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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Der steuerliche „Wegzug“ vermögensverwaltender, gewerblich geprägter Personengesellschaften

    von WP/StB Prof. Dr. Gerhard Kraft, Halle/Saale und StB Dipl.-Fw. (FH) Markus Ungemach, MBA, Dortmund

    | Es erfreut sich stetig wachsender Beliebtheit in Unternehmerkreisen, den Lebensabend durch Verlagerung des Lebensmittelpunktes im Ausland zu verbringen. Pressenachrichten mit Titeln wie „Massen-Auswanderung: Warum gerade Tausende Millionäre Deutschland verlassen“ (Business Insider vom 28.2.17) oder „Millionäre gehen: Die Nerze verlassen das sinkende Schiff“(Stern online vom 4.3.17) zeigen diesen Trend. Unternehmer mit umfangreichem Beteiligungsbesitz sehen sich dabei mit zahlreichen Fragen der Wegzugs- bzw. Entstrickungsbesteuerung konfrontiert. Der nachfolgende Praxisfall verdeutlicht die Thematik. |

    1. Sachverhalt

    Der seit mehr als zehn Jahre ausschließlich im Inland wohnhafte und daher steuerrechtlich als in Deutschland ansässig geltende X ist jeweils beherrschend an mehreren Kapitalgesellschaften beteiligt. Die Beteiligungen befinden sich allesamt im steuerlichen Privatvermögen des X (Anteile i. S. d. § 17 EStG). Der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzende X beabsichtigt, sich zur Ruhe zu setzen und seinen Lebensabend in Österreich zu verbringen. Von seinem deutschen Steuerberater hat X erfahren, dass ein Wegzug in das Ausland zu einer Aufdeckung und Versteuerung der in den Kapitalgesellschaftsanteilen gebundenen stillen Reserven führen würde, da ein Anwendungsfall der Wegzugsbesteuerung i. S. d. § 6 AStG gegeben sein soll. Eine Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven möchte X in jedem Fall verhindern, auch wenn eine etwaig entstehende Ertragsteuer unter Umständen zunächst gestundet werden könnte.

     

    X bittet seinen Steuerberater zu prüfen, ob es zielführend ist, die Kapitalgesellschaftsanteile vor dem beabsichtigten Wegzug ertragsteuerneutral in das Betriebsvermögen einer vermögensverwaltenden, gewerblich geprägten Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 EStG (Rechtsform der GmbH & Co. KG) einzulegen. Die Verwaltung der GmbH & Co. KG würde X dann von Österreich aus wahrnehmen. Diese Gestaltung sei bei einigen seiner Geschäftspartner in den letzten Jahren von den deutschen Finanzbehörden durch Erteilung entsprechender positiver verbindlicher Auskünfte anerkannt und somit erfolgreich umgesetzt worden.

    2. Ertragsteuerrechtliche Beurteilung

    2.1 Wegzugsbesteuerung

    Bei einer natürlichen Person (hier: X), die insgesamt mindestens zehn Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts endet, ist gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 AStG auf im Privatvermögen gehaltene Anteile an einer Kapitalgesellschaft i. S. d. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht § 17 EStG auch ohne Veräußerung anzuwenden. Das gilt immer dann, wenn für die Anteile zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 17 EStG erfüllt sind (d. h. Beteiligung unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft).

     

    Bei der Ermittlung des Gewinns sind gemäß § 6 Abs. 1 S. 4 AStG die Anteile mit dem gemeinen Wert im Wegzugszeitpunkt bzw. im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht anzusetzen.

     

    Ist der Steuerpflichtige (hier: X) im Wegzugsfall des § 6 Abs. 1 S. 1 AStG Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaats oder eines EWR-Staats (hier: X ist Staatsangehöriger Deutschlands als EU-Mitgliedstaat) und unterliegt er nach der Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht in einem dieser Staaten (Zuzugsstaat; hier: Österreich) einer der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht, ist nach § 6 Abs. 5 S. 1 AStG die geschuldete Steuer zinslos und ohne Sicherheitsleistung zu stunden. Voraussetzung für die Stundung ist gemäß § 6 Abs. 5 S. 2 AStG, dass die Amtshilfe und die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung der geschuldeten Steuer zwischen Deutschland und dem Zuzugsstaat gewährleistet sind.

