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  • · Fachbeitrag · Abkommenspolitik

    Erweiterung des Betriebsstättenbegriffs am Beispiel des jüngst geschlossenen DBA Australien

    von RA Christian Gaßmann, Düsseldorf und StB Timo Welling, LL.M., Hamburg

    | Deutschland ist stetig bestrebt, eine potenzielle Doppelbesteuerung durch die Neufassung verschiedener bereits bestehender DBA zu verhindern. Australien und Deutschland haben ein neues Abkommen geschlossen, welches am 7.12.16 in Kraft getreten ist (s. auch Gaßmann/Welling, PIStB 17, 77 ). Dabei wurde unter anderem auch der bisherige Begriff der Betriebsstätte geändert bzw. erweitert. Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit den Änderungen/Erweiterungen des Betriebsstättenbegriffs dieses DBA. |

    1. Einleitung

    Eine Steuerpflicht kann durch unterschiedliche Tätigkeiten ausgelöst werden. Eine davon ist die Begründung einer Betriebsstätte. Unterhält ein ausländisches Unternehmen in Deutschland eine Betriebsstätte, ist das Unternehmen beschränkt steuerpflichtig gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG. Sofern ein deutsches Unternehmen im Ausland eine Betriebsstätte unterhält, liegen ausländische Einkünfte i. S. v. § 34d Nr. 2 Buchst. a) EStG vor. Der Begriff der Betriebsstätte wird im nationalen Recht in der Abgabenordnung geregelt (vgl. § 12 AO). Im Abkommensrecht definiert Art. 5 OECD-MA, wann eine Betriebsstätte vorliegt.

     

    Um gegen den schädlichen Steuerwettbewerb der Staaten und aggressive Steuerplanungen international tätiger Konzerne vorzugehen, wurden von der OECD/G20 im Rahmen des BEPS-Projekts (Base Erosion and Profit Shifting) 15 Aktionspunkte vorgelegt, durch die die Gewinnverlagerung und -verkürzung begrenzt bzw. verhindert werden soll. Die OECD hat in ihrem Abschlussbericht zu Aktionspunkt 7 ihre Auffassung zur Verhinderung der künstlichen Umgehung des Status Betriebsstätte vorgelegt. Dabei hat die OECD insbesondere drei Konstellationen in den Fokus gestellt:

     

    • Kommissionsgeschäfte ersetzen Vertriebsunternehmen bzw. Eigenhändler.

     

    • Der Vertragsabschluss erfolgt zwar durch das ausländische Unternehmen, der Vertrag wurde allerdings von einem Vertreter ausgehandelt.

     

    • Ein verbundenes Unternehmen handelt als unabhängiger Vertreter, der Vertragsabschluss erfolgt aber im Namen des ausländischen Unternehmens.

    2. Definition der Betriebsstätte nach deutschem Steuerrecht

    Der Begriff der Betriebsstätte ist in § 12 AO definiert. Demnach ist eine Betriebsstätte „jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient“ (vgl. § 12 S. 1 AO). Dabei sind vier Tatbestandsmerkmale notwendig, um eine Betriebsstätte zu bejahen:

     

    • Zunächst muss überhaupt eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage existieren.

     

    • Diese muss darüber hinaus dem Tätigkeitsbereich des Unternehmens zuzuordnen sein.

     

    • Dies kann nur dann der Fall sein, wenn das Unternehmen die Verfügungsmacht über die Anlage besitzt.

     

    • Zudem darf die Verfügungsmacht nicht nur vorübergehend bestehen, sodass eine gewisse Nachhaltigkeit notwendig ist, um eine Betriebsstätte i. S. v. § 12 S. 1 AO zu bejahen.

     

    Bei der Frage, ob eine Betriebsstätte vorliegt, kommt es nach der Rechtsprechung des BFH oftmals auf Details im Einzelfall an (vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl., 303 f.).

     

    § 12 S. 2 AO enthält einen Positivkatalog von Geschäftseinrichtungen, die kraft Gesetzes als Betriebsstätte angesehen werden und die Voraussetzungen des § 12 S. 1 AO nicht erfüllen müssen. Die Aufzählung ist nicht als abschließend anzusehen (vgl. Frotscher in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 12 AO, Rn. 3).

