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  • · Fachbeitrag · Grenzüberschreitende Arbeitnehmertätigkeit

    Steuerliche Aspekte der Homeoffice-Tätigkeit eines Grenzgängers ‒ Teil 1

    von Dino Höppner, M.Sc. und Mag. iur. Filip Schade, LL.M., beide Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

    | Homeoffice erfreut sich einer steigenden Beliebtheit als modernes Arbeitsmodell. Das zeigen auch die Pläne der Bundesregierung, das Recht auf Homeoffice gesetzlich zu verankern. Dabei stellt sich die Frage, wie derartige Übereinkünfte aus steuerlicher Sicht ‒ vor allem im grenzüberschreitenden Kontext ‒ zu würdigen sind. Diese Frage wurde im steuerlichen Schrifttum bislang nur stiefmütterlich behandelt. Dieser „Lücke“ nimmt sich der vorliegende zweiteilige Beitrag an. In diesem ersten Teil werden die Steuerpflicht auf unilateraler Ebene sowie die Aufteilung der Besteuerungsrechte nach dem Abkommensrecht bei Vorliegen von Homeoffice-Tätigkeiten eines Grenzgängers betrachtet. |

    1. Grundlagen der Besteuerung von Grenzgängern

    Als Grenzgänger wird ein Arbeitnehmer verstanden, der seinen Wohnsitz in einem Staat (Ansässigkeitsstaat) hat, während die Ausübung seiner Tätigkeit in einem anderen Staat (Tätigkeitsstaat) erfolgt. Ebenso ist es erforderlich, dass der Arbeitnehmer von seiner Arbeitsstätte täglich zu seinem Wohnsitz zurückkehrt. Im Ansässigkeitsstaat ist der Grenzgänger aufgrund seines Wohnsitzes mit seinem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig. Daneben ist der Grenzgänger im Tätigkeitsstaat mit seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit beschränkt steuerpflichtig. In Deutschland ergibt sich die beschränkte Steuerpflicht in vorliegenden Fällen aus § 1 Abs. 4 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) 1. Alt. EStG. Sofern die beiden Staaten ein DBA miteinander abgeschlossen haben, das in seiner Ausgestaltung dem OECD-MA entspricht, richtet sich die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Staaten nach Art. 15 OECD-MA.

     

    MERKE | Welcher Staat als Ansässigkeitsstaat zu bestimmen ist, richtet sich nach Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Diese Vorschrift definiert die Voraussetzungen der abkommensrechtlichen Ansässigkeit nicht eigenständig, sondern bedient sich der Merkmale des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten, die u. a. die unbeschränkte Steuerpflicht einer natürlichen Person begründen.

     

    Der Verteilungsartikel für Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit des OECD-MA folgt einer dreistufigen Systematik. Dem Grundsatz nach sieht Art. 15 Abs. 1 S. 1 HS. 1 OECD-MA das Besteuerungsrecht nur für den Ansässigkeitsstaat vor. Es handelt sich somit um eine abschließende Rechtsfolge.

     

    Die Ausnahme vom Grundsatz bildet das Arbeitsortprinzip, das gemäß Art. 15 Abs. 1 S. 1 HS. 2 und S. 2 OECD-MA das Besteuerungsrecht dem Tätigkeitsstaat zuweist, soweit die Arbeit in diesem Vertragsstaat ausgeübt wird. Dabei ist für die Bestimmung des Tätigkeitsstaats der Ort der Arbeitsausübung (Arbeitsort) maßgeblich. Der Arbeitsort bestimmt sich danach, wo sich der Arbeitnehmer zur Ausübung seiner Tätigkeit tatsächlich aufhält.

     

    Beachten Sie | Es kommt entscheidend auf die physische Präsenz des Arbeitnehmers im Tätigkeitsstaat an. Diese ist auch dann maßgebend, wenn der Arbeitsort durch den Arbeitnehmer nur vorübergebend aufgesucht wird. Mithin ist die Dauer des Aufenthalts für die Bestimmung des Tätigkeitsstaats nicht entscheidend, sodass ein stundenweiser Aufenthalt bereits genügt (vgl. Prokisch, in: Vogel/Lehner, 6. Aufl. 2015, Art. 15 OECD-MA, Rz. 31).

