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  • 05.12.2008 | Praxisfälle

    Vermeidung der Doppelbesteuerung – DBA Schweiz-Deutschland in der Praxis

    von StB Prof. Dr. Wolfgang Kessler, Freiburg und Dr. Hubertus Ludwig, dipl. Steuer­experte, Zürich

    Internationale Sachverhalte begegnen Steuerberatern in der Schweiz und in Deutschland immer wieder. Das Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland (DBA CH/D) folgt zwar weitgehend dem OECD-Musterabkommen (OECD-MA), weist aber gewisse Spezialitäten auf. In der Folge sollen typische Konstellationen anhand von Musterfällen aus der Praxis dargestellt werden.  

     

    Hinweis: In der Schweiz bestehen grundsätzlich zwei Arten von Steuer­hoheiten: Einerseits die Steuerhoheit des Bundes (Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer = DBG) und andererseits die Steuerhoheit der Kantone. Die kantonalen Normen wurden im Rahmen des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) weitgehend angeglichen. Insofern wird in den folgenden Musterfällen auf die Normen des Steuerharmonisierungsgesetzes Bezug genommen, statt auf die jeweiligen kantonalen Normen.  

    1. Unselbstständige Erwerbstätigkeit

    Sachverhalt

    Frank B. Müller, wohnhaft in Frankfurt, ist CEO der B-Gruppe mit Hauptsitz in Basel. Er arbeitet grundsätzlich in Basel und hat sich dort eine Einzimmerwohnung gemietet, wo er in der Regel unter der Woche schläft. Die B-Gruppe hat auch Tochtergesellschaften in den USA und in Europa, wo sich Frank Müller berufsbedingt rund zwei Monate pro Jahr aufhält. Sein stark bonusabhängiges Gehalt bezieht er nur von der B-AG, Basel. Die deutschen Steuerbehörden fordern Herrn Müller auf, seine Tätigkeit in der Schweiz zu belegen.  

     

    • Wo ist Frank B. Müller für welche Einkommen steuerpflichtig?
    • Wie wird eine Doppelbesteuerung vermieden?
     

     

    1.1 Nationale Besteuerungsgrundlage in der Schweiz

    Einen steuerrechtlichen Aufenthalt in der Schweiz hat eine Person, wenn sie in der Schweiz, ungeachtet vorübergehender Unterbrechung, während mindestens 30 Tagen verweilt und eine Erwerbstätigkeit ausübt (Art. 3 Abs. 3 lit. a DBG). Nach dem Steuerharmonisierungsgesetz gilt, dass natürliche Personen aufgrund persönlicher Zugehörigkeit steuerpflichtig sind, wenn sie ihren steuerrechtlichen Wohnsitz im Kanton haben oder wenn sie sich, ungeachtet vorübergehender Unterbrechung, bei Ausübung einer Erwerbstätigkeit mindestens 30 Tage, ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit mindestens 90 Tage im Kanton aufhalten (Art. 3 Abs. 1 StHG).  

     

    1.2 Nationale Besteuerungsgrundlage in Deutschland

    Frank B. Müller ist als natürliche Person in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, da er in Deutschland einen Wohnsitz hat (§ 1 Abs. 1 S. 1 EStG). Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er sie beibehalten und benutzen wird (§ 8 AO). Wer einen Wohnsitz im Ausland begründet und seine Wohnung im Inland behält, hat auch im Inland einen Wohnsitz im Sinne von § 8 AO (AEAO zu § 8 Nr. 5 S. 1). Bei einem ins Ausland versetzten Arbeitnehmer ist ein inländischer Wohnsitz widerlegbar zu vermuten, wenn er seine Wohnung im Inland beibehält, deren Benutzung ihm möglich ist und die im Veranlagungszeitraum nach ihrer Ausstattung jederzeit als Bleibe dienen kann (AEAO zu § 8 Nr. 5 S. 2). Ob und an wie vielen Tagen die Wohnung tatsächlich genutzt wird, ist insoweit unerheblich. Es kommt allein auf die Möglichkeit an. Eine bestimmte Mindestnutzung ist nicht erforderlich. Aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer erzielt Frank B. Müller Geschäftsführerbezüge. Diese stellen Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit dar (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG).  

