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Typische Ertragsteuerfragen beim Wegzug aus Deutschland in die USA - Teil 1
von Dipl.-Kfm. CPA TEP Gerald R. Brix, Brix + Partners LLC, New York/USA und RA StB FAStR Dr. Jochen Ettinger, Dissmann Orth, München
| Die USA sind ein häufiges Ziel deutscher Wegzügler. Je nach individueller Vermögenszusammensetzung können sich durch einen Umzug in die USA relevante Steuerfolgen sowohl aus Sicht des deutschen Steuerrechts als auch nach US-Steuerrecht ergeben. Insbesondere die Komplexität des US-Rechts erfordert bereits im Vorfeld des Wegzugs eine professionelle Steuerplanung. Daneben sind „Fallstricke“ des deutschen Außensteuerrechts zu beachten. |
1. Sachverhalt
Der 45-jährige Ehemann M ist zusammen mit seinem Bruder B Gesellschafter-Geschäftsführer des mittelständischen, aber weltweit aktiven Maschinenbauunternehmens M-GmbH, das seinen Sitz in Grünwald bei München hat. M hält 40 % des Stammkapitals der M-GmbH, seine Ehefrau F 10 % und Bruder B 50 %. M und F haben einen Sohn, der gerade ein Jahr alt geworden ist. Sie wohnen in einem den Eheleuten gemeinsam gehörenden Einfamilienhaus in München, das einen Verkehrswert von rd. 1,2 Mio. EUR hat. Daneben ist M Eigentümer von verschiedenen Eigentumswohnungen in Dresden, Berlin, Augsburg und München. Die Wohnungen haben zusammen einen Verkehrswert von rd. 4,5 Mio. EUR und sind allesamt fremdvermietet.
Die M-GmbH hat eine amerikanische Tochter-Gesellschaft, die vor rd. zwei Jahren gegründet wurde und als Vertriebsgesellschaft US-amerikanische Kunden bedienen soll. Diese Tochter-Gesellschaft, die als M-Inc. firmiert und ihren Sitz in Boston/USA hat, wird bisher ausschließlich durch einen amerikanischen Fremdmanager geführt. Da die Geschäftsentwicklung in den USA weit unter Plan verläuft, beschließen M und B, dass M in die USA entsandt werden soll, um sich dort selbst um die Expansion des US-Geschäfts zu kümmern. M soll dabei Chief Executive Officer (entspricht der Rolle eines Vorsitzenden der Geschäftsführung) der M-Inc. werden. Der zeitliche Horizont seines Aufenthalts ist noch unklar, M und B rechnen allerdings mit mindestens drei bis fünf Jahren, evtl. länger. Vor diesem Hintergrund soll M aus der deutschen Geschäftsführung der M-GmbH ausscheiden. B soll für diese Zeit alleiniger Geschäftsführer werden. M beabsichtigt, zusammen mit seiner Frau und seinem Kind in die USA zu ziehen und das deutsche Einfamilienhaus bis auf Weiteres zu vermieten.
2. Fragestellungen
M fragt seinen deutschen und seinen US-Steuerberater, wie sich der Wegzug für ihn und seine Frau steuerlich auswirken wird. Ihn interessiert dabei zunächst nur die ertragsteuerliche Seite. Insbesondere möchte er zum deutschen Steuerrecht wissen, inwieweit der Wegzug sog. „Wegzugsteuer“ auslöst und ob diese vermeidbar ist oder gestaltet werden kann. Da er in den nächsten Jahren mit substanziellen Gewinnausschüttungen von der M-GmbH rechnet, möchte er auch wissen, wie solche Dividenden nach seinem Wegzug steuerlich behandelt werden.
3. Steuerfolgen des Wegzugs aus deutscher Sicht
3.1 Deutsche Wegzugsteuer
M und F haben die deutsche Wegzugsteuer nach § 6 AStG zu beachten. Der sachliche Anwendungsbereich von § 6 AStG umfasst nur Anteile im Sinne von § 17 EStG, also Anteile an Kapitalgesellschaften mit einer Beteiligung von 1 % oder mehr am Nennkapital. Dies bedeutet, dass aus deutscher Sicht etwaige stille Reserven in den deutschen Immobilien nicht von der deutschen Wegzugsteuer erfasst sind. Die Beteiligung von M und F an der M-GmbH fällt jedoch in den Anwendungsbereich des § 6 AStG.
