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  • 19.10.2011

    Finanzgericht Münster: Gerichtsbescheid vom 26.07.2011 – 9 K 3871/10 K

    1) Die Auflösung („dissolution”) einer englischen Limited hat die unmittelbare Beendigung der Gesellschaft zur Folge; mit der Auflösung ist die Limited rechtlich nicht mehr existent.

    2) Für Zwecke des Besteuerungs- und finanzgerichtlichen Verfahrens gilt die Limited als fortbestehend und damit als beteiligtenfähig.

    3) Eine aufgelöste Limited ist nicht mehr durch ihre bisherigen Organe handlungsfähig.

    4) § 66 Abs. 5 Satz 2 GmbHG bzw. § 273 Abs. 4 AktG können in diesem Fall jedenfalls dann entsprechend herangezogen werden, wenn die Limited ihren Verwaltungssitz in Deutschland hatte bzw. ausschließlich in Deutschland wirtschaftlich tätig war.


    Im Namen des Volkes

    GERICHTSBESCHEID

    In dem Rechtsstreit

    hat der 9. Senat in der Besetzung: Vorsitzende Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … am 26.7.2011 für Recht erkannt:

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten um die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns aus einem Grundstücksverkauf.

    Die Klägerin ist eine aufgelöste Gesellschaft in der Rechtsform einer „private company limited by shares” (Limited) nach englischem Recht. Laut den in den Steuerakten vorhandenen Unterlagen des englischen Companies House wurde die Klägerin dort am 11.7.2006 unter der Company Number xxxxxxx eingetragen („date of incorporation”) und am 11.8.2009 aufgelöst („dissolved”). Gegenstand des Unternehmens der Klägerin („nature of business”) war der Kauf und Verkauf von Grundstücken. Als „registered office” wird eine Adresse in England benannt (…). Unter „share Capital” ist angegeben, dass ein Anteil („share”) zu 1 EUR ausgegeben wurde. Alleiniger Gesellschafter („shareholder”) war Herr X. (X), für den eine Adresse in Deutschland angegeben ist (A-Straße 2, B-Stadt). Dieser ist zugleich als „director” der Klägerin eingetragen worden. Als „accounting reference date” ist der 30.6. angegeben. Es liegt eine beim Companies House eingereichte Gewinnermittlung („annual accounts”) der Klägerin zum 30.6.2007 vor, die von der S. GmbH Steuerberatungsgesellschaft aus C-Stadt erstellt wurde. Die Gewinnermittlung ist unter dem Datum vom 18.4.2008 von X unterschrieben.

    Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung war der Beklagte (das Finanzamt – FA –) der Auffassung, die Klägerin habe aus dem An- und Verkauf eines in Deutschland belegenen Grundstücks einen Veräußerungsgewinn von 129.945 EUR erzielt, mit dem diese entweder nach § 1 KStG unbeschränkt oder nach § 2 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG beschränkt steuerpflichtig gewesen sei. Unter dem Datum vom 17.8.2009 erließ das FA einen an X als gesetzlichen Vertreter der Klägerin adressierten und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO stehenden Bescheid über Körperschaftsteuer 2007.

    Gegen den vorgenannten Bescheid legte die S GmbH Steuerberatungsgesellschaft im Namen der Klägerin Einspruch ein. Mit einer wiederum an X als gesetzlichen Vertreter der Klägerin gerichteten Einspruchsentscheidung vom 20.9.2010 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

    Hiergegen hat die T. GbR Rechtsanwälte Steuerberater als Prozessvertreter im Namen der Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Hierbei hat sie eine vom 19.10.2010 datierende und offenbar von X unterzeichnete Prozessvollmacht eingereicht, in der als Sache „… Ltd. ./. Finanzamt …” und als Gegenstand des Mandats „Klage gegen KSt 2007” bezeichnet war.