     

    Beachten Sie | Diese Stundung ist u. a. gemäß § 6 Abs. 5 S. 4 Nr. 1 AStG zu widerrufen, soweit der Steuerpflichtige die Anteile veräußert.

     

    2.2 Überholte Gestaltungspraxis

    In der steuerlichen Gestaltungspraxis wurde in der Vergangenheit ‒ wie im oben stehenden Sachverhalt durch X erwähnt ‒ der im Privatvermögen des Steuerpflichtigen gehaltene Beteiligungsbesitz vor Wegzug ertragsteuerneutral auf eine vermögensverwaltende, gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 EStG übertragen. Aufgrund dieser Übertragung war der Tatbestand des § 6 AStG im Zeitpunkt des Wegzugs nicht mehr erfüllt, da die Anteile nicht mehr dem Privatvermögen, sondern dem Betriebsvermögen zuzuordnen waren. Folglich unterlagen später realisierte Gewinne aus der tatsächlichen Veräußerung der Kapitalgesellschaftsbeteiligungen der beschränkten deutschen Einkommensteuerpflicht i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, weil eine Betriebsstätte in Deutschland angenommen wurde.

     

    Diese Gestaltung ist nunmehr überholt, da nach Auffassung des BFH die in § 15 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 EStG geregelte gewerbliche Prägung einer dem Grunde nach nur vermögensverwaltend tätigen Personengesellschaft nicht auf das Abkommensrecht durchschlägt, sodass die Personengesellschaft keine Gewinne eines Unternehmens i. S. d. Art. 7 Abs. 1 S. 1 OECD-MA erzielt (u. a. BFH 28.4.10, I R 81/09, DB 10, 1322; BFH 25.5.11, I R 95/10, BFH/NV 11, 1602; so mittlerweile auch BMF 26.9.14, BStBl I 14, 1258, Tzn. 2.2.1, 2.3.1 u. 4.1.2; anders noch BMF 16.4.10, BStBl I 10, 354, Tz. 2.2.1). Folglich verliert Deutschland im Zuge des Wegzugs des Mitunternehmers (hier: X) das Besteuerungsrecht an den auf die Personengesellschaft vor dem Wegzug transferierten Kapitalgesellschaftsanteilen, weil das Besteuerungsrecht hinsichtlich etwaiger „vermögensverwaltender“ Veräußerungsgewinne ausschließlich dem Zuzugsstaat als neuem Wohnsitzstaat (hier: Österreich) zusteht.

     

    MERKE | Als Reaktion auf diese Rechtsprechung des BFH hat der Gesetzgeber mit dem Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.6.13 (BGBl I 13, 1809) den Treaty Override des § 50i EStG geschaffen, um deutsche Besteuerungsrechte zu sichern (zur Rechtsentwicklung des § 50i EStG und zur Verfassungsmäßigkeit des Treaty Overrides s. auch Kraft/Ungemach, DStZ 16, 884 sowie Strunk, PIStB 14, 272). Danach ist u. a. ein Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen, den ein im Sinne eines DBA in einem anderen Vertragsstaat ansässiger Steuerpflichtiger erzielt, ungeachtet entgegenstehender Bestimmungen des DBA in Deutschland zu versteuern, wenn die ursprünglich als Anteile i. S. d. § 17 EStG zu qualifizierenden Kapitalgesellschaftsanteile

     

    • vor dem 29.6.13 in das Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten oder gewerblich infizierten Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 3 EStG übertragen oder überführt worden sind,

     

    • eine Besteuerung der in den Anteilen gebundenen stillen Reserven im Zeitpunkt der Übertragung oder Überführung unterblieben ist und

     

    • das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung u. a. des Gewinns aus der Veräußerung dieser Anteile vor dem 1.1.17 ausgeschlossen oder beschränkt worden ist.