     

    Zudem ist aufgrund von Art. 5 Abs. 5 OECD-MA auch der Begriff des ständigen Vertreters nach § 13 AO zu betrachten. Auch hierbei ist auf das Kriterium der Nachhaltigkeit abzustellen. § 13 S. 2 AO beinhaltet Beispiele, wann von einem ständigen Vertreter auszugehen ist (vgl. Buciek in: Beermann/Gosch, AO/FGO, § 13 AO, Rn. 10 ff.).

    3. Definition der Betriebsstätte nach dem DBA Australien

    Im OECD-MA wird der Betriebsstättenbegriff in Art. 5 OECD-MA geregelt. Die deutsche DBA-Verhandlungsgrundlage folgt dieser Einteilung. Durch die Neufassung des Art. 5 DBA Australien n. F. soll die künstliche Verhinderung einer Betriebsstätte vermieden werden, sodass der Staat, in dem die Betriebsstätte liegt, das ihm zustehende Steuersubstrat besteuern kann. Dafür wurden insbesondere die Absätze 3 bis 6 geändert.

     

    Beachten Sie | Wie bereits im Beitrag zum DBA Australien n. F. (vgl. Gaßmann/Welling, PIStB 17, 77) angekündigt, wird nachfolgend näher auf den Betriebsstättenbegriff des DBA Australien n. F. eingegangen, da das DBA Australien n. F. bereits Elemente der BEPS-Diskussion enthält.

     

    3.1 Art. 5 Abs. 3 DBA-Australien

    Nach Art. 5 Abs. 3 DBA-Australien n. F. wird eine Montagebetriebsstätte begründet, wenn sie für eine Dauer von mindestens neun Monaten besteht. Grundsätzlich wurde Art. 5 Abs. 3 Australien n. F. nur geringfügig modifiziert. Das frühere DBA nahm eine solche Betriebsstätte bereits bei einer Dauer von sechs Monaten an. Das OECD-MA hingegen sieht die Begründung einer Montagebetriebsstätte erst ab einer Mindestdauer von zwölf Monaten vor.

     

    Die bewusste Umgehung der Neun-Monatsgrenze soll durch einen sog. Principal-Purpose-Test verhindert werden. Dauert ein Projekt länger als neun Monate und wird dieses Projekt auf mehrere Konzerngesellschaften aufgeteilt, sodass die einzelnen Projektphasen nicht länger als neun Monate dauern, konnte die Begründung einer Montagebetriebsstätte nach der bisherigen Rechtslage umgangen werden. Dies ändert sich durch den neu eingeführten Principal-Purpose-Test. Die Dauer der jeweiligen Projektphasen wird nun vielmehr addiert, sodass die Dauer von neun Monaten überschritten wird und eine Betriebsstätte anzunehmen ist. Der Principal-Purpose-Test wird ergänzend zum Limitation-on-Benefits-Test eingeführt.

     

    Sofern Staaten keinen Principal-Purpose-Test in ihre DBAs aufnehmen oder anderweitig das Unterschreiten der jeweiligen Monatsgrenze behandeln wollen, gibt es noch eine weitere Möglichkeit, Gestaltungen zur Umgehung der Monatsgrenze zu verhindern. Führt ein Unternehmen Aktivitäten beispielsweise an einem Bauvorhaben oder Projekt an einem bestimmten Ort für weniger als zwölf Monate durch und werden die Arbeiten von einem oder mehreren verbundenen Unternehmen an dem Bauvorhaben oder Projekt an demselben Ort durchgeführt, werden die Zeiten der tätigen verbundenen Unternehmen addiert (vgl. Entwurf Rn. 18.1 OECD-MK zu Art. 5 OECD-MA).

     

    3.2 Art. 5 Abs. 4 DBA-Australien

    Gemäß Art. 5 Abs. 4 DBA-Australien n. F. liegt eine Betriebsstätte ebenfalls vor, wenn ein Unternehmen eines Vertragsstaats

     

    • im anderen Staat länger als neun Monate Aufsichts- oder Beratungstätigkeiten in Verbindung mit einer dort durchgeführten Bauausführung oder Montage ausübt,

     

    • im anderen Staat innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten insgesamt länger als 90 Tage Tätigkeiten (einschließlich des Einsatzes wesentlicher Ausrüstung) zur Erforschung oder Ausbeutung dort gelegener natürlicher Ressourcen ausübt oder

     

    • im anderen Staat innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten insgesamt länger als 183 Tage wesentliche Ausrüstung einsetzt.