    Zugleich hat die vorgenannte GbR als Prozessvertreter im Namen der Klägerin einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids gestellt, der beim FG Münster unter dem Aktenzeichen 9 V 3872/10 geführt wurde. Der Berichterstatter hat in dem vorgenannten AdV-Verfahren auf die Frage hingewiesen, ob bei einer aufgelösten („dissolved”) englischen Limited der bisherige „director” weiterhin vertretungsbefugt und die Klägerin daher handlungs- und prozessfähig sowie die von X erteilte Prozessvollmacht wirksam sei (siehe gerichtliches Schreiben vom 4.3.2011, Bl. 63 f. der GA 9 V 3872/10).

    Der für die Klägerin auftretende Prozessvertreter hat daraufhin geltend gemacht, eine aufgelöste („dissolved”) englische Limited bestehe in Deutschland als „Restgesellschaft” fort und werde weiterhin durch das bisherige Vertretungsorgan vertreten. Darüber hinaus sei er bereits mit einer Vollmacht vom 21.7.2009 und damit noch vor der Auflösung („dissolution”) der Klägerin von X zur steuerlichen Vertretung bevollmächtigt worden. Hierzu hat er eine weitere Vollmacht (in Kopie) mit dem vorgenannten Datum eingereicht, in der als Sache „X.” und als Gegenstand des Mandats „steuerliche Vertretung” bezeichnet war (Bl. 157 der GA 9 V 3872/10). Zum Grund der Auflösung („disssolution”) hat er vorgetragen, dass (vermutlich) nach dem Immobilienverkauf keine geschäftliche Tätigkeit mehr ausgeübt und keine Erklärungen bzw. Abschlüsse nach englischem Recht mehr abgegeben worden seien, so dass eine Löschung im Register von Amts wegen erfolgt sei.

    Mit Beschluss vom 11.5.2011 hat der Senat den Antrag auf AdV abgelehnt. Er hat den Antrag als unzulässig angesehen, weil der für die Klägerin auftretende Prozessvertreter seine Bevollmächtigung nicht nachgewiesen habe. Die Kosten des Verfahrens hat er dem X als weiterem Verfahrensbeteiligten auferlegt. In dem Beschluss hat der Senat die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Wegen der Einzelheiten wird auf den vorgenannten Beschluss vom 11.5.2011 Bezug genommen.

    Die Klägerin hat keine Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss eingelegt.

    In der Folge hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass sich im vorliegenden Klageverfahren in gleicher Weise wie im AdV-Verfahren die Frage stellt, ob der für die Klägerin auftretende Prozessvertreter wirksam bevollmächtigt wurde. Hierauf hat der für die Klägerin auftretende Prozessvertreter nicht reagiert.

    Der Prozessvertreter beantragt für die Klägerin,

    den Bescheid über Körperschaftsteuer für 2007 vom 17.8.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.9.2010 dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer mit 0 EUR festgesetzt wird.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das FA hat im AdV-Verfahren ebenfalls die Auffassung geäußert, dass die Klägerin als „Restgesellschaft” fortbestehe und weiterhin von X als bisherigem „director” vertreten werde und daher in der Sache zu entscheiden sei. Im Klageverfahren hat es sich nicht mehr zu dieser Frage geäußert.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unzulässig.

    1. Der für die Klägerin auftretende Prozessvertreter hat seine Bevollmächtigung nicht durch eine wirksam erteilte schriftliche Vollmacht nachgewiesen (§ 62 Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 FGO). Der Mangel der Vollmacht war vom Senat von Amts wegen zu berücksichtigen, obwohl das FA diesen nicht gerügt hat und der Prozessvertreter eine Gesellschaft i.S.v. § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO ist. Über den Wortlaut des § 62 Abs. 6 Satz 4 FGO hinaus ist ein Mangel der Vollmacht auch in diesem Fall von Amts wegen zu prüfen, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte ein begründeter Zweifel an der wirksamen Bevollmächtigung ersichtlich ist (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 11.11.2009 I B 153/09, BFH/NV 2010, 904; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 62 FGO Rz 53 f.). Im Streitfall bestanden solche Zweifel aufgrund der Auflösung („dissolution”) der Klägerin. Auf einen entsprechenden Hinweis hin hat der Prozessvertreter die wirksame Erteilung der von ihm vorgelegten Vollmachten nicht nachgewiesen.

