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  • · Fachbeitrag · Arbeitnehmereinkünfte

    Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht bei Homeoffice und Workation-Tätigkeiten

    von StBin Katharina Busch, Chemnitz und StB Thorsten Wagemann, FB IStR, München

    | Seit der Coronapandemie haben ortsunabhängige Arbeitsmodelle sowohl für Arbeitgebende als auch für Arbeitnehmende zu veränderten Rahmenbedingungen geführt. Mit dem Wachstumschancengesetz ist nun durch den neuen § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) S. 2 EStG eine Gesetzeslücke geschlossen worden, die sich zuletzt für Grenzpendler ergeben hatte. Wird die Tätigkeit für den deutschen Arbeitgeber im Homeoffice des eigenen Ansässigkeitsstaates ausgeübt, fingiert die Neuregelung den Inlandsbezug, der für eine Besteuerung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland erforderlich ist. Die Steuererklärung für den Arbeitnehmer wird so deutlich vereinfacht. |

    1. Ausgangsfall

    Floryk (F) wohnt mit seiner Familie in Capellen, Luxemburg. Er arbeitet als Informatiker bei der deutschen WWW-GmbH mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Trier. F pendelt üblicherweise arbeitstäglich an seinen Arbeitsplatz nach Trier. Nach Absprache mit seinem Arbeitgeber übt er seine Tätigkeit an vereinzelten Arbeitstagen im luxemburgischen Homeoffice aus. Im Jahr 2023 waren dies insgesamt 19 Tage.

     

     

    2. Steuerliche Würdigung nach bisheriger Rechtslage

    Zur Lösung internationaler steuerlicher Sachverhalte ist zunächst das nationale Recht zu betrachten. Erst wenn nach inländischem Steuerrecht überhaupt eine Besteuerungsmöglichkeit besteht, ist die Ebene des jeweils einschlägigen DBA (hier: DBA-Luxemburg) zur Vermeidung einer etwaigen Doppelbesteuerung zu prüfen.

     

    2.1 Nationales Recht

    F ist in Luxemburg aufgrund seines Wohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtig (Annahme). In Deutschland besteht weder ein Wohnsitz noch der gewöhnliche Aufenthalt, weshalb die unbeschränkte Steuerpflicht hier zu verneinen ist. Ein gewöhnlicher Aufenthalt nach § 9 AO wird durch die tägliche Heimfahrt an den ausländischen Wohnsitz nicht begründet (AEAO zu § 9 Nr. 2 S. 1).

     

    Zu prüfen wäre, ob F mit seinem deutschen Gehalt in Deutschland von der beschränkten Einkommensteuerpflicht erfasst wird. Dafür war hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit, die bis Ende 2023 zuflossen, zu unterscheiden, ob die Tätigkeit im Inland ausgeübt wurde oder nicht. Denn nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) EStG a. F. unterlagen nur Einkünfte für vor Ort in Deutschland ausgeübte Tätigkeiten der beschränkten Steuerpflicht (sog. Inlandsbezug der Einkünfte).

     

    Beachten Sie | Darüber hinaus könnte der Inlandsbezug gegeben sein, wenn die Ergebnisse der Tätigkeit im deutschen Inland verwertet wurden. Der Verwertungstatbestand ist allerdings eine seltene Konstellation und insbesondere bei gemeinsamen Projektarbeiten eher nicht anzuwenden (vgl. hierzu auch Reimer in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 49 EStG, Rz. 220 f.).

     

    Für Zwecke des Falls wird davon ausgegangen, dass der Verwertungstatbestand bei der Tätigkeit des F nicht einschlägig ist. Schließt man eine Verwertung im Inland aus, besteht für Deutschland alleine aus den bisherigen Regelungen zur beschränkten Steuerpflicht keine Besteuerungsgrundlage für die Homeoffice-Tage im Ansässigkeitsstaat (hier: Luxemburg).