     

    In seiner jüngsten Entscheidung urteilte der BFH zum abkommensrechtlichen Arbeitsortprinzip hinsichtlich der Besteuerung von Dienstreisen eines Arbeitnehmers in einen anderen als die beiden DBA-Vertragsstaaten ‒ sog. Dreiecksachverhalt (vgl. BFH 16.1.19, I R 66/17, BFH/NV 19, 1067). In diesem Urteil bestätigte der BFH seine Rechtsprechungslinie auch bei DBA-Verteilungsnormen, die abweichend zum Art. 15 Abs. 1 OECD-MA ausgestaltet sind. Entscheidend für die Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Tätigkeitsstaat i. S. d. DBA ist die körperliche Anwesenheit des Arbeitnehmers am Arbeitsort. Folglich liegt bei Dienstreisen in einen anderen als die beiden DBA-Vertragsstaaten der Ort der Arbeitsausübung in diesem dritten Staat. Nach den Vorschriften des DBA zwischen dem Ansässigkeitsstaat und dem üblicherweise aufgesuchten Tätigkeitsstaat obliegt das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat. Das DBA zwischen dem Ansässigkeitsstaat und dem „Dienstreisestaat“ würde aufgrund der 183-Tage-Regel ebenfalls dem Ansässigkeitsstaat die Besteuerungsbefugnis zuweisen (vgl. zum Ganzen Höppner/Schade, ISR 2019, 345; Kudert, PIStB 19, 272).

     

    Bei anderen als körperlichen Tätigkeiten kann sich die Frage ergeben, ob abweichend vom Ausübungsort nicht vielmehr auf den Ort abgestellt werden sollte, an dem die Tätigkeit ihre Wirkung entfaltet (z. B. bei der Erteilung von Weisungen an Angestellte oder Einhaltung eines Wettbewerbsverbots). Die ältere Rechtsprechung des BFH folgte bei solchen passiven Tätigkeiten dem Ansatz, dass diese am Ort des Sitzes der Gesellschaft ausgeübt werden, selbst wenn sich der Steuerpflichtige nur gelegentlich dort aufhält. In der späteren Rechtsprechung löst sich der BFH von dieser Auffassung vollständig und stellt seither auch bei passiven Tätigkeiten auf den tatsächlichen Aufenthaltsort für die Arbeitsausübung ab, soweit die Tätigkeit unter den Art. 15 OECD-MA zu subsumieren ist (vgl. dazu Bourseaux/Sendler/Rauert, in: Schönfeld/Ditz, 2. Aufl. 2019, Art. 15 DBA, Rz. 93).

     

    MERKE | Das entscheidende Merkmal für die abkommensrechtliche Bestimmung des Arbeitsorts ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH die physische Präsenz des Arbeitnehmers während der Tätigkeitsausübung. Nur wenn diese im Tätigkeitsstaat liegt, wird das Besteuerungsrecht nach Art. 15 Abs. 1 2. HS. und S. 2 OECD-MA dem Tätigkeitsstaat zugewiesen.

    Nichts anderes stellt sich ein, wenn ein Arbeitnehmer, der weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, nur durch die Verwertung seiner Tätigkeit im Inland beschränkt steuerpflichtig ist (§ 1 Abs. 4 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 lit. a) 2. Alt. EStG), die Tätigkeit aber im anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. In einem solchen Sachverhalt obliegt das Besteuerungsrecht ‒ mangels Ausübung der Tätigkeit in Deutschland ‒ dem Ansässigkeitsstaat. Das deutsche Besteuerungsrecht wird insoweit durch das Abkommensrecht eingeschränkt (vgl. Prokisch, in: Vogel/Lehner, 6. Aufl. 2015, Art. 15 OECD-MA, Rz. 3).

     

    Die Rückausnahme zum Arbeitsortprinzip ist in Art. 15 Abs. 2 OECD-MA in Gestalt der sog. 183-Tage-Regelung kodifiziert. Hiernach wird das Besteuerungsrecht an den Ansässigkeitsstaat zurückgewiesen, wenn die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

     

    • a) Der Arbeitnehmer hält sich im Tätigkeitsstaat insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten auf.
    • b) Die Vergütungen werden von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt, der nicht im Tätigkeitsstaat ansässig ist.
    • c) Die Vergütungen werden nicht durch eine Betriebsstätte getragen, die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat hat.

