09.11.2009 | Künstlerbesteuerung
§ 50a EStG und die Besteuerung von Künstlern und Sportlern
von Dipl.-Finw. Christian Hensel, Berlin
Angesichts der hohen Mobilität von Künstlern und Sportlern verbunden mit vergleichsweise hohen Einnahmen hat der Gesetzgeber seit Jahrzehnten ein besonderes Augenmerk auf im Ausland ansässige Steuerpflichtige, die im Inland Einkünfte erzielen. Da eine Veranlagung bei teilweise nur tageweiser Inlandstätigkeit nicht praktikabel ist, wird über § 50a EStG regelmäßig der inländische Veranstalter verpflichtet, ähnlich dem Lohnsteuerabzug, eine Steuer von der Vergütung einzubehalten. Der Beitrag stellt Pflichten und Risiken des inländischen Vertragspartners, aber auch Möglichkeiten der Steuerersparnis für den Veranstalter und den Steuerpflichtigen ab 2009 dar. Dabei kommt auch das Verfahrensrecht nicht zu kurz.
1. Der Steuerabzug nach § 50a EStG
Die Einkommensteuer wird bei beschränkt Steuerpflichtigen im Wege des Steuerabzugs erhoben u.a. bei Einkünften
- die durch im Inland ausgeübte künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen erzielt werden, es sei denn, es handelt sich um Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG unterliegen,
- aus der inländischen Verwertung von Darbietungen,
- für die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten (z.B. Urheberrechte).
Der Steuerabzug beträgt 15 Prozent (zu Ausnahmen von diesem Steuersatz s. u.). Der Steuerabzug nach § 50a EStG setzt nach § 49 EStG steuerpflichtige Einkünfte voraus. Zu allgemeinen Fragen des Steuerabzugs ist ein umfangreiches Schreiben des BMF (23.1.96, S 2303, BStBl I 96, 89) ergangen.
1.1 Vergütungsschuldner
Als Vergütungsschuldner ist nach § 50a Abs. 5 S. 2 EStG anzusehen, wer zivilrechtlich die Vergütungen schuldet (i.d.R. der Veranstalter). Dieser kann sowohl eine natürliche oder juristische Person sein, aber auch ein zivilrechtlich nicht rechtsfähiges Gebilde (BFH 17.2.95, VI R 41/92, BStBl II 95, 390). Hierbei kann es sich sowohl um einen inländischen als auch um einen ausländischen Vergütungsschuldner handeln. Bei zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften können für einen Auftritt eines Künstlers auch mehrere Vergütungsschuldner zum Steuerabzug verpflichtet sein.
1.2 Vergütungsgläubiger (Steuerschuldner)
Steuerschuldner ist der beschränkt steuerpflichtige Empfänger der Vergütung. Ist der Empfänger unbeschränkt steuerpflichtig, ist kein Steuerabzug nach § 50a EStG vorzunehmen. In Zweifelsfällen ist vom Vergütungsgläubiger jedoch eine Bescheinigung seines zuständigen FA über seine unbeschränkte Steuerpflicht zu verlangen (§ 73e EStDV).
1.3 § 50a EStG und Doppelbesteuerungsabkommen
Der Steueranspruch kann durch Regelungen eines DBA eingeschränkt oder aufgehoben werden. Besteht zwischen dem Ansässigkeitsstaat des Vergütungsgläubigers (= Steuerschuldners) und Deutschland ein DBA, nach dessen Regelungen der nationale Steueranspruch eingeschränkt oder aufgehoben wird, so muss der Vergütungsschuldner unabhängig von den Bestimmungen des DBA den Steuerabzug vornehmen (§ 50d Abs. 1 EStG). Dem Vergütungsgläubiger steht dann ein Anspruch auf völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer durch das Bundeszentralamt für Steuern (BzSt) zu. Der Steuerabzug darf nur unterlassen bzw. mit einem niedrigeren Prozentsatz vorgenommen werden, wenn
- eine Freistellungsbescheinigung des BzSt vorliegt (§ 50d Abs. 2 EStG) oder
- das BzSt den Vergütungsschuldner auf Antrag hierzu allgemein ermächtigt (Kontrollmeldeverfahren nach § 50d Abs. 5 EStG). Danach kann das BzSt auf Antrag des Vergütungsschuldners diesen ermächtigen, in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung, in denen der BRD aufgrund der Bestimmungen eines DBA kein Besteuerungsrecht zusteht, von der Einbehaltung des Steuerabzugs abzusehen.
