· Fachbeitrag · Private Vermögensplanung
Exchange Traded Funds richtig auswählen und einsetzen
von Peter Hieber, Finanzplanung, Leonberg
| Börsengehandelte Indexprodukte oder Exchange Traded Index Products (ETP) erfreuen sich bei Anlegern steigender Beliebtheit. Allerdings wird es immer schwieriger, aus dem riesigen Angebot an Indexfonds (Exchange Traded Funds, ETF) den richtigen auszuwählen. ETF sind eine Untergruppe von ETP. Denn die angebotenen Produkte werden immer komplexer, und ohne genaue Kenntnisse der feinen Unterschiede holt sich der Anleger sehr schnell unerwünschte Risiken ins Depot. Der Leser erfährt in diesem Beitrag, worauf zu achten ist. |
1. Drei Auswahlkriterien
Auf drei Kriterien kommt es bei der Auswahl an: die Konstruktion des Index, die Art und Weise, wie der Index abgebildet wird, und die Kosten.
1.1 Indexkonstruktion
Hierbei geht es darum, den „richtigen“ oder passenden Index auszuwählen. „Richtig“ bedeutet, dass zunächst beurteilt werden muss, mit welchen Indizes das individuelle Anlageziel am besten umgesetzt werden kann. Es ist also sehr wichtig, den Mechanismus zu verstehen, nach dem ein Index aufgebaut ist.
Kleinere Indizes haben oft ein Konzentrationsrisiko, d.h. dass bestimmte Unternehmen oder Branchen im Index aufgrund ihrer Größe übergewichtet sind. So macht der Ölkonzern Petrobras beim MSCI Brazil alleine 20 % des Index aus. Genauso wie das Unternehmen Gazprom im Russland-Index oder Nestlé im Schweizer SMI übergewichtet sind. Manche ETF-Anbieter führen deshalb eine Maximalgewichtung für einzelne Aktien ein, die meisten Indizes werden jedoch auf Basis der Marktkapitalisierung der Wertpapiere gewichtet. Dadurch kann es wiederum zu einer Übergewichtung kommen, da teure Aktien stärker im Index vertreten sind. Wie die Technologieblase in den 1990er Jahren gezeigt hat, führt das zwar anfänglich zu starken Kursanstiegen, aber auch zu herben Verlusten, wenn die Blase platzt.
1.2 Replikationsmethode
Indexfonds (ETF) sind entweder physisch repliziert oder synthetisch, zudem gibt es natürlich noch Misch- und Sonderformen, auf die nicht näher eingegangen werden soll.
- Bei physisch replizierten ETF werden die dem Index zugrunde liegenden Wertpapiere auch tatsächlich und vollständig erworben. Eine Abwandlung davon ist das Sampling-Verfahren, bei dem nur ausgewählte Wertpapiere gekauft werden, die das Rendite-Risiko-Profil des Index am besten abbilden. In volatilen Marktphasen kann das zu einer stärkeren Abweichung des ETF vom Index führen. Oft praktizieren physisch replizierte ETF eine Wertpapierleihe. Dabei werden die Wertpapiere gegen eine Gebühr verliehen. Sollte der Leiher seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, ergibt sich daraus ein zusätzliches Risiko.
- Synthetisch replizierte ETF kaufen keine Wertpapiere des zugrunde liegenden Index, sondern bilden den Index mit Hilfe von Swapgeschäften nach. Hinter diesem Swap-Geschäft können sich beliebige Wertpapiere verbergen. Dies verringert zwar oft die Kosten eines ETF, aber dafür besteht ein Kontrahentenrisiko: Wenn der Swap-Partner seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommt, kann das bis zum Totalverlust einzelner Bestandteile des ETF führen.