     

    1.3 Vermeidung der Doppelbesteuerung

    Da Frank B. Müller sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland über eine ständige Wohnstätte verfügt, aber in Deutschland der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen liegt, gilt Herr Müller gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA CH/D als in Deutschland ansässig und damit als dort unbeschränkt steuerpflichtig (vgl. auch Kommentar zum OECD-MA Nr. 15 zu Art. 4). In der Schweiz ist Frank B. Müller mit seinem Arbeitseinkommen gemäß Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 DBA CH/D beschränkt steuerpflichtig. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 lit. d DBA CH/D wird das Arbeitseinkommen in Deutschland befreit, sofern die Tätigkeit in der Schweiz ausgeübt wird. Die Schweiz unterstellt dabei, dass bei einem Arbeitsvertrag mit einer Schweizerischen Gesellschaft die Fiktion der schweizerischen Tätigkeit gilt. Dagegen stellt sich Deutschland auf den Standpunkt, dass nur die physische Ausübung der Tätigkeit in der Schweiz zur Steuerbefreiung führen würde und in allen anderen Fällen die Anrechnungsmethode gilt. Danach führt auch die Tätigkeit im Ausland (hier USA und Europa) zur Steueranrechnung und dementsprechend zur Hinaufschleusung auf das deutsche Steuerniveau. Im Urteil des BFH vom 25.10.06 (I R 81/04) wird festgehalten, dass die Auslegungsmethode der Schweiz (Fiktion des Arbeitsorts) dem Abkommen entspricht. Zurzeit ist immer noch nicht klar, ob die deutsche Steuerverwaltung auf dieses Urteil mit einem Nichtanwendungserlass reagieren wird. In der Praxis besteht die Tendenz der deutschen Finanzbehörden, den Begriff des leitenden Angestellten rein formal anzusehen (Eintragung des „Titels“ im Handelsregister).  

     

    Beachte: Bei einem Grenzgänger gemäß Art. 15a DBA CH/D unterliegt der gesamte Arbeitslohn der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat. Da der Steuerpflichtige im Beispielsfall aber an weniger als 60 Tagen an seinen Wohnsitz in Deutschland zurückkehrt, ist diese Bestimmung nicht anwendbar (Art. 15a Abs. 2 S. 2 DBA CH/D).  

    2. Informationsaustausch

    Sachverhalt

    Klaus Maier, wohnhaft in Grenzach (D), arbeitet im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung bei einem Reinigungsinstitut in Basel. Er hat seinen Arbeitgeber, die Reinigungs-AG, überzeugen können, dass ihm die normalen Quellensteuern (Monatslohn CHF 3.000 = Quellensteuer 7,7 v.H.) abgezogen werden. Der Arbeitgeber hat auch fleißig einen Lohnausweis ausgefertigt, welchen er Klaus Maier jeweils im Februar in die Hand drückt. Allerdings hat Herr Maier die Lohnausweise dem Finanzamt Lörrach – wo er gemeldet ist – nie eingereicht. Das Finanzamt Lörrach hat nun einen Tipp bekommen, dass Herr Maier bei der Reinigungs-AG arbeitet, schreibt diese an und bittet sie, ihm die Lohnausweise der letzten fünf Jahre zuzustellen. Muss die Reinigungs-AG diesem Begehren nachkommen?  

     

     

    2.1 Nationale Besteuerungsgrundlage in der Schweiz

    Nach Art. 5 Abs. 1 lit. a DBG bzw. Art. 4 Abs. 2 lit. a StHG wird Klaus Maier mit seinem Arbeitseinkommen in der Schweiz steuerpflichtig.  