1.4 Freistellungsantrag
Der Freistellungsantrag ist nach amtlichem Vordruck (auch unter www.BzSt.de erhältlich) durch den Vergütungsgläubiger oder einen Vertreter (z.B. Vergütungsschuldner) beim BzSt zu stellen. Über diesen Antrag wird durch einen an den Vergütungsgläubiger (= Steuerschuldner) gerichteten Freistellungsbescheid entschieden. Der Vergütungsschuldner erhält eine Freistellungsbescheinigung, aufgrund derer er den Steuerabzug nicht oder nicht in vollem Umfang einbehalten muss.
Der Antrag auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung ist an keine Frist gebunden. Da der Vergütungsschuldner jedoch nur bei Vorliegen einer Freistellungsbescheinigung vom Steuerabzug absehen darf und die Geltungsdauer der Bescheinigung frühestens an dem Tag beginnt, an dem der Antrag beim BzSt eingeht, kann ein Freistellungsantrag sein Ziel nur erreichen, wenn er rechtzeitig vor der Zahlung der Vergütung gestellt wird:
- In den Fällen, in denen die Abzugsteuer nach § 50a EStG vor Erteilung des Freistellungsbescheides einbehalten und abgeführt wurde, ist das BzSt für die Erstattung der zuviel gezahlten Steuer zuständig.
- Wurde trotz eines Freistellungsbescheides Abzugsteuer abgeführt, ist die zuviel gezahlte Steuer vom FA zu erstatten (zum Verfahren s. BMF 7.5.02, S 2293, BStBl I 02, 521).
2. EU-Recht und § 50a EStG
Der Steuerabzug nach § 50a EStG ist seit Jahren auf dem Prüfstand des EuGH, da er nur für Steuerausländer gilt. Wegen der darin liegenden Diskriminierung gegenüber Steuerinländern kommt es insbesondere auf die Gewichtung der Rechtfertigungsgründe für diese Ungleichbehandlung an. Folgende EuGH-Verfahren sind zu erwähnen:
EuGH 12.6.03, C-234/01 (Gerritse) |
Der EuGH hat mit diesem Urteil zur Frage der EU-Rechtswidrigkeit des Abzugsverfahrens Stellung genommen. Danach soll eine Diskriminierung immer dann vorliegen, wenn der Steuersatz von 25 % (nunmehr 15 %) höher ist als der Steuersatz, der sich bei der Anwendung des progressiven Steuertarifs ergeben würde.
Bei diesem Vergleich seien die Nettoeinkünfte des Gebietsfremden um den Grundfreibetrag zu erhöhen. Der sich danach ergebende Steuerbetrag sei ins Verhältnis zu den erzielten Nettoeinkünften zu setzen. Sei der sich ergebende Steuersatz höher als 25 % (15 %), liege keine Diskriminierung vor. Eine solche liege immer vor, wenn der so errechnete Steuersatz 25 % (15 %) unterschreite. In diesen Fällen müsste eine Erstattung des Mehrbetrags erfolgen. |
Die Verwaltung hat zunächst mit einem Schreiben des BMF (3.11.03, IV A 5 - S 2411 - 26/03, BStBl I 03, 553) auf die Rechtsprechung reagiert und ein Erstattungsverfahren für diese Fallgruppen vorgesehen. Ab 1.1.09 besteht die Möglichkeit einer Antragsveranlagung nach § 50 Abs. 2 Nr. 5 EStG für EU/EWR-Bürger.
EuGH 3.10.06, C 90/04 (Scorpio) |
Auch in diesem Urteil hat der EuGH festgestellt, dass die Anwendung des Steuerabzugsverfahrens nach § 50a EStG bei beschränkt Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht zu beanstanden sei. Ebenfalls sei es weiterhin zulässig, den Vergütungsschuldner, der diesen Steuerabzug nicht vorgenommen hat, in Haftung zu nehmen.
