· Fachbeitrag · Der praktische Fall
Die ertragsteuerrechtliche Organschaft als Instrument der internationalen Steuerplanung
von StB Dipl.-Kfm. Sebastian Schmidt MBA und StB Fachberater IStR Dipl.-Fw. (FH) Markus Ungemach MBA, beide Dortmund
| Die grenzüberschreitende Organschaft dient im Inbound- wie im Outboundfall der Optimierung der steuerlichen Belastung. Doch auch nach der kleinen Organschaftsrefom durch das „Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts“ (vom 20.2.13, BGBl I 13, 285) bleiben viele Zweifelsfragen ungeklärt. Das kann jedoch auch als Chance verstanden werden. Nachfolgender Beitrag gibt einen Überblick über wesentliche Auslegungsfragen bei der Anwendung der Neuregelungen der Organschaft im grenzüberschreitenden Verhältnis und veranschaulicht diese anhand praktischer Fälle. |
1. Gesetzliche Neuregelung: Zuordnung der Organbeteiligung
Die Neuregelungen in § 14 KStG sehen u.a. vor, dass der Organträger - wie bislang - auch ein (steuerlich) ausländisches Unternehmen sein kann. Allerdings muss nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 KStG der Organträger zwingend eine inländische Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO unterhalten, der die Beteiligung an der Organgesellschaft ununterbrochen während der gesamten Dauer der Organschaft zuzuordnen ist. Das Einkommen der Organgesellschaft muss gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 6 KStG sodann dieser inländischen Betriebsstätte des Organträgers zugerechnet werden.
MERKE | Eine inländische Betriebsstätte im vorstehenden Sinne ist gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 7 KStG nur gegeben, wenn die dieser Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünfte sowohl nach innerstaatlichem Steuerrecht als auch nach einem anzuwendenden DBA der inländischen Besteuerung unterliegen. |
Die dargestellte Neuregelung findet gem. § 34 Abs. 1 KStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2012 Anwendung.
Hinweis | Die bislang geltende Regelung des § 18 KStG für ausländische Organträger ist aufgehoben und in die dargestellte Neuregelung integriert worden (ausführlich zu den Neuregelungen bei der körperschaftsteuerlichen Organschaft s. Kudert/Mroz, PIStB 13, 243).
Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollen mittels der Neuregelung Fallgestaltungen von der Organschaft ausgeschlossen werden, in denen wegen Unterschieden in der Definition bzw. abkommensrechtlichen Auslegung des Betriebsstättenbegriffs zwischen § 12 AO und den DBA-Regelungen formal die Zuordnung zu einer Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO gegeben ist, aber der deutsche (innerstaatliche) Besteuerungsanspruch aufgrund einer fehlenden abkommensrechtlichen Betriebsstätte abzuerkennen ist.
Abgesehen von verfassungsrechtlichen (wegen unzulässiger Rückwirkung von Rechtsfolgen) und europarechtlichen (wegen Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit) Bedenken gegen die Neuregelung des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG (vgl. hierzu Goebel/Ungemach, NWB 13, 595) ergeben sich zahlreiche Auslegungsfragen dazu, unter welchen Voraussetzungen die einer Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünfte sowohl nach innerstaatlichem Steuerrecht als auch nach einem anzuwendenden DBA der inländischen Besteuerung unterliegen.
Beachten Sie | Aus dem Blickwinkel des DBA kann die Zuordnung der Einkünfte (sowie der Organbeteiligung) nur anhand einer funktionalen Betrachtungsweise erfolgen (vgl. Punkt 3.2).
2. Ausgangssachverhalt
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Die alleinige Gesellschafterin der Zisch-GmbH ist die Zisch-Holding GmbH & Co. KG (nachfolgend „Z-KG“). Beide Gesellschaften haben sowohl ihren Sitz als auch den Ort ihrer Geschäftsleitung in Deutschland. Die Wirtschaftsjahre beider Gesellschaften entsprechen dem Kalenderjahr. Einzige zu 100 % vermögensmäßig an der Z-KG beteiligte Kommanditistin ist die D-GmbH, welche ebenfalls sowohl ihren Sitz als auch den Ort ihrer Geschäftsleitung in Deutschland hat. An der Komplementär-GmbH der Z-KG, deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sich auch in Deutschland befindet, ist einzig und allein die D-GmbH als Gesellschafterin beteiligt.