     

    2.2 Nationale Besteuerungsgrundlage in Deutschland

    Klaus Maier ist in Deutschland mit seinem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig, da er in Deutschland einen Wohnsitz hat (§ 1 Abs. 1 S. 1 EStG i.V.m. § 8 AO). Aus seiner Teilzeitbeschäftigung erzielt er Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG).  

     

    2.3 Vermeidung der Doppelbesteuerung

    Nach Art. 15a Abs. 1 DBA CH/D wird das unselbstständige Einkommen eines Grenzgängers (tägliche Rückkehr nach Grenzach) mit 4,5 v.H. an der Quelle besteuert. Nach Art. 15a Abs. 3 lit. a DBA CH/D ist das gesamte Einkommen in Deutschland zu besteuern und die schweizerische Quellensteuer wird wie die deutsche Lohnsteuer auf die Einkommensteuer angerechnet (§ 36 Abs. 2 EStG). § 34c EStG mit seiner für den Steuerpflichtigen nachteiligen Höchstberechnung ist ausdrücklich ausgeschlossen.  

     

    Nach Art. 127 Abs. 1 lit. a DBG (Art. 43 Abs. 1 StHG) sind die Arbeitgeber in der Schweiz gehalten, einen Lohnausweis auszustellen. Empfänger dieses Lohnausweises ist grundsätzlich der Arbeitnehmer. Nach Art. 127 Abs. 2 DBG (Art. 43 Abs. 2 StHG) kann die Veranlagungsbehörde den Lohnausweis vom Arbeitgeber direkt einfordern. Dieses Recht ist aber auf schweizerische Veranlagungsbehörden beschränkt. Sofern Klaus Maier seinen Lohnausweis den deutschen Behörden nicht einreicht, kann die deutsche Finanzverwaltung aufgrund von Art. 27 Abs. 1 lit. a DBA CH/D den Lohnausweis im Verfahren des Informationsaustausches erhalten. Das Verfahren wird im Verhandlungsprotokoll vom 7.12.07 (zu Art. 27 Abs. 1 lit. b DBA CH/D) geregelt. Der Weg führt für die zuständige deutsche Behörde über ein Ersuchen an die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV), welche nach einer Vorprüfung Informationsinhaber (Arbeitgeber) und betroffene Personen informiert. Stimmt die betroffene Person der Aushändigung der Informationen zu, schließt die EStV das Verfahren durch Übermittlung der Informationen an die zuständige Behörde; wird die Zustimmung nicht erteilt, erlässt die EStV eine entsprechende Verfügung gegenüber dem Informationsinhaber.  

    3. Arbeitsort/Besteuerungsanknüpfung

    Sachverhalt

    Professor Müller – mit Schweizer Pass – hat eine Professur in Tübingen inne, wird aber ein Forschungsprojekt in Bern für neun Monate ausschließlich vor Ort betreuen. Er mietet sich deshalb eine Wohnung in Bern. Finanziert wird das Forschungsprojekt von einem internationalen Konsortium, welches die Universität Tübingen damit beauftragt hat. Wo ist Professor Müller mit seinem Einkommen steuerpflichtig?  

     

     

    3.1 Nationale Besteuerungsgrundlage in der Schweiz

    Nach Art. 5 Abs. 1 lit. a DBG (Art. 4 Abs. 2 lit. a StHG) ist Professor Müller zumindest in der Schweiz beschränkt steuerpflichtig.  