Der EuGH hat jedoch entschieden, dass es mit dem EU-Recht nicht vereinbar sei, wenn im Steuerabzugsverfahren die im unmittelbaren Zusammenhang mit der inländischen Tätigkeit stehenden Betriebsausgaben des beschränkt Steuerpflichtigen, die er dem Vergütungsschuldner mitgeteilt hat, nicht geltend gemacht werden können. Ein nachgelagertes Erstattungsverfahren reiche nicht aus. |
Auch hier hat die Verwaltung zunächst mit einem Schreiben (BMF 5.4.07, IV C 8 -S 2411/07/0002, BStBl I 07, 449) reagiert. Ab 1.1.09 ist der Abzug der Kosten gesetzlich geregelt (§ 50a Abs. 3 EStG; zu weiteren Hinweisen zur EU-Tauglichkeit des § 50a EStG vgl. Jahn, PIStB 08, 90).
3. Höhe des Steuerabzugs
Der Steuersatz beträgt grundsätzlich 15 %. Für Vergütungen bis zu 250 EUR gilt zusätzlich eine Freigrenze. Werden Kosten des Künstlers von der Bemessungsgrundlage abgesetzt, erhöht sich der Steuersatz bei natürlichen Personen auf 30 %.
3.1 Bemessungsgrundlage
Als Bemessungsgrundlage ist der volle Betrag der Einnahmen einschließlich der vom Vergütungsschuldner übernommenen Aufwendungen (z.B. Pkw-Gestellung, Personenschutz) anzusetzen (§ 8 EStG). Vom Schuldner der Vergütung gezahlte Reisekosten gehören ab 1.1.09 nur insoweit zu den Einnahmen, als die Fahrt- und Übernachtungsauslagen die tatsächlichen Kosten und die Vergütungen für Verpflegungsmehraufwand die Pauschbeträge nach § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG übersteigen.
Anhand der Vertragsgestaltung ist ferner zu prüfen, ob es sich um eine Brutto- oder Nettovereinbarung handelt. Bei einer Nettovereinbarung, bei der sich der Veranstalter zur Übernahme der Steuer verpflichtet, stellt die übernommene Steuer ebenfalls einen geldwerten Vorteil dar, der die Bemessungsgrundlage für die Abzugsteuer erhöht. Die sich bei einer vereinbarten Übernahme der Abzugsbeträge ergebenden Prozentsätze sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Die Prozentsätze beziehen sich jeweils auf die Nettovergütung.
Von einer Nettovereinbarung ist nach der Rechtsprechung des BFH nur auszugehen, wenn sich der Vergütungsschuldner ausdrücklich zur Übernahme der anfallenden Steuern verpflichtet hat (BFH 5.11.93, VI R 16/93, BStBl II 94, 557).
Nettovergütung | Berechnungssätze (%) bei Übernahme von Abzugsteuer und Solidaritätszuschlag | |
| Abzugsteuer | Solidaritätszuschlag |
bis 250 EUR | 0 | 0 |
über 250 EUR | 17,82 | 0,98 |
bei geltend gemachten Kosten | 43,89 | 2,41 |
Beispiel für eine Nettovereinbarung |
A erhält für einen künstlerischen Auftritt im Inland (5.1.09) vom Veranstalter eine Vergütung in Höhe von 10.000 EUR ausgezahlt. Der Zahlung liegt folgende Vereinbarung zugrunde: „Für den Auftritt wird eine Vergütung von 10.000 EUR vereinbart. Der Veranstalter verpflichtet sich zur Übernahme aller im Inland anfallenden Steuern.“
Eine Nettovereinbarung liegt vor. Die maßgebenden Prozentsätze sind: Einkommensteuer 17,82 % von 10.000 EUR; Solidaritätszuschlag 0,98 % von 10.000 EUR. Daneben hat der Veranstalter eine eigene Umsatzsteuerschuld von 19 % von 11.880 EUR (10.000 + 1.782 + 98) = 2.257,20 EUR zu tragen, diese kann er als Vorsteuer abziehen. |
3.2 Achtung Falle: faktische Nettovereinbarung!
Liegt keine gesonderte Nettovereinbarung vor und soll der Vergütungsschuldner mittels Haftungsbescheid nach § 50a Abs. 5 EStG für nicht einbehaltene Abzugsteuer in Anspruch genommen werden, so wird das FA zur Berechnung der Abzugsteuer zwei Fallgestaltungen unterscheiden:
- Der Vergütungsschuldner verzichtet gegenüber dem Steuerschuldner (= Vergütungsgläubiger) auf die Geltendmachung des ihm zivilrechtlich zustehenden Erstattungsanspruchs. In diesem Fall wendet er dem Steuerschuldner weitere Einnahmen i.S. von § 8 EStG zu, die wiederum der Abzugsteuer unterliegen.