    a) Die vom Prozessvertreter vorgelegte Vollmacht vom 19.10.2010 ist nicht wirksam durch die Klägerin erteilt worden. Aufgrund der Auflösung („dissolution”) der Klägerin zum 11.8.2009 war X, der die Vollmacht im Namen der Klägerin erteilt hat, zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr für diese vertretungsberechtigt.

    aa) Dass die Klägerin mit Wirkung zum 11.8.2009 aufgelöst („dissolved”) ist, geht aus den in den Steuerakten befindlichen Unterlagen des englischen Companies House hervor. Eine – für jedermann mögliche – Internetabfrage beim Companies House (unter www.companieshouse.co.uk) hat dies bestätigt. Auch die Beteiligten haben auf den Hinweis des Berichterstatters nichts Gegenteiliges vorgetragen.

    bb) Die Folgen dieser Auflösung („dissolution”) der Klägerin sind in erster Linie nach dem englischen Gesellschaftsrecht zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des EuGH zur Freizügigkeit von Gesellschaften richtet sich die Behandlung einer englischen Limited für Zwecke des deutschen Rechts auch dann im Grundsatz nach dem Recht des Gründungsstaats und damit nach den einschlägigen Regelungen des englischen Gesellschaftsrechts, wenn diese – was im Streitfall naheliegt, allerdings zwischen den Beteiligten jedenfalls anfänglich streitig war – ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt hat bzw. ausschließlich in Deutschland wirtschaftlich tätig ist bzw. war (vgl. EuGH-Urteile vom 9.3.1999 Rs. C-212/97, GmbHR 1999, 474 „Centros”; vom 5.11.2002 Rs. C-208/00, GmbHR 2002, 1137 „Überseering”; vom 30.9.2003 Rs. C-167/01, GmbHR 2003, 1260 „Inspire Art”; zur Maßgeblichkeit des Personalstatuts des Gründungsstaats in der Folge etwa BGH-Urteile vom 13.3.2003 VII ZR 370/98, NJW 2003, 1461, unter III.3.b; vom 14.3.2005 II ZR 5/03, NJW 2005, 1648, unter II.2.a).

    Die einschlägigen Regelungen des englischen Gesellschaftsrechts sind hier dem Companies Act 2006 oder dem – möglicherweise vorliegend noch anwendbaren (vgl. Cranshaw, jurisPR-HaGesR 1/2011 Anm. 4, unter C.2.) – Companies Act 1985 zu entnehmen. Aus den dort enthaltenen Bestimmungen ergibt sich Folgendes: Ist eine englische Limited aufgelöst („dissolved”), hat dies unmittelbar zur Folge, dass ihr gesamtes Vermögen als sog. „bona vacantia” (herrenloses Gut) gilt und der englischen Krone (entspricht im Grundsatz dem deutschen „Fiskus”) anfällt (siehe sec. 1012 Companies Act 2006 bzw. sec. 654 Companies Act 1985). Die Krone kann dieses ablehnen („dis-claim”), woraufhin im Grundsatz alle Rechte und Verpflichtungen des „bona vacantia” erlöschen (siehe im Einzelnen sec. 1013 – 1022 Companies Act 2006 bzw. sec. 656, 657 Companies Act 1985 i.V.m. sec. 178 (4) Insolvency Act 1986). Die Auflösung („dissolution”) einer Limited kann im Anschluss an ihre Abwicklung („winding-up”) eintreten (siehe sec. 201 – 205 Insolvency Act 1986) oder dadurch, dass sie – entweder auf eigenen Antrag oder von Amts wegen – im Register des Companies House gelöscht wird („striking off the register”) und dies in der „gazette” veröffentlicht wird (siehe sec. 1000 – 1011 Companies Act 2006 bzw. sec. 652 – 652F Companies Act 1985). Eine Löschung von Amts wegen ist insbesondere möglich, wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass die Gesellschaft nicht mehr aktiv tätig ist (siehe sec. 1000 Companies Act 2006 bzw. sec. 652 Companies Act 1985), wobei dies vor allem in Betracht kommt, wenn einzureichende Unterlagen nicht eingereicht werden (etwa die jährlich einzureichenden annual accounts bzw. Jahresabschlüsse, vgl. etwa Cranshaw, jurisPR-HaGesR 1/2011 Anm. 4, unter C.2.; M. Krömker/Otte, BB 2008, 964; Mock, BB 2008, 262 f.). Allerdings kann die Auflösung einer Limited unter bestimmten Voraussetzungen – u.a. auf den entsprechenden Antrag eines noch Ansprüche gegen die Gesellschaft erhebenden Gläubigers hin – wieder rückgängig gemacht werden („restoration to the register”, siehe sec. 1024 – 1034 Companies Act 2006 bzw. sec. 653 Companies Act 1985).