     

    3.2 Nationale Besteuerungsgrundlage in Deutschland

    Professor Müller ist mit seinen Einkünften aus unselbstständiger Tätigkeit in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig (§ 19 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 EStG und § 9 AO), da er sich immer noch gewöhnlich in Deutschland aufhält. Nach § 9 AO hat jemand dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Da er seine Professur in Deutschland auch während des neunmonatigen Forschungsprojekts in der Schweiz weiterhin innehat, hat er diesen gewöhnlichen Aufenthalt auch nicht aufgegeben. Der gewöhnliche Aufenthalt im Inland ist dann aufgegeben, wenn der Steuerpflichtige mehr als sechs Monate im Ausland lebt, es sei denn, dass besondere Umstände darauf schließen lassen, dass die Beziehungen zum Inland bestehen bleiben. Entscheidend ist dabei, ob der Steuerpflichtige den persönlichen und geschäftlichen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt hat und ob er seinen Willen, in den Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückzukehren, endgültig aufgegeben hat. Als Kriterien können auch die beruflichen und gesellschaftlichen Bindungen herangezogen werden. Bei Abwesenheit zwischen 6 und 12 Monaten kommt es auf den Zweck des Auslandaufenthalts an, d.h. ob dieser noch vorübergehend ist (vgl. AEAO zu § 9 Nr. 4, vgl. auch BFH 27.7.62, VI 156/59 U, BStBl III 62, 429).  

     

    3.3 Vermeidung der Doppelbesteuerung

    Bei der Universität Tübingen handelt es sich um eine Körperschaft oder um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts Deutschlands. Insofern könnte Art. 19 Abs. 1 DBA CH/D zur Anwendung kommen. Bei Vergütungen im öffentlichen Dienst gilt das Schuldnerstaatsprinzip, d.h. nicht der Ort der Ausübung der Tätigkeit ist entscheidend, sondern wer die Vergütung trägt. Allerdings wird das Schuldnerstaatsprinzip nicht konsequent durchgehalten: So werden Staatsangehörige des Tätigkeitsstaates ausschließlich dort besteuert (Art. 19 Abs. 1 S. 2 DBA CH/D). ProfessorMüller besitzt die schweizerische Staatsangehörigkeit. Somit weist Art. 19 Abs. 1 S. 2 DBA CH/D das Besteuerungsrecht für Vergütungen für das neunmonatige Forschungsprojekt der Schweiz zu. Allerdings könnte ein Forschungsprojekt im Auftrag eines internationalen Konsortiums auch „im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit" der betreffenden staatlichen Institution im Sinne von Art. 19 Abs. 2 DBA CH/D erfolgen, auf welche die Art. 15 und 16 DBA CH/D Anwendung finden. Ausgehend von der Annahme, dass Professor Müller immer noch im Sinne von Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA CH/D in Deutschland ansässig und damit dort unbeschränkt steuerpflichtig ist, könnte ihn die Schweiz nur dann besteuern, wenn seine Anwesenheit nicht so auf zwei Kalenderjahre verteilt liegt, dass er in keinem Jahr mehr als 183 Tage in der Schweiz verbringt (Art. 15 Abs. 2 lit. a DBA CH/D).  

    4. Einkünfte aus einer Personengesellschaft

    Sachverhalt

    Herr Joseph Bucher, wohnhaft in Kreuzlingen (CH), ist an einer deutschen GmbH & Co. KG beteiligt und erhält aus der deutschen Komplementär-GmbH eine Dividende von 20.000 EUR. Der deutsche Steuerberater der GmbH & Co. KG teilt Herrn Bucher mit, dass die „Dividende“ aus Sonderbetriebsvermögen der GmbH & Co. KG stamme und er diese Einkünfte seiner Ansicht nach in der Schweiz nur steuersatzbestimmend zu deklarieren habe. Teilen Sie die Auffassung des deutschen Steuerberaters?  

     

     

    4.1 Nationale Besteuerungsgrundlage in der Schweiz

    Nach Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG (Art. 7 Abs. 1 StHG) sind Dividendeneinkünfte in der Schweiz steuerpflichtig.  

     

    4.2 Nationale Besteuerungsgrundlage in Deutschland

    Joseph Bucher ist Mitunternehmer einer inländischen Personengesellschaft. Damit nutzt Joseph Bucher eine im Inland unterhaltene Betriebsstätte (Beteiligung an der Personengesellschaft) zur Erzielung seiner Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG).  