     

    Für spätere, d. h. nach dem 31.12.16 verwirklichte Vorgänge sollen nach den gesetzgeberischen Vorstellungen die allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Entstrickungsregeln (u. a. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, § 16 Abs. 3a EStG, § 12 Abs. 1 KStG) Anwendung finden (vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen, BR-Drucks. 406/1/16 v. 9.9.16, 9 f.).

     

    2.3 Finale Betriebsaufgabe

    Nach § 16 Abs. 3a 1. HS EStG steht einer Aufgabe des Gewerbebetriebs u. a. der Ausschluss des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter des Betriebs gleich. Ein Ausschluss des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Veräußerungsgewinns liegt dabei gemäß § 16 Abs. 3a 2. HS i. V. m. § 4 Abs. 1 S. 4 EStG insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist.

     

    Nach den oben stehenden Ausführungen zum geänderten Abkommensverständnis des BFH im Hinblick auf vermögensverwaltende, gewerblich geprägte Personengesellschaften würde es bei Wegzug des X nach Österreich zum Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts für etwaige Veräußerungsgewinne aus den Kapitalgesellschaftsanteilen kommen. Fortan hätte Österreich als neuer Wohnsitzstaat des X das Besteuerungsrecht an etwaigen Gewinnen aus der Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile (vgl. dazu auch Österreichisches BMF 27.1.12, EAS-Auskunft 3256). Mithin läge hier eine Totalentnahme in Form einer Betriebsaufgabe i. S. d. § 16 Abs. 3a EStG des X bezogen auf seinen ausschließlich Kapitalgesellschaftsanteile umfassenden Mitunternehmeranteil vor (vgl. zur Beurteilung der Aufgabe eines Mitunternehmeranteils als Totalentnahme auch BFH 18.5.83, I R 5/82, BStBl II 83, 771).

     

    Gemäß § 36 Abs. 5 S. 1 und 3 EStG kann auf Antrag des Steuerpflichtigen die auf den Aufgabegewinn i. S. d. § 16 Abs. 3a EStG festgesetzte Steuer grundsätzlich in fünf gleichen, unverzinslichen Jahresraten entrichtet werden. Voraussetzung ist, dass die betreffenden Wirtschaftsgüter einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen in einem anderen EU-Mitgliedstaat bzw. EWR-Staat zuzuordnen sind und durch diese Staaten Amtshilfe nach der Amtshilferichtlinie (§ 2 Abs. 2 EU-Amtshilfegesetz) und gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung i. S. d. Beitreibungsrichtlinie geleistet werden.

     

    X kann im vorliegenden Fall die Begünstigung des § 36 Abs. 5 EStG nicht beanspruchen, weil die Kapitalgesellschaftsanteile aus österreichischer Sicht steuerliches Privatvermögen darstellen und somit keinem Betriebsvermögen des X in Österreich zuzuordnen sind (insbesondere ist dem österreichischen Steuerrecht eine dem § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG entsprechende Geprägetheorie fremd).

     

    Im steuerlichen Schrifttum war lange Zeit umstritten, ob die deutschen Regelungen zur Entstrickungsbesteuerung zu einem nicht zu rechtfertigenden Verstoß gegen die europarechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit führen könnten (einen nicht zu rechtfertigenden Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit bejahen u. a. Ungemach, Ubg 11, 251; Schnitger, in: Benecke/Schnitger, IStR 06, 765; Hahn, IStR 06, 797; Kußmaul/Richter/Heyd, IStR 10, 73; Körner, IStR 10, 208; einen nicht zu rechtfertigenden Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit verneinen u. a. Thiel, DB 05, 2316; Frotscher, IStR 06, 65; Schwenke, DStZ 07, 235; Mitschke, IStR 10, 211; Mitschke, Ubg 10, 355).