    Angesichts der vorgenannten Regelungen geht der Senat davon aus, dass die Auflösung („dissolution”) einer englischen Limited nach dem englischen Gesellschaftsrecht unmittelbar zur Beendigung der Gesellschaft führt, diese also nach dieser Rechtsordnung rechtlich nicht mehr existent ist (ebenso das Thüringische OLG, Beschluss vom 22.8.2007 6 W 244/07, GmbHR 2007, 1109, unter II.1.b; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.5.2010 I-24 U 160/09, 24 U 160/09, ZIP 2010, 1852, unter I.1.a; OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.8.2007 13 U 1097/07, GmbHR 2008, 41, unter 1.a; KG Berlin, Beschlüsse vom 15.10.2009 8 U 34/09, GmbHR 2010, 316 sowie vom 12.3.2010 14 AktG 1/09, AG 2010, 497). Hieran ändert auch nichts, dass der „Vermögensanfall” bei der englischen Krone sich nicht auf im Ausland belegenes Vermögen erstreckt (so ausdrücklich das Thüringer OLG, Beschluss in GmbHR 2007, 1109, unter II.1.b; vgl. hierzu zudem Cranshaw, jurisPR-HaGesR 1/2011 Anm. 4, unter C.4., sowie Möhlenbrock in Festschrift für Schaumburg, 2009, S. 913, 926 f.). Die Gesellschaft als solche ist nach englischem Recht nämlich gleichwohl insgesamt erloschen.

    cc) Zugleich geht der Senat davon aus, dass die Klägerin ungeachtet ihrer Beendigung nach englischem Recht in Deutschland jedenfalls für Zwecke des Besteuerungs- bzw. finanzgerichtlichen Verfahrens als fortbestehend (und damit auch beteiligtenfähig) anzusehen ist. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH zu im Handelsregister gelöschten und damit beendeten Kapitalgesellschaften nach deutschem Recht, diese solange als fortbestehend anzusehen, wie sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen haben und gegen sie gerichtete Bescheide angreifen (vgl. etwa BFH-Urteil vom 26.3.1980 I R 111/79, BStBl II 1980, 587, unter 2.a; BFH-Beschlüsse vom 23.1.1985 I B 36/83, BFH/NV 1986, 41, unter 1.; vom 16.5.1989 V B 5/89, BFH/NV 1990, 796, unter 1.). Der BFH hat bereits entschieden, dass keine Veranlassung besteht, diese Frage für ausländische Kapitalgesellschaften anders zu beurteilen (vgl. auch BFH-Beschluss vom 28.1.2004 I B 210/03, BFH/NV 2004, 670 zu einer Kapitalgesellschaft griechischen Rechts). Im Streitfall gilt die Klägerin damit bereits aufgrund der im vorliegenden Verfahren streitigen steuerrechtlichen Pflichten als fortbestehend.

    dd) Ungeklärt ist allerdings, ob eine aufgelöste, aber auf die vorgenannte Weise in Deutschland als fortbestehend geltende englische Limited weiterhin durch ihre bisherigen Organe (dem bzw. den „directors”) vertreten werden kann.

    Finanzgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist – soweit ersichtlich – bislang nicht ergangen. Es liegen allerdings bereits einige Entscheidungen aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung vor. Zwar wird dort offenbar – insoweit enger als für Zwecke des Steuerrechts – angenommen, dass eine aufgelöste englische Limited nach deutschem Recht nur dann noch als sog. „Restgesellschaft” fortbesteht, soweit sie in Deutschland noch Vermögen besitzt, das sonst keinem Rechtsträger zugeordnet werden kann (vgl. Thüringisches OLG, Beschluss in GmbHR 2007, 1109, unter II.1.b; OLG Düsseldorf, Beschluss in ZIP 2010, 1852, unter I.1.a; OLG Nürnberg, Beschluss in GmbHR 2008, 41, unter 1.d; KG Berlin, Beschlüsse vom 15.10.2009 8 U 34/09, GmbHR 2010, 316 sowie vom 12.3.2010 14 AktG 1/09, AG 2010, 497; weitergehend allerdings wohl im arbeitsgerichtlichen Verfahren, Sächsisches LAG, Urteil vom 15.1.2010 3 Sa 716/08, juris, unter II.B.2., für Zwecke einer Kündigungsschutzklage, Revision anhängig unter Az. 6 AZR 178/10). Gilt eine aufgelöste englische Limited unter der vorgenannten Voraussetzung auch für zivilrechtliche Zwecke als fortbestehend, stellt sich jedoch hier ebenfalls die Frage nach der Vertretungsberechtigung. Diesbezüglich wird zum Teil angenommen, dass – jedenfalls für den Fall einer Auflösung aufgrund von Versäumnissen der bisherigen gesetzlichen Vertreter (die insbesondere in der fehlenden Einreichung von Gewinnermittlungen beim Companies House denkbar seien) – analog § 66 Abs. 5 GmbHG, § 273 Abs. 4 AktG ein Nachtragsliquidator zu bestellen sei (so der Beschluss des Thüringischen OLG in GmbHR 2007, 1109 sowie des KG Berlin vom 12.3.2010 14 AktG 1/09, AG 2010, 497; ebenso etwa auch Möhlenbrock in FS für Schaumburg, 2009, 913, 927 und 936), oder nach § 1913 BGB ein Pfleger bestellt werden könne (so der Beschluss des OLG Nürnberg in GmbHR 2008, 41). Zum Teil wird jedoch offenbar auch von einer fortbestehenden Vertretung durch den bzw. die bisherigen Vertretungsorgane ausgegangen (so wohl – allerdings ohne hierauf ausdrücklich einzugehen – OLG Düsseldorf, Beschluss in ZIP 2010, 1852).

    Vermutlich in Anlehnung an die o.g. Entscheidung des Thüringischen OLG wird in der Finanzverwaltung für steuerrechtliche Zwecke vertreten, dass eine aufgelöste englische Limited grundsätzlich weiterhin durch ihre bisherigen Organe vertreten wird, im Falle einer Auflösung aufgrund von Versäumnissen durch diese jedoch ein Nachtragsliquidator zu bestellen sei (so OFD Hannover, Vfg. vom 3.7.2009, DStR 2009, 1585).

    ee) Nach Auffassung des Senats ist eine aufgelöste englische Limited nicht mehr durch ihre bisherigen vertretungsberechtigten Organe (dem bzw. den „directors”) handlungsfähig. Der Senat hält es hierbei entgegen der in der oben angeführten Vfg. der OFD Hannover vertretenen Ansicht nicht für überzeugend, die vorgenannte Rechtsfolge auf den Fall zu beschränken, dass die Auflösung auf Versäumnissen der bisherigen Organe beruht. Mit der Beendigung der Gesellschaft nach englischem Recht entfällt zugleich die Vertretungsbefugnis der bisherigen Organe. Es ist daher keine vertretungsberechtigte Person mehr vorhanden. Da die bisherige Vertretungsberechtigung auf dem englischen Gesellschaftsrecht beruhte, erscheint es auch nicht sachgerecht, diese für die hier vorliegende Situation, dass die Gesellschaft gleichwohl in Deutschland für steuerrechtliche Zwecke als fortbestehend gilt, (fiktiv) weiterhin anzuwenden. Diese Beurteilung entspricht zudem der Rechtslage, die für nach deutschem Recht gegründete Kapitalgesellschaften für den Fall einer Löschung im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gilt (vgl. etwa BFH-Urteil in BStBl II 1980, 587, unter 2.b; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1986, 41, unter 1.; in BFH/NV 1990, 796, unter 1.; anders für den Fall der Löschung einer GmbH wegen eines Satzungsmangels allerdings BFH-Beschluss vom 11.4.2001 I B 130/00, BFH/NV 2001, 1284, unter II.2.: fortbestehende Vertretung durch die früheren Geschäftsführer als Liquidatoren).