     

    Die Anteile eines Kommanditisten einer GmbH & Co. KG an der Komplementär-GmbH zählen grundsätzlich zum sog. Sonderbetriebsvermögen II der KG. Durch die Beteiligung an der GmbH wird die Mitunternehmerstellung von Herr Bucher bei der KG gestärkt (BFH 31.1.91, IV R 2/90, BStBl II 91, 786 und 23.1.92, XI R 36/88, BStBl II 92, 721). Als Folge dieser Zuordnung gehören Gewinnausschüttungen der GmbH zu den gewerblichen Einkünften gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HS 2 EStG. Mithin liegt nach dem Verständnis der deutschen Finanzverwaltung keine Dividende i.S.d. Art. 10 OECD-MA vor, sondern Unternehmensgewinn i.S.d. Art. 7 OECD-MA (BMF 24.12.99, BStBl I 99, 1076, Betriebsstättenverwaltungsgrundsätze, Tz. 1.2.3 S.1; a.A. BFH 17.10.07, I R 5/06, BFH/NV 08, 869).  

     

    4.3 Vermeidung der Doppelbesteuerung

    Der vorliegende Sachverhalt führte zur Einleitung eines Verständigungsverfahrens zwischen der Schweiz und Deutschland. Die beiden Steuer­behörden konnten sich nicht verständigen. So blieb es dabei, dass Deutschland nach Art. 10 Abs. 5 i.V.m. Art. 7 Abs. 7 DBA CH/D die Gewinnausschüttung der Komplementär-GmbH als Teil des (Gesamt-) Gewinns der Personengesellschaft ansieht, und die Schweiz sich formal auf den Standpunkt stellt, es liege eine Dividende nach Art. 10 Abs. 2 lit. c DBA CH/D vor. Dies führte dazu, dass eine Doppelbesteuerung eintrat, allerdings – entsprechend dem schweizerischen Verständnis – mit einer pauschalen Steueranrechnung von maximal 15 v.H. in der Schweiz.  

     

    In neuster Zeit besteht die Tendenz der deutschen Finanzbehörden, die Komplementär-GmbH nicht mehr automatisch der deutschen Personengesellschaft zuzurechnen, sondern eine tatsächliche Zugehörigkeit (funktionaler Zusammenhang) vorauszusetzen. D.h. die deutschen Steuer­behörden gleichen ihre Überlegungen an die schweizerische Haltung an.  

    5. Betriebsstätte einer deutschen Personengesellschaft

    Sachverhalt

    Bernhard Schulze ist erfolgreicher Kaufmann und betreibt eine Ladenkette – Junge Mode – in Deutschland. Ein spanischer und ein italienischer Unternehmer sind begeistert und wollen das Konzept übernehmen. Schulzes Sohn hat gerade sein Studium abgeschlossen und soll das Konzept zu Papier bringen und helfen, es in Italien und Spanien umzusetzen. Schulzes Sohn mietet in Zürich ein Büro und stellt auf Kosten seines Vaters einen Innenarchitekten sowie eine Sekretärin an. Anlässlich des Abschlusses des Miet- und des Arbeitsvertrags macht ein Jurist Schulzes Sohn darauf aufmerksam, dass er einen Unternehmensträger brauche. Schulzes Sohn lässt die Firma seines Vaters, die Gesellschaft „Schulzes Junge Mode GmbH & Co. KG“, rasch ins Handelsregister eintragen, womit er in der Schweiz eine Betriebsstätte errichtet hat. Das Konzept soll im Übrigen in Form eines Franchisings an den italienischen und spanischen Unternehmer lizenziert werden und schon im ersten Jahr einen Gewinn abwerfen. Schulzes Sohn macht während eines feucht-fröhlichen Abends die Bekanntschaft mit einem aufstrebenden schweizerischen Steuerberater, der ihm den Vorschlag macht, seine Firma in einen Kanton zu verlegen, welcher etwas günstiger als Zürich besteuert und wo man unter Umständen sogar ein „Privileg“ erhält. Wie wird die Firma seines Vaters in Zürich besteuert? Treffen die Überlegungen des Steuerberaters zu?  