1.3 Kosten
Die Gesamtkostenquote oder Total-Expense-Ratio (TER) eines Indexprodukts weist die offiziellen Kosten aus, die der ETF-Anbieter jährlich für seine Arbeit dem ETF-Vermögen entnimmt. Daneben gibt es eine Reihe versteckter Kosten, die im TER nicht enthalten sind. Der größte Posten dürften hierbei die Handelskosten eines ETF sein, die ordentlich zu Buche schlagen können. Da oft ähnliche ETF von unterschiedlichen Anbietern zur Auswahl stehen, sollten Sie sich die tatsächliche Kostenquote sehr genau anschauen. Bei langfristigen Anlagen oder Sparplänen wirkt sich das nicht unerheblich auf die Gesamtrendite aus.
2. Das einfache Weltportfolio als Einstieg in die Welt der ETF
Jeder kann ein breit gestreutes und kostengünstiges ETF-Portfolio aufbauen. Es spielt keine Rolle, ob man mit einem Sparplan von 50 EUR oder 500 EUR oder einer Einmalanlage anfängt.
2.1 Einstieg auch für den kleinen Geldbeutel
Gerade Sparer, die nicht über große Geldmittel verfügen, stellen sich die Frage, ob sich Sparpläne lohnen. Zu oft wird dann zu aktiv gemanagten Fonds gegriffen, mit dem Hintergedanken, dass ein aktiver Fondsmanager auch attraktive Renditen erwirtschaftet. Die Werbung der Fondsindustrie tut ihr Übriges, den Anleger in diesem Glauben zu bestärken. Umfangreiche Studien belegen (z.B. Sharpe W.F. (2013), The Arithmetic of Investment Expenses Financial Analysts Journal, 69.2) jedoch, dass aktive Fondsmanager langfristig keinen Mehrwert für Anleger schaffen - die Alternative sind kostengünstige Exchange Traded Funds (ETF). Die Frage ist jetzt, wie man mit 50 EUR Sparrate im Monat ein kostengünstiges ETF-Portfolio zusammenstellt.
Die Idee dahinter ist recht simpel: Während beliebiger Zeiträume kann eine Anlageklasse an Wert verlieren, während eine andere an Wert zulegt. Es geht also nicht darum zu erraten, welche Anlageklasse zu welchen Zeitpunkt die richtige ist, sondern das Portfolio breit zu streuen, zu diversifizieren, wie es in der Fachsprache heißt. Eine breite Diversifizierung reduziert das Risiko von Verlusten, ohne gleichzeitig die Langzeitrendite zu reduzieren. Es ist für den Erfolg eminent wichtig, die einmal festgelegte Anlagestrategie auch langfristig durchzuhalten, trotz aller Krisen an den Finanzmärkten. Das schützt vor Panikverkäufen bei einem größeren Crash, und man verpasst auch nicht die anschließende Erholung.
PRAXISHINWEIS | Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen (z.B. Ibbotson, R. G., & Kaplan, P. D. (2000), Does asset allocation policy explain 40, 90, or 100 percent of performance?, Financial Analysts Journal, 26 - 33), dass der richtige Portfolioaufbau über 90 % der Performance einer Kapitalanlage erklären kann. Akzeptiert man, dass ein aktiver Fondsmanager wenig Mehrwert liefert, der nicht auch mit einer guten Portfoliostruktur erzielt werden kann, dann werden ETF zu einem wertvollen Werkzeug für „Do-it-yourself“-Anleger. |
2.2 Der Aufbau des einfachen ETF-Portfolios
Ein ideales Portfolio besteht aus Aktien, Anleihen und Rohstoffen. Für ein einfaches Portfolio bleiben die Rohstoffe außen vor, und es werden nur Aktien und Anleihen aufgenommen. Gerade am Anfang spielen die Kosten eine nicht unbedeutende Rolle, und beim jährlichen Rebalancing würden drei Anlageklassen die Kosten unnötig in die Höhe treiben. Beim Rebalancing wird regelmäßig die ursprüngliche Portfoliostruktur, z.B. 60:40, durch Umschichtungen wieder hergestellt, wenn sich z.B. der Aktienanteil überproportional gut entwickelt hat. Für den Anfang reichen die zwei Anlageklassen Aktien und Anleihen aus.