    Nach englischem Gesellschaftsrecht kann eine aufgelöste Limited offenbar nur durch eine Rückgängigmachung der Registerlöschung („restoration to the register”) wieder handlungsfähig werden. Der Senat hält es allerdings für naheliegend, dass für eine aufgelöste, aber für steuerrechtliche Zwecke in Deutschland als fortbestehend geltende englische Limited jedenfalls dann die für beendete Kapitalgesellschaften nach deutschem Recht bestehenden Grundsätze bzw. Verfahren entsprechend herangezogen werden können, wenn die Limited ihren Verwaltungssitz in Deutschland hatte bzw. ausschließlich in Deutschland wirtschaftlich tätig war. Für beendete Kapitalgesellschaften nach deutschem Recht kann analog § 66 Abs. 5 Satz 2 GmbHG, § 273 Abs. 4 AktG vom Registergericht ein Nachtragsliquidator bestellt werden und für die als fortbestehend geltende Gesellschaft handeln (vgl. etwa BFH-Urteil in BStBl II 1980, 587, unter 2.c, mit Ausführungen zur Zulässigkeit der Bestellung eines Nachtragsliquidators auch ohne Vorliegen von Vermögen für Zwecke anderweitiger Abwicklungsmaßnahmen). Im Ergebnis kann dies jedoch im Streitfall offen bleiben, da vorliegend weder X noch eine sonstige Person als Nachtragsliquidator bestellt worden ist. Gleiches gilt für die in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Beschluss des OLG Nürnberg in GmbHR 2008, 41) des Weiteren aufgebrachte Möglichkeit zur Bestellung eines Pflegers nach § 1913 BGB. Eine solche ist vorliegend ebenfalls unterblieben.

    ff) Ausgehend hiervon ist die von X im Namen der Klägerin ausgestellte Vollmacht vom 19.10.1010 nicht wirksam, da X zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr für die Klägerin vertretungsberechtigt war. Darauf, auf welchem Grund die Auflösung („dissolution”) der Klägerin beruhte (insb., ob tatsächlich die fehlende Einreichung der weiteren Jahresabschlüsse zu einer Löschung im Register geführt hat), kommt es hierbei nicht an.

    b) Die vom Prozessvertreter außerdem vorgelegte, bereits unter dem Datum vom 21.7.2009 und damit vor der Auflösung der Klägerin erteilte Vollmacht ist ebenfalls nicht zum Nachweis einer wirksamen Bevollmächtigung durch die Klägerin geeignet.

    Zwar ist auch eine aufgelöste Limited weiterhin handlungs- und prozessfähig, wenn sie vor der Auflösung bereits einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat, dessen Vollmacht nach § 86 ZPO i.V.m. § 155 FGO fortbesteht (so auch Sächsisches LAG, Urteil vom 15.1.2010 3 Sa 716/08, juris, unter I.3., Revision anhängig unter Az. 6 AZR 178/10; vgl. für beendete Kapitalgesellschaften nach deutschem Recht etwa BFH-Urteil vom 27.4.2000 I R 65/98, BStbl II 2000, 500, unter III.3. und 4.; BFH-Beschluss vom 16.4.2007 I B 115/06, BFH/NV 2007, 1674, unter II.). Im Streitfall genügt die vor der Auflösung der Klägerin erteilte Vollmacht vom 21.7.2009 jedoch nicht den Anforderungen an eine Prozessvollmacht für das vorliegende Verfahren. Abgesehen davon, dass sie lediglich in Kopie eingereicht wurde (vgl. zur Notwendigkeit der Vorlage eines Originals etwa Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 62 FGO Rz 57 m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH), wird in ihr weder die Klägerin noch das vorliegende Verfahren bezeichnet. Vielmehr wird ausschließlich X mit dem allgemeinen Mandat „steuerliche Vertretung” benannt. Eine Bevollmächtigung auch für die zu diesem Zeitpunkt noch von X vertretene Klägerin ist hieraus nicht ersichtlich (vgl. zu den Anforderungen an die Bezeichnung des Vollmachtgebers etwa BFH-Urteil vom 27.11.2002 X R 37/01, BFH/NV 2003, 341, unter II.1.; BFH-Beschluss vom 22.10.1986 IX R 178/85, BFH/NV 1987, 183, beide zur Erteilung der Vollmacht nur durch einen Ehepartner; allg. auch Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 62 FGO Rz 56 m.w.N.).