Während der Unternehmensgegenstand der Zisch-GmbH in der Produktion und im Vertrieb von Zulieferteilen für den Schiffsbau liegt, beschränkt sich die Funktion der Z-KG in der Verwaltung der Beteiligung an der Zisch-GmbH sowie in gegen gesondertes Entgelt an verschiedene Marktteilnehmer (u.a. auch an die Zisch-GmbH) zu erbringenden IT-Dienstleistungen, Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sowie Leistungen im Bereich des Cash-Managements. Die Gewinne aus den an die Zisch-GmbH zu erbringenden Dienstleistungen machen ca. 10 % des Jahresüberschusses der Z-KG aus.
Die Unternehmensleitung der Zisch-Gruppe beabsichtigt, zwischen der Z-KG und der Zisch-GmbH eine ertragsteuerrechtliche Organschaft zu bilden. |
Lösungshinweise: Voraussetzung für die Begründung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft ist nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG, dass die Z-KG (Organträgerin) an der Zisch-GmbH (Organgesellschaft) vom Beginn des Wirtschaftsjahrs der Zisch-GmbH ununterbrochen und mehrheitlich (maßgebend sind insoweit die Stimmrechte) beteiligt ist.
PRAXISHINWEIS | Sollte die Organbeteiligung unterjährig erworben worden sein, wäre - zwecks Herstellung der finanziellen Eingliederung für das Erwerbsjahr - die Umstellung des Wirtschaftsjahrs der Zisch-GmbH zwingend. Würde dabei das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum umgestellt, wäre dafür die nach § 7 Abs. 4 S. 3 KStG erforderliche Zustimmung durch das FA zu erteilen (R 59 Abs. 3 S. 1 KStR). Dies gilt |
auch dann, wenn bei Begründung eines Organschaftsverhältnisses das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft im selben Veranlagungszeitraum ein zweites Mal umgestellt würde, um den Abschlussstichtag der Organgesellschaft dem im Organkreis üblichen Abschlussstichtag anzupassen (R 59 Abs. 3 S. 2 KStR). |
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KStG müssen die Z-KG und die Zisch-GmbH zudem einen Gewinnabführungsvertrag für die Dauer von mindestens 5 Jahren abschließen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchführen. Der Gewinnabführungsvertrag ist zudem im Handelsregister der Zisch-GmbH einzutragen.
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG kann eine Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG Organträgerin im Rahmen einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft sein, wenn sie eine originär gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausübt.
MERKE | Nach § 15 Abs. 2 EStG liegt eine gewerbliche Tätigkeit vor, wenn eine selbstständige nachhaltige Betätigung mit der Absicht der Gewinnerzielung unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wobei sich diese Betätigung weder als Ausübung einer Land- und Forstwirtschaft noch einer selbstständigen Tätigkeit noch einer Vermögensverwaltung darstellen darf. Ein Mindestumfang der originär gewerblichen Tätigkeit ist dem Gesetz fremd. Folgt man jedoch der Auffassung der Finanzverwaltung liegt eine originär gewerbliche Tätigkeit nur vor, wenn die gewerbliche Tätigkeit der Organträger-Personengesellschaft nicht nur „geringfügig“ ist. Damit muss die Z-KG selbst eine eigene gewerbliche Tätigkeit - z.B. durch gegen gesondertes (fremdübliches) Entgelt zu erbringende administrative oder kaufmännische Dienstleistungen an die Zisch-GmbH - ausüben (BMF 10.11.05, IV B 7 - S 2770 - 24/05, BStBl I 05, 1038, Rz. 17 u. 19). Bereits eine „äußerst geringfügige Tätigkeit“ soll ausreichend sein, um zumindest eine gewerbliche Infizierung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG eintreten zu lassen. Eine solche wurde allerdings bei gewerblichen Tätigkeiten von 1,25 % des Gesamtumsatzes verneint (BFH 11.8.99, XI R 12/98, ?BStBl II 00, 229). |
Die Z-KG erzielt ca. 10 % ihres Jahresüberschusses aus entgeltlich an die Zisch-GmbH zu erbringende Dienstleistungen, sodass eine Organträgerfähigkeit der Z-KG aufgrund eigener originär gewerblicher Tätigkeit von einigem Gewicht gegeben sein sollte (BFH 8.3.04, IV B 212/03, BFH/NV 04, 954).