Nun zum eigentlichen Portfolio. Als Ausgangsgewichtung wird die Standardgewichtung 60 % Aktien und 40 % Anleihen gewählt. Je nach Risikoneigung, Risikotragfähigkeit und Anlagedauer kann die individuelle Aktienquote nach oben oder unten angepasst werden. Ein Berufseinsteiger mit 25 Jahren kann für die Ansparung der Altersvorsorge durchaus mit 80 % Aktienquote und 20 % Anleihen beginnen, denn sein Anlagehorizont beträgt mindestens 35 Jahre.
- Für den Aktienanteil im Portfolio wählen wir als Index den MSCI World Index, der aus ca. 1.600 Aktien aus 27 Ländern besteht. Die Gesamtrendite des Index, hier am Beispiel des ComStage MSCI World TRN UCITS ETF I, lag in den letzten fünf Jahren bei ungefähr 106,57 %.
- Für den Anleihenanteil wählen wird den ETF Barclays Euro Aggregate Bond Index, der 39 Länder mit 1.700 Anleihen abbildet. Schon haben wir mit zwei ETF ein breit diversifiziertes Portfolio.
PRAXISHINWEIS | Bis eine adäquate Portfoliogröße erreicht ist, sollte auf das Rebalancing verzichtet werden, um die Kosten für die Umschichtungen einzusparen. Alternativ könnte auch durch eine jährliche Sonderzahlung die untergewichtete Anlageklasse angepasst werden, sodass die Gewichtung 60:40 wieder hergestellt ist. Wer über ein Startkapital verfügt oder über eine höhere Sparrate, kann die Rebalancing-Strategie den eigenen Bedürfnissen und kostenoptimiert anpassen. |
2.3 Die Anlagestrategie den Zielen anpassen
Nicht jeder spart für die Altersvorsorge. Je nach Art und Ziel der Ansparung sollte die Anlagestrategie (also der Aktienanteil im Portfolio) individuell angepasst werden. Wer für die Ausbildung der Kinder oder Enkel spart, kann je nach Anlagedauer auch mit einer höheren Aktienquote beginnen. Für die Höhe der Aktienquote ist die Anlagedauer einer der wichtigsten Faktoren. Je länger angespart werden kann, desto höher kann die Aktienquote gewählt werden. Die Höhe der Aktienquote sollte jedoch regelmäßig überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie noch zum Sparziel und der restlichen Anlagedauer passt.
3. Das breit diversifizierte Weltportfolio mit ETF
Das einfache 60/40-Portfolio aus nur zwei Indizes soll nun weiter diversifiziert werden, um langfristig die Rendite und die Stabilität des Portfolios noch weiter zu erhöhen.
3.1 Der Aktienanteil im Portfolio
Der MSCI World Index besteht aktuell aus 23 Ländern (USA, Kanada, europäische Länder, Asien etc.; ausführliche Informationen unter www.msci.com). Wegen der hohen Kosten ist es nicht empfehlenswert, sich jedes der Länder mit einem ETF ins Depot zu legen. Es ist einfacher, anhand der Marktkapitalisierung die 23 Länder in Regionen zusammenzufassen. Das breiter diversifizierte Aktienportfolio könnte nur aus vier Indizes (ETF) bestehen:
Nordamerika | 58 % | Asien/Pazifik | 12 % |
Europa | 22 % | Schwellenländer | 8 % |
PRAXISHINWEIS | Obwohl der MSCI World keine Schwellenländer enthält, macht es Sinn, die Schwellenländer in ein Weltportfolio aufzunehmen. Als Basis dient wiederum die weltweite Marktkapitalisierung der Aktienmärkte. Unser Portfolio spiegelt also (fast) genau den weltweiten Aktienmarkt wider. |
3.2 Der Anleihenanteil im Portfolio
Der Barclays Euro Aggregate Bond Index besteht zu 60 % aus Staatsanleihen. Um auch den Anleihenanteil weiter zu diversifizieren, könnten die 60 % Staatsanleihen im Index über den Markit iBoxx € liquid Sovereigns Capped 1,5-10,5 Index abgebildet werden. Dieser Index bildet die 25 liquidesten Eurostaatsanleihen ab, mit einer Laufzeit von 1,5 bis 10,5 Jahren.