     

    Was als wesentliche Ausrüstung gilt, ist im Einzelfall zu bestimmen. Maßstab können Art, Größe und Menge der Ausrüstung sein.

     

    3.3 Art. 5 Abs. 5 DBA-Australien

    Art. 5 Abs. 5 DBA-Australien n. F. soll eine Umgehung der zeitlichen Grenzen der Absätze 3 und 4 verhindern, indem Tätigkeiten auf verschiedene miteinander verbundene Unternehmen verteilt werden. Übt ein in einem Vertragsstaat ansässiges Unternehmen im anderen Staat eine Tätigkeit i. S. der Absätze 3 und 4 aus, werden die mit dieser Tätigkeit zusammenhängenden Tätigkeiten von eng miteinander verbundenen Unternehmen zusammengerechnet, sofern die Tätigkeit jeweils 30 Tage überschreitet. Übersteigt der addierte Zeitraum die jeweilige Monatsgrenze, begründet das Unternehmen eine Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat (sog. Automatic-Rule). Ob und inwieweit ein Zusammenhang der Tätigkeiten gegeben ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dies kann bspw. der Fall sein, wenn die Verträge über die verschiedenen Tätigkeiten mit der gleichen Person oder einer verbundenen Person abgeschlossen worden sind. Dadurch soll die Umgehung einer Begründung einer Betriebsstätte durch Aufspaltung der Tätigkeiten auf mehrere miteinander verbundene Unternehmen verhindert werden.

     

    • Beispiel 1

    Die A-GmbH ist in Deutschland ansässig. Sie hält eine 100 %-Beteiligung an der ebenfalls in Deutschland ansässigen B-GmbH. Beide Unternehmen führen jeweils Montagetätigkeiten durch. Die australische XY-Ltd. möchte eine Anlage bauen und schreibt dieses Projekt aus. Die geplante Projektdauer beträgt 16 Monate. Die A-GmbH und die B-GmbH geben gemeinsam ein Angebot ab und bekommen den Auftrag. Das Angebot sieht eine gesamtschuldnerische Haftung vor. Die jeweilige Projektdauer beträgt acht Monate.

     

    Nach Art. 5 Abs. 5 DBA-Australien n. F. begründen sowohl die A-GmbH als auch die B-GmbH eine Betriebsstätte in Australien. Von einer Betriebsstättenbegründung kann unter Umständen jedoch abgesehen werden, wenn besondere wirtschaftliche Gründe vorliegen. Wann solche Gründe vorliegen ist im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden.

     

    • Beispiel 2

    Die A-GmbH hält eine 100 %-Beteiligung an der australischen A-Ltd. Die A-Ltd. übernimmt die Montage (Dauer 13 Monate). Die A-GmbH übernimmt die Tiefbauarbeiten, da sie auf diesem Gebiet über besonders viel Erfahrung verfügt (Dauer drei Monate). Die Tätigkeiten der A-GmbH und der A-Ltd. werden an einem Projekt und zudem auf einer Baustelle durchgeführt. Die Arbeiten der A-Ltd. dauern länger als 30 Tage.

     

    Die Arbeiten der A-Ltd. sind aufgrund Art. 5 Abs. 5 DBA-Australien n. F. der A-GmbH zuzurechnen. Folglich begründet die A-GmbH eine Betriebsstätte in Australien, obwohl ihre eigenen Tätigkeiten die Grenze von neun Monaten nicht überschreiten.

     

    3.4 Art. 5 Abs. 6 DBA-Australien

    In dem bisherigen DBA und dem alten Musterabkommen bestanden diverse Ausnahmen für das Vorliegen einer Betriebsstätte. Danach lag eine Betriebsstätte nicht vor, wenn

     

    • ein Auslieferungslager oder ein Büro für den Wareneinkauf bestand (vgl. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a) und d) OECD-MA 2014; Art. 5 Abs. 3 Buchst. a) und d) DBA Australien a. F.);

     

    • eine feste Geschäftseinrichtung bestand, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wurde, für das Unternehmen andere Tätigkeiten auszuüben (vgl. Art. 5 Abs. 4 Buchst. e) OECD-MA 2014)

     

    • oder feste Geschäftseinrichtungen bestanden, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wurden, Tätigkeiten auszuüben, die für das Unternehmen vorbereitender Art sind oder eine Hilfstätigkeit darstellen wie zum Beispiel Werbung oder wissenschaftliche Forschung (vgl. Art. 5 Abs. 3 Buchst. e) DBA Australien a. F.; Art. 5 Abs. 4 Buchst. f) OECD-MA 2014).