Die Neuregelung des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 ff. KStG ist vorliegend erfüllt, da ein rein innerdeutscher Sachverhalt gegeben ist und somit die Organbeteiligung unzweifelhaft einer inländischen Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO des ?Organträgers Z-KG zuzuordnen ist. Diese Zuordnung muss während der gesamten Dauer der Organschaft eingehalten werden.
Rechtsfolge der Organschaft ist nach § 14 Abs. 1 S. 2 KStG die Zurechnung des Einkommens der Zisch-GmbH zur Z-KG erstmals für das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr der Zisch-GmbH endet, in dem der Gewinnabführungsvertrag wirksam wird (d.h. in das Handelsregister der Zisch-GmbH eingetragen wird, vgl. R 60 Abs. 1 S. 2 KStR).
3. Abwandlung des Ausgangsfalls
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Alleinige zu 100 % vermögensmäßig an der Z-KG beteiligte Kommanditistin ist die Boot-B.V. (B-B.V.) mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in den Niederlanden. Die B-B.V. hält sämtliche Anteile an der Komplementär-GmbH der Z-KG.
Die Geschäftsführung der B-B.V. möchte sich erkundigen, ob eine ertragsteuerrechtliche Organschaft zwischen der Z-KG und der Zisch-GmbH möglich ist. Dabei sollen nachfolgende Alternativszenarien beurteilt werden, wobei das Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 3 KStG unterstellt wird. |
3.1 Unterschiedliche Fallszenarien
Szenario 1: Die Z-KG übt eine originär gewerbliche Produktionstätigkeit im Bereich „Zulieferteile für den Schiffsbau“ mittels einer in Deutschland belegenen Betriebsstätte aus. Die Zisch-GmbH übernimmt den Alleinvertrieb für die Produkte der Z-KG. Die Z-KG begründet in den Niederlanden eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte, da die geschäftsführende Komplementär-GmbH (deren statutarischer Sitz in Deutschland ist) dort ihren alleinigen „effective place of management“ hat.
Szenario 2: Die Z-KG übt eine originär gewerbliche Produktionstätigkeit im Bereich „Zulieferteile für den Schiffsbau“ mittels einer in den Niederlanden belegenen Betriebsstätte aus. Die Zisch-GmbH übernimmt den Alleinvertrieb für die Produkte der Z-KG. Der Ort der Geschäftsleitung der Z-KG befindet sich in Deutschland, da die geschäftsführende Komplementär-GmbH (deren statutarischer Sitz in Deutschland ist) dort ihren „effective place of management“ hat.
Szenario 3: Die Z-KG übt keine gewerbliche Tätigkeit i.S.d. Szenario 1/2 aus. Die Zisch-GmbH ist in der Produktion und im Vertrieb von Zulieferteilen für den Schiffsbau tätig. Mittels einer in Deutschland belegenen Betriebsstätte erbringt die Z-KG gegen gesondertes (fremdübliches) Entgelt administrative und kaufmännische Dienstleistungen i.S.d. Rz. 19 des BMF-Schreibens vom 10.11.05 an die Zisch-GmbH. Die Z-KG begründet in den Niederlanden eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte, da die geschäftsführende Komplementär-GmbH (deren statutarischer Sitz in Deutschland ist) dort ihren „effective place of management“ hat.
Szenario 4: Die Z-KG übt keine gewerbliche Tätigkeit i.S.d. Szenario 1/2 aus. Die Zisch-GmbH ist in der Produktion und im Vertrieb von Zulieferteilen für den Schiffsbau tätig. Mittels einer in den Niederlanden belegenen Betriebsstätte erbringt die Z-KG gegen gesondertes (fremdübliches) Entgelt administrative und kaufmännische Dienstleistungen i.S.d. Rz. 19 des BMF-Schreibens vom 10.11.05 an die Zisch-GmbH. Der Ort der Geschäftsleitung der Z-KG befindet sich in Deutschland, da die geschäftsführende Komplementär-GmbH (deren statutarischer Sitz in Deutschland ist) dort ihren „effective place of management“ hat.