    2. Nach Auffassung des Senats kommt im Streitfall auch nicht die Bestellung eines Prozesspflegers durch die Vorsitzende in entsprechender Anwendung des § 57 ZPO i.V.m. § 155 FGO in Betracht. Zwar wurde die vorgenannte Regelung in der Rechtsprechung über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich – der den im Steuerrecht seltenen Fall betrifft, dass ein nicht prozessfähiger Beteiligter verklagt wird – hinaus erweitert. Für beendete Kapitalgesellschaften nach deutschem Recht hat der BFH eine entsprechende Anwendung der Regelung im finanzgerichtlichen Verfahren jedoch auf solche Fälle beschränkt, in denen ein solcher Beteiligter beigeladen werden muss (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1980, 587, unter 2.d; BFH-Beschluss vom 15.4.1992 IX B 164/91, BFH/NV 1993, 369). Für den Fall, dass ein nicht prozessfähiger Beteiligter selbst klagen will, hat er sie dagegen abgelehnt (vgl. BFH-Beschluss vom 12.7.1999 IX S 8/99, BFH/NV 1999, 1631, unter 1.; BFH, Entscheidung des Vorsitzenden vom 2.12.1986 VIII R 148/85, BFH/NV 1987, 379). Nach Wortlaut und Zweck erschöpfe sich die Vorschrift des § 57 ZPO darin, dem Kläger einen prozessfähigen Gegner gegenüberzustellen, damit er seinen Anspruch geltend machen kann. Hiermit sei allein die Situation einer notwendigen Beiladung vergleichbar, da das Verfahren ohne eine solche nicht fortgeführt werden könne (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1631, unter 1.; BFH, Entscheidung des Vorsitzenden in BFH/NV 1987, 379). Dem folgt der Senat auch für die vorliegende Konstellation einer aufgelösten Limited. Da die Klägerin selbst die Klage erhoben hat, schied damit die Bestellung eines Prozesspflegers aus.

    3. Die Kosten des Verfahrens werden dem als gesetzlicher Vertreter der Klägerin auftretenden X auferlegt.

    Ergeht gegen einen nicht wirksam vertretenen Beteiligten eine abweisende bzw. ablehnende Endentscheidung, sind die Kosten des Verfahrens demjenigen Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen, der das Verfahren bzw. das Auftreten des vollmachtlosen Vertreters veranlasst hat (vgl. etwa Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 135 FGO Rz 5; Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 88 ZPO Rz 11 m.w.N. aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung). Insbesondere können in einem solchen Fall die Kosten auch dem vollmachtlosen Prozessvertreter auferlegt werden, wenn er den Rechtsstreit veranlasst hat (vgl. etwa BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1601, unter II.5.). Allerdings gilt dieser dann nicht als Veranlasser, wenn er gutgläubig im Besitz einer tatsächlich erteilten Vollmacht ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1601, unter II.5., unter Hinweis auf BGH-Beschluss vom 4.3.1993 V ZB 5/93, NJW 1993, 1865 zu einem geschäftsunfähigen Kläger; siehe auch OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22.5.1996 24 W 18/96, NJW-RR 1996, 1213 zu einer tatsächlich nicht existenten ausländischen Gesellschaft). Für den Fall, dass eine vom bisherigen Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft nach deutschem Recht erteilte Prozessvollmacht aufgrund deren Löschung im Handelsregister und der damit eingetretenen Beendigung der Gesellschaft unwirksam ist, nimmt die Rechtsprechung hiervon ausgehend an, dass die Kosten regelmäßig dem Prozessvertreter aufzuerlegen sind. Dieser sei nicht als gutgläubig anzusehen, da die Löschung aus dem Handelsregister ersichtlich und daher die Anwendung des Rechtsgedankens des § 15 Abs. 2 Satz 1 HGB gerechtfertigt sei. Jedenfalls rechtskundige Vertreter müssten zudem die (prozess-)rechtlichen Folgen einer solchen Löschung kennen (vgl. etwa BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1601, unter II.5.).