     

    MERKE | Nach Auffassung des EuGH steht die Niederlassungsfreiheit einer Entstrickungsregelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen (vgl. EuGH 29.11.11, C-371/10, National Grid Indus, DStR 11, 2334 zur Aufdeckung und Besteuerung nicht realisierter Wertzuwächse in Fällen der Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes in einen anderen Mitgliedstaat bzw. EuGH 21.5.15, C-657/13, Verder LabTec, DStR 15, 1166 zur Überführung von Wirtschaftsgütern in eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte). Es ist jedoch unverhältnismäßig, wenn eine Regelung die sofortige Einziehung der Steuer auf die nicht realisierten Wertzuwächse bzw. stillen Reserven bei einer ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegenden bzw. bei einer einzelne Wirtschaftsgüter in eine andere Betriebsstätte überführenden Gesellschaft zum Zeitpunkt der Sitzverlegung bzw. Überführung der Wirtschaftsgüter vorschreibt. Verhältnismäßig ist jedoch eine Regelung, nach der die festgesetzte, auf die Wertzuwächse bzw. stillen Reserven entfallende Steuer ‒ wie im Fall des § 36 Abs. 5 i. V. m. § 16 Abs. 3a EStG ‒ auf fünf oder zehn Jahre gestaffelt erhoben wird.

    Nach dem gesetzgeberischen Willen soll durch § 16 Abs. 3a EStG ‒ flankiert durch die Möglichkeit der Entrichtung der Steuer in fünf gleichen Jahresraten ‒ eine Besteuerung der im Inland entstandenen stillen Reserven in europarechtskonformer Weise sichergestellt werden. Gleichzeitig soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es für die deutschen Finanzbehörden oftmals schwierig bzw. unmöglich ist, das weitere Schicksal des verlegten Betriebsvermögens zu überwachen und den tatsächlichen Realisationsakt im Ausland zu erkennen und zu erfassen (BR-Drs. 318/10 (Beschluss), 30 f.).

     

    2.4 Möglicher Gestaltungsansatz

    Es könnte u. E. im vorliegenden Fall überlegenswert sein, die Kapitalgesellschaftsanteile des X einer als geschäftsleitende Holding-Betriebsstätte ausgestalteten, gewerblich geprägten GmbH & Co. KG zuzuordnen.

     

    Die Frage, ob einer geschäftsleitenden Holding-Betriebsstätte für abkommensrechtliche Zwecke Kapitalgesellschaftsanteile als Betriebsvermögen zugeordnet werden können, ist zurzeit höchstrichterlich noch nicht beantwortet.

     

    PRAXISHINWEIS | Beim BFH ist unter dem Az. I R 10/15 eine Revision zum Urteil des FG Münster 15.12.14 (13 K 624/11 F, EFG 15, 704) anhängig. Im Ergebnis lässt es das FG Münster in der Vorinstanz offen, ob eine funktionale Zuordnung einer nachgeordneten Kapitalgesellschaft zu einer Betriebsstätte trotz geschäftsleitender Holdingfunktionen der Betriebsstätte stets ausgeschlossen ist. Dafür könnte das BFH-Urteil vom 17.12.03 (I R 47/02, BFH/NV 04, 771) sprechen. Andererseits könnte eine funktionale Zuordnung anzunehmen sein, wenn ein Zusammenwirken auf der Ebene der Geschäftsleitung besteht, weil geschäftsleitende Holdingfunktionen der nachgeordneten Kapitalgesellschaft auf die Betriebsstätte übertragen werden. Dafür wiederum scheint der BFH-Beschluss vom 19.12.07 (I R 66/06, BStBl II 08, 510) zu sprechen.

     

    Mit dem Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte gemäß § 1 Abs. 5 AStG eingeführt. Dies lässt sich als Argument verstehen, die Frage der Zuordnung von Kapitalgesellschaftsanteilen für abkommensrechtliche Zwecke zu einer als geschäftsleitende Holding-Betriebsstätte fungierenden Personengesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG zu bejahen. Dabei kann auf die ‒ bei der ertragsteuerrechtlichen Organschaft mittlerweile abgeschafften ‒ Grundsätze zum Merkmal der wirtschaftlichen Eingliederung einer Organgesellschaft in das Unternehmen einer geschäftsleitenden Holding sowie auf die im Rahmen der Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG relevanten Auslegungsgrundsätze zum Begriff der geschäftsleitenden Holding zurückgegriffen werden (vgl. Kraft/Ungemach, DStZ 15, 716).