Lösungshinweise: Nach deutschem innerstaatlichem Steuerrecht gehört in allen vier zu untersuchenden Szenarien die Beteiligung an der Zisch-GmbH unzweifelhaft zum Betriebsvermögen der Z-KG. Dementsprechend könnte die Voraussetzung nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 KStG - die Beteiligung des Organträgers (hier Z-KG) an der Organgesellschaft (hier Zisch-GmbH) muss einer inländischen Betriebsstätte während der gesamten Dauer der Organschaft ununterbrochen zuzuordnen sein - bereits erfüllt sein. Unklar bleibt an dieser Stelle, ob die Zuordnungsfrage anhand der Maßstäbe des innerstaatlichen Steuerrechts oder des DBA-Rechts zu beurteilen sein soll. Erst in § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 7 KStG wird der Gesetzgeber konkreter und schreibt vor, dass die der (Organträger-)Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünfte sowohl nach innerstaatlichem Steuerrecht als auch nach DBA-Recht der inländischen Besteuerung unterliegen müssen.
Die Wortwahl des Gesetzgebers scheint vor dem Hintergrund des § 12 AO unglücklich gewählt. Nach § 12 S. 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Es werden also äußere Merkmale für das Bestehen einer Betriebsstätte nach § 12 S. 1 AO herangezogen. Indes soll nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 7 KStG eine (bereits vorliegende) Betriebsstätte nur dann für Zwecke der Anwendung der §§ 14 ff. KStG gegeben sein, wenn die Einkünfte auf Ebene der Betriebsstätte sowohl nach nationalem Recht als auch nach DBA-Recht besteuert werden können.
Beachten Sie | Es kann dem Gesetzgeber durchaus unterstellt werden, ?diese feine Differenzierung gewollt zu haben. Das Zusammenspiel von § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 und S. 7 KStG schafft einen Gleichklang zwischen Zuordnung der Beteiligung an der Organgesellschaft und Zuordnung der Einkünfte zur (Organträger-)Betriebsstätte. Mit Blick auf die BFH-Rechtsprechung, dass es weder betriebsstättenlose Einkünfte - sog. floating income - noch betriebsstättenlose Wirtschaftsgüter - sog. floating assets - geben kann (BFH 9.12.07, I R 19/06, BStBl II 10, 398), muss die Organbeteiligung einer Betriebsstätte (funktional) zugerechnet werden. Demzufolge sind die Beteiligung als auch die hieraus erzielten Einkünfte derselben (Organträger-)Betriebsstätte zuzurechnen (BFH 17.10.07, I R 5/06, BStBl II 09, 356; BFH 8.9.10, ?I R 74/09, BFH/NV 11, 138; BHF 7.12.11, I R 5/11, BFH/NV 12, 556).
3.2 Funktionale Zuordnung
§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 KStG setzt eine funktionale Zuordnung der Organbeteiligung sowohl nach innerstaatlichem Steuerrecht als auch nach einem anzuwendenden DBA voraus, d.h. die Organbeteiligung muss in einem funktionalen Zusammenhang mit der Tätigkeit einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers stehen. Unter Berücksichtigung der zu diesem Themenkomplex bislang ergangenen BFH-Rechtsprechung ist es erforderlich, dass die Organbeteiligung durch die inländische Betriebsstätte des Organträgers tatsächlich genutzt wird bzw. dieser dient und zu ihrem Betriebsergebnis beiträgt (vgl. u.a. BFH 17.12.03, I R 47/02, BFH/NV 04, 771; BFH 17.10.07, I R 5/06, BStBl II 09, 356; BFH 19.12.07, I R 66/06, BStBl II 08, 510; BMF 16.4.10, IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl I 10, 354, Tz. 2.2.4.1).
Vergleichbar mit dem im Ertragsteuerrecht an zahlreichen Stellen relevanten Begriff der „funktional wesentlichen Betriebsgrundlagep“ kommt es bei der funktionalen Zuordnung einer Organbeteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers im Ergebnis auf ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Geschäftszweck der Betriebsstätte des Organträgers und dem Betrieb der Organgesellschaft an (vgl. Goebel/Boller/Ungemach, IStR 08, 643; Goebel/Ungemach, NWB 13, 595).
Sollte der Organträger über keinen auf eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, d.h. über keinen auf die Erbringung von Dienstleistungen oder den Verkauf von Waren an fremde Marktteilnehmer, gerichteten operativen Geschäftsbetrieb verfügen, ist für die Zuordnung der Organbeteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers zumindest erforderlich, dass in dieser Betriebsstätte Managementleistungen nach Art einer Management- bzw. Führungs- oder Funktionsholding gegenüber der Organgesellschaft erbracht werden. Dies setzt voraus, dass das Top-Management des Organträgers in dieser Betriebsstätte angesiedelt ist, von dort aus die wesentlichen Geschäftsführungsentscheidungen in Bezug auf die Organgesellschaft bzw. deren Marktaktivitäten getroffen werden und die wesentlichen Steuerungsfunktionen ausgeübt werden (vgl. Goebel/Ungemach, NWB 13, 595).