     

    2.2 Abkommensrecht

    Auf den Ausgangsfall ist das DBA zwischen Deutschland und Luxemburg in der bis zum 31.12.23 geltenden Fassung (DBA-Luxemburg a. F.) anzuwenden, wobei für F die Voraussetzungen für die persönliche Anwendbarkeit des DBA erfüllt sind. Nach Art. 14 Abs. 1 DBA-Luxemburg a. F. hat grundsätzlich der Ansässigkeitsstaat (hier Luxemburg) das Besteuerungsrecht für die Angestellteneinkünfte. Davon abweichend hat auch Deutschland das Besteuerungsrecht, wenn und soweit die Arbeit von F in Deutschland ausgeübt wird (sog. Arbeitsortprinzip). Dabei befindet sich der Ort der Ausübung bei Einkünften aus unselbstständiger Arbeit immer dort, wo sich der Arbeitnehmer zur Ausführung seiner Arbeit persönlich, d. h. physisch aufhält. Eine Mindestdauer der Ausübung wird hierbei regelmäßig nicht vorausgesetzt. Übt F seine Tätigkeit also am Ort des deutschen Arbeitgebers in Trier aus, hat Deutschland ebenfalls (neben dem Ansässigkeitsstaat Luxemburg) das abkommensrechtliche Besteuerungsrecht für die auf diese Arbeitstage entfallende Vergütung. Arbeitet F jedoch aus dem luxemburgischen Homeoffice, verbleibt das Besteuerungsrecht in Luxemburg.

     

    Luxemburg vermeidet die Doppelbesteuerung für den auf Deutschland entfallenden Anteil der Einkünfte durch Anwendung der Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt (Art. 22 Abs. 2 Buchst. a) DBA-Luxemburg a. F).

     

    2.3 Bagatellregelung gemäß Verständigungsvereinbarung vom 26.5.11

    Zum DBA-Luxemburg a. F. vereinbarten Luxemburg und Deutschland 2011 im Rahmen einer bilateralen Verständigung eine einseitige Abweichung von Art. 14 Abs. 1 DBA (vgl. hierzu auch § 5 Abs. 3 Deutsch-Luxemburgische Konsultationsvereinbarungsverordnung v. 9.7.12, BGBl I 12, 1484). Hiernach darf Deutschland als regelmäßiger Tätigkeitsstaat auch den auf die in Luxemburg ausgeübte Tätigkeit entfallenden Anteil der Arbeitnehmereinkünfte besteuern, wenn die Arbeit an weniger als 20 Arbeitstagen im Kalenderjahr im Ansässigkeitsstaat erbracht wurde (Bagatellregelung). Zusätzlich muss für die Inanspruchnahme der Nachweis einer tatsächlichen Besteuerung in Deutschland für diesen Anteil des Arbeitslohns erfolgen. Wird die Grenze überschritten, erfolgt eine Aufteilung nach den oben beschriebenen Grundsätzen.

     

    Für unseren Ausgangsfall greift die Bagatellregelung aus der Verständigungsvereinbarung, sodass die auf die Homeofficetätigkeit entfallenden Einkünfte abweichend von Art. 14 Abs. 1 DBA-Luxemburg a. F. weiterhin in Deutschland besteuert werden können und Luxemburg freistellt, sofern eine tatsächliche Besteuerung in Deutschland nachweisbar ist. Der gesamte Arbeitslohn von F kann damit entgegen dem Wortlaut des DBA-Luxemburg a. F. im regelmäßigen Tätigkeitsstaat Deutschland besteuert werden.

     

    2.4 Leerlauf der Bagatellregelung durch nationales deutsches Recht

    Wie einleitend bereits festgestellt, werden die Einkünfte von F jedoch in Deutschland nur dann im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht erfasst, wenn die nichtselbstständige Arbeit im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) EStG a. F). Dieser Inlandsbezug ist bei der Arbeit im Homeoffice in Luxemburg nicht gegeben. Die Bagatellregelung läuft demnach ins Leere, da eine tatsächliche Besteuerung in Deutschland mangels Inlandsbezug nicht nachweisbar ist. Deutschland übt sein durch die Bagatellregelung grundsätzlich mögliches Besteuerungsrecht schlicht nicht aus.