     

    Nunmehr führen nach Art. 5 Abs. 6 DBA-Australien n. F. die dort aufgeführten Aktivitäten (Lagerung, Wareneinkauf) ungeachtet der Absätze 1 bis 5 nur dann nicht zu einer Betriebsstätte, sofern zusammengenommen die Aktivitäten als Hilfs- oder Vorbereitungsmaßnahmen zu qualifizieren sind.

     

    MERKE | Ausweislich des OECD-Musterkommentars soll eine vorbereitende Tätigkeit vorliegen, wenn diese der Haupttätigkeit vorangeht. Eine Hilfstätigkeit zeichnet sich gemäß des OECD-Musterkommentars dadurch aus, dass sie die Haupttätigkeit des Unternehmens lediglich unterstützt (vgl. Rn. 21.2 OECD-MK zu Art. 5 OECD-MA).

     

    Damit folgt Art. 5 Abs. 6 DBA-Australien n. F. der im „BEPS-Aktionspunkt 7“ dargelegten Auffassung, wonach Voraussetzung für alle Ausnahmen der Begründung einer Betriebsstätte nur Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten sein sollen.

     

    • Beispiel 3

    Die B-GmbH, ein Onlinehändler, ist in Deutschland ansässig. Sie unterhält in Australien ein Auslieferungslager, um die Waren, die die australischen Kunden über den Onlineshop der B-GmbH erwerben, schnell ausliefern zu können. Da der Handel die Haupttätigkeit der B-GmbH ist, scheidet die Ausnahmeregelung des Art. 5 Abs. 6 DBA-Australien n. F. zur Betriebsstättenbegründung aus, da keine Hilfs- oder vorbereitende Tätigkeit vorliegt.

     
    • Beispiel 4

    Die C-GmbH ist in Deutschland ansässig. Dort stellt sie Produkte aus australischem Lammfell her. Da die Lämmer in Australien gezüchtet werden, unterhält die C-GmbH ein Einkaufsbüro in Australien. Da die Fertigung von Lammfellprodukten die Haupttätigkeit der C-GmbH ist, stellt der Einkauf in Australien eine Hilfstätigkeit dar, sodass die Ausnahmeregelung des Art. 5 Abs. 6 DBA-Australien n. F. zur Betriebsstättenbegründung greift.

     

    3.5 Art. 5 Abs. 7 DBA-Australien

    Die Ausnahmevorschrift des Art 5. Abs. 6 DBA-Australien n. F. gilt gemäß Art. 5 Abs. 7 DBA-Australien n. F. nicht in den Fällen, in denen miteinander eng verbundene Unternehmen die Tätigkeiten soweit fragmentieren, dass die einzelnen Tätigkeiten als Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeiten anzusehen sind (sog. Anti-Fragmentation-Rule). Mit diesem Ansatz folgt Art. 5 Abs. 7 DBA-Australien n. F. den Ausführungen des BEPS-Aktionspunkts 7 (vgl. Entwurf Rn. 30.2 OECD-MK zu Art. 5 OECD-MA).

     

    Absatz 6 ist daher nicht anzuwenden, wenn das Unternehmen oder ein eng verbundenes Unternehmen

    • in dem Vertragsstaat über eine Betriebsstätte verfügt oder
    • die in dem Vertragsstaat von beiden Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten zusammengenommen weder vorbereitender Art sind noch eine Hilfstätigkeit darstellen und die Tätigkeiten sich jeweils ergänzen und Teil eines zusammengehörenden Geschäftsbetriebs sind.

     

    3.6 Art. 5 Abs. 8 DBA-Australien

    In der Neufassung des Art. 5 Abs. 8 DBA-Australien n. F. resultiert die Umsetzung des BEPS-Projekts. Sie erweitert die Betriebsstättendefinition in Fällen (ständiger) Vertreter. „Verhandelten“ bisher ein Vertreter und ein Kunde einen Standardvertrag, und wurde dieser final von dem vertretenen Unternehmen unterzeichnet, wurde dadurch keine Betriebsstätte im anderen Staat durch das Unternehmen begründet (vgl. BEPS-Aktionspunkt 7, 15).