- Der Vergütungsschuldner beabsichtigt, die von ihm zu leistende Haftungsschuld zivilrechtlich gegenüber dem Vergütungsgläubiger geltend zu machen. Bei der Berechnung des Steuerabzugsbetrages ist zunächst von einer Bruttovereinbarung auszugehen. Das FA wird jedoch den Zahlungseingang der Haftungsschuld beim Vergütungsschuldner überwachen.
Wurde der Anspruch tatsächlich nicht geltend gemacht, ist die Abzugsteuer auf die geleistete Haftungsschuld nachzuerheben. In den Fällen, in denen der Haftungsschuldner dagegen nachweisen kann, dass der Versuch der Inanspruchnahme des Steuerschuldners fehlgeschlagen ist, kann nicht von einer Nettovereinbarung ausgegangen werden. Insoweit liegt keine beabsichtigte Zuwendung des Vergütungsschuldners an den Vergütungsgläubiger vor.
3.3 Umsatzsteuer
Nach § 13b UStG schuldet der Leistungsempfänger (Steuerabzugsverpflichteter) die Umsatzsteuer. Das Umsatzsteuer-Abzugsverfahren bzw. die Null-Regelung sind nicht mehr anzuwenden. Die Umsatzsteuer gehört daher nicht zur Bemessungsgrundlage des § 50a EStG: Zu beachten ist jedoch, dass die Umsatzsteuerschuld des Veranstalters bei den Verhandlungen mit den Künstlern berücksichtigt wird (siehe das Beispiel oben).
Bei einer künstlerischen Leistung ist zunächst zu prüfen, ob die Leistung gemäß § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreit ist. Falls nicht, ist anschließend zu überprüfen, ob § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG und/oder ggf. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf den Umsatz ermöglichen. Sind auch diese Vorschriften nicht einschlägig, so unterliegt die Leistung dem Regelsteuersatz.
3.4 Abgeltungswirkung
Für Einkünfte, die dem Steuerabzug nach § 50a EStG unterliegen, ist die hierauf entfallende Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer nach § 50 Abs. 2 EStG grundsätzlich durch den Steuerabzug abgegolten. Ab 1.1.09 besteht für EU-/EWR-Bürger jedoch die Möglichkeit der Antragsveranlagung. Das Antragserstattungsverfahren (KUSE-Verfahren) nach § 50 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 EStG a.F. (s.a. BMF 3.11.03, IV A 5 - S 2411 - 26/03, BStBl I 03, 553) ist nur noch für Vergütungen anzuwenden, die bis 31.12.08 gezahlt wurden.
4. Sonderfälle
4.1 Abgrenzung: nichtselbstständige vs. selbstständige Tätigkeit
In den Fällen, in denen ein inländischer Arbeitgeber i.S. von § 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorliegt, ist nicht der Steuerabzug nach § 50a EStG, sondern grundsätzlich der Lohnsteuerabzug nach § 30d EStG (Steuerklasse I) vorzunehmen. Ein inländischer Arbeitgeber liegt nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch dann vor, wenn ein ausländischer Unternehmer im Inland eine Betriebsstätte (§ 12 AO) unterhält oder einen inländischen ständigen Vertreter (§ 13 AO) hat. Zur Frage der Abgrenzung der selbstständigen von der nichtselbstständigen Tätigkeit bei Künstlern vgl. BMF 5.10.90, S 2332, BStBl I 90, 638). Bei Arbeitnehmern kommt ggf. eine Pauschalierung (25 %) in Betracht (BMF 31.7.02, S 2369, BStBl I 02, 707). Je nachdem, welcher Steuerabzug geringer ist, lohnt es sich ggf., den Vertrag mit dem ausländischen Künstler als Arbeitnehmer oder Selbstständiger auszugestalten.
