01.11.2006 | Europäischer Gerichtshof
Keine zeitliche Begrenzung der nachträglichen Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer
Nach Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens durch Beschluss der Großen Kammer am EuGH erging am 5.10.06 der zweite Schlussantrag in der Rs. Meilicke (C-292/04). Noch im ersten Schlussantrag schlug der frühere Generalanwalt (GA) beim EuGH Tizzano vor, die zeitliche Wirkung des anstehenden EuGH-Urteils zu begrenzen. Einer solchen temporären Beschränkung widerspricht nun die GAin Stix-Hackl. Daher ist es wieder wahrscheinlicher geworden, dass der EuGH eine nach dem ersten Schlussantrag drohende für Steuerpflichtige nachteilige Trendwende in seiner Rechtsprechung vorerst nicht vollziehen wird. |
Sachverhalt
GA Tizzano sprach sich im Schlussantrag vom 10.11.05 für die Annahme der Europarechtswidrigkeit von § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a.F. aus (vgl. ausführlich zum Sachverhalt des Ausgangsfalles Schraufl, PIStB 06, 1 ff.) und schlug gleichzeitig vor, die zeitlichen Auswirkungen des Urteils erheblich zu begrenzen. Danach sollte die festgestellte Europarechtswidrigkeit erst ab dem 6.6.00 Wirkung entfalten, da an diesem Tag das Urteil des EuGH in der Rs. Verkooijen (C-35/98, Slg. 00, 4071) erging. Denn erst ab diesem Zeitpunkt hätte sich die Tragweite der Vorschrift des freien Kapitalverkehrs im Hinblick auf die zwischen In- und Auslandsdividenden differenzierende Regelung des deutschen Vollanrechnungsverfahrens abgezeichnet. Eine Berufung auf die Unvereinbarkeit von § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a.F. für vor diesem Zeitpunkt erhaltene Dividenden sollte nicht möglich sein, sofern der Steuerpflichtige die Steuergutschrift nicht bis zum 11.9.04 beantragt hatte und auch zwischenzeitlich keine Festsetzungsverjährung eingetreten war.
In Anbetracht der grundlegenden Bedeutung der Frage einer etwaigen zeitlichen Begrenzung eines EuGH-Urteils und wohl auch aufgrund der nachvollziehbaren Kritik an der Argumentation von GA Tizzano (vgl. Meilicke, DB 05, 2658 ff.) wurde in der Folge die Große Kammer beim EuGH mit der Sache betraut. Diese ordnete den Wiedereinstieg in die mündliche Verhandlung an, in dessen Folge nunmehr der zweite Schlussantrag erging.
Anmerkungen
Die GAin Stix-Hackl lehnt in ihrem Antrag die zeitliche Begrenzung – im Gegensatz zu GA Tizzano – ab. Dabei stellt sie im Einklang mit GA Tizzano ihren Überlegungen voran, dass der EuGH sich in seiner bisherigen Rechtsprechung nur ausnahmsweise zu einer zeitlichen Begrenzung veranlasst sah (Tz. 13, 17 des Schlussantrags).
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