     

    Durch die Neuregelung führen solche Konstellationen zukünftig zu einer Begründung einer Betriebsstätte. Ist demnach eine Person für ein Unternehmen im Vertragsstaat tätig, und

     

    • schließt sie dabei gewöhnlich Verträge ab oder leistet gewöhnlich den wesentlichen Beitrag zum Abschluss von Verträgen, die routinemäßig ohne wesentliche Änderung durch das Unternehmen abgeschlossen werden, und handelt es sich dabei um Verträge

     

      • im Namen des Unternehmens oder
      • zur Übertragung des Eigentums an oder zur Gewährung des Nutzungsrechts für Vermögen, das diesem Unternehmen gehört bzw. für das es das Nutzungsrecht besitzt, oder
      • zur Erbringung von Dienstleistungen durch dieses Unternehmen oder

     

    • produziert, bearbeitet oder verarbeitet für das Unternehmen in einem Vertragsstaat Güter oder Waren des Unternehmens,

     

    wird das Unternehmen so behandelt, als habe es in diesem Staat für alle von der Person für das Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten eine Betriebsstätte.

     

    Daraus ergibt sich, dass ein Vertragsabschluss durch den Vertreter nicht Voraussetzung ist. Es reicht vielmehr aus, dass der Vertreter durch seine Tätigkeit wesentlichen Anteil am Zustandekommen der Verträge mit Kunden hat und das Unternehmen die Verträge ohne wesentliche bzw. substanzielle Änderung routinemäßig abschließt. Es ist nicht einmal ein Zustandekommen eines Vertrags notwendig.

     

    PRAXISHINWEIS |

    Es ist vielmehr notwendig, zu prüfen, ob die Tätigkeiten des Vertreters dazu dienen, den Kunden zu einem Vertragsabschluss zu bewegen (vgl. Entwurf Rn. 32.5 OECD-MK zu Art. 5 OECD-MA). Demnach soll die Übersendung von Standardverträgen inklusive Preislisten ausreichend sein (vgl. Entwurf Rn. 32.6 OECD-MK zu Art. 5 OECD-MA).

     

    Es gilt für solche Fälle zwei Ausnahmen zu beachten: Stellen die Tätigkeiten Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeiten i. S. des Art. 5 Abs. 6 DBA-Australien n. F. dar oder sind die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 9 DBA-Australien n. F. (siehe nachfolgend) erfüllt, wird dadurch keine Betriebsstätte begründet.

     

    Nach Auffassung der OECD wird eine Betriebsstätte auch bei reinen Marketing-/Werbeaktivitäten oder bei Tätigkeiten als Low-Risk-Distributor nicht begründet (vgl. Entwurf Rn. 32.12 OECD-MK zu Art. 5 OECD-MA).

     

    • Beispiel 5

    Die A-GmbH ist in Deutschland ansässig. Sie vertreibt ihre Waren über einen Onlineshop. Dazu hat die A-GmbH eine australische Tochter, die A-Ltd. Diese preist die Waren der A-GmbH auf Messen an und spricht potenzielle Kunden persönlich bzw. telefonisch an. Dabei verweist sie auf die Homepage der A-GmbH. Die Kunden können die Waren ausschließlich über diese Homepage ordern und schließen nur mit der A-GmbH einen Vertrag ab. Für vermittelte Geschäfte erhält die A-Ltd. eine Provision.

     

    Gemäß Art. 5 Abs. 8 DBA-Australien führt dies nunmehr zu einer Betriebsstätte der A-GmbH in Australien, da die A-Ltd. eine entscheidende Rolle für den Vertragsabschluss einnimmt. Sollte die A-Ltd. allerdings ausschließlich reine Werbetätigkeiten durchführen, begründet die A-GmbH weiterhin keine Betriebsstätte in Australien.

     

    PRAXISHINWEIS | Wie Beispiel 5 zeigt, wird die Begründung einer Betriebsstätte auch zukünftig einzelfallbezogen erfolgen. Potenzielle Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung über die Annahme einer Betriebsstätte werden durch die Neuregelung bzw. Erweiterung des Betriebsstättenbegriffs hingegen wohl nicht vermieden.