M und F erfüllen durch den Wegzug den Grundtatbestand nach § 6 Abs. 1 AStG. In der Einkommensteuererklärung für das Wegzugsjahr haben M und F daher Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach den §§ 6 AStG, 17 EStG zu erklären. Mangels Veräußerungspreis wird der Wertzuwachs nach der Differenz zwischen dem gemeinen Wert der Anteile zum Wegzugszeitpunkt abzüglich der historischen Anschaffungskosten ermittelt. Da die Anteile an der M-GmbH nicht börsennotiert sind, gilt für die Bewertung § 11 Abs. 2 S. 2 ff. BewG. Mangels Referenzgeschäft ist hier vom deutschen Steuerberater die Erstellung eines Wirtschaftsprüfergutachtens (grundsätzlich nach IDW S1 Standard) zu veranlassen. Nach § 11 Abs. 2 S. 4 BewG kann jedoch grundsätzlich auch das vereinfachte Ertragswertverfahren nach den §§ 199 ff. BewG angewendet werden, wenn dies nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt.
Der so ermittelte fiktive Veräußerungsgewinn nach § 6 AStG unterliegt bei M und F dem Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c) EStG.
PRAXISHINWEIS | Wenn M und F innerhalb von fünf Jahren nach dem Wegzug wieder nach Deutschland zurückziehen und dort wieder unbeschränkt steuerpflichtig werden, entfällt die Wegzugsteuer nach § 6 Abs. 3 S. 1 AStG. Diese Frist kann vom Finanzamt auf bis zu zehn Jahre verlängert werden, wenn M und F glaubhaft machen können, dass berufliche Gründe für die vorübergehende Abwesenheit maßgeblich sind und Rückkehrabsicht besteht (§ 6 Abs. 3 S. 2 AStG). Die Fristverlängerung steht im Ermessen der Finanzverwaltung und es bedarf hierzu eines Antrags. Der Antrag ist zwar nicht form- oder fristgebunden. Es empfiehlt sich jedoch, den Antrag bereits vor Wegzug in die USA zu stellen, um vor Wegzug eine schriftliche Äußerung seitens der Finanzverwaltung zu erreichen. |
Beachten Sie | Es spricht viel dafür, dass auch der „Mit-Wegzug“ der Ehefrau F durch berufliche Gründe veranlasst ist, auch wenn F aufgrund der Tätigkeit des M in den USA mitzieht. Dem Wortlaut der Vorschrift ist nämlich keine Einschränkung dahingehend zu entnehmen, dass es sich zwingend um eigene berufliche Gründe handeln muss (vgl. Ettinger in Ettinger, Wegzugsbesteuerung, 2012, S. 20; Häck in Haase, AStG/DBA, 2. Aufl. 2012, § 6 AStG Rn. 150).
3.2 Gestaltungsspielräume bezüglich der deutschen Wegzugsteuer
Da M und F nicht innerhalb der EU bzw. des EWR umziehen, kommt die zeitlich unbefristete Stundung des Steueranspruchs nach § 6 Abs. 5 AStG hier nicht zum Tragen. Aufgrund der beruflichen Abwesenheit könnten M und F jedoch eine Stundung von bis zu zehn Jahren nach § 6 Abs. 4 AStG erreichen.
MERKE | Anders als bei Umzügen innerhalb der EU muss der Steuerpflichtige beim Umzug in einen Drittstaat wie die USA grundsätzlich Sicherheit leisten. Das Finanzamt kann hiervon nur dann absehen, wenn der Steueranspruch nicht gefährdet erscheint. Des Weiteren ist die gestundete Wegzugsteuer in diesen Fällen gemäß § 234 AO i.V.m. § 238 Abs. 1 S. 1 AO mit 6 % p.a. zu verzinsen (wobei in den Fällen des § 6 Abs. 3 S. 2 AStG auch die Zinsen gestundet werden können). |
Unabhängig davon gilt: Ziehen M und F innerhalb der vom Finanzamt gewährten Frist wieder nach Deutschland zurück, stellt dies ein rückwirkendes Ereignis dar, sodass dann nicht nur die ursprünglich festgesetzte Wegzugsteuer, sondern auch die darauf festgesetzte Verzinsung entfällt.
Als weitere, allerdings deutlich aufwendigere Gestaltungsmöglichkeit bietet sich die Umwandlung der M-GmbH in eine Personengesellschaft (z.B. in eine GmbH & Co. KG) an. Dies ist auf Ebene der Gesellschaft steuerneutral nach den §§ 9, 3 ff. UmwStG möglich. Auf Ebene der Gesellschafter - und damit auch bei dem hier grundsätzlich unbeteiligten B - ist jedoch zu beachten, dass der Formwechsel je nach Bilanzstruktur zu einer Zwangsausschüttung der offenen Rücklagen und damit zu einem entsprechenden Liquiditätseffekt führen kann (§ 7 UmwStG). Daneben sind ggf. auch die Vorschriften zur Ermittlung eines Übernahmegewinns oder Übernahmeverlusts bei den Gesellschaftern relevant (§ 4 Abs. 4 bis 7, 5 UmwStG). Ergebnis einer solchen Gestaltungsmaßnahme ist, dass aus der M-GmbH eine gewerblich tätige Personengesellschaft wird, die dann für M und F auch nach dem Wegzug weiterhin zu beschränkt steuerpflichtigen Einkünften nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG führt. Von der Wegzugsteuer nach § 6 AStG sind Beteiligungen an derartigen Personengesellschaften nicht erfasst.