     

    Das bedeutet: Das Arbeitsortprinzip soll nur Anwendung finden, soweit ein zeitlicher Mindestaufenthalt (Buchst. a) und eine wirtschaftliche Belastung eines inländischen Arbeitgebers (Buchst. b) oder einer inländischen Betriebsstätte (Buchst. c) im Tätigkeitsstaat vorliegt.

     

    PRAXISTIPP | Für die Ermittlung der 183-Tage-Frist ist zu beachten, dass die Ausgestaltung in den deutschen DBA abweicht. So kann als Ermittlungszeitraum durchaus auf das Steuerjahr abgestellt werden (z. B. Art. 14 Abs. 2 Buchst. a) DBA-Vereinigtes Königreich).

     

    Neben der in Art. 15 Abs. 1 und 2 OECD-MA enthaltenen dreistufigen Systematik sehen ältere deutsche DBA weitere Spezialregelungen für Grenzgänger vor. Die sog. Grenzgängerregelung findet sich heute noch in den DBA mit Frankreich (Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich), Österreich (Art. 15 Abs. 6 DBA-Österreich) und der Schweiz (Art. 15a DBA-Schweiz), wobei die Vorschriften in den jeweiligen DBA abweichend ausgestaltet sind (vgl. die Übersicht bei Bourseaux/Sendler/Rauert, in: Schönfeld/Ditz, 2. Aufl. 2019, Art. 15 DBA, Rz. 147). Werden die Voraussetzungen der jeweiligen Grenzgängerregelung erfüllt, wird das Arbeitsortprinzip suspendiert. In der Konsequenz fällt das Besteuerungsrecht an den Ansässigkeitsstaat zurück, während für den Tätigkeitsstaat trotz der dortigen Arbeitsausübung das Besteuerungsrecht ausgeschlossen wird.

     

    Nur bei Anwendung des Arbeitsortprinzips liegt das Besteuerungsrecht sowohl beim Tätigkeitsstaat als auch beim Ansässigkeitsstaat. Die drohende Doppelbesteuerung wird im Ansässigkeitsstaat durch die im DBA vereinbarte Freistellungsmethode (Art. 23A OECD-MA) oder über die Anrechnung der im Tätigkeitsstaat erhobenen Steuer (Art. 23B OECD-MA) vermieden. In den meisten deutschen DBA ist hierfür die Freistellungsmethode vereinbart.

    2. Steuerliche Implikationen einer Homeoffice-Tätigkeit

    2.1 Vorliegen einer beschränkten Steuerpflicht im Inbound-Fall?

    Vereinbart der unselbstständig tätige Grenzgänger mit seinem inländischen Arbeitgeber die Möglichkeit der teilweisen Ausübung seiner Tätigkeit im Homeoffice, stellt sich aus deutscher Sicht in Inbound-Konstellationen im ersten Schritt die Frage, in welchem Umfang inländische Einkünfte und somit eine beschränkte Steuerpflicht i. S. d. § 1 Abs. 4 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) EStG vorliegt. Mit anderen Worten: Erfasst das deutsche innerstaatliche Recht nur die Vergütungen, die im Zusammenhang mit der tatsächlichen Arbeitsausübung an einem inländischen Arbeitsort stehen oder reicht das nationale Besteuerungsrecht weiter und umfasst darüber hinaus die Vergütungen, die für die Homeoffice-Tätigkeiten des Arbeitnehmers in dessen Ansässigkeitsstaat erzielt wurden?

     

    • Beispiel (Inbound-Fall)

    Ein Pole, wohnhaft in Slubice, arbeitet grenznah in Frankfurt (Oder). Sein deutscher Arbeitgeber findet es in Ordnung, dass er zeitweise auch von zu Hause aus arbeitet. Wenn er das regelmäßig an einem Freitag macht, so entspricht dies bei einer Fünftagewoche 20 % der Arbeitszeit.

     

    Zunächst ist davon auszugehen, dass der Verwertungstatbestand gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) 2. Alt. EStG ausscheidet. Denn vorliegend mangelt es an der notwendigen Schaffung eines körperlichen oder geistigen Produkts durch den Arbeitnehmer, die über die reine Erbringung einer Arbeitsleistung hinausgeht (vgl. Reimer, in: Blümich, 149. Erg.-Lfg., § 49 EStG, Rz. 220 i. V. m. 205 m.w.N.). Strittig ist hingegen, ob dienstlich vereinbarte Unterbrechungen während der gewöhnlich im Inland ausgeführten Arbeitsleistung ‒ wie etwa die Homeoffice-Tätigkeit im ausländischen Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers ‒ Einfluss auf die beschränkte Steuerpflicht i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) 1. Alt. EStG haben können.