     

    Beachten Sie | Das einheitliche Gehalt von F ist somit auf einen in Deutschland steuerbaren und einen nicht steuerbaren Teil (der Anteil, für den Luxemburg das Besteuerungsrecht hat) zu zerlegen. Die Steuerpflichtigen haben in diesen Situationen erhöhte Mitwirkungspflichten zu beachten (§ 90 Abs. 2 AO). Insbesondere sind Nachweise über die Ausübung der Tätigkeit in den beiden Staaten und deren Zeitdauer durch geeignete Aufzeichnungen zu führen (BMF 12.12.23, IV B 2 ‒ S 1300/21/10024 :005, BStBl I 23, 2179, Rz. 225)

    3. Änderung in § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) EStG durch das Wachstumschancengesetz

    Mit dem Wachstumschancengesetz (27.3.24, BGBl I 24, Nr. 108) ist der sachliche Anwendungsbereich der beschränkten Einkommensteuerpflicht im § 49 EStG hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erweitert worden. Ein neuer S. 2 ergänzt nun den § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG im Buchst. a) EStG. Nach § 52 Abs. 45a S. 4 EStG ist die Neuregelung erstmals für Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit anzuwenden, die nach dem 31.12.23 zufließen.

     

    • § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG im Buchst. a) S. 2 EStG

    „Die nichtselbstständige Arbeit gilt dabei auch als im Inland ausgeübt oder verwertet, soweit die Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen oder in einem oder mehreren anderen Staaten ausgeübt wird und ein mit dem Ansässigkeitsstaat abgeschlossenes Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder eine zwischenstaatliche Vereinbarung für diese im Ansässigkeitsstaat oder in einem oder mehreren anderen Staaten ausgeübte Tätigkeit Deutschland ein Besteuerungsrecht zuweist.“

     

    Letztendlich soll damit dem in Abschnitt 1 skizzierten Leerlauf der Bagatellregelung durch das Erfordernis einer tatsächlichen Besteuerung in Deutschland entgegengewirkt werden.

     

    Ausweislich der Gesetzesbegründung wurden ‒ wie auch unser Ausgangsfall zeigt ‒ Bagatellregelungen wie im Verhältnis zu Luxemburg bislang von deutscher Seite nicht umfassend im innerstaatlichen Recht abgebildet. Nach Deutschland einpendelnde Arbeitnehmer konnten insoweit von der Vereinfachung nicht profitieren. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass zukünftig vermehrt von einer Tätigkeit im Homeoffice Gebrauch gemacht und sich auch mobiles Arbeiten dauerhaft etablieren wird. Deshalb sei es wahrscheinlich, dass Regelungen wie die luxemburgische Bagatellregelung künftig in weitere DBA ‒ vor allem mit grenznahen Staaten ‒ aufgenommen werden (vgl. Begründung zum Entwurf des Wachstumschancengesetzes zu Nr. 17, § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) S. 2, neu; BR-Drs. 20/8628, S. 138).

     

    • Exkurs

    Die Gesetzesbegründung bezieht sich ausschließlich auf das DBA mit Luxemburg. Während der Coronapandemie schloss Deutschland mit einer Reihe von Nachbarstaaten Vereinbarungen bezüglich der Besteuerung von Grenzpendlern, die pandemiebedingt im Homeoffice arbeiten mussten. Neben Luxemburg bestanden zu dieser Zeit solche Vereinbarungen mit den Niederlanden, Österreich, Polen, Belgien, Frankreich und der Schweiz (s. u. a. PIStB 22, 95). Ziel war es jeweils, das Besteuerungsrecht für die Einkünfte zur Vereinfachung im außerhalb der Pandemie regelmäßigen Tätigkeitsstaat zu belassen. Auch hier bestand das Problem, dass die abkommensrechtlich zugewiesenen Besteuerungsrechte mangels Inlandsbezugs der Einkünfte innerstaatlich nicht ausgeübt werden durften und die Regelungen somit leerliefen. Die Vereinbarungen sind zwischenzeitlich ausgelaufen, zeigen aber, dass das Thema in zwischenstaatlichen Verhandlungen bereits eine Rolle spielt.

