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  • · Nachricht · Aktuelle EuGH-Entscheidung

    Keine Mehrwertsteuerbefreiung ohne Nachweis des innergemeinschaftlichen Geschäfts

    | Einem Unternehmen, das Waren mit Bestimmungsort in einem anderen Mitgliedstaat verkauft hat, kann die Mehrwertsteuerbefreiung versagt werden, wenn es nicht nachgewiesen hat, dass es sich dabei um ein innergemeinschaftliches Geschäft handelte. Hat das Unternehmen diesen Nachweis hingegen erbracht und in gutem Glauben gehandelt, darf ihm die Mehrwertsteuerbefreiung nicht mit der Begründung versagt werden, der Käufer habe die Waren nicht an einen Ort außerhalb des Versandstaats befördert (EuGH 6.9.12, C-273/11). |

     

    Hintergrund | Nach der Mehrwertsteuerrichtlinie wird die in einem Mitgliedstaat erfolgte Veräußerung von Waren, die für einen Käufer in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert werden, im erstgenannten Mitgliedstaat von der Mehrwertsteuer befreit, wenn der Käufer selbst in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ausgangspunkt der Versendung oder Beförderung der Gegenstände steuerpflichtig ist. In einem solchen Fall ist es der Käufer, der die Mehrwertsteuer im Bestimmungsland der Waren abführen muss.

     

    Sachverhalt

    Eine ungarische Gesellschaft verkaufte an eine italienische Gesellschaft 1.000 Tonnen Raps. Die Ware wurde der Käuferin auf dem Betriebsgelände in Ungarn übergeben, und die italienische Gesellschaft übersandte der Verkäuferin von einer italienischen Postanschrift aus mehrere CMR-Frachtbriefe, die belegten, dass der Raps an einen Ort außerhalb Ungarns befördert worden war.

     

    In der Annahme, es handele sich um einen in Ungarn von der Mehrwertsteuer befreiten innergemeinschaftlichen Umsatz stellte die ungarische Gesellschaft der Käuferin die Mehrwertsteuer nicht in Rechnung und führte sie nicht an die ungarische Steuerverwaltung ab. Die italienische Steuerverwaltung stellte jedoch fest, dass die Käuferin unauffindbar war und in Italien nie Mehrwertsteuer abgeführt hatte. Unter diesen Umständen ging die ungarische Steuerverwaltung davon aus, dass der verkaufte Raps nie in einen anderen Mitgliedstaat befördert worden sei und das fragliche Geschäft keine mehrwertsteuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen darstelle. Sie zog die Verkäuferin daher zur Entrichtung der Mehrwertsteuer heran.

     

    Gegen diese Argumentation ging die ungarische Gesellschaft vor das Komitatsgericht Baranya, Ungarn. Dieser ersucht den EuGH um Klärung, welche Beweise hinreichend sind, um das Vorliegen einer mehrwertsteuerbefreiten Lieferung von Gegenständen nachzuweisen. Er möchte auch wissen, in welchem Ausmaß der Verkäufer, wenn er die Beförderung nicht selbst übernimmt, für das rechtswidrige Handeln des Käufers verantwortlich gemacht werden kann, wenn nicht nachgewiesen ist, dass die verkauften Waren im Bestimmungsmitgliedstaat angekommen sind.

     

    Anmerkungen

    In seinem Urteil vom 6.9.12 ruft der Gerichtshof zunächst die drei Voraussetzungen für die Mehrwertsteuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung eines Gegenstands in Erinnerung.

     

    • Erstens muss das Eigentumsrecht an dem Gegenstand auf den Käufer übertragen worden sein.
    • Zweitens muss der Verkäufer nachweisen, dass der Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist.
    • Drittens muss der Gegenstand den Versandmitgliedstaat aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung physisch verlassen haben.

     

    In diesem Zusammenhang stellt der EuGH fest, dass in Ermangelung einer konkreten Bestimmung in der Mehrwertsteuerrichtlinie, welche Beweise das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung belegen können, die Mitgliedstaaten dafür zuständig sind, dies festzulegen.

     

    Der Gerichtshof stellt außerdem fest, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit einer innergemeinschaftlichen Lieferung gestattet, dem Verkäufer einen Anspruch auf Mehrwertsteuerbefreiung zu versagen, wenn er seinen Nachweispflichten nicht nachkommt.

     

    Sodann weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Nachweis, den der Verkäufer gegenüber den Steuerbehörden führen kann, wenn der Käufer im Versandmitgliedstaat die Befähigung hat, über den betreffenden Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, und sich verpflichtet, den Gegenstand in den Bestimmungsmitgliedstaat zu befördern, wesentlich von den Angaben abhängt, die er zu diesem Zweck vom Käufer erhält. Unter diesen Umständen stellt der EuGH fest, dass der Verkäufer, wenn er seinen Nachweispflichten nach nationalem Recht und der gängigen Praxis nachgekommen ist, nicht im Liefermitgliedstaat zur Mehrwertsteuer herangezogen werden kann, wenn der Käufer seine vertragliche Verpflichtung, diese Gegenstände an Orte außerhalb dieses Staates zu versenden oder zu befördern, nicht erfüllt hat. Unter solchen Umständen ist es nämlich der Käufer, der im Liefermitgliedstaat zur Mehrwertsteuer heranzuziehen ist.

     

    Jedoch kann dem Verkäufer die Mehrwertsteuerbefreiung für ein innergemeinschaftliches Geschäft nicht gewährt werden, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass dieses Geschäft mit einer Steuerhinterziehung des Käufers verknüpft war, und er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um diese zu verhindern (s. auch EuGH-Pressemitteilung vom 6.9.12 zum Urteil C-273/11 vom 6.9.12).

    Quelle: ID 35558890