· Fachbeitrag · Kaufpreisaufteilung
Arbeitshilfe des BMF zur Kaufpreisaufteilung nicht maßgebend
von Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de
| Wurde eine Praxis oder ein Mietobjekt erworben, sind die Anschaffungskosten auf das abzuschreibende Gebäude und den nicht abnutzbaren Grund und Boden aufzuteilen. Diese Aufteilung wurde vielmals nach einer Arbeitshilfe des BMF vorgenommen. Nun urteilte jedoch der BFH, dass diese Arbeitshilfe nicht zwingend maßgebend ist. Denn unberücksichtigt bleiben hierin die realen Verkehrswerte sowie die örtlichen Gegebenheiten (BFH 21.7.20, IX R 26/19). |
Sachverhalt
Die klagende Grundstücksgemeinschaft erwarb mit notariellem Vertrag vom 26.4.17 eine Eigentumswohnung verbunden mit dem Miteigentumsanteil an dem Grundstück. Der Kaufpreis belief sich auf 110.000 EUR und verteilte sich ausweislich des Vertrags zu 20.000 EUR (18,2 %) auf den anteiligen Grund und Boden und zu 90.000 (81,8 %) auf die Eigentumswohnung. Verwendet wurde die Vertragsformulierung „Im Kaufpreis enthalten ist das Entgelt für den anteiligen Wert des Grundstücks, den die Beteiligten nach bestem Wissen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit 20.000 EUR beziffern“. Das beklagte FA hingegen ermittelte auf Grundlage der vom BMF im Internet bereitgestellten „Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück“ (Kaufpreisaufteilung) einen Grund- und Bodenanteil von 69,1 % bzw. einen Anteil der Eigentumswohnung von 30,9 % und kürzte die Gebäudeabschreibung entsprechend. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Der BFH urteilte zugunsten der Kläger und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Das FG durfte die vertragliche Kaufpreisaufteilung nicht durch die Arbeitshilfe des BMF ersetzen. Selbst dann nicht, wenn diese die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint. Das FG ist vielmehr gehalten, das Gutachten eines vereidigten öffentlich bestellten Sachverständigen einzuholen.
Haben die Parteien im Kaufvertrag eine Kaufpreisaufteilung vorgenommen, ist diese Aufteilung grundsätzlich auch der Besteuerung zugrunde zu legen (z. B. BFH 16.9.15, IX R 12/14). Dies gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Aufteilung nur zum Schein getroffen wurde (BFH 28.10.98, X R 96/96) oder Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO vorliegt (BFH 4.12.08, IX B 149/08). Das FG (bzw. FA) haben deshalb im Einzelfall zu prüfen, ob Zweifel an der Aufteilung bestehen. Dabei ist das Ergebnis anhand weiterer Umstände, insbesondere der objektiv am Markt erzielbaren Preise oder Verkehrswerte, zu verifizieren.
Eine wesentliche Diskrepanz der vertraglichen Aufteilung zu den amtlichen Bodenrichtwerten rechtfertigt es nicht ohne weiteres, diese an die Stelle der vereinbarten Werte zu setzen oder die auf Boden und Gebäude entfallenden Anschaffungskosten zu schätzen. Denn die Bodenrichtwerte sind lediglich ein Indiz für eine möglicherweise unzutreffende Aufteilung. Maßgebend sind vielmehr die Gesamtumstände des Kaufobjekts. Dabei sind insbesondere die Ausstattungsmerkmale des Gebäudes, die ursprünglichen Baukosten, vorgenommene Renovierungen sowie der Wohnwert des Gebäudes im Kontext der Nachbarschaft (Straßenlärm, soziale Einrichtungen usw.) zu beachten.
Dem FG steht im Rahmen seiner Gesamtwürdigung ein gewisser Bewertungsspielraum zu (BFH 16.9.15, IX R 12/14). Kann eine Aufteilung nicht nach der vertraglichen Vereinbarung erfolgen, weil diese unzutreffend erscheint, hat das FG eine Aufteilung nach den realen Verkehrswerten vorzunehmen. Dabei sind zunächst Boden- und Gebäudewert gesondert zu ermitteln und sodann die Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile aufzuteilen. Dabei kann der Verkehrswert anhand des Vergleichswert-, Ertragswert- oder Sachwertverfahrens ermittelt werden. Welches dieser Verfahren anzuwenden ist, ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls zu entscheiden. Die Verfahren stehen einander gleichwertig gegenüber (BFH 27.11.17, IX B 144/16).
Allerdings darf das FG die vertragliche Aufteilung nicht durch die Kaufpreisaufteilung des BMF ersetzen. Denn diese beinhaltet lediglich das vereinfachte Sachwertverfahren und genügt damit nicht den Anforderungen an die Methodenwahl. Zudem ist in der Arbeitshilfe ein grundlegender Fehler enthalten, da bei der Ermittlung des Gebäudewerts der vor allem in Großstädten relevante Orts- bzw. Regionalisierungsfaktor unberücksichtigt bleibt. Bei dem Grund- und Bodenanteil wird dieser jedoch aufgrund der regionsabhängigen Bodenrichtwerte berücksichtigt.
Aus diesem Grund musste der Fall an das FG zurückverwiesen werden. Dieses ist regelmäßig gehalten, dass Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen einzuholen (BFH 21.12.11, VIII B 88/11).
Relevanz für die Praxis
Wurde ein Praxisgebäude oder ein Mietobjekt erworben, hat zwingend eine Kaufpreisaufteilung zu erfolgen. Das Urteil zeigt jedoch einmal mehr, dass hierfür nicht zwingend die Arbeitshilfe des BMF zu verwenden ist. Der BFH hat explizit betont, dass diese für die Beteiligten und auch für das FG nicht bindend ist. Zwar beinhaltet die Arbeitshilfe im Wesentlichen die bisherige BFH-Rechtsprechung, lässt jedoch die örtlichen Gegebenheiten vollkommen außer Ansatz. Insbesondere bei Objekten in den Ballungsräumen sollte daher gesondert geprüft werden, ob nicht eine von der Arbeitshilfe abweichende Ermittlung zu einem zutreffenderen Ergebnis führt. Ergibt sich danach ein höherer Gebäudeanteil, erhöhen sich die laufenden Abschreibungen und die Steuerlast sinkt.