     

    Im Rahmen des persönlichen Anwendungsbereichs gilt der neue § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) S. 2 EStG für beschränkt Steuerpflichtige, die abkommensrechtlich nicht in Deutschland als ansässig anzusehen sind.

     

    Nachfolgend werden die einzelnen Tatbestandsmerkmale für die sachliche Anwendung der neuen Vorschrift aufgeführt und erläutert. Generell ist die Norm nur gültig für (anteilige) Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis. Nur für den Anteil an der Arbeitsleistung, auf den die folgenden Bedingungen zutreffen, greift die Neuregelung (zeitanteilige Betrachtung). Für die am Ort des inländischen Arbeitgebers ausgeübte Arbeitsleistung greift bereits der Inlandsbezug nach S. 1 (tatsächliche Ausübung der Tätigkeit im Inland). Die weiteren ‒ kumulativ zu erfüllenden ‒ Voraussetzungen sind:

     

    • Fiktion eines Inlandsbezugs: Die Arbeit wird nicht tatsächlich physisch in Deutschland ausgeübt. Dennoch liegen unter den Voraussetzungen der Neuregelung für eine beschränkte Steuerpflicht erforderliche Einkünfte mit Inlandsbezug vor.

     

    • Tatsächliche Arbeitsausübung in einem anderen Staat: Die Tätigkeit wird außerhalb des regelmäßigen Tätigkeitsstaats Deutschland ausgeübt. Dies soll vor allem Tätigkeiten im Homeoffice des Wohnsitzstaates (Ansässigkeitsstaates) oder mobiles Arbeit in anderen Staaten erfassen (so auch Grotherr, IWB 23, 826 ff.). Die Ansässigkeit bezieht sich hierbei auf den abkommensrechtlichen Begriff.

     

    • Bestehen eines DBA oder einer zwischenstaatlichen Vereinbarung: Zwischen Deutschland und dem Ansässigkeitsstaat besteht ein DBA oder eine entsprechende zwischenstaatliche Vereinbarung.

     

    • Besteuerungsrecht für Deutschland: Das DBA weist Deutschland das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus der anteilig außerhalb Deutschlands erbrachten Arbeitsleistung zu. Steuerpflichtige aus Nicht-DBA-Staaten können damit grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich der Neuregelung fallen. Aufgrund des Auseinanderfallens von regelmäßigem Tätigkeitsstaat und Wohnsitzstaat dürften von der Regelung ohnehin eher Deutschlands Nachbarstaaten berührt werden. Mit diesen bestehen ohne Ausnahme gültige DBA.

     

    MERKE | Damit werden zwischen Deutschland und dem Ansässigkeitsstaat des beschränkt Steuerpflichtigen vereinbarte Regelungen (DBA oder zwischenstaatliche Vereinbarung) maßgeblich für den Anwendungsbereich der beschränkten Einkommensteuerpflicht. Das inländische nationale Recht stellt also auf das Deutschland nach dem jeweiligen Abkommen zugewiesene Besteuerungsrecht ab. Erst wenn das vorhanden ist, ergibt sich auch nach nationalem Recht ein Anknüpfungspunkt und somit ein Besteuerungsanspruch im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht.

     

    4. Auswirkungen der Gesetzesänderung

    4.1 Auswirkungen auf den Ausgangsfall ab 2024

    Nach der bisherigen Fallwürdigung bis Ende 2023 scheiterte eine anteilige Besteuerung der luxemburgischen Homeoffice-Tage in Deutschland bereits daran, dass es keinen Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung im Rahmen der nationalen Normen zur beschränkten Einkommensteuerpflicht gab.