     

    So wird im Schrifttum u. a. vertreten, dass trotz kurzfristiger, wiederkehrender Abwesenheiten im eigentlichen deutschen Tätigkeitsstaat die Einkünfte des Arbeitnehmers nach wie vor vollumfänglich dem deutschen Besteuerungsrecht unterliegen, weil eine enge funktionale Verknüpfung zur grundsätzlich in Deutschland lokalisierten Tätigkeit besteht (vgl. Reimer, in: Blümich, 149. Erg.-Lfg., § 49 EStG, Rz. 217 m. w. N.). Dem ist u. E. entgegenzuhalten, dass es für die Begründung des deutschen Besteuerungsrechts auf nationaler Ebene nicht darauf ankommen kann, ob die Abwesenheit von kurzer oder langer Dauer ist. Ebenso ist eine Attraktivkraft des gewöhnlichen Arbeitsplatzes abzulehnen. Vielmehr sollte auch im nationalen Recht das im Abkommensrecht zur Anwendung kommende Arbeitsortprinzip Geltung entfalten (so bereits BFH 12.11.86, I R 268/83, BStBl II 87, 372, Rz. 19).

     

    Demnach kann der Ausübungstatbestand gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) 1. Alt. EStG bei Verrichtung der vereinbarten Arbeitsleistung nur dann erfüllt sein, wenn diese vom Arbeitnehmer unter physischer Präsenz persönlich im Inland erbracht wird (so auch Haiß, in: Herrmann/Heuer/Raupach, 294. Erg.-Lfg., § 49 EStG, Rz. 737; Loschelder, in: Schmidt, 38. Aufl. 2019, § 49 EStG, Rz. 73). Letzterer Auffassung scheint sich die deutsche Finanzverwaltung anzuschließen (vgl. BMF 3.5.18, IV B 2 ‒ S 1300/08/10027, BStBl I 18, 643, Rz. 33). Infolgedessen sind in einem Inbound-Fall die auf die Homeoffice-Tage im Ausland entfallenden Vergütungen des Arbeitnehmers in Deutschland nicht steuerpflichtig.

     

    2.2 Zuweisung des Besteuerungsrechts nach dem OECD-MA

    Unabhängig von der steuerlichen Beurteilung der Arbeitsvergütung auf unilateraler Ebene ist fraglich, ob und wie das Besteuerungsrecht an nämlicher Vergütung zwischen dem Ansässigkeits- und eigentlichen Tätigkeitsstaat aufzuteilen ist. Denn der monatlich in einer Summe bezogene Arbeitslohn steht sowohl mit der Homeoffice-Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat als auch der Arbeitsausübung im Tätigkeitsstaat in Verbindung.

     

    Ist Deutschland (wie im Beispiel) der Tätigkeitsstaat (Inbound-Fall), kann Deutschland u. E. bereits nach nationalem Recht (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) 1. Alt. EStG) einen Besteuerungsanspruch nur auf den Teil der Vergütung erheben, der mit der tatsächlich in Deutschland verrichteten Arbeit in Zusammenhang steht. Insoweit bedarf es aus deutscher Sicht zur Aufteilung des monatlichen Arbeitslohns nicht mehr des Rückgriffs auf ein DBA, um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden.

     

    Im Outbound-Fall, in dem der Arbeitnehmer in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 1 Abs. 1 S. 1 EStG), greift hingegen das Welteinkommens-prinzip. In der Folge kann Deutschland auf unilateraler Ebene den Besteuerungszugriff für den gesamten Arbeitslohn geltend machen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vergütung mit der Homeoffice-Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat oder mit der Arbeitsausübung im Tätigkeitsstaat in Verbindung steht. Da auch der Tätigkeitsstaat sein Besteuerungsrecht (zumindest) für die Vergütungsteile ausüben wird, die aus der Arbeitsausübung im Tätigkeitsstaat resultieren, bedarf es aus Sicht des Ansässigkeitsstaats einer Aufteilung der Besteuerungsrechte anhand eines DBA.

