08.06.2011 | Europäischer Gerichtshof
Gemeinnützigkeit in einem Mitgliedstaat gilt in allen Mitgliedstaaten
von VRiFiG Prof. Dr. Kay-Michael Wilke, Karlsruhe
Der EuGH hat sich in einem aktuellen Urteil mit der Vergünstigung des Art. 59 Nr. 2 des belgischen ErbStG befassen müssen. Danach kann die Steuer für Vermächtnisse an bestimmte Organisationen und Einrichtungen auf 7 % ermäßigt werden. Voraussetzung: Die Organisation oder Einrichtung muss einen Geschäftssitz in Belgien oder in dem Mitgliedstaat der EU haben, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes tatsächlich gewohnt hat. Dass diese Einschränkung nach Auffassung des EuGH mit den Grundfreiheiten kollidiert, war vorhersehbar (EuGH 10.2.11, C-25/10, Rs. Missionswerk Werner Heukelbach, Abruf-Nr. 111089). |
Sachverhalt
Ein Missionswerk, ein religiöser Verein mit Sitz in Deutschland, wurde zum Gesamtvermächtnisnehmer der belgischen Staatsangehörigen Frau R bestellt. R, die ihr ganzes Leben lang in Belgien gewohnt hatte, verstarb in 2004 in Malmedy (Belgien). Das Missionswerk reichte bei der zuständigen Finanzverwaltung die Anmeldung des Erbfalls ein und entrichtete sodann die geforderte Erbschaftsteuer zum Grenzsatz von 80 %. Danach beantragte das Missionswerk bei der Verwaltung die Bewilligung des ermäßigten Erbschaftsteuersatzes gemäß Art. 59 Nr. 2 des belgischen ErbStG. Dieser bestimmt, dass die Steuern auf Erbschaft und Erwerb von Todes wegen auf 7 % ermäßigt werden für Vermächtnisse zugunsten von Vereinigungen ohne Gewinnzweck, Genossenschaften oder nationalen Genossenschaftsverbänden, Berufsverbänden und internationalen Vereinen ohne Gewinnzweck, privaten Stiftungen und gemeinnützigen Stiftungen.
Der Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass das Missionswerk keinen Geschäftssitz in Belgien hat und damit nicht die Voraussetzungen in Art. 60 Abs. 1 des belgischen ErbStG erfüllt. Die daraufhin erhobene Klage wegen Verstoßes gegen die Grundsätze des EGV wurde ausgesetzt und dem EuGH die Frage der Vereinbarkeit der beanstandeten Regelung mit dem AEUV vorgelegt.
Anmerkungen
Im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung hat der EuGH Fragen des Erbschaftsteuerrechts als zum Bereich des freien Kapitalverkehrs i.S.d. Art. 63 AEUV gehörig qualifiziert. Die beanstandete nationale Regelung stellt - auch dieses Ergebnis überrascht nicht - eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs i.S.v. Art. 63 Abs. 1 AEUV dar.
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