     

    Neben der Neuregelung durch das Wachstumschancengesetz ist für das Jahr 2024 eine weitere Änderung zu beachten: Deutschland und Luxemburg verständigten sich am 6.7.23 in einem Änderungsprotokoll zum bestehenden DBA-Luxemburg auf die Aufnahme der Bagatellregelung für Grenzpendler in das Abkommen. In einem neuen Art. 14 Abs. 1a DBA-Luxemburg n. F. ist dabei auch die Anhebung der Bagatellgrenze auf weniger als 35 Tage (bislang weniger als 20 Tage ‒ s. unter 1.) aufgenommen worden (ausführlich zum Änderungsprotokoll Höppner/Poerschke, PIStB 24, 201 und 214). Die Neufassung des DBA findet ab dem 1.1.24 Anwendung.

     

    Mit dem neuen Art. 14 Abs. 1a DBA-Luxemburg n. F. liegt auch eine DBA- Regelung vor, die Deutschland das alleinige Besteuerungsrecht für die im Ansässigkeitsstaat verbrachten Arbeitstage zuweist. Mit seinen 19 Tagen im Homeoffice im Ansässigkeitsstaat (Luxemburg) liegt F deutlich unter der Schädlichkeitsgrenze der neuen Bagatellregelung (weniger als 35 Tage). Somit hat Deutschland für die Einkünfte das ausschließliche Besteuerungsrecht. Da ab 1.1.24 der neue § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) S. 2 EStG gilt, kann Deutschland dieses ihm zugewiesene Besteuerungsrecht auch ausüben und die Einkünfte für die anteilig in Luxemburg ausgeübte Tätigkeit werden in Deutschland tatsächlich besteuert. Der abkommensrechtlichen Freistellung dieser Einkunftsteile in Luxemburg unter Progressionsvorbehalt steht damit nichts mehr entgegen.

     

    4.2 Arbeitstage im Rahmen der Bagatellregelung

    • Fallabwandlung

    Wie bisher arbeitet F zeitweise für seinen deutschen Arbeitgeber im Homeoffice in Luxemburg. Er hat von der neuen Bagatellregelung durch das Änderungsprotokoll gehört und sofort mit seinem Arbeitgeber die Möglichkeit zum Homeoffice in Luxemburg an 34 Tagen im Jahr 2024 vereinbart. Außerdem verbringt er seine Sommerferien in Schweden, wo es ihm so gut gefällt, dass er im Anschluss an den Urlaub noch 15 Tage im Rahmen einer spontanen Workation-Vereinbarung mit dem Arbeitgeber vom Urlaubsort in Schweden aus remote arbeitet.

     

    Entsprechend dem Ausgangsfall besteht auf nationaler Ebene ein Besteuerungsrecht für die nicht in Luxemburg verbrachten Arbeitstage im Rahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) S. 1 EStG. Für die Homeoffice-Tage kommt es auf die Regelungen des DBA-Luxemburg n. F. an (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a S. 2 EStG).

     

    Bei isolierter Betrachtung der Homeoffice-Tage ist die neue Vereinbarung mit dem Arbeitgeber im Rahmen der Bagatellregelung nach Art. 14 Abs. 1a DBA-Luxemburg unschädlich. Die Anzahl der im Ansässigkeitsstaat verbrachten Arbeitstage liegt unterhalb der neuen Schädlichkeitsgrenze von 35 Tagen im Kalenderjahr laut dem DBA-Luxemburg n. F.