     

    Da ‒ wie bereits erwähnt ‒ zur Bestimmung des Arbeitsortes ausschließlich an die physische Präsenz des Arbeitnehmers im Zeitpunkt der Tätigkeitsausübung angeknüpft wird, liegt das Besteuerungsrecht an Tagen der Homeoffice-Tätigkeiten nicht beim eigentlichen Tätigkeitsstaat, sondern beim Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers. An allen anderen Arbeitstagen, an denen sich der Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit im Tätigkeitsstaat befindet, wird das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats aufgrund des einschlägigen Arbeitsortprinzips nicht berührt.

     

    In der Konsequenz ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 S. 1 OECD-MA sowohl für den Ansässigkeitsstaat als auch den Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht am Arbeitslohn dem Grunde nach. Die Antwort auf die Frage, welche Einkünfte der Höhe nach von den Vertragsstaaten besteuert werden dürfen, ergibt sich aus der Rechtsfolgenregelung des Art. 15 Abs. 1 S. 2 OECD-MA. Denn ausweislich des Wortlauts dieser Vorschrift erhält der Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht nur dann, wenn die Vergütung „dafür“ gezahlt wird, dass der Arbeitnehmer die Tätigkeit im Tätigkeitsstaat ausübt. In der Folge können zwei Fallgruppen von Vergütungen unterschieden werden:

     

    • direkt (unmittelbar) zuordenbare Vergütungen und
    • indirekt (mittelbar) zuordenbare Vergütungen.

     

    Um unmittelbar zur Tätigkeitsausübung zuordenbare Vergütungen handelt es sich in Fällen von Vergütungen, die für Einzeltätigkeiten gezahlt werden (z. B. Überstunden oder Auslandszulagen). Auf einer ersten Stufe sind diese Vergütungen, soweit die Tätigkeit im Tätigkeitsstaat ausgeübt und die Vergütung dafür gezahlt wird, lediglich dort zu besteuern. Der Ansässigkeitsstaat hat die Vergütung hingegen von der Besteuerung auszunehmen, sofern die Freistellungsmethode vereinbart wurde.

     

    Soweit der Arbeitnehmer seine Vergütung nicht explizit für die Tätigkeitsausübung im Tätigkeitsstaat erhält, ist die Vergütung nicht unmittelbar zuordenbar. Demnach ist bei solchen Vergütungen auf einer zweiten Stufe eine Aufteilung zwischen den beiden Vertragsstaaten erforderlich (vgl. Bourseaux/Sendler/Rauert, in: Schönfeld/Ditz, 2. Aufl. 2019, Art. 15 DBA, Rz. 21). Dies ist regelmäßig beim monatlichen Arbeitsentgelt der Fall, wenn die Arbeit teilweise im Homeoffice erbracht wird. Denn die Arbeit wird während des Ausübungszeitraums in beiden Staaten verrichtet, ohne dass Teile der Vergütung eindeutig Einzeltätigkeiten zuordenbar sind bzw. explizit für die Tätigkeitsausübung im Tätigkeitsstaat gezahlt werden. Dies gilt entsprechend für Urlaubsgelder, Weihnachtsgelder sowie Prämien.

     

    In Fällen einer nur mittelbaren Zuordnung der Vergütung zur ausgeübten Tätigkeit ist eine Aufteilung nach einem Verteilungsschlüssel vorzunehmen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist diese Aufteilung anhand der im Tätigkeitsstaat erbrachten Arbeitstage im Verhältnis zu den insgesamt vereinbarten Arbeitstagen vorzunehmen. Vereinbarte Arbeitstage sind die Arbeitstage, zu denen sich der Arbeitnehmer nach den Bestimmungen seines Arbeitsvertrags verpflichtet hat. Das Verhältnis der im Tätigkeitsstaat verrichteten Arbeitstage zu den vertraglich festgelegten Arbeitstagen stellt den Anteil der im Tätigkeitsstaat erbrachten Arbeitstage dar und ist mit dem Arbeitslohn (bzw. der Summe der mittelbar zuordenbaren Vergütungen) zu multiplizieren (vgl. Reinhold, in: Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft, 38. Erg.-Lfg., Art. 15 OECD-MA, Rz. 234). Da sich das DBA-Polen am OECD-MA anlehnt, würde im o. g. Beispiel das Verhältnis 4/5 betragen. Das Ergebnis stellt den auf den Tätigkeitsstaat entfallenden Anteil der Vergütungen dar. Die Differenz zum gesamten Arbeitslohn umfasst den Anteil (hier: 1/5), der auf die Homeoffice-Tätigkeit entfällt und daher im Ansässigkeitsstaat zu besteuern ist.