     

     

    5.1 Nationale Besteuerungsgrundlage in der Schweiz

    Nach Art. 4 Abs. 1 lit. a DBG sind Betriebsstätten einer deutschen Personengesellschaft in der Schweiz beschränkt steuerpflichtig (Art. 4 Abs. 1 StHG).  

     

    Ausländische Personengesellschaften, die aufgrund wirtschaftlicher Zugehörigkeit in der Schweiz steuerpflichtig sind, entrichten gemäß Art. 11 DBG (Art. 20 Abs. 2 StHG) ihre Steuern nach den Bestimmungen für juristische Personen.  

     

    Nach Art. 28 Abs. 3 und 4 StHG können Gesellschaften ohne aktive Wirtschaftstätigkeit eine spezielle Besteuerung beanspruchen und dementsprechend ist nach schweizerischem Verständnis die Besteuerung als Domizil-, Hilfs- oder Verwaltungsgesellschaft nicht ausgeschlossen (vgl. Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I, Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, N 70 zu Art. 28). Insofern treffen die Überlegungen des schweizerischen Steuerberaters auf das schweizerische Steuerrecht durchaus zu.  

     

    5.2 Nationale Besteuerungsgrundlage in Deutschland

    Personengesellschaften unterliegen als solche nicht der Einkommensteuer. Steuerpflichtig sind die beteiligten Gesellschafter als natürliche Personen bzw. die beteiligte GmbH. Da die Gesellschafter der „Schulzes Junge Mode GmbH & Co. KG“ – mangels entgegenstehender Angaben im Sachverhalt – ihren Wohnsitz bzw. Sitz und Geschäftsleitung (GmbH) in Deutschland haben, sind sie mit ihrem Welteinkommen dort unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 AO bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG i.V.m. §§ 10, 11 AO). Der einzelne Mitunternehmer bezieht mit seinem Anteil am Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft sowie mit eventuellen Sondervergütungen (sog. zweistufige Gewinnermittlung) steuerpflichtige gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG.  

     

    5.3 Vermeidung der Doppelbesteuerung

    Es ist nicht ausgeschlossen, dass Italien bzw. Spanien auf Einkünfte aus der Lizenzvergabe (Franchising – Nutzungsmöglichkeit eines Geschäftskonzepts) eine Quellensteuer erhebt. Betriebsstätten (Zweigniederlassungen) sind keine abkommensberechtigten Personen und können sich nicht auf ein DBA berufen (auch das Verbot der Betriebsstättendiskriminierung gibt kein Recht auf Anwendung; vgl. Kommentar zum OECD-MA Ziff. 51 f. zu Art. 24), sondern nur das Stammhaus „Schulzes Junge Mode GmbH & Co. KG“ in Deutschland. Nach deutschem Verständnis sind Personengesellschaften keine juristischen Personen, sondern transparent. Abkommensberechtigt sind daher nur die Gesellschafter der KG.  

     

    Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 lit. a DBA CH/D werden Gewinne aus (schweizerischen) Betriebsstätten freigestellt, wenn sie dem Aktivitätenkatalog gemäß lit. a entsprechen. Die Entwicklung eines Franchisekonzepts dürfte als passiv gelten, entsprechend gilt in Deutschland nicht die Befreiung, sondern die Anrechnung der Steuern nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA CH/D. Eine Sitzverlegung in einen anderen Kanton und die Beanspruchung eines Privilegs macht deshalb keinen Sinn, weil die gesamten Einkünfte auf das deutsche Steuerniveau hochgeschleust werden.  

    Quelle: Ausgabe 12 / 2008 | Seite 328 | ID 123267