     

    Die Schädlichkeitsgrenze im Rahmen der abkommensrechtlichen Bagatellregelung umfasst jedoch generell die nicht in Deutschland verbrachten Arbeitstage, also auch den Workation-Aufenthalt in Schweden. Der neue Art. 14 Abs. 1a DBA-Luxemburg stellt neben den im Ansässigkeitsstaat verbrachten Tagen auch auf die in einem oder mehreren Drittstaaten verbrachten Arbeitstage ab. Die in Schweden verbrachten Arbeitstage sind also auch in die Schädlichkeitsgrenze einzubeziehen. Damit liegen die nicht in Deutschland verbrachten Arbeitstage 2024 bei insgesamt 49 Tagen. Somit ist die Bagatellregelung des Art. 14 Abs. 1a DBA-Luxemburg n. F. nicht anwendbar.

     

    Der Arbeitslohn ist zwischen Deutschland und Luxemburg entsprechend aufzuteilen. Bezüglich der in Schweden verbrachten Arbeitstage wäre zunächst auf das inländische schwedische Steuerrecht bezüglich einer etwaigen beschränkten Steuerpflicht abzustellen. Ergeben sich hier Anknüpfungspunkte, sind zusätzlich die abkommensrechtlichen Regelungen zwischen Schweden und Luxemburg zu prüfen.

     

    Beachten Sie | Ein für die Bagatellregelung wesentlicher Arbeitstag muss dabei nicht vollständig außerhalb des regelmäßigen Tätigkeitsstaats verbracht worden sein („ganz oder teilweise“). Dies dürfte in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Denn bei einer nur teilweisen Tätigkeit im Homeoffice am selben Tag kann fraglich sein, ob der Tag im Rahmen der Schädlichkeitsgrenze zu berücksichtigen ist. Gemäß Protokollziffern 9 und 10 DBA-Luxemburg n. F. gilt die Arbeit nur dann als an einem Arbeitstag in einem Vertragsstaat oder Drittstaat ausgeübt, wenn eine gewisse Mindestzeitanforderung erfüllt ist. Die Arbeit gilt danach „nur dann als an einem Arbeitstag in einem Staat oder Gebiet ausgeübt, wenn die Person an dem jeweiligen Arbeitstag für mindestens 30 Minuten in diesem Staat oder Gebiet ihre Tätigkeit ausübt“.

     

    Arbeitstage sind dabei die tatsächlichen Arbeitstage, also die Tage innerhalb eines Kalenderjahres, an denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit tatsächlich ausübt und für die er Vergütungen erhält. Denkbar sind in einem solch engen Zeitfenster allenfalls kurze Abstimmungen oder die schnelle Besorgung von Arbeitsmitteln oder Informationen im anderen Staat, die Fahrzeit nicht mitgerechnet (vgl. auch KonsV 6.7.23, I. Nr. 2 zu weiteren Beispielen hinsichtlich der Aufteilung der Arbeitszeit bei Tätigkeit in beiden Staaten).

     

    MERKE | Bereits eine 30-minütige Tätigkeit im Homeoffice des Ansässigkeitsstaats kann demnach zu einem Zähltag im Rahmen der Bagatellregelung führen. An dieser Stelle erlangt die korrekte und zweckmäßige Dokumentation von Arbeitszeit und -ort besondere Bedeutung. Eine Tätigkeit kann dabei auch durch vergüteten Bereitschaftsdienst ausgeübt werden.

     

    5. Auswirkungen der Neuregelung für den Arbeitgeber

    Grundsätzlich ist der inländische deutsche Arbeitgeber auch bei einer lediglich beschränkten Steuerpflicht des Arbeitnehmers verpflichtet, den Lohnsteuerabzug vorzunehmen. Eine entsprechende Bagatellregelung, die erst den Anwendungsbereich der Neuregelung eröffnet, ist bisher nur im Art. 14 Abs. 1a DBA-Luxemburg zu finden.

     

    Der neue § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) S. 2 EStG schafft somit für nach Deutschland einpendelnde Arbeitnehmer mit Ansässigkeit in Luxemburg gewisse Vereinfachungen, da bei der richtigen Vereinbarung über den Umfang der Homeoffice-Tätigkeit mit einem größeren Spielraum als zuvor auf eine Aufteilung des Arbeitslohns zwischen den beiden Staaten verzichtet werden kann. Dennoch ist die Annahme, dass die Bagatellgrenze greift, auch immer eine Prognose; maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse.

