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  • 01.03.2005 | Bundesverfassungsgericht

    Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis haben Anspruch auf Kindergeld

    von Ulrich Buschermöhle, Düsseldorf
    In seinen Beschlüssen vom 6.7.04 (1 BvL 4/97, 1 BvL 5/97 und 1 BvL 6/97, Abruf-Nr. 050538) stellte das BVerfG im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens fest, dass es mit dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, dass Ausländer nur dann einen Anspruch auf Kindergeld haben, wenn sie im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sind. Diese Voraussetzungen wurden mit dem Ersten Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21.12.93 in § 1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) neu eingefügt. Die Regelung galt vom 1.1.94 bis zum 31.12.95 und war Gegenstand des Vorlageverfahrens.

     

    Sachverhalt

    Die drei Kläger der Ausgangsverfahren waren im streitbefangenen Zeitraum (1994 und 1995) Ausländer. Sie besaßen Aufenthaltsbefugnisse, hatten aber keine Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis. In den Jahren 1994 bzw. 1995 bezogen sie zu ihrem Einkommen ergänzende Sozialhilfe und mussten keine ESt zahlen. Auf Grund der Neuregelung von § 1 Abs. 3 S. 1 BKGG durch das 1. SKWPG hoben die Familienkassen der Arbeitsämter die zu Gunsten der Kläger ergangenen Kindergeldbewilligungen auf. Damit erhielten die Kläger ab Januar 1994 kein Kindergeld mehr. Ihre Klagen vor dem Sozialgericht blieben erfolglos. Das Landessozialgericht hatte die Berufungsverfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die der Versagung des Kindergeldes zu Grunde liegende Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. 

     

    Anmerkung

    Mit der Neuregelung des § 1 Abs. 3 S. 1 BKGG durch das 1. SKWPG wurden Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsgenehmigung schlechter gestellt als Deutsche und Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis oder -genehmigung. Zwar wurde die Ungleichbehandlung dadurch gemildert, dass durch das Gesetz zur Familienförderung von 1999 rückwirkend die Kinderfreibeträge erhöht wurden. Trotz dieser steuerrechtlichen Begünstigung blieben betroffene Eltern aber dann schlechter gestellt, wenn der Kindergeldbezug günstiger war als der Freibetrag – insbesondere wenn kein zu versteuerndes Einkommen vorhanden war. Soweit parallel zur steuerrechtlichen Regelung auch Regelungen über erhöhte Kindergeldnachzahlungen eingeführt wurden, erhielten ausländische Eltern ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis hierdurch keinen Ausgleich für ihre Einbuße. Denn Nachzahlungen waren nur für die Fälle vorgesehen, in denen dem Grunde nach bereits ein Kindergeldanspruch bestand. 

     

    Auch kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass sich bei einem ausschließlichen Sozialhilfebezug durch die Neuregelung des § 1 Abs. 3 S. 1 BKGG das Familieneinkommen im Ergebnis nicht ändert, da das Kindergeld auch schon vor 1994 nicht an die Eltern, sondern an den Sozialhilfeträger ausgezahlt wurde. Die Ungleichbehandlung traf damit besonders ausländische Eltern ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis. Deren Einkommen war einerseits so niedrig, dass sie nicht von den Kinderfreibeträgen profitierten, andererseits aber doch so hoch, dass sie nicht ausschließlich von Sozialhilfe leben mussten.