4.2 Technische Nebenleistungen durch Dritte
Bei ausländischen Künstlerverleihgesellschaften fallen unter die Einkünfte aus anderen mit den künstlerischen Leistungen zusammenhängenden Leistungen die oftmals miterbrachten technischen Nebenleistungen (z.B. Bühnenbild, Beleuchtung, Tontechnik, Kostüme), die in der vereinbarten Gesamtvergütung als Vergütung für die zu erbringenden Nebenleistungen enthalten sind. Werden diese üblicherweise anfallenden Nebenleistungen nicht von der Künstlerverleihgesellschaft, sondern aufgrund von Verträgen des Veranstalters mit einem oder mehreren beschränkt steuerpflichtigen Dritten (i.d.R. einer Produktionsgesellschaft in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft) erbracht, so unterliegen die insoweit gezahlten Vergütungen in der Regel nicht dem Steuerabzug nach § 50a EStG, da inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG regelmäßig mangels einer inländischen Betriebsstätte oder eines inländischen Vertreters nicht anzunehmen sind. Das FA wird jedoch in diesen Fällen die angemessene Aufteilung prüfen.
4.3 Verschiedene hintereinander geschaltete beschränkt Steuerpflichtige
Oftmals ist zwischen dem ausländischen Künstler und dem inländischen örtlichen Veranstalter eine ausländische Gesellschaft zwischengeschaltet. Während bis 2008 in diesen Fällen Abzugsteuer sowohl bezüglich des Vertragsverhältnisses zwischen dem Veranstalter und der ausländischen Gesellschaft (erste Ebene) als auch bezüglich des zwischen der ausländischen Gesellschaft und dem ausländischen Künstler bestehenden Vertragsverhältnisses (zweite Ebene) angefallen ist, entsteht ab 2009 eine Abzugsteuer nur noch auf der ersten Ebene (§ 50a Abs. 4 EStG). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Vergütungsschuldner auf der zweiten Stufe Kosten geltend macht, eine Veranlagung beantragt oder eine Erstattung nach § 50d EStG erwirkt; dann ist der Steuerabzug auch auf der zweiten Ebene zu entrichten.
4.4 Fälligkeit und Anmeldung der Abzugsteuer
Der Vergütungsschuldner hat bis zum 10. des dem Kalendervierteljahr folgenden Monats, in dem das den Steuerabzug auslösende Ereignis stattgefunden hat, eine Steueranmeldung abzugeben und den Abzugsbetrag auch abzuführen (§ 73e EStDV). Wurde die Vergütung am 30.1. gezahlt, sind Anmeldung und Zahlung spätestens zum 10.4. vorzunehmen Die Anmeldung und Zahlung hat nach § 73e S. 1 und 2 EStDV an das für den Vergütungsschuldner zuständige FA zu erfolgen. Dies ist entweder das Wohnsitz-FA oder in den Fällen, in denen Wohnsitz- und Betriebs-FA nicht übereinstimmen, das Betriebs-FA. Für die Anmeldung ist der bundeseinheitliche Vordruck „Anmeldung über den Steuerabzug bei Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige“ zu verwenden. Ab 2010 ist die Anmeldung auf elektronischem Weg zu übermitteln (§ 73e ESTDV).
5. Verfahrensrechtliche Hinweise
5.1 Anfechtung von Steueranmeldungen und AdV
Neben dem Vergütungsschuldner (in der Regel der Veranstalter) ist auch der Vergütungsgläubiger (ausländischer Steuerpflichtiger) nach § 350 AO befugt, Einspruch gegen die vom Vergütungsschuldner eingereichte Steueranmeldung einzulegen (§ 347 Abs. 1 Nr. 1 AO).
Eine Erstattung des angemeldeten Betrages im Rahmen eines vom Vergütungsgläubiger gestellten Antrages auf Aufhebung der Vollziehung auf das Konto des Vergütungsgläubigers ist nach dem Beschluss des BFH (13.8.97, I B 30/97, BStBl II 97, 700; die entgegenstehende Auffassung in Tz. 4.2 von BMF 23.1.96, S 2303 ist damit überholt) ohne Zustimmung des Vergütungsschuldners nicht zulässig. Dabei hat der BFH die Rechte des Vergütungsgläubigers erheblich eingeschränkt: Die Steuerfestsetzung in Form der abgegebenen Anmeldung entfaltet gegenüber dem Vergütungsgläubiger nur insoweit eine Drittwirkung, als sie den Vergütungsschuldner berechtigt, einen Teil der Vergütung an das FA zu zahlen und nur den verbleibenden Teil der Vergütung an den Vergütungsgläubiger auszuzahlen. Die Anmeldung ist keine Steuerfestsetzung gegenüber dem Vergütungsgläubiger. Der Vergütungsgläubiger kann im Einspruchsverfahren deshalb auch nur prüfen lassen, ob die Steueranmeldung vorgenommen werden durfte oder nicht. Ein weitergehendes Begehren kann nur dann zum Erfolg führen, wenn auch der Vergütungsschuldner dieses Ziel im Einspruchsverfahren verfolgt. Da die Steueranmeldung nur gegenüber dem anmeldenden Vergütungsschuldner vollzogen werden kann, hat dies zur Folge, dass gegen den Willen des Vergütungsschuldners im Rahmen der Aussetzung der Vollziehung die Abzugsteuer an den Vergütungsgläubiger nicht erstattet werden kann. Denn nach Ablauf der Aussetzung der Vollziehung ist der Vergütungsschuldner und nicht der Vergütungsgläubiger erneut zur Zahlung der Abzugsteuer verpflichtet.