     

    Entsprechendes gilt auch, wenn zunächst davon ausgegangen wird, dass der einpendelnde Arbeitnehmer die Bagatellregelung überschreitet und eine Aufteilung vorgenommen wird. Stellt sich dann tatsächlich im Nachgang doch eine Unterschreitung der 35 Tage für Tätigkeiten außerhalb des Anstellungsstaats heraus, liegt das gesamte Besteuerungsrecht in Deutschland. In diesem Fall ist für die vorangegangenen Lohnzahlungszeiträume des Jahres die noch nicht erhobene Lohnsteuer nachträglich nach § 41c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG einzubehalten.

     

    PRAXISTIPP | Wie generell im Bereich der grenzüberschreitenden Tätigkeit empfiehlt es sich, bereits unterjährig Aufzeichnungen zu den jeweils in den verschiedenen Staaten verbrachten Arbeitstagen zu führen. Dies sollten Arbeitgeber mit ihren grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmern schriftlich vereinbaren und die Rahmenbedingungen festhalten, damit der Korrekturaufwand im Lohnsteuerabzugsverfahren auf ein Minimum reduziert werden kann.

     

    6. Auswirkungen der Neuregelung für den Arbeitnehmer

    Der Gesetzgeber hatte bei der Ausgestaltung der Neuregelung auch eine Verwaltungsentlastung im Blick. Soweit die abkommensrechtliche Bagatellregelung einschlägig ist, wird eine Aufteilung der Vergütungen zwischen Ansässigkeitsstaat und Tätigkeitsstaat entbehrlich (vgl. Begründung zum Entwurf des Wachstumschancengesetzes zu Nr. 17, BR-Drs. 20/8628,  139). Interessant ist in diesem Zusammenhang die Ausgestaltung der abkommensrechtlichen Bagatellregelung ‒ zumindest im Verhältnis zu Luxemburg ‒ als Freigrenze. Bereits 35 Tage Arbeitstätigkeit außerhalb des regelmäßigen Tätigkeitsstaats führen zur Nichtanwendung der Bagatellregelung. Damit kann mangels Inlandsbezug dann auch keine beschränkte Steuerpflicht greifen und die Vergütungen für die entsprechenden Tage werden außerhalb Deutschlands besteuert. Der Arbeitnehmer hat es demnach ‒ im vorgegebenen abkommensrechtlichen Rahmen ‒ selbst in der Hand, wo Teile seines Arbeitsentgelts besteuert werden. Bei einem Steuergefälle zwischen den Staaten könnte dies zukünftig interessant sein.

     

    Beachten Sie | Auch für den Arbeitnehmer ist es demnach besonders wichtig, seine Arbeitszeiten und -orte genau zu dokumentieren und mit dem Arbeitgeber entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Selbstredend sollten die Aufzeichnungen dann auch das Vereinbarte widerspiegeln.

     

    FAZIT | Die neue Regelung im § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) S. 2 EStG zielt vor allem darauf ab, den Verwaltungsaufwand für inländische Arbeitgeber und grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmer zu reduzieren. Sie ermöglicht eine klare Zuordnung der Besteuerungsrechte, insbesondere wenn Abkommen mit anderen Staaten Bagatellregelungen enthalten. Der Gesetzgeber erwartet künftig mehr Abkommen mit entsprechenden Regelungen, um eine ausschließliche Besteuerung der Arbeitnehmereinkünfte im regelmäßigen Tätigkeitsstaat zu ermöglichen. In diesen Fällen kann Deutschland das durch die DBA zugestandene Besteuerungsrecht durch die Neuregelung i. R. d. beschränkten Steuerpflicht dann tatsächlich ausüben.

     
    Quelle: Ausgabe 09 / 2024 | Seite 254 | ID 50126592