MERKE | Auch wenn die Betriebsstättenmerkmale nach § 12 AO vorliegen, kann unter Umständen für Zwecke der §§ 14 ff. KStG keine deutsche Betriebsstätte vorliegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn nach innerstaatlichem Recht oder nach DBA-Recht die Einkünfte nicht der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Mit § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 7 KStG liegt es nicht mehr im Machtbereich des Steuerpflichtigen, eine Betriebsstätte für organschaftliche Zwecke zu begründen. Vielmehr rückt das DBA-Recht und dessen Fortentwicklung in den Mittelpunkt der Betrachtung. |
3.3 Lösungshinweise zu den unterschiedlichen Szenarien
Szenario 1: Die Z-KG ist organträgerfähig, da sie eine originär gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausübt (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG). Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen der deutschen Produktionsbetriebsstätte der Z-KG und dem Betrieb der Zisch-GmbH (Alleinvertrieb) sind die Anteile an der Zisch-GmbH der Produktionsbetriebsstätte funktional zuzuordnen. Weder die Z-KG noch die Zisch-GmbH können ohne den jeweils anderen Geschäftspartner wirtschaftlich existieren. Eine ertragsteuerrechtliche Organschaft zwischen Z-KG und Zisch-GmbH ist aus Sicht des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 ff. KStG möglich.
Szenario 2: Die Z-KG ist organträgerfähig, da sie eine originär gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausübt (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG). Dass sie diese Tätigkeit mittels einer in den Niederlanden belegenen Betriebsstätte ausübt, sollte unschädlich sein. Denn schließlich fordert der Wortlaut des Gesetzes nicht zwingend die Ausübung der originär gewerblichen Tätigkeit im Inland. Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen der niederländischen Produktionsbetriebsstätte der Z-KG und dem Betrieb der Zisch-GmbH (Alleinvertrieb) sind die Anteile an der Zisch-GmbH allerdings der (niederländischen) Produktionsbetriebsstätte funktional zuzuordnen. Die sog. Zentralfunktion des Stammhauses (vgl. BFH 29.7.92, II R 39/89, BStBl II 93, 63; BFH 30.8.95, I R 112/94, BStBl II 96, 563; BMF 25.8.09, IV B 5 -S 1341/07/10004, BStBl I 09, 888, Tz. 2.4), wonach u.a. Kapitalbeteiligungen - mangels funktionaler Zuordnungsmöglichkeit - grundsätzlich der Stammhausbetriebsstätte zuzuordnen sind, vermag an dem Ergebnis nichts zu ändern.
MERKE | Als Stammhaus wird eine Betriebsstätte verstanden, bei der sich die geschäftliche Oberleitung des Unternehmens befindet (BMF 24.12.99, IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl I 99, 1076, Tz. 2.1). Dementsprechend wird die Geschäftsleitungs-Betriebsstätte der Z-KG als solches zu qualifizieren sein. Nach den internationalen Gepflogenheiten betreffend die Betriebsstättenbesteuerung vermittelt die Z-KG der B-B.V. sowohl eine deutsche Geschäftsleitungsbetriebsstätte als auch eine niederländische Produktionsbetriebsstätte. Die niederländische Produktionsbetriebsstätte ist aus abkommensrechtlichem Blickwinkel unmittelbar der B-B.V. zuzuordnen, da eine „Oberbetriebsstätte“ grundsätzlich nicht Träger einer „Unterbetriebsstätte“ sein kann (BFH 24.2.88, I R 95/84, BStBl II 88, 663 m.w.N.). |
Im Ergebnis wird die Zentralfunktion des Stammhauses von der funktionalen Zuordnung, auf die § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 ff. KStG abstellt, verdrängt. Eine ertragsteuerrechtliche Organschaft zwischen Z-KG und Zisch-GmbH ist wegen Nichterfüllung von § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 ff. KStG nicht möglich.