5.2 Haftungsbescheid gegen den Veranstalter
Da nach § 50 Abs. 2 EStG bei Einkünften, die dem Steuerabzug nach § 50a EStG unterliegen, die Einkommen-/ Körperschaftsteuer grundsätzlich als abgegolten gilt, wurde für die Fälle, in denen ein Steuerabzug unterlassen bzw. die Abzugsteuer nicht ordnungsgemäß einbehalten und abgeführt wurde, nach § 50a Abs. 5 EStG ein Haftungstatbestand geschaffen. Der Erlass eines Haftungsbescheides ist ungeachtet der Bestimmungen eines DBA möglich, da sich der inländische Vergütungsschuldner nach § 50d Abs. 1 EStG nicht auf die sich aus einem DBA ergebenden Rechte des Vergütungsgläubigers berufen kann.
Beispiel |
A, ansässig in Frankreich, bezieht von der B-GmbH, Berlin, Lizenzgebühren i.H. von 100.000 EUR. Ein Steuerabzug wurde nicht vorgenommen. Der Gesamtbetrag wurde an A überwiesen.
Lösung: Von den Lizenzgebühren hätte die B-GmbH bei Auszahlung eine Abzugsteuer nach § 50a EStG einbehalten müssen. Das FA nimmt die B-GmbH gemäß § 50a Abs. 5 i.V. mit § 73e EStDV i.V. mit § 50d Abs. 1 EStG in Anspruch. Da eine Einbehaltung der Steuer nicht mehr möglich ist, kommt eine Erfüllung des Haftungsanspruchs nur aus eigenen Mitteln der B-GmbH in Betracht. Auf Art. 15 Abs. 1 DBA Frankreich, wonach das Besteuerungsrecht für die Lizenzzahlungen Frankreich zusteht, kann sich die B-GmbH nicht berufen. |
Da nach § 44 Abs. 1 S. 1 AO für den Haftungs- und Steuerschuldner Gesamtschuldnerschaft besteht, hat das FA seine Wahl, an welchen Gesamtschuldner es sich halten will, nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Die in H 145 LStH 2007 zum Auswahl- und Entschließungsermessen enthaltenen Ausführungen gelten sinngemäß. In der Regel ist die Inanspruchnahme des inländischen Haftungsschuldners ohne besondere Darlegung des Auswahlermessens ermessensfehlerfrei, sofern der Haftungsbescheid einen Hinweis auf die beschränkte Steuerpflicht und den Aufenthalt des Vergütungsgläubigers im Ausland enthält (BFH 5.11.92, I R 41/92, BStBl II 93, 407; BFH 18.5.94, I R 21/93, BStBl II 94, 697).
Ein Haftungsbescheid muss nach § 119 AO die erlassende Behörde, den Haftungsschuldner, den Haftungsgrund, die Haftungsschuld und/oder die Art der Steuer angeben (BFH 27.7.88, I R 130/84, BStBl II 89, 101; gegenteilige Auffassung vertritt das FG Hamburg 14.5.98, EFG 98, 1218 (rkr.). Nach den Ausführungen des BFH (3.12.96, I B 44/96, BStBl II 97, 306) ist die Angabe des Steuerschuldners keine zwingende Begründungsvoraussetzung, solange die Haftungsschuld in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in anderer Weise ausreichend konkretisiert werden kann. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlung der Vergütungsgläubiger objektiv unmöglich oder dem FA nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit nicht zuzumuten ist. Hiernach ist die Nichtbekanntgabe des Namens eines Vergütungsgläubigers seitens des Vergütungsschuldners nicht vom FA zu vertreten. Vielmehr ist der Vergütungsschuldner nach § 73e S. 2 EStDV verpflichtet, dem FA eine Steueranmeldung zu übersenden, aus der sich der Name des Vergütungsgläubigers ergibt.