     

    3.7 Art. 5 Abs. 9 DBA-Australien

    Art. 5 Abs. 9 DBA-Australien n. F. definiert den unabhängigen Vertreter. Eine Person gilt als unabhängiger Vertreter, wenn sie im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in einem Vertragsstaat für ein Unternehmen des anderen Vertragsstaats tätig ist. Ist hingegen eine Person ausschließlich oder nahezu ausschließlich für ein oder mehrere Unternehmen tätig, mit dem oder denen sie eng verbunden ist, so gilt diese Person in Bezug auf dieses oder diese Unternehmen nicht als unabhängiger Vertreter. Die Definition ist deshalb wichtig, da, sofern die Person ein unabhängiger Vertreter ist, die Fiktion der Betriebsstättenbegründung des Art. 5 Abs. 8 DBA-Australien n. F. nicht greift. Anhaltspunkt für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit können bspw. die Umsatzerlöse sein oder die Weisungsbefugnis eines Unternehmens (vgl. Entwurf Rn. 38.2 OECD-MK zu Art. 5 OECD-MA).

     

    3.8 Art. 5 Abs. 10 DBA-Australien

    Das Merkmal der engen Verbundenheit mit einem Unternehmen wird in Art. 5 Abs. 10 DBA-Australien n. F. definiert. Demnach ist eine Person mit einem Unternehmen eng verbunden, wenn sie das Unternehmen beherrscht oder von dem Unternehmen beherrscht wird oder beide von denselben Personen oder Unternehmen beherrscht werden. Dabei ist auf die Gesamtumstände abzustellen. Es bedarf somit nicht zwingend der Mehrheit der Eigentumsrechte.

     

    MERKE | Eine enge Verbundenheit ist hingegen immer anzunehmen, wenn einer der beiden mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % an dem anderen oder eine andere Person jeweils an den beiden mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % besitzt. In Konzernstrukturen dürfte somit weitestgehend eine enge Verbundenheit gegeben sein.

     

    4. Fazit

    Das neu gefasste DBA-Australien folgt in einigen Punkten bereits den Ausführungen der OECD im Rahmen des BEPS-Projekts. Durch die Neufassung des Art. 5 DBA-Australien wird der Betriebsstättenbegriff deutlich erweitert. In der Praxis wird nunmehr noch genauer zu prüfen sein, ob eine Betriebsstätte begründet wird. Es bleibt festzuhalten: Je mehr Risiken eine Vertriebseinheit übernimmt, z. B. als Eigenhändler, umso höher steigt die Wahrscheinlichkeit einer Betriebsstättenbegründung. Folglich könnten Kommissionärsstrukturen oder Eigenhändler in Zukunft leichter zu Betriebsstätten führen (vgl. Demleitner, BB 16, 599, 602). Daher sollten insbesondere bereits bestehende grenzüberschreitende Strukturen genauer hinsichtlich der Betriebsstätteneigenschaft überprüft werden.

     

    Es ist davon auszugehen, dass auch die in Zukunft neu abgeschlossenen DBAs bzw. die überarbeiteten DBA zumindest einige Empfehlungen des BEPS-Projekts beinhalten werden und sich daher dem DBA Australien n. F. ähneln bzw. sich annähern. Inwiefern Empfehlungen bereits in bestehende DBAs übernommen werden, bleibt abzuwarten. Durch das multilaterale Instrument (Aktionspunkt 15) soll die Möglichkeit geschaffen werden, anstelle von Neuverhandlungen jedes einzelnen DBA alle DBAs in einem Schritt anzupassen. Das multilaterale Instrument ist ein völkerrechtlicher Vertrag, bei dem die Vertragsstaaten einzeln bestimmen können, welche Ergänzungen sie in welchem DBA haben möchten. Decken sich die Vorstellungen mit dem anderen Vertragsstaat des jeweiligen DBA, werden die Ergänzungen vorgenommen.

     

    Die Unterzeichnung des multilateralen Instruments ist seit dem 31.12.16 möglich. Für Juni 2017 ist eine Signing Ceremony in Paris geplant (ausführlich zum multilateralen Instrument s. Reimer, IStR 17, 1 ff.; Benz/Böhmer, ISR 17, 27 ff.).

    Quelle: Ausgabe 06 / 2017 | Seite 165 | ID 44667207