Szenario 3: Aufgrund der gegen gesondertes (fremdübliches) Entgelt durch die Z-KG mittels ihrer deutschen Betriebsstätte an die Zisch-GmbH erbrachten administrativen und kaufmännischen Dienstleistungen i.S.d. Rz. 19 des BMF-Schreibens vom 10.11.05 ist die Z-KG organträgerfähig. Fraglich ist allerdings, ob die Organbeteiligung an der Zisch-GmbH der deutschen Betriebsstätte der Z-KG allein auf Basis der Erbringung der genannten Dienstleistungen abkommensrechtlich überhaupt zugerechnet werden kann.
Eine funktionale Zuordnung erfordert gerade eine enge wirtschaftliche Verflechtung der beiden Unternehmen von Z-KG und Zisch-GmbH. Nach der Zentralfunktion des Stammhauses sollte die Organbeteiligung tendenziell wohl eher der niederländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte (Stammhaus) zuzuordnen sein. Dieses Ergebnis erscheint nicht nur auf den ersten Blick befremdlich, weil einerseits seitens der Finanzverwaltung für Zwecke der Organträgerfähigkeit administrative oder kaufmännische Dienstleistungen einer Organträgerpersonengesellschaft gefordert werden, welche andererseits auf Basis des Gesetzwortlauts nicht ausreichend sind, um die Organbeteiligung auch einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers funktional zuordnen zu können.
PRAXISHINWEIS | Um dennoch die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ?S. 4 ff. KStG erfüllen und eine ertragsteuerrechtliche Organschaft begründen zu können, sollte der „effective place of management“ der Z-KG in Deutschland angesiedelt werden und es sollten von dort aus - neben den ausschließlich für Zwecke der Organträgerfähigkeit der Z-KG notwendigen entgeltlichen kaufmännischen und administrativen Dienstleistungen - Managementleistungen nach Art einer Management- bzw. Führungs- oder Funktionsholding gegenüber der Zisch-GmbH erbracht werden. |
Szenario 4: Aufgrund der gegen gesondertes (fremdübliches) Entgelt durch die Z-KG mittels ihrer niederländischen Betriebsstätte an die Zisch-GmbH erbrachten administrativen und kaufmännischen Dienstleistungen i.S.d. der Rz. 19 des BMF-Schreibens vom 10.11.05 ist die Z-KG organträgerfähig. Dass sie diese Tätigkeit mittels einer in den Niederlanden belegenen Betriebsstätte ausübt, sollte unschädlich sein, da der Wortlaut des Gesetzes nicht zwingend die Ausübung der gewerblichen Tätigkeit im Inland fordert. Die Organbeteiligung an der Zisch-GmbH kann der niederländischen Betriebsstätte der Z-KG nicht allein auf Basis der Erbringung der genannten Dienstleistungen abkommensrechtlich zugerechnet werden. Nach der Zentralfunktion des Stammhauses sollte die Organbeteiligung der deutschen Geschäftsleitungsbetriebsstätte (Stammhaus) zuzuordnen sein.
FAZIT | Eine der wesentlichen Neuerungen für die körperschaftsteuerliche Organschaft mit grenzüberschreitendem Bezug ist das Erfordernis der Zuordnung der Organbeteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers. Diese Zuordnung erfolgt nach funktionalen Gesichtspunkten und ist immer dann anzunehmen, wenn zwischen den Unternehmen von Organträger und Organgesellschaft eine enge wirtschaftliche Verflechtung besteht.
Die - für Zwecke der Organträgerfähigkeit einer Personengesellschaft erfolgende - ?Erbringung entgeltlicher administrativer oder kaufmännischer Dienstleistungen durch eine Organträgerpersonengesellschaft an die Organgesellschaft sollte eine funktionale Zuordnung zu einer inländischen Betriebsstätte nicht begründen können. Dazu kommen sollten vielmehr Managementleistungen nach Art einer Management- bzw. Führungs- oder Funktionsholding durch die inländische Betriebsstätte des Organträgers gegenüber der Organgesellschaft. Sollte nach alledem eine Zuordnung der Organbeteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers nicht möglich sein, ist die Zuordnungsfrage nach der Zentralfunktion des Stammhauses zu entscheiden. |
Ausblick: In den folgenden Ausgaben werden weitere Musterfälle betreffend die funktionale Zuordnung, weitere Zweifelsfragen im Zusammenhang mit dem Ergebnisabführungsvertrag und der Regelung des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 KStG sowie Auswirkungen von Umwandlungen auf ein grenzüberschreitendes Organschaftsverhältnis besprochen.