     

    MERKE | Unerheblich ist es, zu welchem Zeitpunkt und wohin die Vergütung gezahlt wird. Es kommt allein darauf an, ob das Arbeitsentgelt dem Arbeitnehmer für den Zeitraum der Ausübung der Tätigkeit im Tätigkeitsstaat zufließt. Der Arbeitslohn ist ins Verhältnis zu den vereinbarten Arbeitstagen zu setzen und anhand der jeweils erbrachten Arbeitstage aufzuteilen. Dies gilt analog für andere mittelbar zuordenbare Vergütungen (wie etwa Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld sowie Prämien).

     

    Durch die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse dem Grunde und der Höhe nach besteht für Arbeitnehmer, die Grenzgänger sind, ein gewisser Gestaltungsspielraum durch die Ausübung einer Homeoffice-Tätigkeit. Da dem Arbeitnehmer sein jährlicher Arbeitslohn weitgehend bekannt ist, kann er durch eine entsprechende Anzahl von Arbeitstagen im Homeoffice das Besteuerungssubstrat aus dem eigentlichen Tätigkeitsstaat in den Ansässigkeitsstaat verlagern, um dort z. B. den Grundfreibetrag auszunutzen. Die Verlagerung des Arbeitslohns in den Ansässigkeitsstaat ist für den Steuerpflichtigen bis zur Erreichung des nivellierten Grenzsteuersatzes zwischen dem Tätigkeits- und dem Ansässigkeitsstaat vorteilhaft (vgl. Kudert/Husmann, StuW 06, 165).

     

    Beachten Sie | Im Inbound-Fall wird der Arbeitgeber trotz der fehlenden beschränkten Steuerpflicht sowie der abkommensrechtlichen Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Ansässigkeitsstaat auch für die auf Homeoffice-Tage entfallenden Vergütungsbestandteile die Lohnsteuer gemäß § 38 ff. EStG einbehalten und an das Finanzamt abführen. Mithin muss der Steuerpflichtige eine entsprechende Erstattung beantragen.

     

    FAZIT |

    Die vorliegenden Ausführungen haben gezeigt, dass Homeoffice-Vereinbarungen gerade im grenzüberschreitenden Sachverhalt ebenfalls auf steuerlicher Ebene Implikationen entfalten. So besteht eine beschränkte Steuerpflicht des Arbeitnehmers mit seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in Deutschland nur dann, wenn die Arbeitstätigkeit dort auch tatsächlich erbracht wurde. Ist Deutschland etwa der eigentliche Tätigkeitsstaat des im Ausland ansässigen Arbeitnehmers, hat Deutschland bereits nach nationalem Recht kein Besteuerungsrecht an den auf die Homeoffice-Tätigkeit entfallenden Vergütungen, da es an einer physischen Anwesenheit des Arbeitnehmers und dessen persönlicher Ausübung der Arbeitsleistung im Inland mangelt. Eines Rückgriffs auf ein DBA zur Vermeidung einer möglichen Doppelbesteuerung bedarf es aus deutscher Perspektive hinsichtlich dieser Vergütungsbestandteile im Inbound-Fall nicht mehr.

     

    Einer Aufteilung des Besteuerungsrechts bedarf es aus deutscher Sicht hingegen im Outbound-Fall. In diesen Fällen ist eine Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse nach den aktuell bestehenden Regelungen des OECD-MA möglich. Diese sehen eine Besteuerung der auf die Homeoffice-Tage entfallenden Vergütungsteile im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers vor. In der Konsequenz kann der Arbeitnehmer durch die Homeoffice-Tätigkeit das Besteuerungssubstrat in seinen Ansässigkeitsstaat verlagern.

     

    Weiterführender Hinweis

    • In der nächsten Ausgabe wird dieser Beitrag fortgeführt. Teil 2 geht der Frage nach, welche steuerlichen Implikationen nach dem nationalen Steuerrecht durch die abkommensrechtliche Aufteilung der Besteuerungsrechte zu beachten sind. Ferner werden steuerliche Folgen und Risiken der Homeoffice-Tätigkeit bei Vorliegen einer DBA-Grenzgängerregelung untersucht.
    Quelle: Ausgabe 01 / 2020 | Seite 18 | ID 46210949