    Die Kosten des Verfahrens können jedoch auch einem als Veranlasser anzusehenden Dritten auferlegt werden, etwa einem für den Beteiligten auftretenden vollmachtlosen Vertreter, der den gutgläubigen Prozessvertreter beauftragt hat (vgl. insb. OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.10.1996 24 W 38/96, OLGR Frankfurt 1997, 291: die für eine nicht existierende ausländische Gesellschaft auftretende und den Prozessvertreter beauftragende Person; siehe auch ohne Einschaltung eines Prozessvertreters etwa BFH-Beschlüsse vom 18.1.1988 I B 154/87, BFH/NV 1988, 514: bisheriger Geschäftsführer einer gelöschten GmbH; vom 31.7.1991 I B 32/91, BFH/NV 1992, 397: in seiner Vertretungsmacht beschränkter Nachtragsliquidator; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 1.2.1996 2 WF 155/95, 2 WF 158/95, FamRZ 1996, 1335: Klageerhebung des nicht sorgeberechtigten Vaters im Namen des minderjährigen Kindes). Der Dritte ist in diesem Fall allerdings als weiterer Verfahrensbeteiligter ins Rubrum der Entscheidung aufzunehmen (so offenbar auch die Handhabung der Vorinstanz zu OLG Karlsruhe in FamRZ 1996, 1335; hierzu auch Vollkommer/Schwaiger, FamRZ 1996, 1336 f. m.w.N. zur zivilprozessualen Beurteilung).

    Nach Auffassung des Senats erscheint es zwar im Grundsatz gerechtfertigt, die Rechtsprechung zu gelöschten Kapitalgesellschaften nach deutschem Recht auch auf die vorliegende Konstellation einer aufgelösten englischen Limited zu übertragen. Der Umstand der Auflösung ist für solche Gesellschaften sogar noch weitergehend für jedermann im Internet (unter www.companieshouse.gov.uk) abrufbar. Im Streitfall besteht jedoch die Besonderheit, dass die (prozess-)rechtlichen Folgen der Auflösung für das finanzgerichtliche Verfahren gerade noch ungeklärt sind. Der Prozessvertreter war daher im vorliegenden Verfahren als gutgläubig anzusehen. Die mangels Vorhandenseins eines gesetzlichen Vertreters nicht mehr handlungsfähige Klägerin hat das Verfahren jedoch ebenfalls nicht veranlasst. Stattdessen waren die Kosten dem X als für die Klägerin auftretenden, jedoch nicht mehr vertretungsberechtigten gesetzlichen Vertreter aufzuerlegen. Dieser hat die unwirksame Vollmacht erteilt und damit das vorliegende Verfahren veranlasst. Er war demgemäß als weiterer Verfahrensbeteiligter ins Rubrum des vorliegenden Gerichtsbescheides aufzunehmen.

    4. Dem Senat erscheint es zweckmäßig, nach § 90a Abs. 1 FGO durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Angesichts dessen, dass der Senat im vorhergehenden AdV-Verfahren eine inhaltsgleiche Entscheidung getroffen hat und die Beteiligten hierzu keine weiteren Stellungnahmen mehr abgegeben haben, sind von einer mündlichen Verhandlung keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten.

    5. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 90a Abs. 2 Satz 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Es ist klärungsbedürftig, ob und durch wen eine aufgelöste englische Limited für Zwecke eines deutschen finanzgerichtlichen Verfahrens handlungsfähig ist bzw. wer für sie eine wirksame Prozessvollmacht erteilen kann.

    VorschriftenGmbHG § 66 Abs 5, AktG § 273 Abs 4, FGO § 62