweist. In den Fällen, in denen die tätigen Ärzte oder die den Dienstleistungsnehmer beherrschenden und führenden Ärzte keine eigenen Patienten haben, stellt sich diese Problematik nicht. Soweit ersichtlich, gibt es keine Entscheidungen zu dieser Frage, von daher ist es sehr schwer, Richtlinien zu entwickeln, an denen sich die Vergütung für die tätigen Ärzte orientiert, ohne gegen die genannten Normen zu verstoßen.
Eine Lösungsmöglichkeit könnte sein, den Kalkulationskatalog für die DRGs zugrunde zu legen. Im Internet abrufbar ist das InEK-Datenportal (www.g-drg.de/InEK_Datenportal).
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Gemäß § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) wurde für die deutschen Krankenhäuser ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschaliertes Vergütungssystem eingeführt. Dieses hat als Grundlage das DRG-System, wodurch jeder stationäre Behandlungsfall mittels einer entsprechenden DRG-Fallpauschale vergütet wird. Diese DRG-Fallpauschale setzt sich aus den verschiedenen Leistungskomponenten dieses Falls zusammen (Operationen, Anästhesie, Operationsvorbereitung, OP-Vorbereitung, Pflege und Versorgung sowie gegebenenfalls Zuschläge zu der Vergütung bei Vorliegen unterschiedlicher Komplikationsgrade). Für jedes DRG gibt das InEK-Institut eine Kalkulationsgrundlage heraus, wie viel von dem Anteil der Vergütung auf die einzelnen Komponenten, die durch das DRG abgegolten werden, entfällt. |
Da das InEK-Institut unabhängig ist und die Interessen der Leistungserbringer im Gesundheitswesen nur mittelbar Einfluss auf die Kalkulation der DRGs haben, könnte unter Umständen die Aufteilung der DRG-Vergütung auf die einzelnen, durch das DRG abgegoltenen Bestandteile des DRGs eine Richtschnur sein, an der sich die Angemessenheit der Honorierung der tätigen Ärzte orientiert. Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass einerseits keine unangemessene Vergütung für bestimmte Leistungen durch die Klinik bezahlt und durch den Dienstnehmer gefordert werden kann, andererseits aber in einem freien Land die Honorierung von Tätigkeiten bis zu einem gewissen Grad jedenfalls frei ausgehandelt werden können. Es kann also nicht sein, dass die InEK-Kalkulation des DRGs der verbindliche Maßstab ist, der keineswegs über- oder unterschritten werden darf, sondern man wird wohl den Vertragsparteien einen gewissen Verhandlungsspielraum einräumen müssen.
Die Frage, wann eine Korruption im Gesundheitswesen gegeben ist und wann es sich noch um die Ausübung des freien Unternehmertums im Rahmen der Aushandlung von angemessenen Vergütungen für die Tätigkeit handelt, wird die Gerichte sicherlich noch beschäftigen. Eine Vergütung, die sich an den Kalkulationsgrößen des InEK-Instituts für das DRG orientiert, sollte die Ärzte und die Krankenhäuser aber nicht in die Gefahr bringen, strafrechtlich belangt zu werden.
Weiterführende Hinweise
- Sozialversicherung ‒ Scheinselbstständige im Gesundheitswesen (Stockhausen, PFB 17, 259)
- Praktische Probleme bei Honorarärzten und bei freiberuflichen Mitarbeitern in Physiotherapie- und Ergotherapie-Praxen (Sedlaczek, PFB 16, 272)
- Die freie Mitarbeit bei einem Therapeuten ist wieder möglich! (Sedlaczek, PFB 16, 316)
- Säumniszuschläge für Sozialversicherungsbeiträge (Sedlaczek, PFB 17, 3)
- Abgrenzung der Tätigkeit eines Vertrags(zahn)arztes als Junior-Partner in „freier Praxis“ zur Scheinselbstständigkeit (Koch, PFB 17, 92)