Der Haftungsbescheid kann nur ergehen, wenn die Festsetzungsverjährung für den zugrunde liegenden Steueranspruch nicht eingetreten ist (§ 191 Abs. 5 AO). Die Festsetzungsfrist beträgt nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Der BFH (29.1.03, I R 10/02 BStBl II 03, 687) hat entschieden, dass der Anlauf der Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner gehemmt wird, wenn der Entrichtungsschuldner keine Steueranmeldung einreicht. Das dem entgegenstehende Schreiben des BMF (24.4.97, IV A 4 - S 0340 - 4/97IV C 5 - S 1300 - 60/97, BStBl I 97, 414) wurde aufgehoben (BMF 8.9.03, IV A 4 - S 0341 - 3/03, BStBl I 03, 427).
Muss ein gegen den Steuerschuldner zu richtender Nachforderungsbescheid im Ausland vollstreckt werden, rechtfertigt allein dieser Umstand im Rahmen der Ermessensausübung die Inanspruchnahme eines inländischen Haftungsschuldners ohne weitere Begründung (BFH 20.7.88, I R 61/85, BStBl II 89, 99 und BFH 3.12.96, I B 44/96, BStBl II 97, 306).
Der Erlass eines Haftungsbescheides ist ermessensfehlerhaft (BFH 26.7.95, BStBl II 97, 700), wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Zahlung der Vergütung auf eine Freistellungsbescheinigung des BzSt vertrauen durfte. In derartigen Fällen kommt daher nur der Erlass eines Nachforderungsbescheides gegenüber dem Steuerschuldner in Betracht (zur Haftung eines ausländischen Vergütungsschuldners vgl. Jahn, PIStB 08, 33).
5.3 Nachforderungsbescheid gegen den Veranstalter
Der Vergütungsschuldner kann in den Fällen, in denen er seiner Anmeldeverpflichtung nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, auch durch den Erlass eines Steuerbescheids in Anspruch genommen werden. Dieser Bescheid ist an ihn als Entrichtungsschuldner zu richten. Die Inanspruchnahme erfolgt durch einen Nachforderungsbescheid (§ 155, 167 Abs. 1 S. 1 AO). Die Festsetzungsfrist beträgt grundsätzlich vier Jahre. Der Anlauf der Festsetzungsfrist ist nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO gehemmt. Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird regelmäßig durch die BP gehemmt (§ 171 Abs. 4 AO).
Der Erlass eines Nachforderungsbescheids ist in diesen Fällen ungeachtet der Bestimmungen des DBA möglich, da sich der inländische Entrichtungsschuldner nach § 50d Abs. 1 EStG nicht auf die sich aus einem DBA ergebenden Rechte des Vergütungsgläubigers berufen kann.
5.4 Nachforderungsbescheid gegen den Künstler
Die Inanspruchnahme des Vergütungsgläubigers als Steuerschuldner ist ausschließlich im Rahmen eines Nachforderungsbescheides vorzunehmen (§ 50a Abs. 5 EStG). Hierbei sind die Bestimmungen des § 157 AO zu beachten. In diesem Verfahren ist zu prüfen, ob der nationale Steueranspruch nicht durch Regelungen eines DBA eingeschränkt oder aufgehoben wird (BFH 10.6.92, I B 1/92, BFH/NV 93, 27). Der Erlass eines Nachforderungsbescheides kommt nur in Betracht, wenn der Schuldner der Vergütung den Steuerabzug nicht vorschriftsmäßig vorgenommen hat.
Ist ein Nachforderungsbescheid an eine ausländische Künstlergruppe in der Rechtsform einer GbR zu richten, so ist es ernstlich zweifelhaft (BFH 26.7.95, I B 200/94, BFH/NV 96, 311), ob es für eine ordnungsgemäße Adressierung ausreicht, den Bescheid an die Künstlergruppe zu richten, oder ob nicht die einzelnen Mitglieder namentlich aufgeführt werden müssen. Der BFH begründet dies mit dem Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft der einzelnen Gruppenmitglieder.