Die restlichen 40 % des Anleihenanteils könnten in Unternehmensanleihen investiert werden, z.B. den Barclays Euro Corporate Bond Index. Es sind natürlich auch andere bzw. weitere Indizes möglich, hier sind der Diversifizierung keine Grenzen gesetzt. Die Handelskosten sollten jedoch im Auge behalten werden. Bei der Auswahl der Anleihen-ETF sollte darauf geachtet werden, vorzugsweise ETF auszuwählen, die in Euro notieren, um Währungsrisiken zu vermeiden. Dies würde ansonsten nur das Gesamtrisiko des Portfolios erhöhen.
So sieht nun das Gesamtportfolio aus:
Aktienanteil | 60 % | Anleihenanteil | 40 % |
| 35 % |
| 24 % |
| 13 % |
| 16 % |
| 7 % | ||
| 5 % |
Die Auswahl der geeigneten ETF für die Umsetzung des Portfolios dürfte angesichts der Menge an zur Verfügung stehenden ETF nicht schwierig sein. Hier kommt es auf die drei Kriterien Indexkonstruktion, Replikationsmethode und Kosten an. Um die Rendite nicht durch zu hohe Handelskosten zu schmälern, empfiehlt es sich, das Depot bei einer günstigen Direktbank zu eröffnen. Hierfür eignen sich z.B. die DAB Bank, ComDirect oder der Fondsdiscountbroker. Es lohnt sich, hier die Kosten zu vergleichen, da der Service nahezu gleich gut ist.
3.3 Rohstoffe oder Immobilien als dritte Anlageklasse
Für größere Depots und zur weiteren Diversifizierung kann noch eine dritte Anlageklasse hinzugefügt werden. Ausgehend von der obigen Aufteilung könnten hierzu 2,5 % des Aktienanteils und 2,5 % des Anleihenanteils in Rohstoffe oder Immobilien (Real-Estate-Investment-Trusts, REITS) investiert werden. Anleger, die bereits Immobilien besitzen, sollten den Rohstoffen den Vorzug geben. Da Rohstoffe (meistens) nicht mit Aktien und Anleihen korrelieren, würde die Rohstoffbeimischung das Portfolio in volatilen Märkten etwas stabilisieren.
4. Fazit
Mit einem breit diversifizierten Portfolio kann jeder Anleger auf einfache Weise an den Wertentwicklungen des weltweiten Aktienmarkts teilhaben. Die geringen Kosten der ETF gegenüber aktiv gemanagten Fonds tragen nicht unerheblich zur Gesamtrendite bei. Zudem hat die akademische Forschung in vielen Studien immer wieder bestätigt, dass aktives Handeln oder aktiv gemanagte Fonds selten zu einem Mehrwert für Anleger führen. Mit prognosefreien (passiven) Anlagestrategien können Sie sich als Anleger bequem zurücklehnen und die Aktienmärkte für sich arbeiten lassen - völlig stressfrei. Über lange Zeiträume sind diese Strategien jeder aktiven Strategie überlegen.
Aber: Obwohl sich Indexprodukte auf den ersten Blick als einfach und unkompliziert für den Anleger darstellen, liegt der Teufel - wie so oft - im Detail versteckt. Zudem wurden die meisten ETF erst nach dem Crash 2008/2009 aufgelegt. Wie sich die nächste große Krise gerade auf synthetische ETF auswirkt, da darf man wirklich gespannt sein.
Anleger sollten also nicht ungeprüft den Werbebroschüren der Anbieter oder den Empfehlungen von Anlageberatern folgen, denn sonst holen sie sich Risiken in das Depot, die zu bösen Überraschungen führen können. Wer eine ausgewogene und nicht provisionsgetriebene Beratung wünscht, sollte den Gang zu einem freien Honorarberater nicht scheuen.