Achtung | Wäre M alleiniger Geschäftsführer der deutschen Gesellschaft und würde er die Geschäftsführung nach dem Wegzug von den USA aus betreiben, könnte eine Entstrickung nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG drohen. Diese Gefahr besteht hier jedoch nicht, da M für die Zeit seines Wegzugs nicht mehr Geschäftsführer der deutschen Gesellschaft sein wird und es zudem mit B einen weiteren, steuerlich in Deutschland ansässigen Geschäftsführer gibt.
Als Anschlussfrage ist noch zu überlegen, ob bei dieser Gestaltung eventuell bezüglich der Gesellschaftsanteile an der M-Inc. eine Entstrickung nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG drohen könnte. Die Beteiligung an der M-Inc. würde jedoch nach dem Formwechsel tatsächlich und ihrer Substanz nach zu einer Betriebstätte in Deutschland im Sinne von Art. 5 DBA Deutschland-USA gehören, die M und F durch die dann entstehende Personengesellschaft vermittelt wird. Aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine operative Tochtergesellschaft mit entsprechenden wirtschaftlichen und organisatorischen Verflechtungen handelt, besteht hier der erforderliche enge funktionale Sachzusammenhang zwischen der M-Inc. und der in Deutschland entstehenden Betriebstätte, der Voraussetzung für eine steuerliche Zuordnung ist.
3.3 Steuerliche Behandlung von M und F nach erfolgtem Wegzug
M und F bleiben mit den deutschen Immobilien, soweit diese nach dem Wegzug vermietet werden, in Deutschland beschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 DBA Deutschland-USA). Wird das Grünwalder Einfamilienhaus, das M und F als Ehewohnung genutzt hatten, tatsächlich, wie geplant, fremdvermietet, wird dieses M und F auch nicht mehr als Wohnung i.S.v. § 8 AO zugerechnet, weil M und F aufgrund der Fremdvermietung nicht mehr über diesen Wohnraum verfügen.
Sollten einzelne der Immobilien, insbesondere in Bezug auf die US-Steuerplanung (vgl. dazu Teil II) veräußert werden, gilt für die Veräußerung § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG, weil die Immobilien hier im steuerlichen Privatvermögen von M bzw. F gehalten werden. Dies bedeutet, dass für das Haus in Grünwald, das zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde, ein etwaiger Veräußerungsgewinn immer steuerfrei wäre (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG), während bei den übrigen Immobilien die Zehnjahresfrist gilt. Daran ändert sich auch durch den Wegzug nichts, d.h., die Zehnjahresfrist würde auch bei einer Veräußerung der fremdvermieteten Immobilien erst nach Wegzug gelten.
Etwaige spätere Gewinnausschüttungen aus der M-GmbH (unterstellt, der Formwechsel unterbleibt) sind nach nationalem Recht in Deutschland beschränkt steuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) EStG). Nach Art. 10 Abs. 1 DBA Deutschland-USA hat aber grundsätzlich die USA das Besteuerungsrecht. Deutschland kann allerdings nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. b) des DBA Deutschland-USA Kapitalertragsteuern von 15 % einbehalten.
Beachten Sie | Die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 2 AStG spielt beim Wegzug in die USA dagegen keine Rolle, da die USA kein Niedrigsteuerland sind (s. Schraufl, PIStB 07, 122).
Weiterführende Hinweise
- Der zweite Teil dieses Beitrags erscheint in der nächsten Ausgabe. Darin werden die Steuerfolgen des Wegzugs nach US-Steuerrecht dargestellt und aufgezeigt, welche Maßnahmen bereits im Vorfeld des Wegzugs zu ergreifen sind. Ihr PLUS IM NETZ: Auf pistb.iww.de unter der Abruf-Nr. 131049 haben Sie bereits Zugriff auf den zweiten Teil des Beitrags.
- Ausführlich zum Thema s. auch Ettinger (Hrsg.), Wegzugsbesteuerung: Steuerlich motivierter Wegzug natürlicher Personen, NWB 1. Aufl. 2012