     

    Demzufolge sollte die GmbH & Co. KG, auf welche X seinen Beteiligungsbesitz überträgt, sowohl vor dem Wegzug des X nach Österreich als auch danach in Deutschland über das notwendige Personal und über die notwendigen sachlichen Mittel verfügen, um ihren geschäftsleitenden Aktivitäten und Managementfunktionen tatsächlich überhaupt nachgehen zu können. Die dafür erforderliche infrastrukturelle Ausstattung der GmbH & Co. KG sollte den Anforderungen an den Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung gerecht werden. Dies dürfte erfordern, dass ‒ soweit möglich ‒ das Management der GmbH & Co. KG mittels aktiver Beteiligungsverwaltung die Grundlinien sowie die sonstigen grundlegenden Fragen der Geschäftspolitik der von ihr gehaltenen Kapitalgesellschaften einheitlich festlegen und bestimmen kann.

     

    X sollte fortan nach seinem Wegzug auf Ebene der GmbH & Co. KG keinerlei aktive Geschäftsführungsaufgaben mehr wahrnehmen und sich stattdessen ausschließlich auf die Ausübung seiner Gesellschafterrechte bei der GmbH & Co. KG konzentrieren, um nicht in der Folgezeit doch noch den Tatbestand des § 16 Abs. 3a EStG zu verwirklichen (vgl. Kraft/Ungemach, DStZ 15, 716).

     

    Das in Deutschland ansässige Management der GmbH & Co. KG sollte schriftlich dokumentierte Richtlinien über die Geschäftspolitik der nachgeordneten Kapitalgesellschaften aufstellen und diesen zuleiten. Ferner sollte es den Kapitalgesellschaften schriftliche Weisungen erteilen und somit Führungsentscheidungen ausüben, welche sich durch ihre langfristige Natur, Grundsätzlichkeit und Bedeutung auszeichnen, die sie für den Bestand der nachgeordneten Kapitalgesellschaften haben. Auf die Höhe der kapitalmäßigen Beteiligung an den Kapitalgesellschaften kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, sondern vielmehr darauf, dass auf das Geschäft der Kapitalgesellschaften tatsächlich Einfluss genommen wird (vgl. Kraft/Ungemach, DStZ 15, 716).

     

    FAZIT |

    Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass es in Fällen des Wegzugs natürlicher Personen mit umfangreichem Beteiligungsbesitz nicht mehr ausreicht, den Beteiligungsbesitz in eine vermögensverwaltende, gewerblich geprägte Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG zu transferieren, um eine wegzugsbedingte Aufdeckung und Versteuerung der darin gebundenen stillen Reserven aufzuschieben. Auch wenn man mit dieser Gestaltung den Tatbestand der Wegzugsbesteuerung aushebelt, so kommt es wegzugsbedingt dennoch aufgrund geänderten Abkommensverständnisses des BFH zu einer Entstrickungsbesteuerung nach Maßgabe von § 16 Abs. 3a EStG.

     

    Eine Entstrickungsbesteuerung sollte u. E. jedoch unterbleiben können, wenn es gelingt, die GmbH & Co. KG als geschäftsleitende Holding-Betriebsstätte auszugestalten. Hier bleibt die weitere Rechtsentwicklung im Hinblick auf ein zu dieser Rechtsfrage beim BFH anhängiges Revisionsverfahren abzuwarten.

     

    Zu den Autoren | WP StB Prof. Dr. Gerhard Kraft ist Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensbesteuerung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; Markus Ungemach, MBA (International Taxation), Dipl.-Fw. (FH), StB, Fachberater für Internationales Steuerrecht, ist Executive Director im Geschäftsbereich International Tax Services von Ernst & Young, Dortmund.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2017 | Seite 257 | ID 44739167